OLG Hamburg, Urteil vom 26.08.2009 - 6 U 221/08
Fundstelle
openJur 2013, 912
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 14, vom 19.09.2008 (Az. 314 O 110/06) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt,

den Kläger von den Verbindlichkeiten aus den Darlehensverträgen Nr. ...898 und ...906 vom 30.05.2003 gegenüber der Sparkasse S...-A... L... freizustellen, Zug um Zug gegen Übereignung eines 21,51/1.000 Miteigentumsanteils an den Flurstücken ... der Flur ..., ... sowie ... der Flur ... der Gemarkung P..., verbunden mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit Nr. ... bezeichneten Wohnung nebst Abstellraum mit gleicher Nummer im Erdgeschoss rechts des Hauses ..., P... mit einer Fläche von ca. 56 qm, eingetragen im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts P... Blatt ..., sowie

an den Kläger € 7489,44 nebst 5% Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 14. Juni 2006 sowie weitere € 1.102,17 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Zug-um-Zug gegen vorstehend bezeichnete Übereignung auch den darüber hinausgehenden Schaden, der gegenwärtig noch nicht beziffert werden kann, zu ersetzen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von € 175.000 abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe desselben Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf € 113.889,44 festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über Schadensersatz wegen behaupteter schuldhafter Verletzung eines Anlageberatungsvertrages.

Der Kläger erwarb durch notariellen Kaufvertrag vom 9. Mai 2003 zum Zwecke der Vermögensanlage eine Eigentumswohnung, belegen im Erdgeschoss der ... in P... mit einer im Kaufvertrag angegebenen Größe von ca. 56 qm zum Preis von € 106.400,--.

Dem Kauf vorangegangen war eine Beratung durch einen Mitarbeiter der Beklagten, den Zeugen R... M... Dieser hatte – zunächst über eine weitere Mitarbeiterin, die Zeugen M... K... – telefonisch mit dem Kläger Kontakt aufgenommen und ihm angeboten, seine Geldanlagen und Versicherungen zum Preis von € 20,-- überprüfen zu lassen, auch mit Blick auf die Altersvorsorge. Die Zeugin nahm die gesamte finanzielle Situation des Klägers einschließlich bestehender Versicherungs- und sonstiger Verträge auf. Gegenstand einer daraufhin vereinbarten ersten persönlichen Besprechung mit dem Zeugen M... waren die vom Kläger bisher gezeichneten Versicherungs- und Finanzanlageverträge mit dem Ziel, ein vom Kläger bereits abgeschlossenes Produkt zu optimieren oder ein weiteres Produkt anzudienen. Dabei stellte der Zeuge dem Kläger im Rahmen einer Erörterung der Möglichkeiten einer Sachwertanlage auch die streitgegenständliche Immobilie in Pinneberg vor und überreichte das als Anlage K 1 vorgelegte Verkaufsangebot, bezog sich dabei allerdings auf eine andere als die später erworbene Wohnung.

Der Zeuge M...erklärte dem Kläger, dass Grundvermögen eine sehr gute Möglichkeit der Vermögensbildung bei Sachwerten sei und dass der Erwerb einer vermieteten Eigentumswohnung nicht nur die Möglichkeit einer persönlichen Steuerersparnis biete, sondern auch als inflations- und zukunftssicher anzusehen sei, mit guten Chancen auf kontinuierliche Wertsteigerung. Er wies weiter darauf hin, dass bei einer der Vergangenheit entsprechenden Wertentwicklung eine erhebliche Steigerung bis zu einer Verdopplung des Wertes in 30 Jahren möglich sei. Alsdann erstellte der Zeuge anhand einer beispielhaft ausgewählten Wohnung im zweiten Obergeschoss des streitgegenständlichen Hauses ein persönliches Berechnungsbeispiel für den Kläger, mit dem er ausgehend von einem zu versteuernden Einkommen von € 40.000,-- eine monatliche Belastung von € 21,-- errechnete. Vor Erwerb der Wohnung, bei welcher es sich auf Wunsch des Klägers um eine im Erdgeschoss belegene handelte, hat der Kläger diese besichtigt.

Der Kläger hat vorgetragen, dass zwischen den Parteien ein Beratungsvertrag geschlossen wurde. Der Zeuge M... habe ihm zum Kauf einer Wohnung im streitgegenständlichen Objekt geraten. Er habe ihm in Aussicht gestellt, dass der Wohnungswert sich bis zum Jahre 2031 verdoppele, wenn die Lebensversicherung, welche zur Finanzierung der Wohnung abgetreten worden sei, fällig werde. Der vom Kläger gezahlte Kaufpreis übersteige den Wert der Wohnung um € 41.400.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den Verbindlichkeiten aus den Darlehensverträgen Nr. ... und ... vom 30.05.2003 gegenüber der Sparkasse S...-A... L...freizustellen, Zug um Zug gegen Übereignung eines 21,51/1.000 Miteigentumsanteils an den Flurstücken ... der Flur ..., ... sowie ... der Flur ... der Gemarkung P..., verbunden mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit Nr. 7 bezeichneten Wohnung nebst Abstellraum mit gleicher Nummer im Erdgeschoss rechts des Hauses ..., P... mit einer Fläche von ca. 56 qm, eingetragen im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts Pinneberg Blatt ...

die Beklagte des weiteren zu verurteilen, an den Kläger € 7489,44 nebst 5% Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 22.02.2005 sowie als Nebenforderung € 1.102,17 zu zahlen;

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger auch den darüber hinausgehenden Schaden, der gegenwärtig noch nicht beziffert werden kann, zu ersetzen.

Die Beklagte hat vorgetragen, sie sei gegenüber dem Kläger nicht als Anlageberaterin, sondern als Anlagevermittlerin aufgetreten. Der Kläger sei anhand des Prospektes über die Risiken des Erwerbs aufgeklärt worden, nämlich dass der Mietmarkt Schwankungen unterliegen kann, durch Nichtvermietung oder schlechte Zahlungsmoral der Mieter Einnahmeausfälle vorliegen können und, je nach Höhe des Eigenkapitalanteils und der damit einhergehenden Höhe der zu finanzierenden Fremdmittel, ausreichend Liquidität vorhanden sein müsse, um die Differenz ausgleichen zu können. Im übrigen habe der Kläger es unterlassen, Mieterhöhungen durchzusetzen.

Das Landgericht hat über den Wert der Wohnung Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Vieth, welches in Bezug genommen wird. Die Parteien haben übereinstimmend erklärt, dass die dort ermittelten Wohnungswerte der Entscheidung zugrunde gelegt werden können (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26. März 2009, Bl. 137 der Akte). Über den Inhalt der Gespräche zwischen dem Kläger und dem Zeugen M... hat das Landgericht Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin K... und des Zeugen M... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16. Juli 2008 Bezug genommen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in der ersten Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die Protokolle der mündlichen Verhandlungen und die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Mit Urteil vom 19.09.2008 hat das Landgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, nach dem vom Sachverständigen ermittelten Wert der Wohnung sei der vorliegende Kaufvertrag nicht sittenwidrig, weil ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung angesichts des Verkehrswertes von € 65.000 nicht vorliege. Eine Aufklärungspflicht über die im Gesamtaufwand enthaltene Innenprovision habe für die Beklage nicht bestanden. Ihr sei auch kein schuldhafter Beratungsfehler anzulasten, weil die Beklagte den monatlichen Eigenaufwand des Klägers für den Erwerb des Objektes im Wesentlichen richtig ermittelt habe.

Das Urteil ist dem Kläger am 24.09.2008 zugestellt worden. Er hat dagegen am 24.10.2008 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Frist am 19.12.2008 begründet.

In der Berufungsbegründung wendet sich der Kläger gegen die Abweisung der Klage mit dem Argument, das Gericht verkenne, dass die Beklagte im Rahmen des Beratungsvertrages verpflichtet gewesen sei, vollständig und umfassend über die tatsächlichen Umstände aufzuklären, die für den Kaufentschluss des Verkäufers von Bedeutung sind. Dazu gehöre auch der Wert der Wohnung. Im Übrigen sei mit Blick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 20.01.2009 (XI ZR 510/07) davon auszugehen, dass auch bei der Vermittlung einer Wohnung als Kapitalanlage der Berater verpflichtet sei, über erhaltene Provisionen aufzuklären, unabhängig von deren Höhe.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 19. September 2008, Az.: 314 O 110/06, die Beklagte zu verurteilen,

den Kläger von den Verbindlichkeiten aus den Darlehensverträgen Nr. ... und ... vom 30. Mai 2003 gegenüber der Sparkasse S...-A... L...freizustellen, Zug um Zug gegen Übereignung eines 21,51/1.000 Miteigentumsanteils an den Flurstücken ... der Flur ..., ... sowie ... der Flur ... der Gemarkung P..., verbunden mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit Nr. ... bezeichneten Wohnung nebst Abstellraum mit gleicher Nummer im Erdgeschoss rechts des Hauses ..., P... mit einer Fläche von ca. 56 qm, eingetragen im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts P... Blatt ..., sowie

die Beklagte des weiteren zu verurteilen, an den Kläger € 7489,44 nebst 5% Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 22.02.2005 sowie als Nebenforderung € 1.102,17 zu zahlen;

festzustellen,

dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger auch den darüber hinaus gehenden Schaden, der gegenwärtig noch nicht beziffert werden kann, zu ersetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und tritt dem Vorbringen des Klägers in der Berufungsinstanz in allen Punkten entgegen. Dabei beruft sie sich insbesondere darauf, sie sei nicht als Beraterin, sondern als Anlagevermittlerin aufgetreten und daher wie ein Makler zu behandeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger hat gegen die Beklagte den geltend gemachten Anspruch wegen der Verletzung des zwischen den Parteien geschlossenen Beratungsvertrages (§§ 675 Abs. 2, 280, 249 BGB).

1. Zwischen dem Kläger und der Beklagten – durch deren Erfüllungsgehilfen, den Zeugen M... - ist ein Beratungsvertrag zustande gekommen.

Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger das Angebot der Zeugin K..., für einen Preis von € 20,-- seine Geldanlagen und seine Versicherungen überprüfen zu lassen, ausdrücklich angenommen hat. Denn jedenfalls liegt in der Vereinbarung eines Beratungstermins und der im Einverständnis des Klägers erfolgten Beratung eine konkludente Annahme.

Ein konkludenter Beratungsvertrag kommt zustande, wenn im Zusammenhang mit einer Anlageentscheidung tatsächlich eine Beratung stattfindet, wobei unerheblich ist, ob die Initiative dazu vom Kunden ausgeht (Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.01.2004, XII ZR 355/02 m.w.N.; BGHZ 123, 126, 128, Rz 11, jeweils zitiert nach juris). Das war hier der Fall. Die Beklagte hat dem Kläger in Aussicht gestellt, ihn über das Bestehen und die Erfolgsaussichten von Vermögensanlagen informieren zu wollen. Dabei war diese Beratung nicht etwa auf den Erwerb einer Wohnung beschränkt, sondern umfasste die gesamte Vermögenslage des Klägers, deren „Optimierung“ die Beratung dienen sollte.

Demgegenüber kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, zwischen den Parteien habe lediglich ein Anlagevermittlungsvertrag bestanden. Ein Anlagevermittlungsvertrag zielt lediglich auf eine Information über Umstände ab, die für den Anleger und dessen Entschluss von besonderer Bedeutung sind (BGH, NJW-RR 2000, 998, Rz. 12). Hier ist der Kläger jedoch nicht an die Beklagte gezielt mit dem Auftrag des Erwerbs einer vermieteten Eigentumswohnung herangetreten, sondern wurde von der Beklagten zu einem Informationsgespräch über seine gesamte Vermögenssituation eingeladen. Dieser Einladung ist der Kläger in der Erwartung gefolgt, über das Bestehen und die Erfolgsaussichten von Vermögensanlagen informiert zu werden. Die Initiative zum Erwerb einer Eigentumswohnung ging dementsprechend nicht vom Kläger aus, sondern dazu wurde ihm vom Zeugen M... im Rahmen einer Bewertung seiner gesamten Vermögenssituation – auch unter dem Aspekt der Altersvorsorge – geraten und auch ein persönliches Berechnungsbeispiel erstellt. Dabei ist unerheblich, dass der Zeuge M... zunächst eine andere Wohnung ansprach, weil sich dessen Initiative zum Erwerb einer vermieteten Eigentumswohnung durch den Kläger nicht auf die konkret zur Beispielsrechnung ausgesuchte Wohnung beschränkte, sondern auf mehrere Wohnungen im streitgegenständlichen Objekt. Für die Annahme eines Beratungsvertrages spricht zudem, dass die Zeugin K... zunächst sogar eine Vergütung für die Beratung forderte und auch dadurch den Eindruck vermittelte, es werde eine unabhängige Leistung für den Kläger erbracht.

Anerkannt ist schließlich auch, dass insbesondere bei ausdrücklichem Rat, so auch bei erstellten Berechnungsbeispielen über Kosten und finanzielle Vorteile des Erwerbs, die den Käufer zum Vertragsabschluss bewegen sollen, das Vorliegen eines Beratungsvertrages angenommen werden muss (Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.01.2005, V ZR 260/03, Rz.12, zitiert nach juris; BGHZ 140, 111, Rz. 11, zitiert nach juris; jeweils m.w.N.). So liegt der Fall auch hier: Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte für den Kläger ein Berechnungsbeispiel erstellt hat (Anlage K 2). Dementsprechend haben beide Zeugen (M... und K...) übereinstimmend bestätigt, dass der Vorschlag zum Erwerb einer Wohnung vom Zeugen M... kam.

2. Die Beklagte hat ihre Pflichten aus dem Beratungsvertrag schuldhaft verletzt. Zwar ist mit dem Landgericht davon auszugehen, dass angesichts des vom Gutachter festgestellten Wertes der Wohnung der Kaufvertrag nicht sittenwidrig und deshalb wirksam ist. Die Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB liegen nicht vor, da sich ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, welches die Vermutung für die erforderliche verwerfliche Gesinnung des begünstigten Vertragspartners begründet aus dem Gutachten des Sachverständigen V... nicht ergibt.

a) Der Beratungsvertrag verpflichtet aber zu richtiger und vollständiger Information über die tatsächlichen Umstände, die für den Kaufentschluss des Interessenten von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können (BGH, Urteil vom 14.01.2005, V ZR 260/03, Rz. 18 m.w.N.). Dazu gehört im vorliegenden Fall auch der Wert der Wohnung.

Der Annahme einer fehlerhaften Beratung steht entgegen der Auffassung der Beklagten nicht entgegen, dass ein Verkäufer bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit und des Wuchers grundsätzlich nicht verpflichtet ist, den Wert des Kaufobjekts offenzulegen oder irrige Vorstellungen seines Verhandlungspartners über die Angemessenheit des Kaufpreises zu korrigieren (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 15.10.2004, V ZR 223/03, Rz. 21, zitiert nach juris). Hier handelte die Beklagte nicht als Verkäuferin, sondern als Beraterin. Im Rahmen eines Beratungsvertrages jedoch bleiben Auswirkungen eines überhöhten Kaufpreises auf die Rentabilität eines Immobilienerwerbs zu Anlagezwecken nicht rechtlich folgenlos. Hier führen sie vielmehr dazu, dass die vom Zeugen M... gemachten Angaben – die auf diese Weise auch Gegenstand der Beratung wurden - sich als unzutreffend erweisen und deshalb eine Verletzung der Pflichten aus einem Beratungsvertrag vorliegt (vgl. BGH, a.a.O., Rz 21). .

Die Beklagte hat sich im Rahmen der Beratung nämlich nicht darauf beschränkt, die Möglichkeit des Erwerbs und des Erhalts der Wohnung zu prüfen, sondern sie hat dem Kläger dargestellt, dass die Wohnung – die auch als Altersvorsorgeobjekt dienen sollte - eine sehr gute Möglichkeit der Vermögensbildung bei Sachwerten sei und als inflations- und zukunftssicher anzusehen sei, mit guten Chancen auf kontinuierliche Wertsteigerung, bis hin zu einer Verdoppelung des Wertes in den nächsten 30 Jahren (Seite 5 der Klagerwiderung). Dementsprechend haben beide Zeugen bestätigt, dass eine Wertsteigerung des Objekts in Aussicht gestellt wurde. Die Zeugin K... hat angegeben, es sei eine Verdoppelung, vielleicht sogar Vervierfachung in 15 bis 20 Jahren angesprochen worden. Der Zeuge M... hat ebenfalls eine Verdoppelung des Wertes in 20 bis 30 Jahren – bei gleichbleibender Entwicklung des Immobilienmarktes – in Aussicht gestellt und zudem bestätigt, dass er die Werthaltigkeit „ans Herz gelegt“ habe. Die Beklagte hat damit den Eindruck erweckt, der Kläger erwerbe ein werthaltiges Objekt; sie hat es ihm als sichere und auskömmliche Anlage empfohlen. Tatsächlich jedoch lag der Wert der Wohnung nach Maßgabe des vom Landgericht eingeholten Sachverständigen-Gutachtens zum Zeitpunkt des Erwerbes bei einem Gesamtaufwand des Klägers von € 106.400--. lediglich € 65.000 (wobei zugunsten der Beklagten der vom Sachverständigen ermittelte höhere Wert nach dem Sachwertverfahren zugrunde gelegt wird). Dabei kann zwar nicht davon ausgegangen werden, dass jede – geringe - Abweichung vom Kaufpreis zur Annahme eines Beratungsfehlers führt, weil dem Käufer einer Wohnung ein gewisses Marktrisiko auch ohne Aufklärung bewusst sein muss. Angesichts der hier vorliegenden Diskrepanz zwischen dem tatsächlichen Wert und den zur Werthaltigkeit der Immobilie erfolgten Äußerungen aber ist ein Beratungsfehler zu bejahen. Es bedürfte einer erheblichen Wertsteigerung, um im Falle einer Veräußerung überhaupt den für den Kauf der Wohnung aufgebrachten Betrag zurück zu erhalten. Gute Chancen auf eine kontinuierliche Wertsteigerung bietet die Wohnung hingegen nicht, eine Verdopplung des Wertes – auch auf einen Zeitraum von 30 Jahren – erscheint gänzlich unwahrscheinlich.

Demgegenüber kann die Beklagte sich nicht mit Erfolg darauf berufen, den Kläger hinreichend über Risiken aufgeklärt zu haben. Weder aus den Darlegungen der Beklagten noch aus dem bei der Beratung in Bezug genommenen Verkaufsprospekt (Anlage K 1) ergeben sich Hinweise darauf, dass über dieses spezifische Risiko der Wohnung (deren Minderwert) belehrt wurde. Die vorgetragenen und im Prospekt enthaltenen Belehrungen beziehen sich lediglich auf allgemeine Risiken, beispielsweises diejenigen eines schwankenden Marktes oder nichtvorhersehbarer Entwicklungen. Ein Hinweis darauf, dass die Immobilie aber auch unter der gegebenen Marktlage und bei den zum Zeitpunkt des Kaufes absehbaren Entwicklungen eine riskante Anlage darstellt, fehlt. Dabei sind die von der Beklagten zum Objekt getätigten Aussagen auch nicht als außerhalb der Beratung abgegebene Prognosen mit erkennbar spekulativem Charakter anzusehen. Der Hinweis auf die Langfristigkeit der Anlage, den Ausgleich der Inflation und die Altersvorsorge ließen den Kläger vielmehr in der Erwartung, dass ein „solides“ Objekt verkauft werde, bei dem nicht mit kurzfristigen Spekulationsgewinnen, aber mit reeller Wertsteigerung über einen langen Zeitraum gerechnet werden könne.

b) Die in der Berufungsinstanz wiederholten Einwendungen der Beklagten gegen den zugrundegelegten Wert greifen nach der erstinstanzlich abgegebenen übereinstimmenden Erklärung der Parteien darüber, dass die vom Sachverständigen ermittelten Werte der Entscheidung zugrundegelegt werden können, nicht durch. Zudem sind diese auch in der Sache nicht gerechtfertigt. Der Sachverständige hat den Wert der Wohnung unter Berücksichtigung der Wertermittlungsverordnung sowohl anhand des Sachwertes als auch anhand des Ertragswertes ermittelt und diese Werte anhand einer Auswertung der Verkaufsfälle im Jahr 2003 verifiziert (Seite 16 des Gutachtens). Diese Ermittlungsmethoden sind grundsätzlich gleichrangig, sie können einzeln oder kombiniert angewandt werden (Bundesgerichtshof, Urteil vom 2. Juli 2004, V ZR 213/03, Rz. 6, zitiert nach juris). Die Auswahl des Wertermittlungsverfahrens steht, wenn das Gesetz, wie hier, keine bestimmte Methode vorschreibt, im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters (BGH, Urt. v. 2. Juli 2004, V ZR 213/03, zitiert nach juris). Der Sachverständige hat seine Wahl der Ermittlungsmethode nachvollziehbar begründet. Insbesondere ist das vom Sachverständigen auch zugrunde gelegte Ertragswertverfahren (welches zu einem noch niedrigeren Wert führt) bei Objekten, die der laufenden Ertragserzielung dienen, unbedenklich (BGH, a.a.O.) und war daher zur Wertermittlung für die erworbene Wohnung geeignet, so dass das Gutachten im Rahmen des richterlichen Ermessens - und mit Blick auf das ausdrückliche Einverständnis der Parteien – der Entscheidung zugrundegelegt werden kann. Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagten auch über die ihr zufließende Provision und über die in der Gesamtaufwendung enthaltenen Anteile für den Erwerb der Wohnung hinreichend aufgeklärt hat, weil auch unter Berücksichtigung dieser Beträge noch immer ein vom Kaufpreis abweichender erheblicher Minderwert von etwa € 20.000 vorliegt, der die Annahme eines Beratungsfehlers rechtfertigt.

3. Die Verletzung der Beratungspflicht hat die Beklagte zu vertreten, wobei ihr das Verschulden der von ihr eingeschalteten Berater und deren Beauftragten nach § 278 BGB zuzurechnen ist. Die Verschuldensvermutung entsprechend § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB hat sie nicht entkräftet. Dieser steht insbesondere nicht die behauptete Unkenntnis der Beklagten von dem tatsächlichen Wert der Wohnung entgegen. Das Verschulden der Beklagten liegt nämlich nicht darin, dass sie diesen nicht kannte, sondern darin, dass sie im Rahmen der Beratung gleichwohl den Anschein erweckte, dass es sich um ein werthaltiges Objekt handelt. Sie hat den Kläger nicht darauf hingewiesen, dass ihr zur Werthaltigkeit des Objekts keine Informationen vorliegen, sondern – sozusagen ins Blaue hinein – eine Wertigkeit behauptete, die so nicht vorlag. Als Beraterin wäre sie aber verpflichtet gewesen, richtig, sorgfältig und vollständig zu beraten und über alle Umstände zu unterrichten, die für das Anlagegeschäft von Bedeutung sind. Sie wäre daher verpflichtet gewesen, entweder das Anlagekonzept auf wirtschaftliche Tragfähigkeit zu überprüfen - gegebenenfalls auch unter Einbeziehung von sachverständiger Hilfe – oder ihre fehlende Sachkunde offenzulegen. Beides hat sie nicht getan.

4. Die Kausalität des Beratungsfehlers für den Kaufentschluss wird vermutet (st. Rspr.; dazu BGH, Urt. v. 6. April 2001, V ZR 402/99, zitiert nach juris, m.w.N.) Zwar greift diese Vermutung nur ein, wenn es für den anderen Teil vernünftigerweise nur eine bestimmte Möglichkeit der Reaktion auf die Aufklärung gibt und die Möglichkeit eines Entscheidungskonflikts ausscheidet (BGH a.a.O.) Die Möglichkeit eines solchen Konflikts ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere ergibt sie sich nicht daraus, dass, dass der Kläger die Wohnung besichtigt hat. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass er anhand einer einmaligen Begehung hätte erkennen können, dass die Angaben der Beklagten zur Werthaltigkeit des Objekts nicht zutrafen.

5. Im Wege des Schadensersatzes hat die Beklagte den Kläger von den Verbindlichkeiten aus dem Darlehensvertrag freizuhalten, weil er so zu stellen ist, als hätte dieser vom Vertragsschluss abgesehen (BGH, Urteil vom 14.03.2003, V ZR 308/02, Rz. 30 m.w.N., zitiert nach juris). Der Kläger muss sich dabei nicht die durch die Beteiligung erlangten Steuervorteile anrechnen lassen. Eine Berücksichtigung von Steuervorteilen kommt nur dann in Betracht, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Kläger außergewöhnliche Steuervorteile erzielt hat (vgl. BGH NJW-RR 2008, 1365 [1369]; Urteil vom 12.02.1986, IV a ZR 76/84). Hierfür hat die Beklagte, die sich auf eine Ausgleichung von Vorteilen beruft, nichts vorgetragen; vielmehr hat der Kläger unwidersprochen dargelegt, dass er auch eine Schadensersatzzahlung des Finanzamtes als geldwerten Vorteil zu versteuern hätte.

Hinsichtlich der Höhe des bereits bezifferten Zahlungsantrages reicht das pauschale Bestreiten des Beklagten angesichts der vorgelegten Darlehensverträge und der Abrechnung der Verwaltungsgesellschaft St. nicht aus. Für ihre Behauptung, die Miete hätte bis zum Mittelwert des Mietenspiegels erhöht werden können, hat die Beklagte zum einen keinen Beweis angeboten, zum anderen auch nicht dargelegt, zu welchem Zeitpunkt dies in welcher Höhe hätte geschehen können. Wegen der weiteren vorgerichtlichen Kosten hat die Beklagte keine Einwendungen erhoben.

6. Hinsichtlich der geltend gemachten Zinsforderung, welche sich aus §§ 288, 291 BGB ergibt, war der Kläger auf die Prozesszinsen zu verweisen, weil er die Voraussetzungen des Verzuges nicht dargelegt hat. Diese ergeben sich insbesondere nicht aus dem als Anlage K 9 vorgelegten Schreiben. Dort wird nicht bezifferte Zahlung, sondern nur Stellungnahme verlangt.

7. Der Feststellungsantrag ist zulässig (§ 256 ZPO), nachdem der Umfang der Schadensersatzpflicht der Beklagten, welcher sich aus den bis zur erfolgten Freihaltung aus den Ansprüchen aus den Darlehensverträgen gezahlten Beträgen errechnet, noch nicht feststeht und der Kläger daher insoweit noch keinen bezifferten Antrag stellen kann.

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

9. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die einschlägigen Rechtsfragen sind bereits höchstrichterlich entschieden, so dass es nur um die Anwendung im Einzelfall ging.