LAG München, Beschluss vom 10.01.2008 - 2 TaBV 83/07
Fundstelle
openJur 2012, 89537
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 04.05.2007 - 17 BV 85/06 - wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde für den Betriebsrat wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Betriebsrat (Antragsteller) begehrt die Verpflichtung der Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2.), ihn bei der Überführung zahlreicher Mitarbeiter/innen der Arbeitgeberin in das Entgeltsystem des TVöD gem. § 99 BetrVG zu beteiligen und im Falle der verweigerten Zustimmung die Ersetzung beim Gericht zu beantragen. In diesem Zusammenhang bestehen unterschiedliche Auffassungen der Beteiligten insbesondere darüber, ob der TVöD bei der Arbeitgeberin anzuwenden ist und ob die in den §§ 3 ff. des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) für den 01.10.2005 vorgesehene Überleitung der Beschäftigten in den TVöD eine mitbestimmungspflichtige Umgruppierung darstellt.

Die Arbeitgeberin betreibt in der Rechtsform einer GmbH eine Fachklinik mit etwa 400 Beschäftigten. Anlässlich des Betriebsübergangs von der Landesversicherungsanstalt pp. auf die Arbeitgeberin mit Wirkung zum 01.01.1999 schlossen die Landesversicherungsanstalt und die Arbeitgeberin am 29.06.1998 ein Personalüberleitungsvertrag, der u. a. folgende Regelungen enthält:

„§ 1 Übergang der Arbeitsverhältnisse

(1) Die Angestellten, Arbeiter und Auszubildenden der Fachklinik pp., im Folgenden Arbeitnehmer genannt, werden gemäß § 613a BGB von px. übernommen.

(2) px. sichert zu, dass sich alle Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer aus den jeweiligen Regelungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT, Fassung Bund und Länder), des Manteltarifvertrages für Arbeiter/Arbeiterinnen der Mitglieder der TgRV (MTArb-TgRV), des Tarifvertrages zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Schülerinnen/Schüler, die nach Maßgabe des Krankenpflegegesetzes ausgebildet werden, und den sie ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen sowie aus der für die Fachklinik pp. abgeschlossenen Dienstvereinbarung ergeben.

(3) Von Absatz 2 können sich im Hinblick auf § 4 Absatz 2 Abweichungen ergeben. px. verpflichtet sich, etwaige Verringerungen der Vergütungen (Lohn/Gehalt) der Arbeitnehmer im Wege des Besitzschutzes auszugleichen.

§ 4 Zusatzversorgung bei der ZVK

(1) px. verpflichtet sich, die bisher bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder für die übernommenen Arbeitnehmer bestehende Zusatzversorgung durch eine Beteiligung bei der Zusatzversorgungskasse der Bayerischen Gemeinden (ZVK) weiterzuführen.

(2) Zur Erfüllung dieser Verpflichtung hat px. die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine Beteiligung bei der ZVK zu schaffen. Dies gilt vor allem für die Mitgliedschaft beim Kommunalen Arbeitgeberverband Bayern e. V. (KAV), für das anzuwendende Tarifrecht und für die Einrichtung eines Beirates mit maßgeblichem kommunalen Einfluss im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 der Satzung des KAV.

…“

Vom 01.01.1999 bis zum 31.12.2004 war die Arbeitgeberin Vollmitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Bayern e. V. Seit dem 01.01.1999, also seit dem Betriebsübergang, wandte sie bei ihren Mitarbeitern die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes für den Bereich der kommunalen Arbeitgeber an, also den BAT (VKA) und den BMT-G (VKA). Dies geschah auch bei Mitarbeitern, die nach dem 01.01.1999 neu eingestellt wurden. Der BAT i. d. F. für Bund und Länder wurde dagegen ab 1999 nicht mehr angewandt. Die Mitarbeiter sind in den Vergütungsgruppen der Vergütungsordnung BAT bzw. BMT-G jeweils i. d. F. der kommunalen Gebietskörperschaften eingruppiert.

In den Arbeitsverträgen der Mitarbeiter befinden sich jeweils Bezugnahmeklauseln, die in Abhängigkeit vom Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages unterschiedliche Wortlaute haben. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf den Schriftsatz der Arbeitgeberin vom 25.09.2006, Seiten 7 ff. (= Bl. 85 ff. d. A.) Bezug genommen.

Zum 01.01.2005 wandelte die Arbeitgeberin ihre Mitgliedschaft im Kommunalen Arbeitgeberverband Bayern e. V. in eine Gastmitgliedschaft ohne Tarifbindung um. Den am 01.10.2005 in Kraft getretenen TVöD wendet sie tatsächlich nicht an.

Der Betriebsrat ist der Ansicht, die Arbeitgeberin sei zur Anwendung des TVöD und damit auch zur Überleitung der Beschäftigten gem. §§ 3 ff. TVÜ-VKA verpflichtet. Dies ergebe sich zum einen aus dem Personalüberleitungsvertrag, der auch die ab 1999 eingetretenen Mitarbeiter erfasse und der ein Vertrag zugunsten Dritter sei. Zum anderen ergebe sich die Verpflichtung zur Anwendung des TVöD aus den jeweiligen Arbeitsverträgen. Es handle sich um dynamische Bezugnahmeklauseln. Die Verweisung erfasse auch nach dem Austritt der Arbeitgeberin aus dem Arbeitgeberverband abgeschlossene Tarifverträge. Die Überleitung in das Entgeltsystem des TVöD stelle eine Umgruppierung i. S. v. § 99 BetrVG dar, da sich die im Betrieb der Arbeitgeberin anzuwendende Vergütungsordnung geändert habe und die im TVöD vorgesehenen neuen Entgeltgruppen eine neue Systematik aufbauten. Die Mitbestimmung des Betriebsrats bei Umgruppierungen diene einer Richtigkeitskontrolle und sei auch bei der Überleitung geboten. Die vorzunehmende Übertragung erfordere einen Wertungsvorgang.

Der Betriebsrat hat erstinstanzlich beantragt,

der Arbeitgeberin aufzugeben, die Zustimmung des Betriebsrats zur Überführung der nachfolgend namentlich genannten Mitarbeiter (…) in das Entgeltsystem des TVöD nachträglich einzuholen und im Falle der Verweigerung das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten.

Die Arbeitgeberin hat zur Begründung ihres erstinstanzlichen Zurückweisungsantrags vorgetragen, der Antrag des Betriebsrats sei schon unzulässig, da § 101 BetrVG nur bei tatsächlich durchgeführten personellen Einzelmaßnahmen einschlägig sei. Jedenfalls sei der Antrag unbegründet, da keine mitbestimmungspflichtige Maßnahme nach § 99 BetrVG vorliege. Selbst wenn eine Überführung in den TVöD stattfinden müsse, sei dies keine Umgruppierung oder Eingruppierung i. S. v. § 99 BetrVG. Die Überleitung in den TVöD sei lediglich ein Umrechnungsvorgang, bei dem der Arbeitgeber keinerlei Beurteilungs- und Ermessensspielraum habe. Außerdem sei der TVöD nicht anwendbar. Der Personalüberleitungsvertrag begründe keine Verpflichtung zur Anwendung des TVöD. Er betreffe lediglich Mitarbeiter, die im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bereits in einem Arbeitsverhältnis standen. Der Personalüberleitungsvertrag sei auch kein Vertrag zugunsten Dritter, also zugunsten der Arbeitnehmer. Sein § 1 Abs. 2 verdeutliche vielmehr lediglich deklaratorisch die gesetzliche Regelung des § 613a BGB. Ein Vertrag zugunsten Dritter scheide auch aus rechtlichen Gründen aus, da er ein unzulässiger Vertrag zulasten der Arbeitnehmer wäre. Künftige Tarifverträge könnten nämlich auch Änderungen zulasten der Arbeitnehmer beinhalten.

Auch aus den Arbeitsverträgen ergebe sich kein Anspruch auf Überleitung in den TVöD. Sämtliche arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln seien als Gleichstellungsklauseln und zugleich als Tarifwechselklauseln auszulegen. Mit dem Ende der Tarifbindung seien damit nur die zu diesem Zeitpunkt geltenden Tarifverträge statisch weiter anzuwenden. Dies gelte aus Gründen des Vertrauensschutzes auch für Arbeitsverträge, die ab dem 01.01.2002 abgeschlossen wurden.

Mit Beschluss vom 04.05.2007 hat das Arbeitsgericht den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, die Überleitung stelle keine Eingruppierung/Umgruppierung i. S. d. § 99 Abs. 1 BetrVG dar. Mitbestimmungspflichtig sei die Festlegung, welchen Merkmalen der im Betrieb geltenden Vergütungsordnung die jeweilige Tätigkeit entspricht. Dies verlange die Subsumtion eines bestimmten Sachverhalts unter eine vorgegebene Ordnung. Bei der Überleitung in den TVöD bestehe wegen der eindeutigen Zuordnung der Beschäftigten zu den jeweiligen Entgeltgruppen nach § 4 TVÜ-VKA i. V. m. der Anlage 1 hierzu keinerlei Klärungsbedarf. Die Zuordnung erfolge vielmehr durch eine vergleichende Einordnung entsprechend den jeweiligen Tabellenwerten, nicht jedoch aufgrund einer wie immer gearteten Subsumtion. Die Arbeitgeberin müsse lediglich der Anlage 1 entnehmen, welcher Entgeltgruppe des TVöD die bisherige Vergütungsgruppe bzw. Lohngruppe entspricht. Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Gegen diesen den Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats am 21.06.2007 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde des Betriebsrats vom 20.07.2007, die am 20.08.2007 begründet worden ist.

Der Betriebsrat hält die Auffassung des Arbeitsgerichts, mit der Überführung in den TVöD sei kein Umgruppierungstatbestand verbunden, für fehlerhaft. Mit dem TVöD sei eine neue Vergütungsstruktur eingeführt worden, wenngleich diese zunächst Bezugnahmen auf die bisherigen tariflichen Regelungen beinhalte. Die neue Entgeltgruppe könne nicht durch einen schematischen Vergleich und einen Blick in die Anlage 1 zum TVÜ-VKA festgestellt werden. Beispielsweise gebe es für die bisherige Vergütungsgruppe II BAT drei mögliche Entgeltgruppen nach dem TVöD, nämlich 12, 13 oder 14. Bei den neuen Entgeltgruppen 3, 5, 6 und 8 sei zu unterscheiden, ob eine Zuordnung zur Aufstiegsvergütungsgruppe stattfinde oder nicht. Deshalb müsse geklärt werden, ob die Rechtsauffassung der Arbeitgeberin zur Eingruppierung in die neuen Entgeltgruppen zutreffe. Diese Richtigkeitskontrolle sei Zweck der Mitbestimmung des Betriebsrats. Die Arbeitgeberin sei auch verpflichtet, den TVöD anzuwenden. Hierzu wiederholt und vertieft er seinen erstinstanzlichen Sachvortrag.

Er stellt folgende Anträge:

1. Auf die Beschwerde vom 20.07.2007 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 04.05.2007 - 17 BV 85/06 - wird dieser aufgehoben.

2. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, den Antragsteller hinsichtlich der zum 01.10.2005 vorzunehmenden Überführung der Mitarbeiter

pp.

(Seite 7 bis Seite 15 folgt Auflistung von 327 Mitarbeitern) in das Entgeltsystem des TVöD gem. § 99 BetrVG zu beteiligen und im Falle der verweigerten Zustimmung die Ersetzung bei Gericht zu beantragen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts für zutreffend. Wegen der eindeutigen Zuordnung der Beschäftigten zu den jeweiligen Entgeltgruppen des TVöD nach § 4 TVÜ-VKA und der Anlage 1 hierzu bestehe kein Klärungsbedarf. Die Zuordnung erfolge durch ein Vergleichen der Einordnung gem. den jeweiligen Tabellenwerten, nicht jedoch aufgrund einer Subsumtion. Die Anlage 1 basiere auf der festgestellten Eingruppierung nach BAT. Auch bei der Handhabung der Bewährungs- und Fallgruppenaufstiege habe die Arbeitgeberin keinen Beurteilungsspielraum.

Außerdem wiederholt und vertieft sie ihre erstinstanzlichen Ausführungen dazu, dass der TVöD nicht anwendbar sei. Er sei schon kein den BAT ersetzender Tarifvertrag. Des Weiteren ergebe sich weder aus dem Personalüberleitungsvertrag noch aus den Arbeitsverträgen ein Anspruch auf Überleitung in den TVöD.

Schließlich weist die Arbeitgeberin darauf hin, dass der Antrag des Betriebsrats Mitarbeiter enthalte, die bereits ausgeschieden bzw. gar nicht bei ihr beschäftigt seien.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachvortrags der Beteiligten im Beschwerdeverfahren wird auf die Schriftsätze des Betriebsrats vom 20.08.2007 und 29.11.2007 sowie der Arbeitgeberin vom 23.10.2007 Bezug genommen, außerdem auf die Sitzungsniederschrift vom 06.12.2007.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet, weil das Arbeitsgericht im Ergebnis zu Recht eine Verpflichtung der Arbeitgeberin, den Betriebsrat bei der Überführung der Mitarbeiter/innen in den TVöD gem. §§ 99 ff. BetrVG zu beteiligen, verneint hat. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Vergütungsordnung des TVöD bei der Arbeitgeberin weder tatsächlich angewendet wird noch eine Verpflichtung hierzu besteht. Deshalb kann offen bleiben, ob die Überleitung von Beschäftigten in das Entgeltsystem des TVöD eine mitbestimmungspflichtige Umgruppierung nach § 99 BetrVG darstellt.

1. Das Fehlen eines Mitbestimmungsrechts ergibt sich allerdings nicht schon daraus, dass die Arbeitgeberin den TVöD tatsächlich nicht anwendet. Da die Ein- oder Umgruppierung keine gestaltende Maßnahme, sondern eine Rechtsanwendung ist, bezieht sich das Mitbestimmungsrecht auf die zutreffende Anwendung des Entgeltsystems. Dabei gehört zum mitbestimmungspflichtigen Tatbestand auch die Frage, ob der Arbeitgeber die zutreffende Vergütungsordnung anwendet (BAG vom 27.06.2000 - 1 ABR 36/99 - NZA 2001, 626). Der Betriebsrat kann also im Rahmen des vorliegenden Verfahrens prüfen lassen, ob die Arbeitgeberin zur Anwendung der Vergütungsordnung des TVöD verpflichtet ist.

2. Eine solche Verpflichtung ergibt sich weder aus dem Personalüberleitungsvertrag vom 29.06.1998 noch aus den Bezugnahmeklauseln in den Arbeitsverträgen der einzelnen Mitarbeiter/innen. Dies ergibt sich aus Gründen, die sich im Hinblick auf das Eintrittsdatum der Arbeitnehmer/innen unterscheiden.

a) Die unterschiedlichen Regelungen in den bis 1998 abgeschlossenen Arbeitsverträgen , nach denen sich das Arbeitsverhältnis nach den jeweils einschlägigen Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes (MTL II, MTArb-TgRV, BMT-G, BAT, Tarifverträge der Tarifgemeinschaft der gesetzlichen Rentenversicherung) und den diese Tarifverträge ergänzenden, ändernden oder an ihre Stelle tretenden Tarifverträgen bestimmt bzw. nach denen sich die Bezugnahme aus ähnlichen Formulierungen ergibt, begründen keine Verpflichtung der Arbeitgeberin, nach dem Wegfall ihrer Tarifbindung zum 31.12.2004 weiter die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes anzuwenden. Dies ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur sog. Gleichstellungsabrede. Danach gilt für die Auslegung von arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln in bis zum 31.12.2001 abgeschlossenen Arbeitsverträgen die Auslegungsregel, wonach die Bezugnahme in einem von einem tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag auf die für das Arbeitsverhältnis einschlägigen Tarifverträge regelmäßig als Gleichstellungsabrede auszulegen ist, also nur die Gleichstellung nicht tarifgebundener mit tarifgebundenen Arbeitnehmern bezweckt. Eine solche Vertragsklausel sollte dazu führen, dass sämtliche Arbeitnehmer Arbeitsverhältnisse mit dem Inhalt haben, wie er für tarifgebundene Arbeitnehmer gilt. Die vertragliche Anbindung an die dynamische Entwicklung der tariflich geregelten Arbeitsbedingungen endet aber, wenn sie tarifrechtlich auch für einen tarifgebundenen Arbeitnehmer endet, z. B. durch den Austritt des Arbeitgebers aus dem zuständigen Arbeitgeberverband (BAG vom 14.12.2005 - 4 AZR 536/04 - NZA 2006, 607; BAG vom 18.04.2007 - 4 AZR 652/05 - NZA 2007, 965). Das Bundesarbeitsgericht hat diese Auslegung früher damit begründet, dass der Arbeitgeber bei Vertragsschluss das Bestehen einer Mitgliedschaft in der zuständigen Gewerkschaft und eine dadurch begründete Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers in der Regel nicht kenne und nicht erfragen dürfe. Deshalb nehme der Arbeitgeber zur Gleichstellung aller bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer eine Bezugnahmeklausel in die Arbeitsverträge auf.

Die oben skizzierte Auslegungsregel möchte das Bundesarbeitsgericht heute nur noch auf Arbeitsverträge anwenden, die bis zum 31.12.2001 geschlossen wurden (BAG aaO). Aus ihr ergibt sich, dass die Bindung der Arbeitsverhältnisse an die jeweiligen Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, also auch an künftig abzuschließende Tarifverträge mit dem Wechsel der Arbeitgeberin in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung beim Kommunalen Arbeitgeberverband Bayern e. V. endete. Die beim Wegfall der Tarifbindung anzuwendenden Tarifverträge gelten statisch fort.

Bei den vor dem 01.01.1999 eingetretenen Mitarbeitern ergibt sich die Anwendbarkeit des TVöD auch nicht aus dem Personalüberleitungsvertrag, weil dieser kein wirksamer Vertrag zugunsten Dritter, also zugunsten der Mitarbeiter/innen ist.

39Es kann offen bleiben, ob durch den Personalüberleitungsvertrag unmittelbare Rechte dieser Arbeitnehmer begründet werden sollten. Wenn man dies zugunsten des Betriebsrats annimmt, handelt es sich um einen unzulässigen Vertrag zulasten Dritter. Der Personalüberleitungsvertrag wurde zwischen dem früheren und dem neuen Betriebsinhaber geschlossen, während die Arbeitnehmer nicht beteiligt wurden. Dritte, also auch Arbeitnehmer, können aus einem solchen Vertrag nur dann unmittelbare Rechte erwerben, wenn es sich um einen Vertrag zugunsten Dritter handelt (§ 328 BGB). Dagegen können Verträge zulasten Dritter nicht wirksam geschlossen werden (Palandt/Heinrichs, BGB, Rn. 10 vor § 328 m. w. N.; LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 06.09.2007 - 1 Sa 358/06). Bei der Prüfung, ob eine dynamische Verweisung auf ein Tarifwerk die betroffenen Mitarbeiter/innen begünstigt, können tariflich begründete Pflichten der Arbeitnehmer nicht ohne weiteres i. S. einer Gesamtbetrachtung von begünstigenden und benachteiligenden Regelungen außer Acht gelassen werden (BAG vom 20.04.2005 - 4 AZR 292/04 - NZA 2006, 281). Vielmehr ist ein Vertrag, der zu Belastungen nicht beteiligter Dritter führen kann, für Dritte insgesamt nicht bindend (ebenso LAG Mecklenburg-Vorpommern aaO).

40Eine dynamische Verweisung auf die jeweils geltenden Tarifverträge des öffentlichen Dienstes wäre ein solcher unwirksamer Vertrag zulasten der Arbeitnehmer. Dies ergibt sich daraus, dass Tarifverträge typischerweise nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten der Arbeitnehmer begründen. Außerdem können Tarifverträge zulasten der Arbeitnehmer geändert werden und damit zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen führen, die einzelvertraglich nur durch eine Änderungsvereinbarung oder eine wirksame Änderungskündigung herbeigeführt werden könnten (BAG vom 20.04.2005 aaO).

Der vorliegende Personalüberleitungsvertrag vom 29.06.1998 ist anders als die vom Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 20.04.2005 beurteilte notarielle Vereinbarung kein wirksamer Vertrag zugunsten Dritter, wenn man mit dem Betriebsrat einen entsprechenden Willen der Vertragspartner annimmt. Er regelt nämlich kein Wahlrecht des einzelnen Arbeitnehmers, ob die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes für ihn gelten sollen oder nicht. Auch der Umstand, dass die Arbeitsverträge der Arbeitnehmer/-innen auf die jeweiligen Tarifverträge des öffentlichen Dienstes Bezug nehmen, macht den Personalüberleitungsvertrag nicht zu einem wirksamen Vertrag zugunsten Dritter. Wie ausgeführt sollte durch diese arbeitsvertragliche Klausel nur eine Gleichstellung der nicht organisierten Arbeitnehmer mit Gewerkschaftsmitgliedern erreicht werden, nicht dagegen eine über die Dauer der Tarifbindung des jeweiligen Arbeitgebers hinausgehende dynamische Verweisung. Bei einer solchen Bedeutung einer Bezugnahmeklausel hat eine dauerhafte künftige Tarifdynamik auch nachteilige Folgen für die Arbeitnehmer. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten und bei einer fortschreitenden Globalisierung kann eine statische Weitergeltung eines bestimmten Tarifzustandes für die Arbeitnehmer vorteilhafter sein als eine dynamische Verweisung.

Weiter ist darauf hinzuweisen, dass kein echtes Bedürfnis besteht, Arbeitnehmern mit einem Vertrag wie dem vorliegenden Personalüberleitungsvertrag unmittelbare Rechte einzuräumen. Den berechtigten Interessen der Mitarbeiter kann nicht nur durch die Einräumung eines Wahlrechts (s. o.), sondern auch dadurch Rechnung getragen werden, dass in dem Personalüberleitungsvertrag lediglich eine Verpflichtung des Erwerbers begründet wird, den Arbeitnehmern bestimmte Garantien für die Zukunft anzubieten. Solche Garantien können dann einzelvertraglich vereinbart werden.

Bei den bis 1998 eingestellten Arbeitnehmern ergibt sich eine Verpflichtung zur Anwendung des TVöD schließlich nicht aus betrieblicher Übung. Ein solcher Anspruch kann nur entstehen, wenn es an einer anderen kollektiv- oder individualrechtlichen Grundlage für die Leistungsgewährung fehlt (BAG vom 24.11.2004 - 10 AZR 202/04 - NZA 2005, 349). Die Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin und die Arbeitgeberin selbst wandten die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes aufgrund ihrer Tarifbindung sowie der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln an. In einem solchen Fall kann nicht angenommen werden, sie hätten sich über die Verpflichtungen, die sich aus ihrer Tarifbindung und den Arbeitsverträgen ergaben, hinaus verpflichten wollen. Vielmehr kann die Anwendung der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes in einem solchen Fall nur so verstanden werden, dass der Arbeitgeber seine Verpflichtungen aus den Tarifverträgen erfüllen und seine Arbeitnehmer gleich behandeln will (BAG vom 03.11.2004 - 5 AZR 622/03 - NZA 2005, 1208).

b) Auch bei den zwischen 1999 und 2001 eingestellten Arbeitnehmern besteht keine Verpflichtung zur Anwendung des TVöD. Dies ergibt sich aus den oben ausgeführten Gründen.

Die Arbeitsverträge begründen keine solche Verpflichtung, weil auch die nun verwendeten Klauseln, die auf die Tarifverträge i. d. F. der kommunalen Gebietskörperschaften Bezug nehmen, als Gleichstellungsabreden auszulegen sind. Die Arbeitsverträge verweisen auf Tarifverträge, die die Arbeitgeberin bei Gewerkschaftsmitgliedern aufgrund ihrer Tarifbindung anwenden musste.

Der Personalüberleitungsvertrag führt schon deshalb nicht zu einer Anwendung des TVöD, weil er die nach dem Betriebsübergang eingetretenen Mitarbeiter nicht erfasst. Dies ergibt eine Auslegung des Vertrages nach §§ 133, 157 BGB. Danach ist zunächst vom Wortlaut der Erklärung auszugehen. Dann sind auch außerhalb des Vertrages liegende Begleitumstände in die Auslegung einzubeziehen, etwa die Vorgeschichte, der mit dem Vertrag verfolgte Zweck und die bestehende Interessenlage. Dabei muss deutlich werden, dass der Dritte unmittelbar aus der Vereinbarung Rechte herleiten soll (Palandt/Heinrichs, BGB, Rn. 4 ff. zu § 133 m. w. N. und Rn. 3 zu § 328).

Schon aus dem Wortlaut des Personalüberleitungsvertrages ergibt sich, dass er jedenfalls für künftig einzustellende Arbeitnehmer keine unmittelbaren Rechte begründen sollte. Ein Personalüberleitungsvertrag regelt die Überleitung von bereits beschäftigten Arbeitnehmern, nicht jedoch von solchen Personen, die noch gar nicht beschäftigt sind und deshalb nicht übergeleitet werden können. § 1 Abs. 1 knüpft daran an und spricht Arbeitnehmer an, die gem. § 613a BGB übernommen werden. Auch § 1 Abs. 2 bringt nicht zum Ausdruck, dass es um Personen gehen soll, die erst künftig in der Fachklinik beschäftigt werden.

Aus dem Zweck des Personalüberleitungsvertrages, insbesondere des § 1 Abs. 2 sowie den Interessen der Vertragspartner ergibt sich nicht, dass durch den Vertrag Rechte künftig einzutretender Arbeitnehmer begründet werden sollten. Der Veräußerer eines Betriebes kann ein Interesse daran haben, die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer bei einem Betriebsübergang abzusichern. Dieses Interesse kann sich nicht nur aus seiner Fürsorge für die bisher bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer ergeben, sondern auch daraus, dass er Widersprüchen gegen den Betriebsübergang vorbeugen will. Dagegen ist nicht nachvollziehbar, warum sich ein Erwerber für künftig einzustellende Arbeitnehmer dauerhaft gegenüber dem Veräußerer binden und ein Veräußerer ein Interesse an einer solchen Regelung haben sollte.

Ein anderes Auslegungsergebnis ergibt sich nicht aus der in § 4 Abs. 2 des Vertrages angesprochenen Mitgliedschaft im Kommunalen Arbeitgeberverband Bayern e. V. Diese Mitgliedschaft wird lediglich als Voraussetzung für eine Beteiligung bei der Zusatzversorgung der bayerischen Gemeinen (ZVK) angesprochen. Weder der Wortlaut der Bestimmung noch ihre Stellung im Vertrag bringen die vom Betriebsrat angenommene Verpflichtung, auch für künftig einzustellende Arbeitnehmer die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes anzuwenden, zum Ausdruck. Für eine solche dauerhafte und von einer Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband unabhängige Verpflichtung gibt es keine Anhaltspunkte im Personalüberleitungsvertrag.

Im Übrigen wäre der Personalüberleitungsvertrag aber auch dann aus den oben angeführten Gründen ein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter, wenn er künftig einzustellende Arbeitnehmer erfassen würde.

c) Aus den angeführten Gründen führt der Personalüberleitungsvertrag auch bei Arbeitnehmern, die zwischen 2001 und 2004 von der Arbeitgeberin eingestellt wurden , nicht zur Anwendung des TVöD.

Nach Ansicht der Kammer gilt dies auch für die in diesem Zeitraum abgeschlossenen Arbeitsverträge mit den Verweisungsklauseln auf die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes für den Bereich der kommunalen Arbeitgeber. Nach der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Vierten Senats des Bundesarbeitsgerichts (Urteile vom 14.12.2005 und 18.04.2007) können allerdings Bezugnahmeklauseln, die ab dem 01.01.2002 vereinbart wurden, nicht mehr als Gleichstellungsabreden i. S. der früheren Rechtsprechung ausgelegt werden. Das Bundesarbeitsgericht begründet diesen Stichtag mit dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 01.01.2002. Es ist der Auffassung, Arbeitgebern sei aufgrund der langjährigen früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bis zu diesem Tag Vertrauensschutz zu gewähren.

53Die Kammer teilt die Kritik der Arbeitgeberin daran, dass für den Vertrauensschutz an das Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes angeknüpft wird. Noch im Urteil vom 19.03.2003 (4 AZR 331/02 - NZA 2003, 1207) hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts nicht nur seine bisherige Rechtsprechung verteidigt, sondern sich mit den §§ 305 bis 310 BGB auseinandergesetzt. Er hat angenommen, die Unklarheitenregelung (§ 305c Abs. 2 i. V. m. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB) stehe einer Auslegung als Gleichstellungsabrede nicht entgegen. Zweifel an der Auslegung einer Bezugnahme auf die einschlägigen Tarifregelungen in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag als Gleichstellungsabrede könnten nicht als berechtigt anerkannt werden. Vor diesem Hintergrund bestand ein schutzwürdiges Vertrauen in die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bis zum 14.12.2005. Erst an diesem Tag hat der zuständige Senat des Bundesarbeitsgerichts angekündigt, dass er seine Rechtsprechung ändern werde (ähnlich Giesen, NZA 2006, 628; Clemenz, NZA 2007, 769; Spielberger, NZA 2007, 1086, Albertz, BB 2007, 2740).

III.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde für den Betriebrat beruht auf §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 ArbGG.

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