Bayerischer VGH, Beschluss vom 03.05.2010 - 7 CE 10.10094
Fundstelle
openJur 2012, 107909
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

II. Die Antragsteller tragen jeweils die Kosten der Beschwerdeverfahren.

III. Der Streitwert für die Beschwerdeverfahren wird auf jeweils 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren im Wege einstweiligen Rechtsschutzes für das Wintersemester (WS) 2009/2010 die vorläufige Zulassung zum Studium der Zahnmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). Sie sind der Meinung, dass mit der in der Zulassungszahlsatzung für das betreffende Semester festgesetzten Zahl von 61 Studienanfängern die vorhandene Aufnahmekapazität nicht erschöpft ist.

Mit Beschlüssen vom 21. Januar 2010 lehnte das Verwaltungsgericht München die Anträge ab.

Hiergegen wenden sich die Antragsteller mit den vorliegenden Beschwerden.

Der Antragsgegner widersetzt sich den Beschwerden.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerden sind zulässig, aber unbegründet. Die im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründe, auf die sich die Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof im Eilverfahren beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), lassen nicht erkennen, dass an der LMU im Fach Zahnmedizin über die festgesetzte Zahl von Studienplätzen hinaus noch weitere Ausbildungskapazität vorhanden wäre.

a) Der Einwand der Antragsteller, dass der Kapazitätsberechnung kein ordnungsgemäß beschlossener „normativer Stellenplan“ zugrunde liege, kann den Beschwerden jedenfalls im Ergebnis nicht zum Erfolg verhelfen.

Die Stellenausstattung der Lehreinheit Zahnmedizin, zu der die dem Klinikum der Universität München zugeordneten Fachbereiche Kieferchirurgie, Zahnerhaltung und Paradontologie, Zahnärztliche Prothetik und Kieferorthopädie gehören, findet ihre normative Grundlage in dem für die Jahre 2009/2010 beschlossenen Haushaltsplan des Freistaats Bayern, Einzelplan 15 (Kapitel 15 08). Dieser weist dem als rechtsfähige Anstalt organisierten Universitätsklinikum staatliche Mittel u. a. für Personalaufwendungen zu und legt im beigefügten Stellenplan (Anlage zu 15 08) – nach Besoldungsgruppen differenziert – die Gesamtzahl der dem Klinikum etatmäßig zugewiesenen wissenschaftlichen (Beamten-) Stellen fest. Diese formellgesetzliche Entscheidung über die personelle Ausstattung bezieht sich zwar auf das Klinikum der LMU insgesamt und bestimmt daher noch nicht darüber, wie viele und welche Stellen dort für die Lehreinheit Zahnmedizin zur Verfügung stehen. Ein striktes Gebot der normativen Festlegung des organisationsinternen Stellenplans lässt sich aber weder aus allgemeinen etatrechtlichen Grundsätzen noch aus den speziellen Vorschriften des Kapazitätsrechts ableiten. Die weitgehend wortgleichen Bestimmungen des Art. 7 Abs. 3 Satz 2 des Staatsvertrags über die Vergabe von Studienplätzen vom 22. Juni 2006 (GVBl 2007 S. 2), des Art. 4 Abs. 1 Satz 2 BayHZG (G. vom 9.5.2007, GVBl S. 320) und des § 45 Abs. 1 HZV (V. vom 18.6.2007, GVBl S. 401, zuletzt geändert durch Verordnung vom 18.7.2009, GVBl S. 340) verlangen keine rechtssatzmäßige Fixierung des personellen Sollbestands und verweisen auch nicht auf den haushaltsrechtlich vorgeprägten Begriff des „Stellenplans“, sondern stellen lediglich klar, dass es für die Berechnung der personellen Aufnahmekapazität auf die Anzahl der für die Lehreinheit vorgesehenen „Stellen“ (sog. abstraktes Stellenprinzip) und nicht auf die tatsächlich dort tätigen Lehrpersonen ankommt (vgl. Bahro/Berlin, Hochschulzulassungsrecht, 4. Aufl. 2003, RdNr. 3 zu § 8 KapVO; Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, 2003, RdNr. 130). Die Einzelverteilung der etatmäßig vorgesehenen Planstellen innerhalb der Universität bzw. des Klinikums kann daher den hochschulrechtlich zuständigen Organen überlassen werden, ohne dass hierfür kapazitätsrechtlich eine bestimmte Handlungsform vorgeschrieben wäre (vgl. SächsOVG vom 15.9.2009 Az. NC 2 B 59/09 <juris>).

Die Entscheidung über die Verwendung der haushaltsrechtlich vorgesehenen wissenschaftlichen Stellen innerhalb des Klinikums gehört nach Art. 10 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BayUniKlinG zu den allgemeinen Leitungsaufgaben des Klinikumsvorstandes, der allerdings bei Entscheidungen mit Auswirkungen auf den Bereich von Forschung und Lehre gemäß Art. 13 Abs. 4 BayUniKlinG das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät einzuholen hat (vgl. BayVGH vom 14.7.2008 Az. 7 CE 08.10015). Ob der Klinikumsvorstand für das streitgegenständliche Studienjahr einen ausdrücklichen Beschluss über den (Gesamt-) Stellenplan für das Fach Zahnmedizin getroffen hat, geht aus den bisherigen Angaben des Antragsgegners nicht eindeutig hervor. Die Frage bedarf aber jedenfalls in den vorliegenden Eilverfahren keiner weiteren Aufklärung. Es ist nicht ersichtlich, dass sich aus dem etwaigen Fehlen einer förmlichen Beschlussfassung zum personellen Soll-Bestand konkrete Anhaltspunkte für das Bestehen bisher nicht genutzter Ausbildungskapazitäten im Fach Zahnmedizin ergeben könnten.

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der hochschulinternen Kapazitätsberechnung seit jeher eine vollständige Auflistung der für das Fach vorgesehen Planstellen zugrunde gelegt wird, wie sie der Antragsgegner für das Studienjahr 2009/2010 noch nachträglich im Verlauf der Beschwerdeverfahren vorgelegt hat. Auf der Basis dieses Stellenverzeichnisses hat der Klinikumsvorstand in den vergangenen Jahren und auch im hier maßgeblichen Zeitraum die von ihm für notwendig erachteten Einzelentscheidungen etwa bezüglich der Verlagerung oder Umwandlung einzelner Stellen beschlossen. Mit diesen punktuellen Korrekturen am bisherigen personellen Sollbestand hat sich das zuständige Organ zugleich konkludent für das unveränderte Fortbestehen der sonstigen klinikinternen Stellenzuweisung entschieden. Einer ausdrücklichen und schriftlich dokumentierten Beschlussfassung dazu bedurfte es jedenfalls aus kapazitätsrechtlicher Sicht grundsätzlich nicht. Für den streitgegenständlichen Berechnungszeitraum spricht auch nichts dafür, dass gewichtige Sachgesichtspunkte eine Änderung der bisherigen fächerbezogenen Stellenverteilung nahegelegt und daher eine eingehendere inhaltliche Befassung mit dem bisherigen Stellenplan erfordert hätten.

Soweit die Antragsteller die bereits im Jahr 2007 vollzogene und durch nachträgliche Beschlussfassung der Medizinischen Fakultät und des Klinikumsvorstands bestätigte Verlagerung von vier C1-Stellen mit insgesamt 20 SWS aus dem Studiengang Zahnmedizin in die Unfallchirurgie mit dem Einwand in Frage stellen, dass hierfür allein die Hochschulleitung zuständig gewesen sei, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Nach der Rechtsprechung des Senats war für die genannte Maßnahme der Klinikumsvorstand zuständig (Art. 10 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BayUniKlinG), der wegen der damit verbundenen Auswirkungen auf die Lehre das Einvernehmen der Medizinischen Fakultät einzuholen hatte (Art. 13 Abs. 4 BayUniKlinG); die insoweit anfänglich bestehenden formellen Mängel sind durch eine entsprechende nachträgliche Beschlussfassung mittlerweile geheilt worden (BayVGH vom 21.7.2009 Az. 7 CE 09.10112 u.a.). Es ist auch nicht erkennbar, dass die genannten Organe eine materiell fehlerhafte Abwägungsentscheidung getroffen oder die quantitativen Auswirkungen der Stellenverlagerung auf die Ausbildungskapazität im Fach Zahnmedizin falsch eingeschätzt hätten (BayVGH a.a.O.).

b) Soweit die Antragsteller im Anschluss an eine frühere Entscheidung des OVG Koblenz (Beschluss vom 24.3.2009 Az. 6 B 10123/09.OVG) Zweifel an der Berechtigung des in § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c) HZV festgelegten Abzugs für die ambulante Krankenversorgung in Höhe von 30% äußern und zur Begründung auf die in den letzten Jahren erfolgte Verlängerung der Wochenarbeitszeit verweisen, kann ihrem Vorbringen ebenfalls nicht gefolgt werden. Wie der Senat in der bereits erwähnten Entscheidung vom 21. Juli 2009 (Az. 7 CE 09.10112 u.a.) ausführlich dargelegt hat, können die genannten Einwände den normativ festgelegten Parameter in seiner Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit nicht in Frage stellen, da weder die Prämisse einer erheblichen Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit für die betreffenden Stellen allgemein zutrifft noch aus dem seinerzeit erstatteten Gutachten der Projektgruppe Zahnmedizin des Landes Niedersachsen vom 21. November 1995 zu entnehmen ist, dass der Abzug von 30% für die ambulante Krankenversorgung auf der Basis der damaligen regulären Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden errechnet wurde (BayVGH a.a.O.).

Soweit auch der für den stationären Krankenversorgungsabzug nach § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Buchst. b) HZV maßgebliche Zahlenwert von einer abzugsfähigen Stelle je 7,2 tagesbelegter Betten in Frage gestellt wird, lässt das Beschwerdevorbringen bereits nicht hinreichend erkennen, woraus sich der geltend gemachte Überprüfungsbedarf ergeben soll. Die in der Verordnung festgelegte Zahl von 7,2 besagt entgegen der Beschwerdebegründung nicht, dass generell oder an einer bestimmten Klinik „7,2 tagesbelegte Betten vorhanden seien“. Die genannte Zahl liefert vielmehr lediglich die Bemessungsgrundlage für den wegen stationärer Krankenversorgung zu errechnenden Stellenabzug. Der hierfür angesetzte Zahlenwert beruht auf älteren Erhebungen bzw. Berechnungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft und stellt eine gewisse Pauschalierung dar, die vom normativen Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers gedeckt ist (vgl. Bahro/Berlin, a.a.O., RdNr. 19 zu § 9 KapVO; teilweise krit. Zimmerling/Brehm, a.a.O., RdNr. 210). Da weder aufgrund allgemeiner Entwicklungen ersichtlich noch von den Antragstellern konkret vorgetragen worden ist, dass mit dem derzeit geltenden Wert der tatsächliche Aufwand für die stationäre Krankenversorgung nicht (mehr) angemessen erfasst würde, besteht jedenfalls in den vorliegenden Eilverfahren kein weitergehender Aufklärungsbedarf.

c) Soweit sich die Antragsteller dagegen wenden, dass bei der Ermittlung des Lehrangebots bei den Akademischen Räten auf Lebenszeit nicht das nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 LUFV höchstzulässige Lehrdeputat von 10 Semesterwochenstunden (SWS) angesetzt worden ist, sondern nur ein Wert von 9 SWS, kann dies ihrer Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass die vom Verordnungsgeber als Obergrenze normierte Stundenzahl bei der genannten Gruppe von Bediensteten auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Bewirtschaftungsdirektiven nicht zwingend ausgeschöpft werden muss (BayVGH vom 31.5.2006 Az. 7 CE 06.10197 m.w.N.). Überzeugende Gründe, weswegen von dieser ständigen Rechtsprechung abgewichen werden sollte, haben die Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht vorgebracht.

Bei den wissenschaftlichen Angestellten richtet sich der Umfang der Lehrverpflichtung gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 8 LUFV grundsätzlich nach der individuellen Ausgestaltung des Dienstverhältnisses; werden Dienstaufgaben einer der in § 4 Abs. 1 Nrn. 1 bis 7 LUFV genannten Lehrpersonen wahrgenommen, so ist die hierfür jeweils festgelegte Lehrverpflichtung zu erfüllen. Für die von den Antragstellern geforderte generelle Festlegung des Lehrdeputats auf 10 SWS besteht demnach bei dieser Gruppe von Beschäftigten keine rechtliche Grundlage.

d) Dass im Bereich der C1-Stellen, für die jeweils ein Lehrdeputat von 5 SWS gilt, die Stellenzahl gegenüber dem Vorjahr von 45 auf 43 reduziert wurde, durfte im Rahmen der Kapazitätsberechnung berücksichtigt werden. Es handelte sich um keine effektive Kürzung der Ausbildungskapazität, da die betreffenden Stellen, wie im Schreiben der LMU vom 9. Dezember 2009 näher dargelegt, lediglich in kapazitätsneutraler Weise mit anderen Stellen innerhalb des Fachbereichs Zahnmedizin getauscht wurden. Die erhöhten Abwägungs- und Begründungserfordernisse, die an einen kapazitätsmindernden Stellenabbau zu stellen sind, können daher in diesem Falle keine Anwendung finden.

e) Nach der den Antragstellern im jeweiligen Ausgangsverfahren bekannt gegebenen schriftlichen Auskunft des Leiters der Universitätsklinik vom 20. Januar 2010 existieren dort bisher keine (z.B. krankenkassenfinanzierten) Planstellen ohne Lehrverpflichtung. Konkrete Anhaltspunkte, weshalb diese Aussage unzutreffend oder zumindest zweifelhaft sein könnte und es daher einer weiteren Sachaufklärung bedürfte, haben die Antragsteller auch in ihren Beschwerdeverfahren nicht aufgezeigt.

2. Die Kostenentscheidung ergibt sich jeweils aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zum Streitwert aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG.