OLG Hamm, Urteil vom 09.02.1990 - 5 UF 352/89
Fundstelle
openJur 2012, 73024
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 5. Juli 1989 verkündete Teilurteil des Amtsgerichts Iserlohn teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Klage der Klägerin wird abgewiesen.

Hinsichtlich der Widerklage des Beklagten bleibt es bei der Feststellung, daß die Hauptsache erledigt ist.

Die Kostenentscheidung - auch hinsichtlich der Kosten der Berufung - bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.

Tatbestand

Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Ihre Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts Iserlohn (Aktenzeichen 14 F 20/86) vom 20.05.1987, rechtskräftig seit dem 30.06.1987, geschieden. Aus der Ehe der Parteien sind die beiden Söhne ... geboren am 20.03.1969 und ..., geboren am 11.01.1973, hervorgegangen. Die Parteien hatten zunächst in der Zeit von Oktober 1984 bis August 1985 in der ehelichen Wohnung getrennt gelebt. Streitig ist, wer von den Eheleuten in diesem Zeitraum überwiegend für die Kinder gesorgt hat. Ende August 1985 zog die Klägerin aus der ehelichen Wohnung aus, während der Beklagte mit den Kindern in der Wohnung verblieb. Das elterliche Sorgerecht für die beiden Söhne wurde später auf den Beklagten übertragen.

In diesem Verfahren hatten zunächst die Klägerin und die beiden Söhne, letztere vertreten durch die Klägerin, Klage auf Trennungsunterhalt und Kindesunterhalt erhoben. Nachdem die Klägerin im August 1985 aus der ehelichen Wohnung ausgezogen war, machte sie mit Schriftsatz vom 06.05.1986 (Bl. 109/110) im Wege der Prozeßstandschaft nach § 1629 Abs. 3 BGB rückständigen Kindesunterhalt für die Monate Oktober 1984 bis einschließlich August 1985 geltend. Nachdem dem Beklagten das Sorgerecht für die Kinder übertragen worden war, hatte dieser seinerseits Widerklage auf Zahlung von Kindesunterhalt erhoben (Bl. 154). Die Klägerin hat bezüglich der von ihr geltend gemachten Kindesunterhaltsansprüche die Hauptsache für erledigt erklärt. Der Beklagte hat der Erledigungserklärung widersprochen und hat Klageabweisung beantragt. Der Beklagte hat seinerseits bezüglich der Widerklage die Hauptsache für erledigt erklärt, während die Klägerin Abweisung der Widerklage beantragt hat (Bl. 433). Durch das angefochtene Teilurteil hat das Amtsgericht festgestellt, daß sowohl bezüglich der von der Klägerin geltend gemachten rückständigen Kindesunterhaltsansprüche für die Zeit von Oktober 1984 bis einschließlich August 1985 als auch bezüglich der im Wege der Widerklage vom Beklagten geltend gemachten Kindesunterhaltsansprüche die Hauptsache erledigt ist.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten mit dem Antrag, die Klage bezüglich des von der Klägerin geltend gemachten rückständigen Kindesunterhalts für die Zeit bis einschließlich August 1985 insgesamt abzuweisen. Der Beklagte macht geltend, die von der Klägerin erhobene Kindesunterhaltsklage sei von Anfang an unzulässig gewesen, da der Klägerin die erforderliche Vertretungsmacht gefehlt habe. Denn die Kinder hätten sich auch in der Zeit von Oktober 1984 bis einschließlich August 1985 nicht, in der Obhut der Klägerin befunden, sondern seien vielmehr vom Beklagten versorgt und betreut worden. Im übrigen sei er, der Beklagte, auch zur Zahlung von Kindesunterhalt nicht leistungsfähig gewesen. - Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil mit Rechtsausführungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie auf die Schriftsätze der Parteien und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung des Beklagten ist begründet.

Der Beklagte hat der gegnerischen Erledigungserklärung zu Recht widersprochen. Denn die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 06.05.1986 im eigenen Namen für die Kinder erhobene Unterhaltsklage war von Anfang an unzulässig, da die Voraussetzungen für die gesetzliche Prozeßstandschaft nach § 1629 Abs. 3 BGB bereits bei Klageerhebung nicht mehr vorgelegen haben. Die Befugnis nach § 1629 Abs. 3 BGB, Unterhaltsansprüche der Kinder im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen, knüpft an die allgemeine Vertretungsbefugnis gemäß § 1629 Abs. 2 BGB an (Palandt, 49. Aufl.; Anm. 7 zu § 1629 BGB). Diese bestand jedoch bei Klageerhebung nicht mehr, da die Klägerin bereits im August 1985 aus der ehelichen Wohnung ausgezogen ist, so daß spätestens von diesem Zeitpunkt an ein Obhutsverhältnis der Klägerin im Sinne des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht mehr bestanden hat. Geht das Obhutsverhältnis nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB auf den anderen Elternteil über, so endet auch die gesetzliche Vertretungsmacht des bisherigen Inhabers der elterlichen Obhut und die darauf beruhende Prozeßstandschaft gemäß § 1629 Abs. 3 BGB. Die von dem bisherigen Obhutsinhaber in eigenem Namen erhobene Klage auf Kindesunterhalt wird unzulässig, und zwar nicht nur für den Unterhaltszeitraum ab dem Übergang des Obhutsverhältnisses, sondern insgesamt, auch für die bis dahin aufgelaufenen Unterhaltsrückstände. Schon aus dem Wortlaut des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB ("befindet"), aber auch aus dem Sinn dieser Bestimmung als einer Regelung der gesetzlichen Vertretung ergibt sich, daß es für die Vertretungsbefugnis auf den Zeitpunkt der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs ankommt und nicht auf den Zeitraum, für den die Unterhaltsansprüche geltend gemacht werden (ebenso Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, Anm. 4 zu § 1672 BGB für den gleichzubehandelnden Fall einer nachträglichen Übertragung der Personensorge auf den anderen Elternteil). Der Elternteil, in dessen Obhut sich die Kinder früher befunden haben, kann seine Aufwendungen für den Kindesunterhalt in dem zurückliegenden Zeitraum allenfalls im Wege des sog. "familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs" geltend machen, der jedoch im Hinblick auf die Darlegung der getätigten Aufwendungen von anderen Voraussetzungen abhängig ist als der gesetzliche Kindesunterhaltsanspruch. Im übrigen hätte bezüglich des Kindesunterhalts die Hauptsache schon im August 1985 für erledigt erklärt werden müssen, und zwar durch die Kinder selbst, die zu diesem Zeitpunkt noch Verfahrensbeteiligte waren. Die von der Klägerin später im eigenen Namen erhobene Klage war dagegen aus den genannten Gründen von Anfang an unzulässig, so daß der Beklagte insoweit zu Recht Klageabweisung beantragt hat. Auf die Frage, welche der Parteien in der Zeit vor August 1985 das elterliche Obhutsverhältnis innehatte, kommt es daher letztlich nicht an.

Die Kostenentscheidung war dem Schlußurteil vorzubehalten, da die endgültige Kostenverteilung von dem Ausgang des Rechtsstreits im übrigen abhängt.

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