Brandenburgisches OLG, Urteil vom 24.05.2012 - 5 U 88/11
Fundstelle
openJur 2012, 68718
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das 2. Versäumnisurteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 24. August 2011 – Az. 14 O 12/11 – wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund dieses Urteils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des aufgrund dieses Urteils beizutreibenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 562.421,06 €

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Auskehr des Erlöses für die Veräußerung eines Grundstücks gemäß § 3 Abs. 4 S. 3 VermG in Höhe von 562.421,06 € nebst Zinsen in Anspruch.

Nachdem die Beklagte im ersten Verhandlungstermin vor dem Landgericht keinen Sachantrag gestellt hatte, hat das Landgericht die Beklagte mit Versäumnisurteil vom 8. Juni 2011 antragsgemäß verurteilt. Auf den rechtzeitig eingelegten Einspruch ist Termin zur Verhandlung auf den 24. August 2011, 13.00 Uhr bestimmt worden; die Ladungsverfügung ist dem Beklagtenvertreter am 7. Juli 2011 zugegangen.

Mit Fax-Schreiben vom 17. August 2011 beantragte der Beklagtenvertreter, den Verhandlungstermin zu verlegen. Zur Begründung führte er aus, der ihm am 9. August 2011 zugestellte Schriftsatz der Klägerin vom 29. Juli 2011 habe noch nicht mit der Beklagten besprochen werden können. Er sei zunächst krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen, anwaltliche Tätigkeit auszuüben. Die Kanzleimitarbeiterin sei seit dem 10. August urlaubsbedingt abwesend, er könne deshalb keine umfangreichen Schriftsätze fertigen. Die Vorlage einer sachgerechten Erwiderung sei auch wegen unvorhersehbar erhöhten Arbeitsanfalls nicht möglich. Im Übrigen rechtfertige § 227 Abs. 3 S. 1 ZPO eine Verlegung. Unter dem 18. August 2011 teilte das Landgericht dem Beklagtenvertreter mit, dass eine Terminsverlegung nicht beabsichtigt sei, da ein Fall des § 227 Abs. 3 ZPO nicht vorliege und ein anderer erheblicher Grund nicht glaubhaft gemacht sei. Die mangelnde Vorbereitung einer Partei sei jedenfalls nicht ausreichend entschuldigt, der Schriftsatz der Gegenseite vom 29. Juli 2011 enthalte keine neuen Gesichtspunkte.

Am 24. August 2011 erklärte die Beklagte mit um 11:17 Uhr beim Landgericht eingegangenem Fax-Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten, die Einzelrichterin wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen; zugleich beantragte sie im Hinblick auf das Ablehnungsgesuch erneut, den Verhandlungstermin zu verlegen. Das Ablehnungsgesuch begründete sie mit dem Inhalt einer Verfügung der Richterin aus März 2011, die Bewertung der Rechtslage in der mündlichen Verhandlung vom 8. Juni 2011 sowie der Ablehnung der Terminsverlegung.

In der mündlichen Verhandlung vom 24. August 2011 waren beide Parteien anwaltlich vertreten. Das Gericht verkündete zunächst den Beschluss, dass das Ablehnungsgesuch als unzulässig zurückgewiesen werde, da es offensichtlich nur der Prozessverschleppung diene. Nachdem der Beklagtenvertreter erklärt hatte, hiergegen Beschwerde einzulegen, beantragte er, schriftlich zu dem Beschluss Stellung nehmen zu können. Diesen Antrag wies das Gericht ebenfalls zurück mit der Begründung, der Beklagtenvertreter sei anwesend und habe Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Auch insoweit erklärte der Beklagtenvertreter, Beschwerde einzulegen. Anschließend beantragte der Klägervertreter den Erlass eines 2. Versäumnisurteils. Das Gericht beschloss eine Entscheidung am Schluss der Sitzung. Am Schluss der Sitzung ist ein 2. Versäumnisurteil verkündet worden, mit dem der Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 8. Juni 2011 verworfen wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 24. August 2011 (Bl. 252 d.A.) verwiesen.

Nachdem das Landgericht den sofortigen Beschwerden mit Beschlüssen vom 24. und 31. August 2011 nicht abgeholfen hatte, hat das Brandenburgische Oberlandesgericht beide Rechtsmittel mit Beschluss vom 6. Oktober 2011 (1 W 20/11) verworfen und ausgeführt, das Landgericht habe das Ablehnungsgesuch zu Recht als unzulässig verworfen.

Mit der Berufung wendet die Beklagte sich gegen das 2. Versäumnisurteil vom 24. August 2011 und macht geltend, ein Fall der Versäumnis habe nicht vorgelegen. Trotz hinreichender Gründe habe das Landgericht die am 17. August 2011 beantragte Terminsverlegung abgelehnt. Infolge des am 22. August 2011 zugestellten gerichtlichen Schreibens vom 18. August 2011 hätten sich ernstliche Zweifel an der Unbefangenheit der Einzelrichterin ergeben, weshalb am 24. August 2011 ein Befangenheitsantrag gestellt wurde und Aufhebung des Verhandlungstermins beantragt wurde. Da am 24. August 2011 um 12:15 Uhr auf der Geschäftsstelle noch keine Entscheidung über die Anträge bekannt gewesen sei, habe sich der Prozessbevollmächtigte entschlossen, sich zur Klärung persönlich zum Landgericht zu begeben. In der Sitzung seien die Beschlüsse mündlich verkündet worden. Die konkreten Inhalte dieser Beschlüsse seien der Beklagten erst mit Zustellung des Sitzungsprotokolls bekannt geworden; in diesem Zeitpunkt seien die Beschwerden schon vom Beschwerdegericht verworfen worden.

Das Landgericht habe rechtsfehlerhaft ein 2. Versäumnisurteil erlassen, da es am 24. August 2011 selbst noch nicht über sämtliche eingelegte Beschwerden entschieden habe, dies sei erst am 31. August 2011 der Fall gewesen. Ferner finde sich im Protokoll vom 24. August 2011 kein gerichtlicher Hinweis, dass ein 2. Versäumnisurteil erlassen werde, obwohl noch nicht abschließend über die erhobenen Beschwerden entschieden wurde. Ein solcher Hinweis sei auch nicht erteilt worden, das 2. Versäumnisurteil stelle sich deshalb als unzulässige Überraschungsentscheidung dar. Bei entsprechendem gerichtlichem Hinweis hätte eine Sachantragstellung erfolgen können.

II.

Die statthafte Berufung ist bereits unzulässig und war deshalb zu verwerfen, § 522 Abs. 1 ZPO.

Gemäß § 514 Abs. 2 ZPO unterliegt ein 2. Versäumnisurteil der Berufung (nur) insoweit, als sie darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe. Die Zulässigkeit des Rechtsmittels nach § 514 Abs. 2 ZPO setzt die schlüssige Darlegung voraus, ein Fall der Säumnis habe nicht vorgelegen. Dabei muss der Sachverhalt, der die Zulässigkeit der Berufung rechtfertigen soll, schlüssig und vollständig in der Berufungsinstanz vorgetragen werden; die Beweislast für die behauptete unverschuldete Säumnis trägt die Partei, die sich darauf beruft (BGH MDR 2011, 252; Beschluss v. 02.12.2009, Az. IV ZB 13/09; MDR 2009, 355; NJW 2007, 2047; Zöller-Heßler, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 514 Rn 12; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Aufl. 2012, § 514 Rn 6; Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl. 2011, § 514 Rn 6).

Einen Fall unverschuldeter Säumnis im Termin am 24. August 2011 hat die Beklagte in der Berufungsbegründung nicht schlüssig dargetan.

1. Ein zweites Versäumnisurteil darf gemäß § 345 ZPO erlassen werden, wenn der Einspruchsführer im Termin zur Verhandlung über seinen Einspruch erneut säumig ist, weil er nicht erscheint oder nicht zur Hauptsache verhandelt. Die Beklagte legt in der Berufungsbegründung nicht schlüssig dar, in der mündlichen Verhandlung am 24. August 2011 zur Hauptsache verhandelt zu haben.

Die Beklagte war im Einspruchstermin am 24. August 2011 zwar anwaltlich vertreten, hat aber nicht zur Hauptsache verhandelt. Ob ein Verhandeln vorliegt, ist aus den besonderen Umständen des einzelnen Falles für jeden Termin selbständig zu prüfen. Es erfordert eine aktive Beteiligung an der Erörterung des Rechtsstreits vor Gericht. Nichtverhandeln im Sinne des § 333 ZPO ist die völlige Verweigerung der Einlassung zur Sache (BGH MDR 1986, 1021). Da die Beklagte auch im vorangegangenen Verhandlungstermin keinen Sachantrag gestellt hatte, kommt es nicht darauf an, dass ein einmal gestellter Antrag in Folgeterminen nicht zwingend wiederholt werden muss.

Die Beklagte hat ausweislich der Sitzungsniederschrift am 24. August 2011 keinen Sachantrag gestellt. Soweit ihr Prozessbevollmächtigter im Zusammenhang mit der Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs Erklärungen abgegeben hat, führt dies nicht zu einem – dem Erlass eines Versäumnisurteils entgegenstehenden – unvollständigen Verhandeln i.S.v. § 334 ZPO (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 333 Rn 2; Musielak-Stadler, ZPO, 9. Aufl. 2012, § 334 Rn 3). Ein sachliches Eingehen auf das gegnerische Vorbringen lässt sich dem nicht entnehmen.

Nach der Erledigung eines Ablehnungsgesuches hat das Erkenntnisverfahren den im Gesetz vorgesehenen Verlauf zu nehmen. Dazu gehört auch, dass durch Versäumnisurteil zu entscheiden ist, wenn sich eine Partei weigert, nunmehr zu verhandeln. Wäre bereits die Anbringung eines Ablehnungsgesuches für eine Verhandlung im Sinne der §§ 333, 345 ZPO ausreichend, hätte die Partei es in der Hand, den weiteren Verfahrensgang entgegen dem gesetzlichen Leitbild zu beeinträchtigen. Die Partei könnte damit ihr Recht zur Ablehnung eines Richters für verfahrensfremde Zwecke, auch für eine bewusste Verzögerung oder Verschleppung, missbrauchen (BGH MDR 1986, 1021).

Im Streitfall sind nach Erledigung des Ablehnungsgesuchs im Anschluss an den Antrag der Klägerseite auf Erlass eines 2. Versäumnisurteils keine Erklärungen seitens der Beklagten protokolliert worden und sie macht auch nicht geltend, zur Sache verhandelt zu haben.

2. Auch ein Fall unverschuldeter Säumnis ist nicht schlüssig dargetan. Die Säumnis der Beklagten war nicht deshalb unverschuldet, weil das Landgericht ihren Terminsverlegungsanträgen vom 17. und 24. August 2011 nicht entsprochen hat. Voraussetzung jeder Terminverlegung ist, dass ein erheblicher Grund vorliegt und dem Gericht unterbreitet worden ist. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung, ob bei Vorliegen erheblicher Gründe eine Verhandlung vertagt wird (§ 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO), nach pflichtgemäßem Ermessen sowohl das Gebot der Beschleunigung des Verfahrens als auch den Anspruch beider Parteien auf Gewährung rechtlichen Gehörs zu berücksichtigen (BGH MDR 2009, 355).

Die Ablehnung der Terminverlegung lässt einen Ermessensfehler nicht erkennen. Ein Fall des § 227 Abs. 3 S. 1 ZPO lag nicht vor, da der Verlegungsantrag nicht fristgerecht gestellt worden ist. Der Schriftsatz der Klägerin vom 29. Juli 2011 war dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten mehr als zwei Wochen vor dem anberaumten Termin zugegangen. Die mangelnde Vorbereitung der Partei ist durch den diffusen, zeitlich nicht eingegrenzten Hinweis auf krankheitsbedingte Gründe und Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten nicht genügend entschuldigt (§ 227 Abs. 1 Nr. 2 ZPO); sofern dies geboten gewesen wäre, hätte das Gericht der Beklagten auch noch im Termin Schriftsatznachlass gewähren können. Der Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten sich durch Beurlaubung einer Kanzleimitarbeiterin außer Stande gesetzt haben mag, umfangreiche Schriftsätze zu fertigen, ist als von ihm zu verantwortendes Organisationsverschulden kein erheblicher Grund für eine Terminsänderung.

3. Unverschuldet ist die Säumnis ferner, wenn die säumige Partei nicht mit einem Versäumnisurteil rechnen muss (MüKo, ZPO, 3. Aufl. 2007, § 514 Rn 20; Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl. 2011, § 514 Rn 4). Dies kann etwa in Betracht zu ziehen sein, wenn der Gegenanwalt zugesagt hatte, kein Versäumnisurteil zu beantragen (vgl. MüKo aaO) oder wenn kein Prozessantrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gestellt war (vgl. Thomas/Putzo aaO). Auch die Voraussetzungen hierfür trägt die Beklagte nicht schlüssig vor, insbesondere lässt sich ihrem Vorbringen keine unzulässige Überraschungsentscheidung entnehmen.

Ausweislich der Sitzungsniederschrift hat der Klägervertreter ausdrücklich den Erlass eines 2. Versäumnisurteils beantragt, so dass für das Gericht keine Veranlassung bestand, die anwaltlich vertretene Beklagte darauf hinzuweisen, dass ein derartiges Urteil tatsächlich erlassen werden könnte, sofern seitens des Beklagten kein Sachantrag gestellt werden sollte. Der Klägervertreter hatte bereits am Tag zuvor gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten angekündigt, anweisungsgemäß erforderlichenfalls Versäumnisurteil zu beantragen.

Da das Urteil auch nicht unmittelbar nach Antragstellung, sondern erst am Schluss der Sitzung verkündet worden ist, hätte die Beklagte noch Gelegenheit gehabt, den Erlass eines Versäumnisurteils durch Stellung eines Sachantrages zu verhindern. Dass ihr hierzu keine Gelegenheit gegeben worden wäre, trägt auch die Beklagte nicht vor.

Die Säumnis der Beklagten war auch nicht deshalb unverschuldet, weil sie im Hinblick auf die eingelegten Beschwerden gegen die im Termin verkündeten Beschlüsse hätte annehmen dürfen, dass das Gericht zunächst eine Nichtabhilfeentscheidung treffen müsste, bevor in der Sache entschieden werden konnte. Beide Anträge waren mit der Zurückweisung zunächst erledigt, mit der Folge, dass die mündliche Verhandlung fortzusetzen war. Daran änderte die Anfechtbarkeit der Entscheidungen nichts; für einen entsprechenden Suspensiveffekt fehlt eine gesetzliche Grundlage. In dieser prozessualen Situation hätte die Beklagte einen Sachantrag stellen müssen, um dem Gericht eine inhaltliche Befassung mit ihrem Prozessvorbringen zu ermöglichen.

Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.