OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31.03.2011 - 18 A 2195/09
Fundstelle
openJur 2012, 78605
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Kläger begehrt die Zulassung der Berufung lediglich insoweit, als das Verwaltungsgericht seine Klage gegen die durch den Bescheid des Beklagten vom 25. Juli 2006 verfügte Ausweisung (Nr. 1 des Bescheids) und Abschiebungsandrohung (Nr. 2) abgewiesen hat. Dieser auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr.2 VwGO), grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), eine Abweichung von der übergeordneten Rechtsprechung (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) und Verfahrensmängel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) gestützte Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Keiner der geltend gemachten Gründe rechtfertigt es, die Berufung zuzulassen.

Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Derartige Zweifel bestehen, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird.

Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. (2010), § 124 Rdnr. 75 m. w. N.

Das ist hier nicht der Fall. Die Begründung des Zulassungsantrags kann nicht durchgreifend in Zweifel ziehen, dass der Ausweisungsgrund des § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 8 Buchst. b AufenthG verwirklicht ist, weil der Kläger in einer Weise zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufgestachelt hat, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören. Durch sein Verhalten hat der Kläger einen schwerwiegenden Ausweisungsanlass im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG geschaffen. Diese Einschätzung beruht auf einer vom Verwaltungsgericht zutreffend vorgenommenen Gesamtschau der Äußerungen des Klägers, die durch die im Zulassungsverfahren erhobenen Einwendungen nicht erschüttert wird.

Die Begründung des Zulassungsantrags weckt keine ernstlichen Zweifel daran, dass die dem Kläger zugeschriebenen Predigten tatsächlich von ihm gehalten wurden. Wenn der Kläger darauf verweist, im Islamischen Zentrum in N. und N1. hätten zahlreiche Imame gepredigt und es seien ca. 2.000 Videokassetten beschlagnahmt worden, kann dies die vom Bundeskriminalamt vorgenommene Zuordnung zu einzelnen Personen nicht in Frage stellen. Gerade bei Videokassetten sind Verwechslungen fernliegend, weil der Redner im Bild festgehalten und so unschwer zu identifizieren ist. Der Kläger hat auch nicht eine der ihm zugeordneten Predigten konkret benannt, die nicht von ihm, sondern von einem anderen Imam gehalten worden sein soll.

Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel daran, dass die vorliegenden Übersetzungen die in arabischer Sprache getätigten Äußerungen des Klägers jedenfalls ihrem wesentlichen Inhalt nach zutreffend ins Deutsche übertragen haben. Das beschließende Gericht hat in seinem den Widerruf der Asylanerkennung des Klägers betreffenden Urteil vom 9. März 2011 11 A 1439/07.A ausgeführt, dass zwei weitgehend übereinstimmende Übersetzungen von zentralen Äußerungen vorliegen, von denen eine im Auftrag des Bundeskriminalamts und eine im Auftrag des Verwaltungsgerichts N1. gefertigt wurde. Dass unabhängig voneinander zwei falsche, einander aber weitgehend entsprechende Übersetzungen angefertigt wurden, ist fernliegend.

Unabhängig hiervon reicht die Begründung des Zulassungsantrags nicht aus, um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Übersetzungen darzulegen. Die Qualifikation der tätig gewordenen Übersetzer wird mit dem Zulassungsantrag nicht in Frage gestellt. Zudem sind die Angaben des Klägers zum Ausmaß der angeblichen Übersetzungsfehler widersprüchlich. So behauptet er in seiner Begründung des Zulassungsantrags zunächst, die Übersetzungen seien "in wesentlichen Teilen" (Seite 3 des Schriftsatzes vom 9. November 2009) falsch. Später macht er geltend, sie seien "sämtlich falsch" (Seite 4), um schließlich vorzutragen, sie seien "nur teilweise richtig", im Übrigen entsprächen seine Äußerungen Stellen aus dem Koran (Seite 6). Seine Behauptung, die Dolmetscher hätten Übersetzungsfehler eingeräumt, substantiiert der Kläger nicht. Er legt weder dar, welche Dolmetscher bei welcher Gelegenheit Fehler eingeräumt haben sollen, noch welche Texte im Einzelnen betroffen sein sollen. Über diese pauschalen und teilweise widersprüchlichen Ausführungen hinaus zeigt der Kläger keine konkreten Fehler auf, die die Aussagekraft der Übersetzungen insgesamt in Zweifel ziehen könnten. In der Begründung des Zulassungsantrags bezeichnet er konkret nur das Asservat Nr. 2.4.2.3.220. Auch insoweit stellt er der angeblich fehlerhaften Übersetzung, die das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, jedoch nicht den aus seiner Sicht korrekten Wortlaut seiner Äußerungen entgegen, sondern fasst die angebliche Aussage des etwa eine halbe Seite langen Textes in lediglich drei Zeilen zusammen. Die Punkte, in denen sich der Kläger in der Hauptverhandlung beim Amtsgericht N1. am 12. September 2006 gegen die Richtigkeit der Übersetzung des Wortlauts seiner Äußerungen gewandt hat, betrafen Details, die die grundsätzlichen Inhalte seiner Predigten nicht in Frage stellen.

Das Verwaltungsgericht hat unter eingehender Auswertung der dokumentierten Äußerungen des Klägers überzeugend ausgeführt, dass dieser den Ausweisungstatbestand des § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 8 Buchst. b AufenthG verwirklicht hat, indem er Menschen, die nicht dem Islam anhängen, verächtlich gemacht und herabgewürdigt sowie religiös motivierte Gewalttaten befürwortet hat. Wenn der Kläger geltend macht, die arabische Sprache sei sehr blumenreich, ändert dies nichts an den grundsätzlichen Aussagen seiner Predigten und deren radikalisierender Wirkung auf die in Deutschland lebenden Zuhörer.

Die Berufung ist auch nicht deshalb zuzulassen, weil der Kläger sich zum Beleg seiner Behauptung, er habe sich zu keinem Zeitpunkt extremistisch geäußert und zu Gewalt und Rassenhass aufgestachelt, auf Zeugen berufen hat. Dieses pauschale Vorbringen lässt bereits die zur Darlegung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils erforderliche konkrete Auseinandersetzung mit den Textstellen vermissen, die das Verwaltungsgericht zum Beleg für seine gegenteilige Ansicht herangezogen hat. Zudem kommt es auf den vom Verwaltungsgericht zutreffend herausgearbeiteten objektiven Aussagegehalt der Predigten und deren Wirkung auf die überwiegende Mehrheit der Zuhörer an. Sollten einzelne - vom Kläger als Zeugen benannte - Zuhörer dessen Reden anders verstanden haben, wäre dies unerheblich.

Wenn der Kläger geltend macht, die vom Amtsgericht N1. als Zeugen vernommenen Dolmetscher hätten bestätigt, dass auf den Videokassetten keine gewaltverherrlichenden Ausführungen vorhanden seien, nicht zur Tötung von Juden, Christen und Andersgläubigen aufgerufen werde und auch nicht zu Gewalt oder Menschenhass, ist dies unzutreffend. Keiner der Zeugen hat sich beim Amtsgericht in dieser Weise geäußert. Zudem betraf das gegen den Kläger geführte Strafverfahren wegen Volksverhetzung nur einen kleinen Teil des Materials, das Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist und vom Verwaltungsgericht umfassend ausgewertet wurde.

Wenn der Kläger geltend macht, die ihm zugeschriebenen Äußerungen lägen mehr als zehn Jahre zurück, kann dies die Richtigkeit des angegriffenen Urteils ebenfalls nicht in Frage stellen. Die seit den Äußerungen vergangene Zeit lässt für sich genommen nicht auf einen Einstellungswandel schließen. Zudem ist der Aufruf zur Gewaltlosigkeit, auf den sich der Kläger beruft, im Januar 2000 erfolgt und liegt damit ebenfalls mehr als zehn Jahre zurück. Für die Zwischenzeit hat der Kläger lediglich pauschal geltend gemacht, sich an Infoständen, die er vor der Moschee aufgebaut habe, für Gewaltfreiheit eingesetzt zu haben, und auf einen einzelnen Zeitungsartikel verwiesen, der im Juni 2008 in der Zeitschrift "The New Yorker" erschienen ist und in dem er dahingehend zitiert werden soll, er unterstütze die Kräfte, die sich für einen gewaltfreien Kampf einsetzen. Diesen Äußerungen kommt bei der gebotenen Gesamtschau angesichts der Vielzahl von Dokumenten, die in eine andere Richtung deuten, kein entscheidendes Gewicht zu.

Dies gilt insbesondere, weil das Verwaltungsgericht aus den noch bis weit ins Jahr 2008 im Internet veröffentlichten Erklärungen des Vereins "Islamisches Zentrum N. e.V.", dessen 1. Vorsitzender der Kläger ist, eine weiterhin bestehende Wiederholungsgefahr hergeleitet hat. Die hiergegen vom Kläger erhobenen Einwendungen greifen nicht durch. Wenn er geltend macht, es sei vergessen worden, den Verein aus dem Handelsregister austragen zu lassen, als er seine Tätigkeit für ihn eingestellt habe, ist dies bereits nicht nachvollziehbar. Weder erfolgt die Eintragung von Vereinen im Handelsregister, noch könnte es die Löschung des Vereins rechtfertigen, wenn der Kläger seine Tätigkeit für diesen eingestellt hätte. Unabhängig hiervon reicht die pauschale und nicht ansatzweise substantiierte Behauptung, der Kläger habe seine Tätigkeit für den Verein eingestellt, nicht aus, um seine führende Rolle im Verein in Frage zu stellen.

War der Kläger jedenfalls im Jahr 2008 noch der führende Kopf des Vereins, hat das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, dass er die Veröffentlichungen auf dessen Internetseite zumindest geduldet haben muss. Selbst wenn ein anderer für die Gestaltung des Internetauftritts verantwortlich gewesen sein sollte, ist fernliegend, dass der Kläger vom Inhalt der für die Außendarstellung wesentlichen Veröffentlichungen keine Kenntnis gehabt haben will. Seine Behauptung, er habe zu den Internetauftritten keinerlei Bezug, er verstehe nichts von der Gestaltung von Internetseiten, ist bereits deshalb unglaubhaft, weil er die Internetseite nach seinen Angaben im Asylverfahren, die er im Zulassungsverfahren noch einmal bestätigt hat, bereits vor Jahren für seine Zwecke genutzt hat. Ob die Texte, aus denen das Verwaltungsgericht die weiterhin gegebene Wiederholungsgefahr hergeleitet hat, bereits vor 2000 ins Internet gestellt wurden, ist ebenso unerheblich wie die Behauptung des Klägers, er habe seinerzeit und noch einige Jahre danach keine hinreichenden Deutschkenntnisse gehabt, um die Internetseite zu gestalten und zu kontrollieren. Wenn die Texte 2008 noch auf der Internetseite des Vereins zu finden waren, spricht alles dafür, dass die in ihnen vertretenen Auffassungen weiterhin die Meinung des Vereins darstellten. Andernfalls hätte es sich aufgedrängt, die Texte zu löschen. Dass er noch 2008 nicht in der Lage war, die deutschsprachigen Texte zu verstehen, macht der Kläger nicht geltend und ist angesichts der Einwendungen, die er persönlich schon 2006 im Strafverfahren gegen die Richtigkeit der Übersetzungen erhoben hat, auch fernliegend.

Die Begründung des Zulassungsantrags weckt auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Bewertung des Verwaltungsgerichts, dass das durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens der Ausweisung des Klägers nicht entgegensteht. Dass dieser weiterhin nach den Moralvorstellungen seines Heimatlands lebt, wird im Zulassungsverfahren nicht in Abrede gestellt. Diese Feststellung zielt - anders als vom Kläger geltend gemacht - weder auf eine Diskriminierung der in Ägypten herrschenden Moralvorstellungen noch auf deren Qualifizierung als eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Bundesgebiet. Die Moralvorstellungen, nach denen der Kläger sein Leben ausrichtet, sind für die Prüfung des Art. 8 Abs. 1 EMRK insoweit von Belang, als das Festhalten an den Moralvorstellungen seines Heimatlands es dem Kläger erleichtert, sich nach einer Rückkehr nach Ägypten wieder in die dortigen Lebensverhältnisse einzufügen. Zudem ist vor diesem Hintergrund fernliegend, dass er während seines Aufenthalts in Deutschland zu einem faktischen Inländer geworden sein könnte.

Auch die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, die Kinder des Klägers seien offensichtlich entsprechend den Moralvorstellungen des Heimatlandes erzogen worden, wird durch die Begründung des Zulassungsantrags nicht erschüttert. Wenn die Kinder mit den westlichen Umgangsformen und der westlichen Gesellschaftsordnung sowie den hiesigen Moralvorstellungen bestens vertraut sind und am Sport- und Schwimmunterricht teilnehmen, folgt hieraus nicht, dass sie nicht nach den Moralvorstellungen des Heimatlandes erzogen werden. Erst Recht lässt dies nicht darauf schließen, dass es ihnen unzumutbar sein könnte, sich mit Hilfe des Klägers in die Lebensverhältnisse in Ägypten einzufügen. Ebenso wenig ergibt sich aus den nicht näher substantiierten außerschulischen Aktivitäten der Kinder oder der pauschalen Behauptung, die Familie sei vollkommen integriert, dass auch nur ein Familienmitglied zu einem faktischen Inländer geworden sein könnte.

Einwendungen gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung hat der Kläger im Zulassungsverfahren nicht geltend gemacht.

Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten liegen grundsätzlich nicht vor, wenn - wie hier - im Hinblick auf die insoweit vorgetragenen Gründe ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung verneint worden sind, weil die Richtigkeit der Entscheidung bereits im Zulassungsverfahren festgestellt werden kann.

Die Berufung ist nicht aufgrund der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache setzt grundsätzlich voraus, dass eine bestimmte, obergerichtlich oder höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärte und für die Berufungsentscheidung erhebliche Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art herausgearbeitet und formuliert wird; außerdem muss angegeben werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Juni 2007 18 A 5016/05 und vom 26. Juni 2007 6 A 1785/05 , jeweils juris.

Diese Anforderungen sind hier nicht erfüllt. Soweit der Kläger pauschal darauf verweist, es lägen noch keine abschließenden, grundlegenden Entscheidungen zu §§ 55 und 56 AufenthG vor, fehlt es bereits an der Herausarbeitung einer konkreten Rechtsfrage, die im Berufungsverfahren einer Klärung zugeführt werden soll. Soweit der Kläger die grundsätzliche Bedeutung daraus herleiten möchte, dass

"für den Fall, dass unterstellt wird, dass die früheren Äußerungen des Klägers Anlass für eine Ausweisung geben könnten, zu berücksichtigen ist, inwieweit ein Wandel der Auffassung des Klägers bei der Betrachtungsweise zu bewerten ist" und

"für den Fall, dass wenn die Voraussetzungen für eine Ausweisung dem Grunde nach gegeben sind, das Wohl und die Schutzbedürftigkeit der heranwachsenden Kinder und der Erziehungsbeitrag des Vaters den Ausweisungsvorschriften vorgehen und insofern von einer Ausweisung Abstand zu nehmen ist",

wird kein über den Einzelfall hinausgehender Klärungsbedarf aufgezeigt.

Die geltend gemachte Abweichung des angegriffenen Urteils von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) ist ebenfalls nicht hinreichend dargelegt. Eine Abweichung im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts mit einem seine Entscheidung tragenden (abstrakten) Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift von einem in der Rechtsprechung des übergeordneten Gerichts aufgestellten eben solchen Rechtssatz abweicht.

Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. (2010), § 124 Rdnr. 158 m. w. N.

Dies wird mit der Beschwerdebegründung nicht aufgezeigt. Der Kläger macht nicht geltend, dass das Verwaltungsgericht einen tragenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, der von einem solchen abweicht, den das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 13. Januar 2009 1 C 2.08 , InfAuslR 2009, 227, gebildet hat. Mit seinem Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe dem konkreten Ausweisungsanlass zu Unrecht den Vorrang vor seinen Interessen sowie denen seiner Familie eingeräumt, rügt er vielmehr allein die vorgenommene Würdigung des Einzelfalls.

Die Berufung ist auch nicht aufgrund eines Verfahrensfehlers (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) zuzulassen.

Der Kläger macht geltend, es seien mehrere Telefongespräche mit dem Berichterstatter und dem Vorsitzenden der erstinstanzlich zuständigen Kammer geführt worden, in denen ein Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erörtert worden sei. Dabei habe er deutlich gemacht, nur dann auf mündliche Verhandlung verzichten zu wollen, wenn ein aus Sicht des Klägers positives Urteil ergehen werde. In den Telefongesprächen sei ihm der Eindruck vermittelt worden, ein solches Urteil sei zu erwarten. Für den Fall, dass sich die Einschätzung der Kammer ändern sollte, sei ihm zugesagt worden, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Nur vor diesem Hintergrund habe er auf mündliche Verhandlung verzichtet und sei sodann von einem klageabweisenden Urteil überrascht worden.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, einen Verfahrensfehler darzulegen. Der Kläger hat seiner schriftlichen Erklärung, auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu verzichten, keine Einschränkungen oder Bedingungen beigefügt. Eine solche Erklärung ist auch bedingungsfeindlich. Insbesondere ist es nicht zulässig, nur für den Fall des Obsiegens auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu verzichten. Eine solche unzulässige Bedingung kann auch nicht faktisch dadurch herbeigeführt werden, dass dem Gericht telefonisch mitgeteilt wird, die unbedingt abgegebene Erklärung solle nur für den Fall gelten, dass das Urteil zugunsten des Beteiligten ausfällt, und andernfalls eine Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügt wird. Ob im Einzelfall etwas anderes gelten kann, wenn Umstände vorliegen, die ausnahmsweise zur Anfechtung oder zum Widerruf von Prozesserklärungen berechtigen, bedarf keiner Entscheidung. Für das Vorliegen solcher Umstände ist hier nichts ersichtlich.

Bedenken dagegen, dass das Verwaltungsgericht keine mündlichen Verhandlung durchgeführt hat, bestehen auch nicht im Hinblick auf den Grundsatz, dass das Gericht bei seiner Ermessensentscheidung, ob es ohne mündliche Verhandlung entscheidet, dafür einzustehen hat, dass das rechtliche Gehör der Beteiligten nicht verletzt wird.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. August 2003 6 B 32/03 u.a. , NVwZ-RR 2004, 77.

Auch insoweit ist kein Verfahrensverstoß ersichtlich, weil die tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die das Verwaltungsgericht seine Entscheidung gestützt hat, für die Beteiligten offen zu Tage lagen. Diese hatten hinreichende Gelegenheit, zu allen maßgeblichen Aspekten Stellung zu nehmen.

Der Kläger macht ferner geltend, das Verwaltungsgericht habe seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, indem es Übersetzungen aus dem den Widerruf der Asylanerkennung des Klägers betreffenden Verfahren übernommen habe, ohne diese in das vorliegende Verfahren einzuführen. Unabhängig davon, dass diese Übersetzungen sowohl dem Kläger als auch seinem Prozessbevollmächtigten bekannt waren, weil sie am asylrechtlichen Verfahren beteiligt waren, liegt der behauptete Verfahrensverstoß nicht vor. Denn den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens ist mit gerichtlicher Verfügung vom 11. August 2009 (Bl. 135 der Gerichtsakte) mitgeteilt worden, dass die dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zum Aktenzeichen 11 A 1439/07.A vorliegenden Akten beigezogen worden sind. Diese Verfügung ist dem Kläger offensichtlich zugegangen, da er sie in anderem Zusammenhang zur Begründung seines Zulassungsantrags heranzieht.

Soweit der Kläger vorträgt, eine Verletzung rechtlichen Gehörs sei auch mit Blick auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Spezialprävention und zu Art. 8 EMRK zu rügen, fehlt es an einer hinreichenden Darlegung. Insoweit wendet sich der Kläger der Sache nach gegen die aus seiner Sicht unzutreffende Würdigung der Umstände des Einzelfalls durch das Verwaltungsgericht, zeigt jedoch nicht auf, inwieweit diese Würdigung auf einer Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs beruhen könnte.

Auch die geltend gemachten Mängel bei der Sachverhaltsaufklärung durch das Verwaltungsgericht hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt. Er trägt lediglich vor, das Verwaltungsgericht hätte, wenn es den Sachverhalt im Rahmen der Verwaltungsgerichtsordnung aufgeklärt hätte, erkennen können und müssen, dass der Kläger seit nahezu zehn Jahren zum Gewaltverzicht aufgerufen habe. Er zeigt jedoch weder auf, warum Anlass zu zusätzlichen Ermittlungen bestanden hätte, noch führt er aus, auf welche Weise eine weitere Sachverhaltsaufklärung hätte erfolgen müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.