VG Hamburg, Urteil vom 02.11.2010 - 4 K 1495/07
Fundstelle
openJur 2013, 1463
  • Rkr:
Tenor

Der Bescheid vom 18. September 2006 und der Widerspruchsbescheid vom 20. April 2007 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Zuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Aufhebung eines Bescheides, mit dem ihr die Veranstaltung von Sportwetten sowie die Werbung hierfür untersagt wurde.

Die Klägerin betrieb in Hamburg eine Annahmestelle für Sportwetten mit fester Gewinnquote, sog. Oddset-Wetten. Sie vermittelte diese Wetten an die in Malta ansässige Firma x, die über eine staatliche Konzession für ihre Tätigkeit verfügt.

Mit Bescheid vom 18. September 2006 untersagte die Beklagte der Klägerin die Veranstaltung von Sportwetten sowie die Werbung hierfür. Die Klägerin wurde aufgefordert, den Betrieb der Annahmestelle unverzüglich einzustellen und die hierfür aufgestellten Einrichtungsgegenstände binnen einer Frist von längstens sieben Tagen zu entfernen. Des Weiteren wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,- Euro für jedes noch in Betrieb befindliche Wettannahmegerät und für jede anderweitige Wettannahmemöglichkeit festgesetzt und die zwangsweise Stilllegung bzw. Entfernung der Geräte im Wege der Ersatzvornahme angedroht, sollten diese nicht innerhalb der gesetzten Frist entfernt werden. Zur Begründung ihrer Verfügung gab die Beklagte an, bei der von der Klägerin betriebenen Vermittlung von Sportwetten handele es sich um das Betreiben eines unerlaubten Glücksspiels im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 1 des Staatsvertrages zum Lotteriewesen in Deutschland, das sie nach Satz 2 der genannten Vorschrift untersagen könne.

Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20. April 2007, zugestellt am 26. April 2007, zurückgewiesen. Die Beklagte gab an, Rechtsgrundlage für die Verfügung sei § 3 Abs. 1 HmbSOG i.V.m. dem ordnungsrechtlich geltenden Verbot der Veranstaltung unerlaubter Glücksspiele mit festen Gewinnquoten aus § 284 StGB. § 5 Abs. 2 LottStV verankere insoweit im Anschluss an § 284 StGB ein staatliches Wettmonopol. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28. März 2006 (zur vergleichbaren Rechtslage in Bayern) entschieden, dass der mit dem staatlichen Monopol in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit von anderen als staatlichen Anbietern verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt sei. Diese Unvereinbarkeit führe aber nicht zur Nichtigkeit der gesetzlichen Bestimmung, sondern das Bundesverfassungsgericht habe den Ländern eine Übergangsfrist bis 31. Dezember 2007 eingeräumt, während der die gesetzliche Regelung weiterhin anwendbar bleibe. Nach diesen Maßstäben gelte in Hamburg das staatliche Wettmonopol fort, denn Nord-West Lotto und Toto Hamburg (NLTH) habe unverzüglich nach dem genannten Urteil mit der Umsetzung der Vorgaben des Gerichts für den Bereich Hamburg begonnen. Im Übrigen bestünden unionsrechtliche Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung nicht, denn das staatliche Wettmonopol sei mit Art. 43 und Art. 49 EGV vereinbar. Nach pflichtgemäßem Ermessen sei die illegale und nicht genehmigungsfähige Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten zu untersagen. Diese Untersagung sei ein erforderliches und geeignetes Mittel, um das staatliche Sportwettenmonopol durchzusetzen.

Mit der am 27. April 2007 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Sie ist der Auffassung, dass die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages schon deshalb nicht anwendbar seien, weil das Hamburgische Ausführungsgesetz nicht den Anforderungen an die Notifizierungspflicht aus der Richtlinie 98/34/EG (Informationsrichtlinie) entspreche.

Inhaltlich seien die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages mit den Vorgaben des Unionsrechts nicht vereinbar, was vorrangig zu prüfen sei. Die in Rede stehenden Beschränkungen für die der Klägerin vorgeworfenen Tätigkeiten seien nicht geeignet, die Gelegenheit zum Spiel tatsächlich zu vermindern und die Wetttätigkeit kohärent und systematisch zu begrenzen. Die von dem Europäischen Gerichtshof aufgestellten Erfordernisse für eine Beschränkung der Wettvermittlung seien nicht erfüllt.

Die konkrete Begrenzung der Gelegenheit zum Spiel werde im Glücksspielstaatsvertrag und im Hamburgischen Ausführungsgesetz in nur sehr rudimentärer Form geregelt; erst die neue Annahmeverordnung im Jahre 2009 verlange eine Begrenzung der Standorte. Diese Regelung stehe in krassem Widerspruch zu der offiziellen These, die Vorhaltung eines dichten Annahmestellennetzes sei erforderlich, um ein Abwandern der Spieler in den illegalen Bereich zu verhindern. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass Lotto-Annahmestellen nicht für jedes Glücksspielangebot geeignet seien - dies werde inzwischen auch vom Fachbeirat Glücksspielrecht anerkannt.

Entscheidend für die Feststellung einer inkohärenten und unsystematischen Regelung sei jedoch, dass in Deutschland die Spiele, die die größten Suchtgefahren aufwiesen, sich in privater Hand befänden (Automatenspiele), während die Glücksspiele mit einem geringen Suchtpotential (Sportwetten und Lotterien) monopolisiert seien. Aber selbst der Bereich der Sportwetten sei als Glücksspielsektor nicht kohärent geregelt, weil der Pferdesportbereich ausgenommen sei. Auch ein Teil der Pferdewettkunden neige zu problematischen oder auch pathologischen Spielverhalten. Es sei auch nicht richtig, dass mit Pferdesportwetten ein vergleichsweise kleiner Spielerkreis angesprochen werde.

Die Ausnahme der - allein gewerberechtlich geregelten - Automatenspiele vom gesamten System des Glücksspielstaatsvertrages sei ein eindeutiger Verstoß gegen die Zielvorgaben des § 1 GlüStV. Es sei auch offenkundig, dass das Ziel der "Begrenzung des Spielangebots" komplett unterlaufen werde, wenn gewerbliche Geldspielgeräte und Spielhallen in beliebiger Zahl aufgestellt und betrieben werden dürften. Im Übrigen sei die Spielverordnung im Jahr 2006 sogar weiter liberalisiert und damit die Gelegenheit zum Spiel erhöht worden. Die Umsätze an gewerblichen Geldspielgeräten seien in den Jahren 2006 und 2007 nach jahrelanger Stagnation deutlich angestiegen. Die Zahl der in Deutschland betriebenen gewerblichen Geldspielgeräte sei gegenüber 183.000 im Jahre 2005 auf zwischenzeitlich 220.000 angestiegen, die sich auf rund 12.000 Spielhallen und ungezählte Gaststätten verteilten. Dieser Anstieg sowohl der Umsätze als auch der Gerätezahlen sei nach Einschätzung von Experten unmittelbare Folge der Novellierung der Spielverordnung.

Die Widersprüchlichkeit staatlichen Handelns werde allerdings besonders im Bereich der Spielbanken und der von diesen betriebenen Geldspielautomaten sichtbar. Die Besonderheit in Hamburg sei, dass die Spielbanken privat betrieben würden. Wegen der Einzelheiten werde auf das Gutachten des Ifo-Instituts zur Wirtschaftsentwicklung Unterhaltungsautomaten 2007 und Ausblick 2008 Bezug genommen. Die Inkohärenz der gesetzlichen Regelungen im Glücksspielsektor sei auch im Bereich der Jackpotlotterien erkennbar, dort fehle jede Regelung zur Begrenzung.

Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass die gegenwärtige Ausgestaltung des Wettangebots der Lotto Hamburg GmbH auch gegen europäisches Wettbewerbsrecht verstoße. Es liege ein Fall der Einschränkung des Absatzes zum Nachteil der Verbraucher vor (Art. 82 Abs. 2 lit. b) EGV). Die Lotto Hamburg GmbH sei offensichtlich nicht in der Lage, einen bedeutenden Teil der Gesamtnachfrage nach Dienstleistungen zu befriedigen. Dies schade den Verbrauchern insoweit, als sie infolge des inadäquaten Angebots genötigt seien, sich nach alternativen - jedoch keiner adäquaten Überwachung durch die Beklagte unterliegenden - Wettangeboten privater Anbieter umzuschauen.

In verfassungsrechtlicher Hinsicht sei festzustellen, dass die Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht umgesetzt worden seien. Im Einzelnen könne insoweit auf das Urteil des VG Freiburg vom 16. April 2008 Bezug genommen werden (1 K 2052/06). So habe der Gesetzgeber Art und Zuschnitt der Wetten nicht etwa selbst geregelt, sondern unzulässigerweise der Exekutive bzw. den Monopolisten überlassen.

Auch die Umsetzung der in § 10 Abs. 3 GlüStV geforderten zahlenmäßigen Begrenzung der Annahmestellen durch die in Hamburg erst am 2. Juni 2009 erlassene Annahmestellenverordnung sei rechtlich nicht haltbar. Es sei bereits äußerst fragwürdig, die konkret geforderte zahlenmäßige Begrenzung der Exekutive zu delegieren. Jedenfalls bewirke die Verordnung keine im Vergleich zur bisherigen Praxis zusätzliche Begrenzungswirkung, sondern zeichne eher eine in Hamburg wie auch in anderen Ländern zu beobachtende, offenbar auf die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung zurückführende Abwärtsentwicklung nach. Eine wirkliche Abkehr vom bisherigen Vertriebssystem sei nicht erkennbar.

Abschließend sei festzustellen, dass die Unionsrechtswidrigkeit des in Deutschland errichteten Staatsmonopols nunmehr ausdrücklich vom Europäischen Gerichtshof in seinen Entscheidungen vom 8. September 2010 festgestellt worden sei. Insbesondere zu der zentralen Frage, ob bei der Prüfung, ob eine widerspruchsfreie und systematische Politik zur Bekämpfung der Spielsucht betrieben werde, sei klargestellt worden, dass auf den Gesamtglücksspielbereich abzustellen sei. Daraus folge, dass es in jedem Fall nicht unionsrechtlich ausreichend sei, wenn Regelungen in anderen, nicht-monopolisierten suchtgefährdenden Spielbereichen lediglich "nicht offensichtlich ungeeignet oder unzureichend" in Bezug auf den Spielerschutz seien. Werde in diesen Bereichen eine Politik der Angebotsausweitung verfolgt, so sei ein Monopol in einem anderen Sektor zutreffenderweise nicht einmal dann gerechtfertigt, wenn in dem nicht-monopolisierten Sektor völlig monopoladäquate Spielerschutzbemühungen verfolgt würden.

Weiter habe der Europäische Gerichtshof - hinsichtlich der konkreten Situation in Deutschland - klargestellt, was unionsrechtlich unter einer monopolunverträglichen Politik der Angebotsausweitung zu verstehen sei. Danach sei davon auszugehen, dass eine Politik der Angebotsausweitung schon dann zur Entwicklung und Stimulation der Spieltätigkeiten geeignet und folglich mit einem Monopol unverträglich sei, wenn eine nicht nur unerhebliche Angebotsausweitung gegenüber dem Status quo ante vorliege. Eine solche Angebotsausweitung sei in Deutschland gerade für den Bereich der Spielbanken und der Automatenspiele festgestellt worden. Dem nationalen Richter bleibe insoweit die Aufgabe zu überprüfen, ob die in den Feststellungen des vorlegenden Gerichts – hier konkret des Verwaltungsgerichts Schleswig – wiedergegebenen Verhältnisse inhaltlich falsch seien. Dies könne anhand der allgemein bekannten Tatsachen beurteilt und verneint werden.

Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass der in § 4 Abs. 1 GlüStV geregelte Erlaubnistatbestand im Falle der Nichtanwendung des staatlichen Sportwettenmonopols ebenfalls keine Anwendung finden könne. Folge der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 8. September 2010 sei, dass keine die Grundfreiheiten einschränkenden Normen des Glücksspielstaatsvertrages mehr angewendet werden dürften; dazu gehöre auch der genannte Erlaubnisvorbehalt. Im Einzelnen werde dazu auf ein Rechtsgutachten von Rechtsanwalt Dr. Rausch Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 18. September 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2007 aufzuheben,

die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Rechtsgrundlage für die ergangene Untersagungsverfügung sei nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Glücksspielwesens vom 14. Dezember 2007 und des entsprechenden Hamburgischen Ausführungsgesetzes am 1. Januar 2008 nunmehr in § 9 Abs. 1 Satz 2, 3 GlüStV zu sehen. Danach könne die Behörde die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür untersagen. Unerlaubt sei das Veranstalten oder Vermitteln von Glücksspielen nach § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 GlüStV, wenn eine Erlaubnis dafür - wie hier - nicht vorliege; die Klägerin könne eine solche auch nicht erlangen.

Formelle Bedenken an den Vorschriften des Gesetzes seien insbesondere im Hinblick auf die Notifizierungspflicht aus der Richtlinie 98/34/EG (Informationsrichtlinie) nicht gerechtfertigt.

Aus § 10 GlüStV, § 4 HmbGlüStVAG ergebe sich, dass das staatliche Glücksspielmonopol fortgeschrieben worden sei. Private Sportwetten seien weiterhin unzulässig; EU-Erlaubnisse der privaten Veranstalter blieben in diesem Zusammenhang unbeachtlich. Die Voraussetzungen für eine Untersagungsverfügung lägen danach vor und auch Ermessensfehler seien nicht ersichtlich, die Untersagungsverfügung diene der Umsetzung der im Glücksspielstaatsvertrag genannten Ziele.

Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung seien nicht nachvollziehbar – das Bundesverfassungsgericht habe ein staatliches Monopol ausdrücklich als zulässig erachtet und die gesetzliche Neuregelung entspreche den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 28. März 2006. So habe der Gesetzgeber nunmehr etwa Art und Zuschnitt der Wetten näher geregelt, verpflichte der Glücksspielstaatsvertrag die Veranstalter und Vermittler zu einer aktiven Suchtbekämpfung und die Vermarktung der Sportwetten werde hinreichend begrenzt. In diesem Zusammenhang sei auch nicht entscheidend, dass die Länder an dem Vertriebsweg über Zeitschriften- und Tabakläden oder ähnlichen kleinen und mittelständischen Handelsbetrieben festgehalten hätten; vielmehr sei dieses kundennahe Vertriebssystem aufrechterhalten worden, um eine Verlagerung des Wettgeschehens in den illegalen Bereich zu vermindern. Auch werde einer breit angelegten Werbung, die kontinuierlich Lust auf das Mitwetten wecke, nach § 5 GlüStV der Boden entzogen.

Einzelne Verstöße gegen die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages führten nicht zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes. Ein die Verfassungswidrigkeit möglicherweise begründendes strukturelles Vollzugsdefizit als Rechtsfolge mangelnder Effektivität jedenfalls lasse sich angesichts der effektiv ausgestalteten Glücksspielaufsicht und der zahlreichen Vollzugsmaßnahmen nicht feststellen. Vielmehr seien auf der Vollzugsebene zahlreiche Maßnahmen getroffen worden

Die gesetzlichen Neuregelungen stünden im Einklang mit der unionsrechtlichen Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit. Die neue Rechtslage habe insbesondere die Begrenzung des Glücksspielangebots im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes systematisch und kohärent weiterentwickelt. Die gesetzlich vorgesehenen Beschränkungen seien aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt, weil sie legitime Gemeinwohlzwecke, wie sie in § 1 GlüStV genannt seien, verfolgten und zur Erreichung dieser Ziele geeignet und erforderlich seien. Der Europäische Gerichtshof erkenne in seiner Rechtsprechung ausdrücklich an, dass es im Ermessen der Mitgliedstaaten liege, die Gemeinwohlziele festzulegen und das angestrebte Schutzniveau zu bestimmen. Dabei könnten in ein und demselben Mitgliedstaat durchaus verschiedene Regelungen für einzelne Glücksspielzweige gelten. Der Europäische Gerichtshof habe sich in diesem Zusammenhang in seiner bisherigen Rechtsprechung nur auf die glücksspielrechtlichen Regelungen zu den einzelnen Glücksspielformen bezogen. Aus dieser Rechtsprechung könne insbesondere nicht hergeleitet werden, dass im Rahmen der Kohärenz einer mitgliedstaatlichen Politik zur Bekämpfung von Sportwetten zwingend auf die Würdigung der Politik in anderen Glücksspielsektoren abgestellt werden müsse. Auch der EFTA-Gerichtshof habe mehrfach darauf verwiesen, dass bei verschiedenen Sektoren des Glücksspiels unterschieden werden könne.

Dies gelte auch nach den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs vom 8. September 2010. In diesem Zusammenhang sei zunächst festzuhalten, dass der Europäische Gerichtshof in seinen Entscheidungen vom 8. September 2010 keinesfalls die Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielstaatsvertrages festgestellt, sondern auf der Grundlage seiner bisherigen Entscheidungen den insoweit zu beachtenden europarechtlichen Rahmen definiert habe. Die Anwendung des Unionsrechts und die Entscheidung im Einzelfall blieben unverändert den nationalen Gerichten vorbehalten. Danach bestehe aber kein vernünftiger Grund, warum man die ständige Rechtsprechung der Hamburger Verwaltungsgerichtsgerichtsbarkeit infrage zu stellen hätte.

Der Europäische Gerichtshof habe in den erwähnten Entscheidungen insbesondere klargestellt, dass aus dem Urteil in der Rechtssache Lindman nicht geschlossen werden könne, dass einem Mitgliedstaat bereits deshalb die Möglichkeit genommen wäre zu belegen, dass eine nationale restriktive Maßnahme unionsrechtlich durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sei, weil er keine Untersuchung vorlegen könne, die dem Erlass der fraglichen Regelung zu Grunde gelegen habe.

Weiterhin habe der Europäische Gerichtshof klargestellt, dass es Sache jedes Mitgliedstaates sei, zu beurteilen, ob es im Zusammenhang mit den von ihm verfolgten legitimen Zielen erforderlich sei, Glücksspiele vollständig oder teilweise zu verbieten. Es bestehe insbesondere auch keine Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung von Genehmigungen, die von anderen Mitgliedstaaten erteilt worden seien.

Der Europäische Gerichtshof habe abermals bekräftigt, dass die sittlichen, religiösen oder kulturellen Besonderheiten und die mit Spielen und Wetten einhergehenden sittlich und finanziell schädlichen Folgen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft ein ausreichendes Ermessen der staatlichen Stellen rechtfertigen könnten, im Einklang mit ihrer eigenen Werteordnung festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der sozialen Ordnung ergeben. Es stehe den Mitgliedstaaten frei, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet des Glücksspiels festzulegen und gegebenenfalls das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen. Der den Mitgliedstaaten zur Verfügung stehende Wertungsspielraum rechtfertige es auch, unterschiedliche Glücksspielsektoren unterschiedlich zu behandeln. So billige der Europäische Gerichtshof es ausdrücklich, dass in bestimmten Bereichen, wie etwa den Sportwetten und Lotterien ein staatliches Monopol, in anderen Bereichen des Glücksspiels jedoch ein Erlaubnissystem für private Anbieter bestehe.

Soweit die Gerichte in ihren Vorlagebeschlüssen bestimmte Werbepraktiken geschildert hätten und der Europäische Gerichtshof diese Feststellungen seinen Entscheidungen zu Grunde gelegt habe, sei festzustellen, dass die von den Gerichten geschilderten Werbepraktiken nicht mit der Realität nach dem Glücksspielstaatsvertrag übereinstimmten.

Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass dem Erfordernis der systematischen und kohärenten Begrenzung von Glücksspielen auch mit Blick auf die Bereiche Pferdewetten und Automatenspiele in jeder Hinsicht Genüge getan sei. Die Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs in diesem Zusammenhang seien in den erwähnten Entscheidungen recht abstrakt und der Gerichtshof gebe den vorlegenden Gerichten auch kein Ergebnis vor, sondern stelle lediglich fest, dass die Gerichte auf der Grundlage der von ihnen getroffenen Feststellungen berechtigten Anlass zu der Schlussfolgerung haben könnten, dass die Errichtung eines Monopols im Hinblick auf Art. 43 und 49 EGV nicht mehr gerechtfertigt werden könne. Es bleibe damit im Ergebnis bei dem Befund, dass die traditionellen und kulturellen Besonderheiten eines Mitgliedstaates, die mit den restriktiven Maßnahmen verfolgten Ziele und die unterschiedlichen Arten von Glücksspielen es rechtfertigen könnten, unterschiedliche Glücksspielsektoren auch unterschiedlich zu behandeln. Eine andere Beurteilung im Sinne eines widersprüchlichen Verhaltens des Mitgliedstaates könne allenfalls dann in Betracht gezogen werden, wenn bei – von der Erscheinungsform her - vergleichbaren Glücksspielen eine Politik der Angebotsausweitung betrieben werden würde. Gerade an der Vergleichbarkeit von Sportwetten und Lotterien auf der einen und Spielbanken und Automatenspielen auf der anderen Seite fehle es aber.

Die Behauptung, der Betrieb von Automatenspielen in anderen Einrichtungen als Spielbanken, etwa in Spielhallen, sei unlängst erheblich gelockert worden, entbehre einer sachlichen Grundlage. Dazu habe das Oberverwaltungsgericht Münster in einem Beschluss vom 2. Juli 2010 (4 B 581/10) Stellung genommen und darauf hingewiesen, dass mit den Änderungen auch der Spielerschutz gestärkt worden sei. Nach alledem leiste auch die seit Januar 2006 geltende Spielverordnung einen nicht unerheblichen Beitrag zum Spielerschutz, so dass mit der Zulassung des gewerblich geregelten Geldspielgewinnspiels der Gesetzgeber auf Bundesebene vergleichbare Ziele verfolge wie der Landesgesetzgeber mit der Beschränkung des Marktzutritts für private Betreiber von Glücksspielen.

Im Hinblick auf Spielbanken sei festzustellen, dass ein Online-Angebot von Spielbanken nicht mehr bestehe und im Übrigen auch das stationäre Angebot von Spielbanken mehr als übersichtlich sei. Schon allein deshalb könnten Überlegungen im Zusammenhang mit Spielbanken die Gesamtkohärenz eines staatlichen Monopols nicht infrage stellen.

Vom Bereich der Pferdewetten schließlich gingen keine wesentlichen Gefahren aus. Pferdewetten dürften seit langem aufgrund des Rennwett- und Lotteriegesetzes vom 8. April 1922 von konzessionierten privaten Buchmachern angeboten werden. Für diese - vom Bereich der sonstigen Sportwetten abweichende - Regelung seien historische Gründe maßgeblich. Hinzu komme, dass Pferdewetten in Deutschland nur einen sehr geringen Anteil am Glücksspielmarkt hätten (etwa 0,5 %). Im Übrigen enthalte das genannte Gesetz auch Regelungen zur Beschränkung des Spielbetriebs und durch die Einrichtung der Außenwettannahmestellen werde das Totalisatorgeschäft streng an den Schutzzielen des Glücksspielstaatsvertrages ausgerichtet.

Zusammenfassend sei daher festzuhalten, dass bei Betrachtung aller Glücksspielsektoren im Sinne einer "Gesamtkohärenz" eine Politik der erheblichen Ausdehnung nicht monopolisierter Glücksspiele nicht feststellbar sei.

Auch bei unterstellter Unvereinbarkeit des staatlichen Glücksspielmonopols mit dem Unionsrecht sei die streitgegenständliche Verfügung nach wie vor rechtmäßig. Sowohl in der Untersagungsverfügung als auch im Widerspruchsbescheid sei stets darauf abgestellt worden, dass die streitgegenständliche Vermittlung von Glücksspielen ohne Erlaubnis erfolgt sei. Die Klägerin verfüge nach wie vor nicht über eine Erlaubnis zum Vermitteln erlaubten Glücksspiels (§ 4 Abs. 1 GlüStV). Allein dieser Umstand sei geeignet, um die anhaltende Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung zu begründen. In diesem Zusammenhang seien insbesondere keine Gründe dafür ersichtlich, warum auch der Erlaubnisvorbehalt des § 4 Abs. 1 GlüStV und die daran anschließende Regelung des § 4 Abs. 2 GlüStV das Schicksal der Unionsrechtswidrigkeit teilen sollten - im einzelnen werde vollumfänglich auf die Ausführungen des Beschlusses des OVG Berlin Brandenburg vom 26. Oktober 2010 Bezug genommen. Der Erlaubnisvorbehalt, hier § 4 Abs. 1 GlüStV i.V.m. §§ 3, 8, 13 HmbGlüStVAG, sei sowohl mit dem Unionsrecht als auch mit dem Verfassungsrecht zu vereinbaren. Die Untersagung dürfe auch ausschließlich auf die formelle Illegalität gestützt werden; im Rahmen der Untersagung unerlaubten Glücksspiels komme es nämlich auf die materielle Illegalität nicht an. Es könne gegebenenfalls nur dann im Rahmen eines Untersagungsverfahrens etwas anderes gelten, wenn der Betroffene offensichtlich einen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis habe. Dies sei jedoch nicht ersichtlich, weil die Klägerin gegen materielle Versagungsgründe des Glücksspielstaatsvertrages - etwa das Verbot von Live-Wetten - verstoße.

Das Gericht hat einen Antrag der Klägerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage mit Beschluss vom 14. November 2006 abgelehnt (4 E 3018/06), die Beschwerde gegen diese Entscheidung blieb ohne Erfolg (OVG Hamburg, Beschl. v. 9.3.2007, 1 Bs 339/06). Ein Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO auf Abänderung der genannten Beschlüsse blieb ebenfalls ohne Erfolg (VG Hamburg, Beschl. v. 24.5.2007, 4 E 1535/07; bestätigt durch OVG Hamburg, Beschl. v. 6.7.2007, 1 Bs 137/07). Auf die Gründe der Beschlüsse wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Sachakte der Beklagten sowie die umfangreichen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Gründe

A

Die Anfechtungsklage ist zulässig (I.) und begründet (II.).

I.

Der Antrag der Klägerin ist zulässig, insbesondere verfügt sie über das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Sie kann nicht darauf verwiesen werden, zunächst eine Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV zu beantragen, weil ein solches Vorgehen aussichtslos wäre (VGH München, Beschl. v. 8.7.2008, 10 CS 08.1364, juris, Rn. 11; VG Berlin, Urt. v. 7.7.2008, 35 A 167.08, juris; anders noch: VG Regensburg, Beschl. v. 30.4.2008, RO 4 S 08.252, juris, Rn. 17, 19,). Das Erlaubnisverfahren nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV i.V.m. § 8 HmbGlüStVAG ist nämlich nur für Veranstalter und Vermittler staatlicher Wettangebote geschaffen worden. Die Erteilung einer Erlaubnis an Vermittler privater Sportwettangebote ist nach § 4 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 10 Abs. 5 und Abs. 2 GlüStV ausgeschlossen. Der Erlaubniserteilung steht insbesondere die Einschätzung der insoweit zuständigen Beklagten entgegen, die auch gegenwärtig von der Rechtmäßigkeit des staatlichen Sportwettmonopols (§ 10 Abs. 2 und Abs. 5 GlüStV) ausgeht.

II.

Die Klage ist auch begründet, da die Untersagungsverfügung vom 18. September 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. April 2007 im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung. Bei der streitgegenständlichen Untersagungsverfügung handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, da die Beklagte ein Verbot mit einer sich ständig aktualisierenden Verpflichtung erlassen hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., 2009, § 113, Rn. 43). Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit sind daher Veränderungen der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen (vgl. für das Eilverfahren, in dem es entsprechend auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ankommt: OVG Hamburg, Beschl. v. 25.3.2008, 4 Bs 5/08, juris, Rn. 11; VGH München, Beschl. v. 8.7.2008, 10 CS 08.1364, juris, Rn. 13; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 26.10.2010, OVG 1 S 154.10, juris, Rn. 14; VG Berlin, Beschl. v. 2.4.2008, VG 35 A 52.08, juris, Rn. 16; Urt. v. 7.7.2008, VG 35 A 149.07, juris, Rn. 49; jeweils m.w.N.; a.A. BVerwG, Urt. v. 21.6.2006, 6 C 19/06, juris, Rn. 33).

Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung fehlt der angefochtenen Untersagungsverfügung und dem Widerspruchsbescheid eine rechtmäßige Rechtsgrundlage. Maßgebliche Ermächtigungsgrundlage für die Untersagung des Anbietens von unerlaubten Sportwetten ist nach Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags § 9 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Nr. 3 GlüStV in Verbindung mit den Verbotsvorschriften des Glücksspielstaatsvertrages.

Dabei hat das Gericht keine Bedenken hinsichtlich des formell rechtsgültigen Zustandekommens des Glücksspielstaatsvertrages und des Hamburgischen Ausführungsgesetzes. Insbesondere ist der Notifizierungspflicht nach der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (Informationsrichtlinie) genügt worden (vgl. zur Notifizierungspflicht: OVG Hamburg, Beschl. v. 26.9.2008, 4 Bs 96/08, juris, Rn. 62 ff.; Beschl. v. 26.9.2008, 4 Bs 101/08, juris, Rn. 47 ff.; VG Hamburg, Beschl. v. 7.4.2008, 4 E 238/08, n.v.; Beschl. v. 15.4.2008, 4 E 310/08, n.v.). Der Glücksspielstaatsvertrag war vor allem aufgrund der Regelung in § 4 Abs. 4 GlüStV notifizierungsbedürftig. Bei dieser Regelung handelt es sich um eine technische Vorschrift im Sinne des Art. 8 Abs. 1 Uabs. 1 i. V. m. Art. 1 Nr. 11 der Informationsrichtlinie. Ausnahmetatbestände nach Art. 10 der Informationsrichtlinie sind nicht einschlägig. Der Entwurf des Glücksspielstaatsvertrags wurde der Europäischen Kommission am 21. Dezember 2006 notifiziert. Die Notifizierung führte zwar zu Beanstandungen durch die Europäische Kommission (Schreiben vom 22. März und 14. Mai 2007). Diese machten jedoch lediglich die Einhaltung der sog. Standstill-Verpflichtungen des Art. 9 der Informationsrichtlinie erforderlich. Auf die Frage, ob darüber hinaus gegenüber der Bundesrepublik Deutschland wegen der Nichtumsetzung der Beanstandungen der Europäischen Kommission im Glücksspielstaatsvertrag ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet werden kann, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die Standstill-Verpflichtung gem. Art. 9 Abs. 2 Spiegelstrich 2 der Informationsrichtlinie wurde eingehalten. Der Entwurf des am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrages wurde nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach Eingang der Stellungnahme der Europäischen Kommission angenommen.

Hinsichtlich der Notifizierungspflicht in Bezug auf § 9 GlüStV und das Hamburgische Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag hat die Kammer Folgendes ausgeführt (VG Hamburg, Beschl. v. 7.4.2008, 4 E 238/08, n.v.):

„Der Umstand, dass § 9 GlüStV nicht wie § 4 Abs. 4 GlüStV gemäß § 8 Abs. 1 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.06.1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. EG Nr. L 204 S. 37), geändert durch die Richtlinie 98/48/EG vom 20.07.1998 (ABl. EG Nr. L 217 S. 18) notifiziert worden ist, führt nicht zu dessen Unanwendbarkeit. Eine fehlende Notifizierung führt nur dann zur Unanwendbarkeit der nationalen Vorschrift, wenn ihretwegen eine Mitteilungspflicht bestanden hat (vgl. EuGH, Urt. v. 08.09.2005, C-303/04, Lidl Italia Srl./. Comune di Stradella). Das ist bei § 9 GlüStV nicht der Fall, weil es sich bei dieser Vorschrift nicht um eine „technische Vorschrift“ i.S.d. Art. 8 Abs. 1, 1. Unterabsatz der o.g. Richtlinie handelt (vgl. Art. 1 Nr. 11 und Nr. 2 der o.g. Richtlinie in der durch die Richtlinie 98/48/EG geänderten Fassung einschließlich deren Anhang V, insbesondere wegen des Nichtvorliegens eines „Verbotes“ und eines „Dienstes“ i.S.v. Art. 1 Nr. 11). Offenbleiben, da für die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung nicht entscheidungsrelevant, kann die Frage, ob die fehlende Notifizierung einzelner Vorschriften des Hamburgischen Glücksspielstaatsvertrags-Ausführungsgesetzes wie etwa die Bestimmung von Ordnungswidrigkeiten einschließlich Bußgeldregelung in § 16 HmbGlüStVAG oder die Zustimmung zu § 4 Abs. 4 GlüStV zur Unanwendbarkeit dieser Vorschriften führt.“

Die Kammer geht weiterhin von der Richtigkeit dieser Ausführungen, die das Hamburgische Oberverwaltungsgericht in der Sache bestätigt hat (OVG Hamburg, Beschl. v. 26.9.2008, 4 Bs 96/08, juris, Rn. 62 ff.; Beschl. v. 26.9.2008, 4 Bs 101/08, juris, Rn. 47 ff.), aus.

Jedoch hat die Beklagte vorliegend ihre Untersagungsverfügung nicht in unionsrechtskonformer Weise auf eine der in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen gestützt. Dies gilt einerseits für die Rechtsgrundlagen des Glücksspielstaatsvertrages, also § 9 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Nr. 3 GlüStV i.V.m. dem Verbot der Veranstaltung von Glücksspiel ohne Erlaubnis § 4 Abs. 1 GlüStV (1.), dem Verbot von Internetwetten (§ 4 Abs. 4 GlüStV) (2.) dem Verbot von Live-Wetten (§ 21 Abs. 2 Satz 3 GlüStV) (3.) und dem Verbot von Wetten auf andere Ereignisse als Sportereignisse (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GlüStV) (4.). Andererseits lässt sich die Untersagungsverfügung nicht auf § 3 Abs. 1 HmbSOG i.V.m. § 284 StGB stützen (5.).

1. Die Beklagte konnte die Untersagungsverfügung vom 18. September 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. April 2007 nicht auf § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV stützen. Weder die Tatsache, dass der Klägerin die hamburgische Erlaubnis fehlt, Glücksspiel zu vermitteln [a)] noch, dass dem ausländischen Veranstalter, an den die Klägerin die Sportwetten vermittelte, die hamburgische Erlaubnis fehlt, Glücksspiel zu veranstalten [b)], rechtfertigen die Untersagungsverfügung.

a) Zwar sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV erfüllt. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV kann die zuständige Behörde die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele untersagen. Gemäß § 4 Abs. 1 GlüStV ist das Veranstalten und das Vermitteln von Glücksspielen ohne die behördliche Erlaubnis (unerlaubtes Glücksspiel) verboten. Sportwetten sind nach § 3 Abs. 1 Satz 3 GlüStV Glücksspiele (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 17.3.2008, 6 S 3069/07, juris, Rn. 6, m.w.N.). Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV unterliegt nicht nur die Veranstaltung, sondern auch die Vermittlung öffentlicher Glücksspiele der Erlaubnispflicht. Die Klägerin hat Sportwetten in ihrer Wettannahmestelle ohne behördliche Erlaubnis öffentlich vermittelt.

Dabei kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf die Konzession des Veranstalters der Sportwetten, die Letzterem von einem anderen EU-Mitgliedstaat erteilt wurde, berufen. Es besteht nämlich keine unionsrechtliche Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung der von den verschiedenen Mitgliedstaaten erteilten Erlaubnisse (EuGH, Urt. v. 8.9.2010, C-316/07 u.a., Stoß u.a., Rn. 112, Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs ohne Angabe einer Fundstelle sind zitiert nach der Internetseite http://curia.europa.eu).

aa) Jedoch kommt es nicht in Betracht, die Untersagungsverfügung auf das bloße Fehlen einer Erlaubnis der Klägerin für die Vermittlung von Glücksspiel in Hamburg zu stützen (vgl. EuGH, Urt. v. 6.3.2007, C-338/07 u.a., Rn. 63, 65 ff., Placanica; BVerfG, Beschl. v. 22.11.2007, 1 BvR 2218/06, juris, Rn. 33; OVG Lüneburg, Beschl. v. 8.7.2008, 11 MC 71/08, juris; VG Schleswig, Beschl. v. 30.1.2008, 12 A 102/06, juris, Rn. 20; VG Freiburg, Urt. v. 9.7.2008, 1 K 2130/06, juris, Rn. 16 ff.; a.A. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 26.10.2010, 1 S 154.10, juris). Grundsätzlich sind zwar die Voraussetzungen für ein Einschreiten der Behörde gegen eine ungenehmigte Tätigkeit bereits dann erfüllt, wenn die erforderliche Zulassung nicht vorliegt, also wenn lediglich gegen formelles Recht verstoßen wird (formelle Illegalität - vgl. BGH, Urt. v. 14.3.2002, NJW 2002, 2175; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 26.10.2010, 1 S 154.10, juris, Rn. 6 ff.). Das bloße Fehlen einer Erlaubnis kann jedoch dann nicht zur Begründung einer Untersagungsverfügung herangezogen werden, wenn für den betreffenden Antragsteller gar nicht die Möglichkeit besteht, eine derartige Erlaubnis zu erlangen und wenn dieser Ausschluss in Widerspruch zu höherrangigem Recht steht (EuGH, Urt. v. 6.3.2007, C-338/07 u.a., Rn. 63, 65 ff., Placanica; BVerfG, Beschl. v. 22.11.2007, 1 BvR 2218/06, juris, Rn. 33; OVG Lüneburg, Beschl. v. 8.7.2008, 11 MC 71/08, juris; VG Schleswig, Beschl. v. 30.1.2008, 12 A 102/06, juris, Rn. 20; ähnlich VG Neustadt/Weinstraße, Beschl. v. 5.3.2008, 5 L 1327/07, juris, Rn. 13).

Der Europäische Gerichtshof führt in seinem Urteil vom 6. März 2007 (C-338/04, Placanica, Rn. 67) aus:

„Das Fehlen einer polizeilichen Genehmigung kann daher Personen [...], die sich derartige Genehmigungen nicht hätten beschaffen können, weil deren Erteilung den Besitz einer Konzession voraussetzt, von deren Erhalt sie unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht ausgeschlossen worden waren, auf jeden Fall nicht zum Vorwurf gemacht werden.“

Das Fehlen einer Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 GlüStV, die sich Private wegen des europarechtswidrigen staatlichen Sportwettenmonopols nicht hätten beschaffen können, scheidet deshalb als zulässiger Grund einer Untersagung aus (vgl. VG Freiburg, Urt. v. 9.7.2008, 1 K 2130/06, juris, Rn. 16 ff.).

Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 22. November 2007 (1 BvR 2218/06, juris, Rn. 33) entschieden, dass eine ordnungsrechtliche Untersagungsverfügung, die - wie im vorliegenden Fall - nicht mit anderen Gefahren für ordnungsrechtliche Schutzgüter, sondern allein mit einem objektiven Verstoß gegen das staatliche Sportwettenmonopol begründet ist, sich wegen der verfassungswidrigen Rechtslage jedenfalls in der Zeit bis zum 28. März 2006 nicht als rechtmäßig erweisen kann. Zwar betrifft diese Entscheidung die Unvereinbarkeit des Monopols mit Art. 12 Abs. 1 GG. Hinsichtlich der Unvereinbarkeit mit Europäischem Unionsrecht kann aber nichts anderes gelten (vgl. VG Freiburg, Urt. v. 9.7.2008, 1 K 2130/06, juris, Rn. 23).

Für die Klägerin bestand nach dem Glücksspielstaatsvertrag keine Möglichkeit, eine Erlaubnis zu erlangen. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die Beklagte, die für die Erteilung der Erlaubnis zuständig ist, nach wie vor der Auffassung ist, dass das staatliche Sportwettenmonopol (§ 10 Abs. 2 und Abs. 5 GlüStV) rechtmäßig ist. Ein Antrag der Klägerin auf Erlaubniserteilung wäre folglich bis zum heutigen Tage ohne Aussicht auf Erfolg gewesen.

bb) Das Fehlen der Möglichkeit eine Erlaubnis zu erlangen, das auf dem in § 10 Abs. 2 und Abs. 5 GlüStV geregelten staatlichen Sportwettenmonopol beruht, ist europarechtswidrig, so dass der Klägerin die somit zwangsläufige formelle Illegalität ihrer Tätigkeit nicht entgegengehalten werden kann. Das staatliche Sportwettenmonopol verstößt nämlich gegen die Dienstleistungsfreiheit im Sinne des Art. 56 f. AEUV (bisher Art. 49 f. EGV) und ist in Folge des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts (vgl. EuGH, Urt. v. 15.7.1964, 6/64, Costa/E.N.E.L., Slg. 1964, 1253, 1269 f.; Urt. v. 9.3.1987, 106/77, Simmenthal, Rn. 17 f.) deshalb nicht anwendbar.

(1) Die Annahme von Sportwetten in Hamburg durch die Klägerin und die Vermittlung an ein Unternehmen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ist von der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 f. AEUV (bisher Art. 49 f. EGV) geschützt.

Ob sich die Klägerin auch auf die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV (bisher Art. 43 EGV) berufen kann, ist fraglich. Zwar ist der Begriff der Niederlassung in der Rechtsprechung des Gerichtshofs ein sehr weiter Begriff. Er impliziert die Möglichkeit für einen Unionsangehörigen, in stabiler und kontinuierlicher Weise am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaats als seines Herkunftsstaats teilzunehmen und daraus Nutzen zu ziehen. Dadurch wird die wirtschaftliche und soziale Verflechtung innerhalb der Europäischen Union im Bereich der selbständigen Tätigkeiten gefördert (vgl. EuGH, Urt. v. 30.11.1995, C-55/94, Gebhard, Rn. 25; Urt. v. 8.9.2010, C-316/07 u.a., Stoß u.a., Rn. 59). Die Aufrechterhaltung einer ständigen Präsenz in einem Mitgliedstaat durch ein in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenes Unternehmen kann daher den Bestimmungen des Vertrags über die Niederlassungsfreiheit unterliegen. Dies gilt auch dann, wenn diese Präsenz nicht die Form einer Zweigniederlassung oder einer Agentur angenommen hat, sondern lediglich durch ein Büro wahrgenommen wird, das gegebenenfalls von einer Person geführt wird, die zwar unabhängig, aber beauftragt ist, auf Dauer für dieses Unternehmen wie eine Agentur zu handeln (vgl. EuGH, Urt. v. 4.12.1986, 205/84, Kommission/Deutschland, Rn. 21; Urt. v. 8.9.2010, C-316/07 u.a., Stoß u.a., Rn. 59). Jedoch möchte die Klägerin selbst keine Agentur in einem anderen Mitgliedstaat betreiben. Es liegt nahe, dass sich lediglich der ausländische Veranstalter, der seine Sportwetten über die Klägerin in Deutschland anbieten möchte, auf die Niederlassungsfreiheit in Form der Gründung einer Agentur berufen könnte. Dies kann aber letztlich dahinstehen, weil in jedem Fall die Dienstleistungsfreiheit betroffen ist.

Die Veranstaltung und die Vermittlung von Glücksspielen sind Dienstleistungen im Sinne des Art. 57 AEUV (bisher Art. 50 EGV; ständige Rechtsprechung seit EuGH, Urt. v. 24.3.1994, C-275/92, Schindler, Rn. 25; bestätigt durch EuGH, Urt. v. 21.10.1999, C-67/98, Zenatti, Rn. 19; Urt. v. 6.11.2003, C-243/01, Gambelli, Rn. 52; Urt. v. 13.11.2003, C-42/02, Lindman, Rn. 19; Urt. v. 8.9.2010, C-316/07 u.a., Stoß u.a., Rn. 56; Urt. v. 8.9.2010, C-46/08, Carmen Media, Rn. 40 f.).

Der ferner erforderliche grenzüberschreitende Bezug der Dienstleistungserbringung ergibt sich durch die Annahme der Sportwetten in Deutschland und deren Vermittlung an den in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässigen Veranstalter. Der grenzüberschreitende Bezug wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Kontakt zwischen der Klägerin als Wettvermittlerin und ihren Kunden ausschließlich in Deutschland erfolgt und damit Ort der Veranstaltung bzw. der Vermittlung nach § 3 Abs. 4 GlüStV (auch) der Ort ist, an welchem dem Spieler die Möglichkeit zur Teilnahme eröffnet wird. Ausreichend für den grenzüberschreitenden Bezug der Dienstleistungserbringung ist die Vermittlung in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union. Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Vermittler und der Wettkunde als Empfänger der Dienstleistung in unterschiedlichen Mitgliedstaaten ansässig sind (EuGH, Urt. v. 6.11.2003, C-243/01, Gambelli, Rn. 58; Urt. v. 6.3.2007, C-338/04 u.a., Placanica, Rn. 44). Über den Wortlaut des Art. 56 AEUV (bisher Art. 49 EGV) hinaus ist nämlich nicht nur die Dienstleistungserbringungsfreiheit, sondern auch die Dienstleistungsempfangsfreiheit und die Korrespondenzdienstleistungsfreiheit geschützt (EuGH, Urt. v. 6.11.2003, C-243/01, Gambelli, Rn. 55).

(2) Dass die Erfüllung der Erlaubnispflicht des § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV durch die Klägerin als Vermittlerin von Sportwetten an den in einem EU-Mitgliedstaat konzessionierten Veranstalter infolge des Sportwettenmonopols (§ 10 Abs. 5 und Abs. 2 GlüStV) ausgeschlossen ist, stellt auch eine Beschränkung ihrer Dienstleistungsfreiheit dar.

Die Dienstleistungsfreiheit eines in Deutschland ansässigen Unternehmers wird beschränkt, wenn er gehindert wird, Sportwetten in Deutschland anzunehmen und diese an ein in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässiges Unternehmen, das dort rechtmäßig Sportwetten anbietet, zu vermitteln (vgl. EuGH, Urt. v. 6.11.2003, C-243/01, Gambelli, Rn. 58; Urt. v. 6.3.2007, C-338/04 u.a., Placanica, Rn. 44; Urt. v. 8.9.2010, C-316/07 u.a., Stoß u.a., Rn. 68).

(3) Die rechtliche und tatsächliche Ausgestaltung des staatlichen Sportwettenmonopols und damit des Ausschlusses der Klägerin als Vermittlerin von privaten Sportwetten von der nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV erforderlichen Erlaubnis ist nicht gerechtfertigt. Zwar können die mit der Regelung verfolgten Ziele (vgl. § 1 GlüStV), vor allem die Suchtbekämpfung, eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen [(a)]. In ihrer derzeitigen rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung wird die Regelung aber den Anforderungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht gerecht [(b)].

Dabei trägt der Mitgliedstaat, der die Dienstleistungsfreiheit beschränkt, grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Beschränkung auch gerechtfertigt und insbesondere verhältnismäßig ist. Zwar ist ein Mitgliedstaat nicht verpflichtet, schon vor Erlass einer beschränkenden Maßnahme die Verhältnismäßigkeit durch empirische Untersuchungen zu belegen (EuGH, Urt. v. 8.9.2010, C-316/07 u.a., Stoß u.a., Rn. 72; auch EuGH, Urt. v. 13.11.2003, C-42/02, Lindman, Rn. 25 spricht lediglich davon, dass die von einem Staat erlassenen beschränkenden Maßnahmen von einer Untersuchung zur Zweckmäßigkeit und zur Verhältnismäßigkeit begleitet werden müssen). Jedoch hat der Europäische Gerichtshof hervorgehoben, dass ein Mitgliedstaat, der sich auf ein Ziel berufen möchte, mit dem sich eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs durch eine restriktive nationale Maßnahme rechtfertigen lässt, dem Gericht, das über diese Frage zu entscheiden hat, alle Umstände vorlegen muss, anhand derer dieses Gericht sich vergewissern kann, dass die Maßnahme tatsächlich verhältnismäßig ist (EuGH, Urt. v. 8.9.2010, C-316/07 u.a., Stoß u.a., Rn. 71).

(a) Eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit kann durch Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sein (EuGH, Urt. v. 21.9.1999, C-124/97, Läärä, Rn. 31 m.w.N.; Urt. v. 21.10.1999, C-67/98, Zenatti, Rn. 29; Urt. v. 6.11.2003, C-243/01, Gambelli, Rn. 60; Urt. v. 6.3.2007, C-338/04 u.a., Placanica, Rn. 45). Hindernisse für die Dienstleistungsfreiheit, die sich aus unterschiedslos anwendbaren (d.h. diskriminierungsfreien) nationalen Maßnahmen ergeben, sind ferner nur dann zulässig, wenn diese Maßnahmen durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind, wenn sie geeignet sind, die Verwirklichung des mit ihnen angestrebten Zieles zu gewährleisten, und wenn sie nicht über das hierfür Erforderliche hinausgehen (EuGH, Urt. v. 21.9.1999, C-124/97, Läärä, Rn. 31 m.w.N.; Urt. v. 21.10.1999, C-67/98, Zenatti, Rn. 29 m.w.N.).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes gehören der Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung, die Betrugsvorbeugung sowie insbesondere die Bekämpfung der Spielsucht und der Schutz der Spieler vor unlauteren Glücksspielangeboten zu den Gründen, die eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen können (EuGH, Urt. v. 24.3.1994, C-275/92, Schindler, Rn. 56 ff. m.w.N.; Urt. v. 21.9.1999, C-124/97, Läärä, Rn. 32 f. m.w.N.; Urt. v. 21.10.1999, C-67/98, Zenatti, Rn. 30 f. m.w.N.; Urt. v. 6.11.2003, C-243/01, Gambelli, Rn. 67; Urt. v. 13.11.2003, C-42/02, Lindman, Rn. 25; Urt. v. 6.3.2007, C-338/04 u.a., Placanica, Rn. 46, 52 f.; Urt. v. 8.9.2010, C-316/07 u.a., Stoß u.a., Rn. 74 f.; Urt. v. 8.9.2010, C-46/08, Carmen Media, Rn. 55).

Das staatliche Glücksspielmonopol (§ 10 Abs. 2 und 5 GlüStV) dient den in § 1 GlüStV genannten Zielen. Diese umfassen die Bekämpfung der Glücksspielsucht durch eine Begrenzung des Glücksspielangebots und eine Lenkung des Spieltriebs der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen, die Gewährleistung des Jugend- und Spielerschutzes und den Schutz der Spieler vor betrügerischen Machenschaften sowie die Abwehr der mit Glücksspielen verbundenen Folge- und Begleitkriminalität. Dieses sind legitime Ziele, die eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen können. Dabei ist der Spielerschutz kein eigenständiges Ziel, sondern dient als besondere Maßnahme der Spielsuchtbekämpfung (Begründung des Glücksspielstaatsvertrags, abgedruckt in: Bü-Drs. 18/7229, S. 14 f.).

(b) Hinzukommen muss aber, dass die auf legitime Gründe gestützten, die Dienstleistungsfreiheit beschränkenden Maßnahmen geeignet sind, die Verwirklichung des mit ihnen angestrebten Zieles zu gewährleisten, und nicht über das hierfür Erforderliche hinausgehen (so ausdrücklich EuGH, Urt. v. 21.10.1999, C-67/98, Zenatti, Rn. 31; Urt. v. 6.11.2003, C-243/01, Gambelli, Rn. 67). Dabei kommt den jeweiligen Mitgliedstaaten ein Entscheidungsspielraum zu, um auf die sittlichen, religiösen oder kulturellen Besonderheiten und die sittlich und finanziell schädlichen Folgen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft, die mit Spielen und Wetten einhergehen, angemessen reagieren zu können (EuGH, Urt. v. 6.3.2007, C-338/04 u.a., Placanica, Rn. 47; Urt. v. 8.9.2010, C-316/07 u.a., Stoß u.a., Rn. 76). Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes steht es somit zwar im Ermessen des Mitgliedstaates zu entscheiden, auf welche Weise er auf seinem Gebiet im Bereich von Glücksspielen Schutz gewähren will. Dem jeweiligen Mitgliedstaat obliegt die Beurteilung, ob es im Rahmen der Verfolgung der legitimen Ziele notwendig ist, das Angebot von Glücksspielen vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genügt, das Angebot zu beschränken und zu diesem Zweck Kontrollen vorzusehen (EuGH, Urt. v. 24.3.1994, C-275/92, Schindler, Rn. 61; Urt. v. 21.9.1999, C-124/97, Läärä, Rn. 35 f.; Urt. v. 21.10.1999, C-67/98, Zenatti, Rn. 33; Urt. v. 6.11.2003, C-243/01, Gambelli, Rn. 63; Urt. v. 8.9.2010, C-316/07 u.a., Stoß u.a., Rn. 79; Urt. v. 8.9.2010, C-46/08, Carmen Media, Rn. 46, 58). Bei dieser Entscheidung ist er aber nicht frei, sondern an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden (EuGH, Urt. v. 6.3.2007, C-338/04 u.a., Placanica, Rn. 48 f., 58; Urt. v. 8.9.2010, C-316/07 u.a., Stoß u.a., Rn. 79).

Dies führt dazu, dass Beschränkungen der Spieltätigkeiten nur dann durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses wie den Verbraucherschutz, die Vorbeugung vor Betrug und vor Störungen der sozialen Ordnung sowie die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen gerechtfertigt sein können, wenn die Beschränkungen geeignet sind, die Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen (EuGH, Urt. v. 6.11.2003, C-243/01, Gambelli, Rn. 67; Urt. v. 8.9.2010, C-316/07 u.a., Stoß u.a., Rn. 88; Urt. v. 8.9.2010, C-46/08, Carmen Media, Rn. 55).

Entgegen der bisherigen Rechtsprechung der Kammer (vgl. u.a. Beschl. v. 4.3.2010, 4 E 3063/09, juris, Rn. 13; Beschl. v. 15.4.2008, 4 E 971/08, juris, Rn. 20) und des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. u.a. Beschl. v. 31.8.2010, 4 Bs 176/10, S. 6, n.v.; Beschl. v. 27.2.2009, 4 Bs 235/08, juris, Rn. 25 ff.; Beschl. v. 25.3.2008, 4 Bs 5/08, juris, Rn. 26, Beschl. v. 16.11.2007, 1 Bs 187/07, n.v. jeweils m.w.N) beurteilt sich die Kohärenz einer staatlichen Begrenzung des Glücksspielangebots aus unionsrechtlicher Perspektive nicht anhand einer auf den jeweiligen Glücksspielsektor beschränkten Betrachtungsweise. Vielmehr sind nach der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bei der Frage, ob die Beschränkung eines Glücksspielsektors zur Bekämpfung der Spielsucht kohärent ist, die Entwicklungen in den anderen Glücksspielsektoren zu berücksichtigen (EuGH, Urt. v. 8.9.2010, C-316/07 u.a., Stoß u.a., Rn. 106; Urt. v. 8.9.2010, C-46/08, Carmen Media, Rn. 68). Insoweit unterscheidet sich die unionsrechtliche von der verfassungsrechtlichen Beurteilung (zum Verfassungsrecht vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.3.2009, 1 BvR 2410/08, juris, Rn. 17).

(aa) Die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV – ehemals Art. 49 EGV) in Form der Beschränkung der Spieltätigkeit durch das staatliche Sportwettenmonopol (§§ 4 Abs. 1 Satz 1, 10 Abs. 5 GlüStV) ist nicht geeignet, das Ziel der Spielsuchtbekämpfung dadurch zu erreichen, dass das Glücksspielangebot kohärent und systematisch begrenzt wird. Dazu hat der Europäische Gerichtshof im Urteil in der Sache „Carmen Media“ ausgeführt (EuGH, Urt. v. 8.9.2010, C-46/08, Carmen Media, Rn. 71):

„Art. 49 EG [ist] dahin gehend auszulegen [...], dass, wenn ein regionales staatliches Monopol auf Sportwetten und Lotterien errichtet wurde, mit dem das Ziel verfolgt wird, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, und ein nationales Gericht sowohl feststellt,

– dass andere Arten von Glücksspielen von privaten Veranstaltern, die über eine Erlaubnis verfügen, betrieben werden dürfen, als auch,

– dass in Bezug auf andere Arten von Glücksspielen, die nicht unter das Monopol fallen und zudem ein höheres Suchtpotenzial als die dem Monopol unterliegenden Spiele aufweisen, die zuständigen Behörden eine zur Entwicklung und Stimulation der Spieltätigkeiten geeignete Politik der Angebotserweiterung betreiben, um insbesondere die aus diesen Tätigkeiten fließenden Einnahmen zu maximieren,

das nationale Gericht berechtigten Anlass zu der Schlussfolgerung haben kann, dass ein solches Monopol nicht geeignet ist, die Erreichung des mit seiner Errichtung verfolgten Ziels dadurch zu gewährleisten, dass es dazu beiträgt, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen. Dass die Glücksspiele, die Gegenstand des genannten Monopols sind, in die Zuständigkeit der regionalen Behörden fallen, während für die anderen Arten von Glücksspielen die Bundesbehörden zuständig sind, ist dabei unerheblich.“

Dieses Urteil beruht auf den tatsächlichen Feststellungen des Vorlagebeschlusses (VG Schleswig, Beschl. v. 30.1.2008, 12 A 102/06, juris). In diesem Beschluss hat das Verwaltungsgericht Schleswig festgestellt (Rn. 51 f.):

„Ausgehend von dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse, wie sie auch vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 28.03.2006 zugrunde gelegt wurden, weisen Automatenspiele das größte Spielsuchtgefährdungspotential auf (Hayer/Meyer, Journal of Public Health 2004, Seite 293, 296).

Gleichwohl hat der Bundesminister für Wirtschaft durch Änderung der für Automatengewinnspiele geltenden und auf der Grundlage des § 33f Abs.1 GewO erlassenen SpielV (BGBl. I. 2006, 280) mit Wirkung vom 1.1.2006 Weiterungen im gewerblichen Automatenspielbetrieb zugelassen. So wurde die Zahl der zulässigen Geld- und Warenspielgeräte in einer Gaststätte von 2 auf 3 erhöht, die Mindestquadratmeterzahl pro Gerät in einer Spielhalle von 15m² auf 12m² verringert und die Anzahl der Geräte in einer Spielhalle von 10 auf 12 erhöht. Gleichermaßen wurde die Mindestspieldauer pro Gerät von 12 auf 5 Sekunden reduziert und die Verlustgrenze von 60 auf 80 Euro heraufgesetzt.“

Daneben stellte das Verwaltungsgericht Schleswig fest, dass die Bundesländer auch im Bereich der Kasinospiele eine expansive Politik betrieben. So habe sich die Anzahl der erlaubten Casinos allein vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2005 von 66 auf 81 erhöht (VG Schleswig, Beschl. v. 30.1.2008, 12 A 102/06, juris, Rn. 56). Schließlich begründet das Verwaltungsgericht Schleswig die Inkohärenz auch damit, dass die Pferdewetten aufgrund des Rennwett- und Lotteriegesetzes vom Geltungsbereich des Glücksspielstaatsvertrages ausgenommen sind (vgl. § 1 Abs. 2 HmbGlüStVAG) und in diesem Bereich private Anbieter tätig werden dürfen (§§ 1 und 2 RennwLottG, vgl. VG Schleswig, Beschl. v. 30.1.2008, 12 A 102/06, juris, Rn. 54).

Diese Feststellungen haben auch im gegenwärtigen Zeitpunkt ihre Gültigkeit. Die Beklagte hat trotz ihrer bestehenden Darlegungs- und Beweislast für die Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme, welche die Dienstleistungsfreiheit gemäß § 56 AEUV (bisher Art. 49 EGV) beschränkt [s.o. (3)], keine eigenen Studien oder Zahlen zur bundesweiten Ausbreitung der Spielautomaten und Spielkasinos vorgelegt, die den Feststellungen des Verwaltungsgerichts Schleswig entgegenstehen.

Auch die neuesten Zahlen zur Glücksspielwirtschaft belegen keine staatliche Begrenzung im Bereich des Automatenglücksspiels und der Spielkasinos. Insbesondere im Spielautomatensektor fand keine Begrenzung des Angebots, sondern eine auf der Lockerung der Vorschriften der Spielverordnung im Jahre 2006 beruhende Angebotserweiterung statt (vgl. Vieweg, Gutachten des ifo-Instituts zur Wirtschaftsentwicklung Unterhaltungsautomaten 2009 und Ausblick 2010, Januar 2010, S. 13; Meyer, Stellungnahme, Bundestag, Ausschuss für Gesundheit, Drucksache 16(14)0566(6), 22.6.2009, S. 1). Aus dem Bericht der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder zur Evaluierung des Glücksspielstaatsvertrages vom 1. September 2010 ergibt sich, dass die Anzahl der aufgestellten Geldspielautomaten von 183.000 im Jahre 2005 auf 212.000 im Jahre 2009 gestiegen ist (S. 84; vgl. auch Vieweg, Gutachten ifo-Institut, a.a.O., Januar 2010, S. 13; Meyer, Stellungnahme, a.a.O, 22.6.2009, S. 2). Diese Erhöhung beruht - neben dem Ersatz der sog. Fun-Game-Automaten, die durch Einführung des § 6a SpielV im Jahre 2006 verboten wurden, durch Geldspielautomaten - vor allem auf der Änderung der Spielverordnung im Jahre 2006, wonach pro Spielstättenkonzession mehr Automaten ausgestellt werden dürfen (Vieweg, Gutachten ifo-Institut, a.a.O., Januar 2010, S. 13; Meyer, Stellungnahme, a.a.O, 22.6.2009, S. 1; zum erhöhten Suchtpotential durch die Verkürzung der Mindestspieldauer im Rahmen der Änderung der Spielverordnung: Böning, in: Wortprotokoll der 127. Sitzung des Ausschusses für Gesundheit, 1.7.2009, BT-Drs. 16/11661, S. 9). Im selben Zeitraum von 2005 bis 2009 haben sich die Umsätze an den Geldspielautomaten von 5,88 auf 8,13 Milliarden Euro (Meyer, in: Jahrbuch Sucht, 2010, S. 120, 124) und der Bruttospielertrag der Automatenaufsteller von 2,35 auf 3,34 Milliarden Euro erhöht (Bericht der Glücksspielaufsichtsbehörden, a.a.O., 1.9.2010, S. 84; Meyer, in: Jahrbuch Sucht, 2010, S. 120, 124). Selbst wenn die sogenannten „Fun-Games“ in die Betrachtung einbezogen werden, hat sich der Bruttospielertrag insgesamt in diesem Zeitraum von 3,2 auf 3,51 Milliarden Euro erhöht (Bericht der Glücksspielaufsichtsbehörden, a.a.O., 1.9.2010, S. 84).

Darüber hinaus hat die Beklagte keine legislativen Anstrengungen zur Begrenzung des Automatenspiels und der Spielkasinos vorgetragen. Schärfere Vorschriften und strengere Beschränkungen sind weder bei den Spielbanken noch beim Automatenspiel ersichtlich. Vor diesem Hintergrund hat die Kammer berechtigten Anlass zu der Schlussfolgerung, dass das staatliche Glücksspielmonopol (§§ 4 Abs. 1 Satz 1, 10 Abs. 5 GlüStV) nicht geeignet ist, die Erreichung des mit seiner Errichtung verfolgten Ziels dadurch zu gewährleisten, dass es dazu beiträgt, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten im Glücksspielbereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen.

Dabei ist unerheblich, ob die Länder durch die abschließende Normierung auf Bundesebene in der Gewerbeordnung und der Spielverordnung von vornherein an einer Einbeziehung des gewerblichen Automatenspiels in die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages gehindert gewesen sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann sich ein Mitgliedstaat nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechtsordnung berufen, um die Nichteinhaltung seiner aus dem Unionsrecht folgenden Verpflichtungen zu rechtfertigen (EuGH, Urt. v. 13.9.2001, Kommission/Spanien, C-417/99, Rn. 37, m.w.N.). Die interne Zuständigkeitsverteilung innerhalb eines Mitgliedstaats, namentlich zwischen zentralen, regionalen und lokalen Behörden, kann ihn u. a. nicht davon entbinden, den Glücksspielsektor kohärent zu begrenzen (EuGH, Urt. v. 8.9.2010, C-46/08, Carmen Media, Rn. 69).

(bb) Die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV – ehemals Art. 49 EGV) in Form der Beschränkung der Spieltätigkeit durch das staatliche Sportwettenmonopol (§§ 4 Abs. 1 Satz 1, 10 Abs. 5 GlüStV) lässt sich auch nicht mit den Zielen des Jugendschutzes und der Bekämpfung von Betrug sowie Folge- und Begleitkriminalität (§ 1 Nr. 3 und 4 GlüStV) rechtfertigen. Das staatliche Sportwettmonopol ist zur Erreichung dieser Ziele unverhältnismäßig. Es dürfte zwar zur Erreichung der Ziele geeignet sein [?)], es ist aber insoweit nicht erforderlich [?)].

?) Zwar dürfte das staatliche Sportwettmonopol geeignet sein, die Ziele des Jugendschutzes und der Kriminalitätsbekämpfung, insbesondere der Betrugsvorbeugung, in systematischer und kohärenter Weise zu erreichen (vgl. EuGH, Urt. v. 8.9.2009, C-42/07, Liga Portuguesa, Rn. 63). Es findet sich nämlich kein Glücksspielsektor, in dem das Ziel des Jugendschutzes und der Kriminalitätsbekämpfung nicht verfolgt wird.

Insoweit unterscheiden sich die Ziele der Bekämpfung der Spielsucht durch eine Begrenzung des Glücksspielangebots einerseits und des Jugendschutzes und der Kriminalitätsbekämpfung andererseits. Denn das Ziel der Suchtbekämpfung kann deshalb nicht kohärent und systematisch durch das Sportwettmonopol erreicht werden, weil der Staat in anderen Glücksspielsektoren eine Politik der Angebotserweiterung betrieben bzw. zumindest geduldet hat. Hingegen finden sich in allen Glücksspielsektoren, also auch bei Pferdewetten, Spielkasinos und bei Spielautomaten, Regelungen zur Sicherstellung des Jugendschutzes (§ 2 Abs. 2 RennwLottG, wobei der Erlaubnisvorbehalt sowohl der Sicherstellung des Jugendschutzes als auch der Bekämpfung der Kriminalität dienen kann; § 4 Abs. 3 GlüStV i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 HmbGlüStVAG; § 33c Abs. 1 Satz 3, 5. Alt GewO) und zur Kriminalitätsbekämpfung, insbesondere der Betrugsvorbeugung (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 HmbGlüStVAG i.V.m. § 1 Nr. 4 GlüStV; § 33c Abs. 1 Satz 3, 1. Alt GewO).

?) Jedoch ist das staatliche Sportwettmonopol zur Erreichung der beiden genannten Ziele nicht erforderlich. Denn es bestehen mildere gleich effektive Mittel, um den Jugendschutz sicherzustellen und die Kriminalität im Zusammenhang mit Sportwetten zu bekämpfen:

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die Schaffung eines Monopols eine äußerst restriktive Maßnahme darstellt (EuGH, Urt. v. 8.9.2010, C-316/07 u.a., Stoß u.a., Rn. 83). Auch wenn das von den Behörden eines Mitgliedstaats verfolgte Ziel darin besteht, das Risiko auszuschalten, dass Glücksspielanbieter in kriminelle oder betrügerische Tätigkeiten verwickelt werden, kann sich ein Monopol als nicht erforderlich erweisen, wenn es andere Mittel gibt, die Tätigkeiten der Anbieter zu kontrollieren (EuGH, Urt. v. 6.11.2003, C-243/01, Gambelli, Rn. 74).

Als milderes Mittel kommt die Normierung entsprechender rechtlicher Anforderungen an ein gewerbliches Wettangebot privater Wettunternehmen in Betracht. Deren Einhaltung kann durch Genehmigungsvorbehalte und behördliche Kontrolle mit den Mitteln der Wirtschaftsaufsicht sichergestellt werden (vgl. BVerfG, Urt. v. 28.3.2006, BVerfGE 115, 276, 309; VG Arnsberg, Beschl. v. 10.3.2010, 1 L 37/10, juris, Rn. 54).

In diesem Sinne wird der Jugendschutz schon im Regelungskonzept des Glücksspielstaatsvertrages durch eine an alle Veranstalter und Vermittler von Glücksspiel gerichtete Vorschrift umgesetzt (§ 4 Abs. 3 GlüStV). Daneben ist ein staatliches Monopol zur Verwirklichung des Jugendschutzes nicht erforderlich.

Hinsichtlich der Betrugs- und Kriminalitätsbekämpfung hat der Europäische Gerichtshof zwar ein staatliches Monopol von Sportwetten im Internet als durch den Aspekt der Kriminalitätsbekämpfung gerechtfertigt angesehen (EuGH, Urt. v. 8.9.2009, C-42/07, Liga Portuguesa). Dabei hat er jedoch maßgeblich damit argumentiert, dass im Internet geringere staatliche Kontrollmöglichkeiten hinsichtlich der Wirtschaftsteilnehmer bestünden (EuGH, Urt. v. 8.9.2009, C-42/07, Liga Portuguesa, Rn. 68 f.). Darüber hinaus würden die Glücksspiele im Internet wegen des fehlenden unmittelbaren Kontakts zwischen Anbietern und Verbrauchern für Letztere größere Betrugsgefahren bergen (EuGH, Urt. v. 8.9.2009, C-42/07, Liga Portuguesa, Rn. 70).

Diese Gefahren bestehen hier nicht. Anders als in der Liga Portugesa-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs geht es vorliegend nicht um im Internet angebotene Glücksspiele, sondern um die Vermittlung von Sportwetten in ortsfesten Annahmestellen. Die zuständige Behörde kann die in Hamburg befindliche Annahmestelle der Klägerin genauso wie alle anderen Anbieter von Glücksspiel überwachen und kontrollieren und damit die Einhaltung des Jugendschutzes sicherstellen und möglichen Betrug und andere Begleit- und Folgekriminalität bekämpfen. Wenn privaten Anbietern, wie der Klägerin, das Erlaubnisverfahren nach § 8 HmbGlüStVAG geöffnet wird, können die Ziele des Glücksspielstaatsvertrages schon durch eine Kontrolle bei der Erlaubniserteilung erreicht werden. Die Annahmestellen bergen nicht die mit der Anonymität des Internets verbundenen Risiken.

Zweifel an der gleichen Effektivität der Regulierung der privaten Wettanbieter ergeben sich auch nicht daraus, dass nach Auffassung der Beklagten das staatliche Monopol wirksamere Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten ermögliche, um den Jugendschutz sicherzustellen und dem Betrug vorzubeugen. Diese milderen Mittel der staatlichen Regulierung des privaten Glücksspielangebots hält der Staat in anderen Glücksspielsektoren, wie bei den Pferdewetten und dem Automatenspiel für ausreichend effektiv, um Jugendschutz sowie Kriminalitätsabwehr sicherzustellen. Gründe dafür, dass gerade der Sportwettensektor besondere Maßnahmen des Jugendschutzes oder der Kriminalitätsbekämpfung erfordern, sind nicht ersichtlich.

Vielmehr ging der Gesetzgeber bei Erlass des Glücksspielstaatsvertrages selbst davon aus, dass lediglich die Bekämpfung der Spielsucht wichtig genug sei, um das staatliche Monopol zu rechtfertigen. Ziel des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland ist nämlich vorrangig die Vermeidung und Bekämpfung der Glücksspielsucht (Begründung des Glücksspielstaatsvertrags, abgedruckt in: Bü-Drs. 18/7229, S. 2). Dieses Ziel ist innerhalb der in § 1 GlüStV genannten Ziele das Erste und Wichtigste (Begründung des Glücksspielstaatsvertrags, abgedruckt in: Bü-Drs. 18/7229, S. 13). Auch das Bundesverfassungsgericht hat nur die Bekämpfung der Spielsucht als ein derart wichtiges Rechtsgut angesehen, dass es ein staatliches Monopol rechtfertigen kann (BVerfG, Urt. v. 28.3.2006, BVerfGE 115, 276, 309 f.).

Hingegen sollen die Ziele des Jugendschutzes und der Kriminalitätsbekämpfung nach Auffassung des Gesetzgebers durch andere, vom Monopol unabhängige, weniger einschneidende Maßnahmen erreicht werden, so dass diese Ziele das Monopol nicht rechtfertigen können. Der Jugendschutz soll durch das vom staatlichen Monopol unabhängige allgemeine Verbot des § 4 Abs. 3 GlüStV sichergestellt werden (Begründung des Glücksspielstaatsvertrags, abgedruckt in: Bü-Drs. 18/7229, S. 14). Zur Sicherstellung fairen Spiels und zum Schutz vor Folge- und Begleitkriminalität hat der Gesetzgeber in § 9 GlüStV eine starke Glücksspielaufsicht geschaffen (Begründung des Glücksspielstaatsvertrags, abgedruckt in: Bü-Drs. 18/7229, S. 15). Die Glücksspielaufsicht ist nicht an das staatliche Monopol gekoppelt, sondern kann bei dessen Wegfall auch die Kontrolle möglicher privater Anbieter durchführen.

Darüber hinaus ist in Bezug auf das Ziel, kriminellen Handlungen im Bereich des Sportwettgeschäfts vorzubeugen, zu berücksichtigen, dass typische Betrugsgefahren durch manipulierte Spielgeräte und Spielmittel oder durch Einflussnahme auf den Spielverlauf bei Sportwetten mit fester Gewinnquote in geringerem Maße als bei anderen Glücksspielen bestehen (vgl. BVerfG, Urt. v. 28.3.2006, BVerfGE 115, 276, 306; VG Arnsberg, Beschl. v. 10.3.2010, 1 L 37/10, juris, Rn. 49). Denn es wird auf ein von dritter Seite veranstaltetes Sportereignis gewettet, das der Wettunternehmer selbst nicht beeinflussen kann. Die in Deutschland bekannt gewordenen Sportwettskandale bezogen sich allesamt auf Manipulationen von Seiten Dritter und nicht auf Manipulationen durch die privaten Anbieter von Sportwetten. Gegenüber der Manipulation durch unbeteiligte Dritte bietet das Sportwettmonopol aber keine größere Sicherheit, weil staatliche und private Anbieter in gleicher Weise Opfer solcher Manipulationsversuche geworden sind und werden können (vgl. auch VG Arnsberg, Beschl. v. 10.3.2010, 1 L 37/10, juris, Rn. 56). Auch die Gefahr der Übervorteilung der Spieler durch Täuschung über die Gewinnchancen ist bei Sportwetten mit fester Gewinnquote geringer als bei anderen Glücksspielen, da Risiko und Gewinnchance aufgrund der fest vereinbarten Gewinnquoten transparenter sind (vgl. BVerfG, Urt. v. 28.3.2006, BVerfGE 115, 276, 306; VG Arnsberg, Beschl. v. 10.3.2010, 1 L 37/10, juris, Rn. 49).

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Mitgliedstaaten die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV (ehemals Art. 49 EGV) trifft (s.o.). Die Beklagte hätte also darlegen müssen, weshalb gerade im Bereich der Sportwetten, anders als beim Automatenspiel oder den Pferdewetten, ein staatliches Monopol erforderlich sei, um den Jugendschutz sicherzustellen sowie die Begleit- und Folgekriminalität bekämpfen zu können. Das hat die Beklagte nicht getan. Insbesondere der bloße Hinweis auf die Manipulationsskandale, die bei Fußballspielen vorgekommen seien, reicht dafür nicht aus, weil diese staatliche und private Anbieter im gleichen Maße betreffen.

b) Die Beklagte konnte die streitgegenständliche Untersagungsverfügung aus den soeben unter dem Gliederungspunkt a) genannten Gründen auch nicht insoweit auf § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV stützen, als dem ausländischen Veranstalter, an den die Klägerin die Sportwetten vermittelte, die hamburgische Erlaubnis fehlt, Glücksspiel zu veranstalten. Auch dem ausländischen Unternehmen war es wegen des bestehenden, europarechtswidrigen staatlichen Sportwettenmonopols (§ 10 Abs. 2 und 5 GlüStV) verwehrt, eine Erlaubnis zu erlangen. Das bloße Fehlen einer formellen Erlaubnis, das darauf beruht, dass in europarechtswidriger Weise privaten Anbietern keine Erlaubnis ausgestellt wird, kann dem Veranstalter ebenso wenig wie der Klägerin als Vermittlerin entgegengehalten werden.

2. Die Untersagungsverfügung lässt sich auch nicht auf die Ermächtigungsgrundlage des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV stützen. Weder die Klägerin [a)] noch der ausländische Veranstalter, an den die Klägerin Sportwetten vermittelt [b)] verstoßen durch das streitgegenständliche Verhalten gegen § 4 Abs. 4 GlüStV.

a) Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich die Unerlaubtheit des Glücksspiels vorliegend nicht aus dem Verbot des § 4 Abs. 4 GlüStV, da es sich bei dem Sportwettenangebot der Klägerin um ein Veranstalten bzw. Vermitteln nicht im Internet i.S.d. § 4 Abs. 4 GlüStV, sondern in ortsfesten Annahmestellen handelt (vgl. VGH München, Beschl. v. 8.7.2008, 10 CS 08.1364, juris, Rn. 17).

Nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 4 GlüStV ist das Veranstalten und Vermitteln „im Internet“ verboten, nicht aber die Übermittlung „über“ Internetleitungen (VG Berlin, Urt. v. 7.7.2008, 35 A 149.07, juris, Rn. 64 ff.). Aus der Begründung zu § 4 Abs. 4 GlüStV folgt, dass mit dem Internetverbot ein bestimmter Vertriebsweg, d.h. die Wettteilnahme im Internet, ausgeschlossen werden sollte, nicht aber Vorgaben zur verwendeten Kommunikationstechnologie getroffen werden sollten (Begründung des Glücksspielstaatsvertrags, abgedruckt in: Bü-Drs. 18/7229, S. 17 f.):

„Absatz 4 enthält das generelle Verbot der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet [...] Damit wird eine wesentliche Forderung erfüllt, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28. März 2006 aufgestellt hat. Insbesondere vor dem Hintergrund der rechtlich gebotenen Ausrichtung des Wettangebots am Ziel der Bekämpfung der Wettsucht hat das Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit der Wettteilnahme über das Internet als bedenklich angesehen zumal gerade dieser Vertriebsweg keine effektive Kontrolle des Jugendschutzes gewährleistet. Die Anonymität des Spielenden und das Fehlen jeglicher sozialen Kontrolle lassen es unter dem Aspekt der Vermeidung von Glücksspielsucht als notwendig erscheinen, den Vertriebsweg „Internet“ über den Sportwettenbereich hinaus in Frage zu stellen. Zur Sicherstellung der Ziele des § 1 ist es daher geboten, dem Glücksspielbereich den Vertriebsweg Internet grundsätzlich zu untersagen. Damit wird zudem eine Forderung der Suchtexperten erfüllt, die ein konsequentes Verbot von Internet-Wetten und Online-Glücksspielen verlangen.“

Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass mit § 4 Abs. 4 GlüStV den besonderen Gefahren der Wettteilnahme im Internet begegnet werden sollte, auf die auch das Bundesverfassungsgericht hingewiesen hatte (BVerfG, Urt. v. 28.3.2006, BVerfGE 115, 276, 315):

„Vor dem Hintergrund der rechtlich gebotenen Ausrichtung des Wettangebots am Ziel der Bekämpfung der Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft ist auch die Möglichkeit der Wettteilnahme über das Internetangebot der Staatlichen Lotterieverwaltung bedenklich. Der Vertreter der Staatlichen Lotterieverwaltung hat [...] dargelegt, dass sich über diesen Vertriebsweg jedenfalls derzeit der im Rahmen der Suchtprävention besonders wichtige Jugendschutz nicht effektiv verwirklichen lasse.“

Das Bundesverfassungsgericht hat zur Neuregelung der Vertriebswege ausgeführt, dass die Vertriebswege so auszuwählen und einzurichten sind, dass Möglichkeiten zur Realisierung des Spieler- und Jugendschutzes genutzt werden (BVerfG, Urt. v. 28.3.2006, BVerfGE 115, 276, 318). Vorgaben zu den zwischen Vermittler und Veranstalter verwendeten Kommunikationstechnologien finden sich im Urteil des Bundesverfassungsgerichts hingegen nicht.

Diese Auslegung des § 4 Abs. 4 GlüStV entspricht auch der Unterscheidung durch Suchtexperten zwischen Angeboten im Internet (Online-Glücksspiel) und im Rahmen des Betriebes von privaten Wettbüros (Hayer/Meyer, Sucht 49 [2003], S. 212, 213 f., 217) und der darauf basierenden Forderung, für das als besonders gefährlich erachtete Angebot im Internet (Online-Glücksspiel) besondere Vorkehrungen zu treffen (Hayer/Meyer, a.a.O., S. 214). Dieser Forderung wollte der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 4 Abs. 4 GlüStV ausweislich der Gesetzesbegründung nachkommen (Begründung des Glücksspielstaatsvertrags, abgedruckt in: Bü-Drs. 18/7229, S. 18).

b) Die Vermittlung der Sportwetten durch die Klägerin ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil der ausländische Veranstalter – wie sich aus den vom Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten zur Akte gereichten Auszügen aus dem Internetangebot des Veranstalters ergibt - Sportwetten auch im Internet anbietet. Die angefochtene Untersagungsverfügung bezieht sich nämlich ausschließlich auf die Vermittlung von Sportwetten durch die Klägerin im Rahmen einer ortsfesten Annahmestelle [s.o. 2. a)]. Soweit das Angebot des ausländischen Veranstalters über die Wettannahmestelle der Klägerin vermittelt wird, besteht für den Spieler keine Möglichkeit der Spielteilnahme über das Internet. Der Vertriebsweg Internet ist hier also nicht betroffen (vgl. Begründung des Glücksspielstaatsvertrags, abgedruckt in: Bü-Drs.18/7229, S. 17 f.). Eine Untersagungsverfügung nach § 4 Abs. 4 GlüStV könnte nur direkt gegen den ausländischen Veranstalter ergehen, soweit dieser Sportwetten über das Internet ohne zwischengeschaltete Annahmestellen entgegennimmt.

3. Die Unerlaubtheit des Glücksspiels i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV kann sich vorliegend auch nicht aus einem Verstoß gegen § 21 Abs. 2 Satz 3 GlüStV ergeben, weil eine entsprechende Untersagungsverfügung (jedenfalls) ermessensfehlerhaft ist.

Eine Auslegung oder Umdeutung der streitgegenständlichen Untersagungsverfügung, Sportwetten zu veranstalten oder zu vermitteln, in eine Untersagungsverfügung, Live-Wetten zu vermitteln, kommt zunächst nicht in Betracht. Dem Gericht ist es grundsätzlich verwehrt, im Wege eines geltungserhaltenden Austausches des Regelungsgehalts diesen zu verändern (vgl. VG Berlin, Urt. v. 7.7.2008, 35 A 149.07, juris).

a) In der Sache dürfte es schon fraglich sein, ob die Beklagte der Klägerin einen konkreten Verstoß gegen das in § 21 Abs. 2 Satz 3 GlüStV normierte Live-Wetten-Verbot nachweisen kann. In den Sachakten der Beklagten finden sich zwar Auszüge des Angebots des ausländischen Veranstalters, die sich in der seinerzeit betriebenen Wettannahmestelle der Klägerin im Jahr 2006 befanden; diese enthalten jedoch keinen Hinweis auf angebotene Live-Wetten. Soweit der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung aktuelle Auszüge aus dem Internetangebot des ausländischen Veranstalters – die auch Live-Wetten enthalten - zu den Akten gereicht hat, so ist nicht ersichtlich, dass diese auch konkret von der Klägerin angeboten oder vermittelt wurden. In diesem Zusammenhang geht das Gericht davon aus, dass das Sportwettangebot in der Wettannahmestelle der Klägerin wegen der angedrohten und teilweise vollzogenen Vollstreckungsmaßnahmen nach den negativen Beschlüssen für die Klägerin in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (einstweilen) eingestellt wurde. Zumindest finden sich in den Akten keinerlei tatsächliche Erkenntnisse über eine entsprechende Vermittlungstätigkeit der Klägerin in den Jahren nach 2007.

b) Nach Ansicht der Kammer hat die Beklagte außerdem ihr Ermessen hinsichtlich des Live-Wetten-Verbots in den Bescheiden nicht ausgeübt und konnte diesen Ermessensausfall nicht durch ein „Nachschieben“ von Ermessenserwägungen heilen.

aa) Die Ermessensentscheidung, die die Beklagte getätigt hat, bezieht sich sowohl in den angefochtenen Verfügungen als auch im Laufe des gerichtlichen Verfahrens ausschließlich auf das Bestehen eines staatlichen Monopols (zunächst unter Bezugnahme auf § 5 Lotteriestaatsvertrag, danach auf §§ 4 Abs. 1, 10 Abs. 2, 5 GlüStV). So heißt es etwa auf Seite 10 des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2007:

"Nach pflichtgemäßem Ermessen ist der Widersprechenden die illegale und nicht genehmigungsfähige Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten zu untersagen. Diese Untersagung ist ein erforderliches und geeignetes Mittel, um das staatliche Sportwettenmonopol durchzusetzen. ..."

Weitere nach dem Glücksspielstaatsvertrag bestehende materielle Versagungsgründe konnten in den angefochtenen Bescheiden nicht in Bezug genommen werden, weil diese erst mit dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages am 1. Januar 2008 in Kraft traten. Auch im Verlauf des anhängigen gerichtlichen Verfahrens und nach Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages hat sich die Beklagte zur Begründung ihrer Untersagungsverfügung auf das Bestehen des staatlichen Monopols berufen und erstmals im Zusammenhang mit der mündlichen Verhandlung (auch) Rückgriff auf den materiellen Versagungsgrundes § 21 Abs. 2 Satz 3 GlüStV genommen.

bb) Ein „Nachschieben“ von Gründen ist grundsätzlich auch in materieller Hinsicht (in formeller Hinsicht dürfte die Heilungsmöglichkeit der §§ 39, 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 HmbVwVfG zu berücksichtigen sein) möglich, weil das Gericht aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) alle tatsächlichen und rechtlichen Aspekte zu berücksichtigen hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich das Gericht anschließt, ist ein „Nachschieben“ von Gründen jedoch nur möglich, wenn erstens die nachträglich angegebenen Gründe schon bei Erlass des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheides vorlagen, zweitens diese Heranziehung keine Wesensänderung des angefochtenen Verwaltungsakts bewirkt und drittens der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wird (BVerwG, Urt. v. 16.6.1997, 3 C 22/96, juris, m.w.N.).

Ist allerdings – wie hier im Falle eines Dauerverwaltungsaktes - der maßgebliche Entscheidungszeitpunkt der der letzten mündlichen Verhandlung, so ist die erste Voraussetzung nicht anwendbar. Vielmehr sind Änderungen der Sach- und Rechtslage vom Gericht in jedem Fall zu berücksichtigen, so dass die Beteiligten insoweit unbeschränkt vortragen können (vgl. Wolff in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., 2010, § 113, Rn. 82; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., 2009, § 113, Rn. 63).

Diese Maßstäbe gelten im Grundsatz auch für das „Nachschieben“ von Ermessenserwägungen (vgl. § 114 Satz 2 VwGO). Die vorgenannten Voraussetzungen für das „Nachschieben“ von Gründen gelten allerdings bei Ermessensentscheidungen nur beschränkt: Hier darf das Gericht von sich aus keine Änderungen in der Motivation der Auswahlentscheidung vornehmen, weil es auf diese Weise in die Selbstständigkeit der Exekutive eingriffe.

Wenn die Behörde aber von sich aus Änderungen vorträgt, muss das Gericht prüfen, ob dadurch die ursprüngliche Ermessensentscheidung ausgetauscht werden soll (was unzulässig wäre) oder die Rechte des Betroffenen beeinträchtigt werden. Zulässig ist das „Nachschieben“ bei Ermessensentscheidungen daher, wenn die „nachgeschobenen“ Erwägungen als Präzisierung des tragenden Gedankens der ursprüngliche Rechtfertigung zu begreifen ist (vgl. Wolff in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., 2010, § 113, Rn. 78).

Bei der hier einschlägigen Rechtsgrundlage des § 9 Abs. 1 Satz 3 GlüStV handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Es sind keine ermessenslenkenden Vorgaben ersichtlich, die für den Fall einer Untersagungsverfügung auf ein intendiertes Ermessen hinweisen.

cc) Diesen Anforderungen an das „Nachschieben“ von Ermessenserwägungen wird die von der Beklagten nunmehr herangezogene Begründung, die Untersagungsverfügung sei (auch) nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 i.V.m. § 21 Satz 2 Nr. 3 GlüStV begründet, nach Auffassung der Kammer nicht gerecht. Diese neue Begründung präzisiert nicht die tragenden Gedanken der ursprünglichen Rechtfertigung, sondern ändert das Wesen des angefochtenen Verwaltungsaktes und stellt damit einen gemäß § 114 Satz 2 VwGO unzulässigen Austausch der Ermessensentscheidung dar.

Die Beklagte hat im Rahmen ihrer Untersagungsverfügung die Rechtsgrundlage (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV i.V.m. §§ 4 Abs. 1, 10 Abs. 2, 5 GlüStV bzw. nunmehr § 21 Abs. 2 Satz 3 GlüStV) gewechselt bzw. ergänzt. Die herangezogenen Gründe dienen zwar sämtlich den Zwecken des § 1 GlüStV, sind aber strukturell verschieden: Das staatliche Monopol führt zu einem kompletten Ausschluss privater Anbieter, unabhängig von der Tätigkeit als solchen, während das Verbot von Live-Wetten eine (bloße) Vertriebsbeschränkung darstellt. Der Sache nach stützt die Beklagte ihre streitgegenständliche Verfügung danach aber nicht nur auf eine andere Rechtsgrundlage, sondern auch auf einen gänzlich anderen Sachverhalt, was die Grenzen des Zulässigen überschreiten dürfte (vgl. Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 113, Rn. 86).

Entscheidend ist jedoch insoweit, dass die Beklagte im Hinblick auf das Live-Wetten-Verbot erstmals im Prozess Ermessenserwägungen getätigt hat. Im Rahmen des § 114 Satz 2 VwGO ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift aber nur eine Ergänzung von Ermessenserwägungen, nicht aber die vollständige Nachholung oder die Auswechslung der die Ermessensentscheidung tragenden Gründe zulässig (BVerwG, Urt. v. 5.5.1998, 1 C 17/97, juris, Rn. 40; OVG Münster, Urt. v. 10.7.2003, 16 A 2822/01, juris, Rn. 60).

c) Unabhängig von der Frage, ob die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung genannten Gründe für eine Untersagungsverfügung „nachgeschoben“ werden konnten, sind die Ermessenserwägungen der Beklagten jedenfalls in der Sache fehlerhaft, soweit sie sich auf das Verbot der Live-Wetten beziehen.

In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass die Behörde im Zweifel dafür beweispflichtig ist, dass sie ihr Ermessen sachgemäß und nicht fehlerhaft ausgeübt hat; dabei kommt es vor allem auch auf die Begründung an (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., 2009, § 114, Rn. 11). Ermessensfehlerhaft ist etwa eine Entscheidung, wenn die Behörde "schematisch" und ohne Berücksichtigung und Bewertung der nach dem Zweck des Gesetzes zu berücksichtigenden besonderen Situation des Einzelfalls entscheidet (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., 2009, § 114, Rn. 16).

Dies ist hier der Fall: Die Beklagte hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung für alle Verfahren gleichermaßen - ohne Bezug auf die jeweiligen Einzelfälle - Ermessenserwägungen angestellt. Vor allem aber hat die Beklagte im Rahmen dieser Ermessensausübung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt, weil sie keinerlei Ermessenserwägungen darüber angestellt hat, ob bei einem Verstoß gegen das Verbot der Vermittlung von Live-Wetten eine vollständige Untersagung der Tätigkeit als solcher erforderlich bzw. angemessen ist. Dabei spricht vieles dafür, dass lediglich eine auf das Live-Wetten-Verbot beschränkte Untersagung verhältnismäßig wäre.

Der Ermessensfehler führt auch zur Aufhebung des Verwaltungsakts. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalls gleichwohl ausgeschlossen ist, dass die Behörde bei sachgemäßer Ausübung ihres Ermessens zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., 2009, § 114, Rn. 6, 18). Dies kommt in Fällen der Ermessenreduzierung auf Null in Betracht. Davon kann jedoch vorliegend schon wegen der Nichtbeachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht ausgegangen werden.

d) Hinzuweisen bleibt darauf, dass das Gericht nicht davon ausgeht, dass mit dem „Nachschieben“ neuer Gründe der „ursprüngliche“ Verwaltungsakt von der Beklagten konkludent aufgehoben wurde; denn die Beklagte hält ihre ursprünglich gegebene Begründung für die Verfügung – das Bestehen eines staatlichen Monopols – für weiterhin rechtmäßig und die Untersagungsverfügung tragend. Ob in der ergänzenden Begründung der Untersagungsverfügung der Erlass eines neuen Verwaltungsaktes gesehen werden kann, kann dahinstehen, weil dieser mangels entsprechender Prozesserklärungen der Beteiligten jedenfalls nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden ist und eine entsprechende Klageänderung auch nicht sachdienlich wäre (§ 91 Abs. 1 VwGO).

4. Die Unerlaubtheit des Glücksspiels i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV kann auch nicht auf einen Verstoß gegen § 4 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 1 GlüStV gestützt werden. Der Verfahrensbevollmächtigte der Beklagten hat zwar darauf hingewiesen, dass die Klägerin etwaig auch Wetten vermittelt hat, die keine – nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GlüStV ausschließlich erlaubnisfähigen – Sportwetten sind (z.B. Wetten auf politische Ereignisse). Wie oben unter bb) bereits erwähnt, ist es dem Gericht aber verwehrt, im Wege eines geltungserhaltenden Austausches des Regelungsgehalts der Untersagungsverfügung statt einer „Untersagung von Sportwetten“ eine „Untersagung von Wetten, die keine Sportwetten sind“ anzunehmen (vgl. VG Berlin, Urt. v. 7.7.2008, 35 A 149.07, juris, Rn. 78). Im Übrigen wäre auch in diesem Zusammenhang – geht man von einer Untersagung der Vermittlung von allen Wetten inklusive der Sportwetten aus - die Ermessensausübung der Beklagten wegen eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz fehlerhaft; insoweit kann auf die vorangegangenen Ausführungen Bezug genommen werden.

5. Auch die ordnungsrechtliche Generalklausel des § 3 Abs. 1 HmbSOG i.V.m. § 284 Abs. 1 StGB stellt vorliegend keine taugliche Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Untersagungsverfügung dar. Dabei dürfte schon fraglich sein, ob die Beklagte neben der spezialgesetzlichen Regelung der Eingriffsbefugnisse im Bereich des Glücksspielrechts in § 9 GlüStV überhaupt auf die ordnungsrechtliche Generalklausel des § 3 Abs. 1 HmbSOG zurückgreifen kann.

In jedem Fall kann nach den obigen Ausführungen (s.o. A I. 1.) die streitgegenständliche Untersagungsverfügung trotz der Nichterfüllung der Erlaubnispflicht des § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV nicht auf einen Verstoß gegen § 284 Abs. 1 StGB gestützt werden. Denn aus der verwaltungsakzessorischen Natur des § 284 Abs. 1 StGB (dazu BGH, Urt. v. 16.8.2007, 4 StR 62/07, juris; BGH, Urt. v. 14.2.2008, I ZR 207/05, juris) folgt, dass sich ein Anbieter von Sportwetten (und damit ein Veranstalter i.S.d. § 284 Abs. 1 StGB) nicht nach dieser Vorschrift strafbar macht, wenn – wie hier – die fehlende Erlaubnis auf einem Rechtszustand beruht, der mit höherrangigem Recht nicht zu vereinbaren ist (BGH, Urt. v. 16.8.2007, 4 StR 62/07, juris). Dies gilt auch für die unterschiedlichen Formen der Täterschaft und Teilnahme nach §§ 25, 26 und 27 StGB. Eine ordnungsrechtliche Untersagungsverfügung, die nicht mit anderen Gefahren für ordnungsrechtliche Schutzgüter, sondern allein mit einem Verstoß gegen das in § 284 Abs. 1 StGB strafbewehrte Verbot des Anbietens von unerlaubten Glücksspielen begründet ist, kann sich bei Unvereinbarkeit dieser Rechtslage mit höherrangigem Recht nicht als rechtmäßig erweisen [s.o. A I. 1. a) aa)].

Die (objektive) Verwirklichung des § 284 Abs. 1 StGB kann ferner auch nicht in einem Verstoß gegen das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV gesehen werden, da die Sportwettenvermittlung der Klägerin kein Angebot im Internet i.S.d. § 4 Abs. 4 GlüStV darstellt (dazu A I. 2.).

Ob eine auf spezielle Angebote der Klägerin beschränkte Untersagungsverfügung auf § 3 Abs. 1 HmbSOG i.V.m. § 284 Abs. 1 StGB i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 3 Alt. 1 (Live-Wetten-Verbot) bzw. § 21 Abs. 1 Satz 1 GlüStV (Verbot von Wetten, die nicht auf Sportereignisse gerichtet sind) möglich wäre, bedarf vorliegend keiner Klärung, da eine solche Teiluntersagung gerade nicht ausgesprochen wurde und dem Gericht eine geltungserhaltende Reduktion bzw. ein Austausch des Regelungsgehalts der Untersagungsverfügung verwehrt ist (vgl. oben, A I. 3. und 4.).

B

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, § 709 ZPO.

C

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war nach § 162 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären. Die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten schon im Vorverfahren ist anzuerkennen, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen, nicht rechtskundigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte und es diesem nicht zumutbar war, das Verfahren selbst zu führen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.1.1999, NVwZ-RR 1999, 611, 612 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend angesichts der Komplexität und Schwierigkeit des Verfahrens zu bejahen.

D

Da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, war die Berufung zuzulassen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).