VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 18.12.2002 - 1 L 2528/02
Fundstelle
openJur 2014, 18445
  • Rkr:
Tenor

1. Der Antrag wird auf Kosten der Antragstellerin abgelehnt.

2. Der Streitwert wird auf 2.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin(1 K 4020/02) gegen die Sperrungsverfügung der Antragsgegnerin vom 6. Februar 2002 in der gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO jetzt maßgebenden Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2002 ist zulässig, aber nicht begründet.

Die von der Antragsgegnerin in der Verfügung vom 6. September 2002 getroffene Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist als solche rechtlich nicht zu beanstanden. Die in der Verfügung angeführte Begründung genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die Antragsgegnerin hat vorliegend in rechtlich nicht zu beanstandender Weise unter anderem dargelegt, dass die zu sperrenden Internet - Angebote nach dem Mediendienste - Staatsvertrag insbesondere deswegen unzulässig seien, weil sie gegen Bestimmungen des Strafgesetzbuches verstießen. Sie erfüllten u.a. die Tatbestände der Volksverhetzung und des Verbreitens von Kennzeichen und Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen. An der Verhinderung bzw. Erfolgsbeseitigung von Straftaten bestehe stets ein besonderes öffentliches Interesse, insbesondere dann, wenn sich der im Tatbestand beschriebene Erfolg bereits realisiert habe. Ein besonderes Vollzugsinteresse ergebe sich auch daraus, dass die zuvor aufgezeigte Strafbarkeit faktisch nicht zu einer Strafverfolgung führe, weil eine nach deutschem Recht mögliche Strafverfolgung der primär Verantwortlichen Service- und Content-Provider am Recht einer anderen Rechtsordnung sowie an der Nichtermittelbarkeit der "Haupttäter" scheitere. Somit könne die Verteidigung der Rechtsordnung - eine der Kernaufgaben des Strafrechts - allein mit den Mitteln des Ordnungsrechtes herbeigeführt werden. Schließlich sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung auch aus Gründen der Effektivität der Gesamtmaßnahme erforderlich.

Demgegenüber unterliege das Interesse der Antragstellerin am einstweiligen Nichtvollzug. Der durch die Sperrung der beiden Angebote entstehende Aufwand sei gering. Zudem seien die Sperrungen jeder Zeit reversibel, so dass eine sofortige Vollziehung der Sperrungsverfügung nicht zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führe.

Die formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO sind damit erfüllt. Die Begründungspflicht hat den Zweck, der Behörde vor Augen zu führen, dass eine sofortige Vollziehung - abgesehen von den im Gesetz ausdrücklich genanntenFällen - nur ausnahmsweise in Betracht kommen und eine (grundsätzlich im Einzelnen darzulegende) Abwägung der beteiligten Interessen erfordert, die dem Betroffenen und dem Gericht eine Prüfung ermöglicht, namentlich mit dem Ziel nachzuvollziehen, welche besonderen öffentlichen Interessen die Vollziehung rechtfertigen sollen.

Die vorstehende Begründung lässt erkennen, dass sich die Antragsgegnerin des Ausnahmecharakters der sofortigen Vollziehung ersichtlich bewusst war und insbesondere im Hinblick auf die Verwirklichung erheblicher Straftaten ausnahmsweise eine sofortige Vollziehung für geboten hielt.

Ob diese Gründe darüber hinaus als solche tragfähig sind, um ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung zu belegen, ist für die rein formelle Begründungspflicht des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ohne Bedeutung. Vielmehr hat insofern die Kammer gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO eine eigenständige Abwägung der einander widerstreitenden Interessen vorzunehmen. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob die angegriffene Entscheidung offensichtlich rechtmäßig oder offensichtlich rechtswidrig ist, weil an der sofortigen Vollziehung offensichtlich rechtmäßiger Entscheidungen regelmäßig, an der sofortigen Vollziehung offensichtlich rechtswidriger Entscheidungen hingegen niemals ein öffentliches Interesse besteht. Führt diese im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO notwendig summarische Überprüfung zu keinem eindeutigen Ergebnis, ist aufgrund sonstiger, nicht nur an den Erfolgsaussichten eines Hauptsacheverfahrens orientierter Gesichtspunkte abzuwägen, welches Interesse schwerer wiegt.

Davon ausgehend kommt eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hier nicht etwa deswegen in Betracht, weil die angefochtene Sperrungsverfügung der Bezirksregierung E. vom 6. Februar 2002 offensichtlich rechtswidrig wäre. Die Sperrungsverfügung in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2002 ist bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung zutreffend auf die Bestimmung des § 22 Abs. 2 des Gesetzes zum Staatsvertrag über Mediendienste vom 27. Juni 1997 i.d. Fassung der Änderung vom 7. Juni 2002 (Mediendienste-Staatsvertrag, MdStV) gestützt worden.

Danach trifft die zuständige Aufsichtsbehörde bei einem Verstoß gegen die in § 22 Abs. 1 und 2 MdStV genannten Bestimmungen des Mediendienste-Staatsvertrages die zur Beseitigung des Verstoßes erforderlichen Maßnahmen gegenüber dem Anbieter. Sie kann insbesondere Angebote untersagen und deren Sperrung anordnen.

Bei summarischer Prüfung spricht Vieles dafür, dass vorliegend der Mediendienste- Staatsvertrag und nicht - wie die Antragstellerin meint - das Gesetz über die Nutzung von Telediensten (Teledienstgesetz - TDG -) einschlägig ist. Welches Gesetz anzuwenden ist, beurteilt sich nach dem konkreten Internetangebot, zu dem der Zugang vermittelt wird.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 MdStV gilt der Staatsvertrag für das Angebot und die Nutzung von an die Allgemeinheit gerichteten Informations- und Kommunikationsdiensten (Mediendienste) in Text, Ton oder Bild, die unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder längs oder mittels eines Leiters verbreitet werden. Mediendienste im Sinne von Absatz 1 sind insbesondere die in Absatz 2 der Vorschrift genannten Verteildienste (Nr. 1 - 3) und Abrufdienste (Nr. 4). Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 MdStV bleiben die Bestimmungen des Teledienstgesetzes in der in einem Bundesgesetz erstmalig beschlossenen Fassung unberührt (u.a.).

Ausgehend von § 2 Abs. 4 Nr. 3 des Gesetzes über die Nutzung von Telediensten (Teledienstgesetz - TDG -) gilt das Teledienstgesetz nicht für inhaltliche Angebote bei Verteildiensten und Abrufdiensten, soweit die redaktionelle Gestaltung zur Meinungsbildung für die Allgemeinheit im Vordergrund steht, nach § 2 des Mediendienste-Staatsvertrages.

Hiervon ausgehend erfasst der Mediendienste-Staatsvertrag die an die Allgemeinheit gerichteten, angebotsorientierten Informations- und Kommunikationsdienste, während das Teledienstgesetz diejenigen elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste regelt, die vorwiegend für eine individuelle Nutzung bestimmt sind. Maßgebliche Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Mediendienste-Staatsvertrages ist danach, ob die redaktionelle Gestaltung zur Meinungsbildung im Vordergrund steht. Wie die Antragsgegnerin zutreffend ausgeführt hat, ist unter redaktioneller Gestaltung das Sammeln und Aufbereiten von verschieden Informationen oder Meinungen mit Blick auf den potenziellen Empfänger, dem ein einheitliches Produkt vermittelt wird, zu verstehen. Die redaktionelle Gestaltung steht dann im Vordergrund, wenn sie für das Angebot prägend und nicht nur Beiwerk ist. Sie ist insbesondere dann an die Allgemeinheit gerichtet, wenn auf eine beliebige Öffentlichkeit abgezielt wird, also auf eine unbestimmte Vielzahl möglicher Empfänger und nicht nur auf geschlossene Nutzergruppen oder reine Individualkommunikation.

Hiervon ausgehend dürfte das Internetangebot http://www.stormfront.org als Mediendienst einzustufen sein. Auf dem Vorblatt wird unter einer Art Präambel mit dem Schriftzug Whitepride/Worldwide ausgeführt, dass es sich bei "stormfront.org" um eine Organisation für die "mutigen Kämpfer" handele, die die weiße westliche Kultur, die Ideale und die Meinungsfreiheit verteidigten sowie politische und soziale Gruppen bildeten, um "den Sieg sicherzustellen" (so die Übersetzung aus dem Amerikanischen). Die nachfolgenden Artikel, so z. B. "Schafft befreite Zonen!", "Zentrale Thesen des dritten Weges" mit ihren jeweiligen Untertiteln sind eindeutig journalistischredaktionell gestaltet und sollen einem nicht individuell bestimmten Nutzerkreis rechtsradikales Gedankengut - auch durch die Zusammenstellung der Hakenkreuz-Symbole am Schluss der Webseite - nahebringen.

Aber auch bei dem Internetangebot http://www.nazilaucknsdapao.com dürfte die redaktionelle Ausgestaltung letztlich im Vordergrund stehen. Auf der Hauptseite findet sich ein Foto von H. M. , ausgestattet mit Hitlerfrisur und Schnurrbart, bekleidet mit khakibraunem Uniformhemd und Hakenkreuzbinde um den Arm, der vor einer Hakenkreuzfahne am Schreibtisch sitzt. Links daneben wird ausgeführt, dass die NSDAP/AO Zeitschriften in zwölf Sprachen herausgebe sowie diverses Propagandamaterial wie z. B. Hakenkreuzaufkleber und Bücher über den Nationalismus. Auf den nachfolgenden Seiten werden zunächst bekannte Politiker und Persönlichkeiten verunglimpft, in denen ihnen rechtsradikale Lieder und Gedankengut in den Mund gelegt werden. Im Folgenden können diverse Naziartikel bestellt werden. Des Weiteren finden sich Aufrufe zur Unterstützung des nationalsozialistischen Gedankenguts sowie Aufrufe, Solidaritätsschreiben an inhaftierte Kameraden zu schicken. Es werden Anleitungen gegeben, wie das Internet zur nationalsozialistischen Propaganda genutzt werden kann.

Bei summarischer Prüfung dürfte auch bei diesem Angebot die redaktionelle Gestaltung prägend sein mit der Folge, dass es sich auch insoweit um einen Mediendienst i.S.d. Mediendienste-Staatsvertrages und nicht um einen Teledienst handelt. Dass dort unter anderem auch Nazi-Artikel bestellt werden können, steht dem nicht entgegen, da Mediendienste nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 MdStV auch die dort genannten Abrufdienste sind, falls nicht der individuelle Leistungsaustausch (u.a.) im Vordergrund steht. Dies dürfte vorliegend indes nicht der Fall sein, da die genannten Internetangebote eingebettet sind in entsprechende nationalsozialistische Propaganda und teilweise auch entsprechende Unterschriften tragen (vgl. den Film "Der Ewige Jude" als Video CD). Insgesamt steht daher nach dem gesamten Erscheinungsbild der Home-Page die journalistische Ausgestaltung zur Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts, also die redaktionelle Meinungsbildung für die Allgemeinheit im Vordergrund.

Die streitgegenständlichen Internet-Seiten enthalten bei dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfungen auch unzulässige Inhalte nach § 12 Abs. 1 MdStV und verstoßen damit gegen den Mediendienste-Staatsvertrag.

Die in der Sperrungsverfügung näher beschriebene Home-Page "stormfront.org" dürfte gegen strafrechtliche Bestimmungen verstoßen. Auf den letzten Seiten dieses Angebots dürfte aller Voraussicht nach der Tatbestand des § 86 a StGB (Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) objektiv verwirklicht sein. Der Text der Home-Page zielt in die gleiche Richtung. So geht aus der Hauptseite hervor, dass es sich um die Verbreitung rechtsextremen Gedankenguts handelt. Im deutschsprachigen Angebot wird unter dem Begriff "Befreite Zonen" erklärt, welchen Umgang man mit Andersdenkenden plant ("...wir bestrafen Abweichler und Feinde..."). Es wird zum Hass gegen Juden und Ausländer aufgestachelt, indem diese Bevölkerungsgruppen beschimpft, böswillig verächtlich gemacht und verleumdet werden. Diese dürfte den Tatbestand der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 StGB und voraussichtlich auch des Absatzes 2 der Vorschrift erfüllen. Nach dem durchgängigen Inhalt der Home-Page dürfte überdies der Krieg verherrlicht werden (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 MdStV). Jedenfalls ist das Angebot offensichtlich geeignet, Kinder und Jugendliche schwer zu gefährden (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 MdStV).

Auf der Internet-Seite "nazilaucknsdapao.com" werden die Juden auf zynische Weise verunglimpft. Es wird zum Hass und zur Vernichtung von Juden und anderen "Volksfeinden" aufgerufen, wodurch der objektive Tatbestand der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 StGB und wohl auch des Absatzes 2 der Vorschrift erfüllt ist. Ferner wird die Judenvernichtung des III. Reiches gebilligt, wodurch der qualifizierte Tatbestand des § 130 Abs. 3 StGB erfüllt sein dürfte. Durch die Verwendung der Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen dürfte die Strafbarkeit nach § 86 a StGB begründet sein. Schließlich könnte auch § 86 StGB (Verbreitung von Progagandamitteln verfassungswidriger Organisationen) tatbestandsmäßig erfüllt sein. Jedenfalls wird mit dem Gesamtangebot der Home-Page zweifelsohne auch der Krieg verherrlicht (so z.B. durch die Möglichkeit zum Herunterladen von "Mein Kampf", sowie von "Der Kampf geht weiter" einer Einführung zur NSDAP). Insgesamt ist das vorgenannte Angebot offensichtlich geeignet, Kinder und Jugendliche sittlich schwer zu gefährden (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 MdStVG).

Deshalb muss in diesem Zusammenhang letztlich nicht vertieft werden, ob bezüglich der zuvor genannten Straftatbestände ein strafrechtlich relevanter Erfolg (vgl. § 9 StGB) in der Bundesrepublik Deutschland eingetreten ist oder nicht, wie die Antragstellerin unter Hinweis darauf, dass abstrakte Gefährdungsdelikte keinen Erfolgsort haben könnten, meint. Der Bundesgerichtshof

- Urteil vom 12. Dezember 2000 - 1 StR 184/00,Neue Juristische Wochenschrift 2001, S. 624 ff -

hat in diesem Urteil zur Frage der Existenz eines strafrechtlichen Erfolgsorts beim Delikt der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 1 und § 130 Abs. 3 StGB) ausgeführt: Stellt ein Ausländer von ihm verfasste Äußerungen, die den Tatbestand der Volksverhetzung i.S.d. § 130 Abs. 1 oder des § 130 Abs. 3 StGB erfüllen ("Auschwitz-Lüge"), auf einem ausländischen Server in das Internet, der Internetnutzern in Deutschland zugänglich ist, so tritt ein zum Tatbestand gehörender Erfolg (§ 9 Abs. 1 Alt. 3 StGB) im Inland ein, wenn diese Äußerungen konkret zur Friedensstörung im Inland geeignet sind. Zur Begründung führt das Urteil u.a. aus, dass für die Anwendung des deutschen Strafrechts bei der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 und Abs. 3 StGB in Fällen der vorliegenden Art auch ein völkerrechtlich legitimierender Anknüpfungspunkt vorliege. Denn die Tat betreffe ein gewichtiges inländisches Rechtsgut, das zudem objektiv einen besonderen Bezug auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aufweise.

Hiernach dürfte die streitgegenständliche Sperrungsverfügung durch § 22 Abs. 2 MdStV gedeckt sein.

Nach § 22 Abs. 3 MdStV können die zuständigen Behörden Maßnahmen zur Sperrung von Angeboten nach Absatz 2 der Vorschrift auch gegen den Diensteanbieter von fremden Inhalten nach §§ 7 - 9 richten, falls sich Maßnahmen gegenüber dem Verantwortlichen nach § 6 Abs. 1 MdStV als nicht durchführbar oder nicht erfolgversprechend erweisen. Insoweit muss eine Sperrung technisch möglich und zumutbar sein. Dies spricht dafür, dass im Rahmen der Aufsicht nach dem Mediendienste-Staatsvertrag sämtliche in §§ 7 - 9 MdStV genannten Haftungspriviligierten herangezogen werden können, mithin auch die Antragstellerin als Zugangs- bzw. Access-Provider, zumal Maßnahmen gegen die im Ausland ansässigen Verantwortlichen im Sinne von § 6 Abs. 1 MdStV nicht in Betracht kommen dürften.

Vgl. hierzu Spindler/Volkmann, die öffentlichrechtliche Störerhaftung der Access-Provider, K & R 2002, S. 398 ff.

Die abschließende Klärung dieser komplexen Frage muss jedoch letztlich dem Hauptsacheverfahren überlassen bleiben.

Was weiterhin die Wahl des Mittels anbelangt, begegnet die Sperrungsverfügung bei überschlägiger Betrachtung keinen durchgreifenden Bedenken. Insoweit wurden der Antragstellerin drei verschiedene Sperrungsmöglichkeiten aufgezeigt. Kommen zur Abwehr einer Gefahr mehrere Mittel in Betracht, so genügt es nach§ 21 Satz 1 des Ordnungsbehördengesetzes - OBG -, wenn eines davon bestimmt wird. Insbesondere die zuletzt aufgezeigte Sperrungsmöglichkeit (Ausschluss von IPs durch Sperrung im Router) dürfte nach Auffassung der Kammer ein funktionstaugliches Mittel zur Sperrung sein. Nach der Stellungnahme des Leiters des Hochschulrechenzentrums der Universität E1. , LRD Dipl. Phys. G. T. an die Antragsgegnerin vom 24. April 2002 scheint nach allen Diskussionen die Router-Technik zum Umlenken eines Teils der Internet-Requests von den ISPs auf die Filtermaschine solide funktionsfähig und jederzeit einsetzbar zu sein.

Die streitgegenständliche Sperrungsverfügung dürfte letztlich auch zur beabsichtigten Gefahrenabwehr geeignet sein, auch wenn im Internet, wie die Antragstellerin in den vor ihr vorgelegten Eidesstattlichen Versicherungen ihres Managers B. U. vom 21. Oktober und 25. November 2002 vorgetragen hat, zahlreiche Möglichkeiten zur Umgehung der angeordneten Sperrung - etwa durch den Einsatz von Suchmaschinen, dem Internet by Call oder der Einschaltung eines Anonymizers - zur Verfügung stehen. Schließlich können die Nutzer auch einen anderen deutschen oder ausländischen Access-Provider in Anspruch nehmen.

Nach dem im Ordnungsrecht herrschenden Grundsatz der effektiven Gefahrenabwehr ist es indes nicht erforderlich, dass das angeordnete Mittel eine vollständige Beseitigung der Gefahrenlage bewirkt. Falls eine solche nicht möglich ist, reicht bereits die Minimierung einer bestehenden Gefahr.

Vgl. zu der hier bestehenden Problematik Spindler/Volkmann, a.a.O., S. 406, Zimmermann, Polizeiliche Gefahrenabwehr und das Internet, Neue Juristische Wochenschrift - NJW -1999, S. 3145 ff., S. 3150.

Entscheidend ist, ob die angeordnete Sperrung einen wirksamen Beitrag zur Gefahrenabwehr leisten kann.

Hiervon ist bei summarischer Prüfung auszugehen. Zwar dürfte ein technisch versierter Nutzer unter Ausnutzung der oben aufgezeigten Umgehungsmöglichkeiten in der Lage sein, sich die gewünschten Inhalte trotz Sperrung zu verschaffen. Darüber hinaus besteht auch für den "einfachen Nutzer" die Möglichkeit, sich eines anderen Zugangs-Providers zu bedienen. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass durch die angeordnete Sperrung jedenfalls der Zugang zu den inkriminierten Webseiten in technischer und zeitlicher Hinsicht nicht unerheblich erschwert wird, zumal auch die anderen Access-Provider in Nordrhein-Westfalen entsprechende Sperrungsverfügungen erhalten haben.

Offensichtliche Ermessensfehler liegen ebenfalls nicht vor. Ausgangspunkt der Prüfung ist dabei, dass ein Entschließungsermessen nach dem Wortlaut des § 22 Abs. 2 Satz 1 MdStV nicht besteht. Die zuständige Behörde hat demnach bei Feststellung eines einschlägigen Verstoßes nur noch Ermessen hinsichtlich des Adressaten und der Art der zu ergreifenden Maßnahme. Angesichts der einem Vorgehen gegen die Verantwortlichen im Sinne von § 6 Abs. 1 MdStV entgegenstehenden Schwierigkeiten dürfte die Inanspruchnahme von Diensteanbietern von fremden Inhalten (§ 22 Abs. 3 MdStV) unter dem Aspekt des Auswahlermessens nicht zu beanstanden sein. In Bezug auf diesen Adressatenkreis geht die Antragsgegnerin nach einem klaren System, nämlich einer möglichst flächendeckenden Wirkung in ihrem Zuständigkeitsbereich vor; dabei war sich die Antragsgegnerin bewusst, dass sie auch durch ein solches Vorgehen den Zugang zu den betroffenen Web-Seiten nicht völlig unterbinden kann, sondern lediglich eine nicht unerhebliche Gefahrenreduzierung erreichen kann.

Kann somit die offensichtliche Rechtswidrigkeit der Sperrungsverfügung nicht festgestellt werden - die Feststellung der offensichtlichen Rechtmäßigkeit entzieht sich ebenfalls einer nur summarischen Prüfung -, so ist zwischen den Interessen der Beteiligten abzuwägen. Diese Interessensabwägung fällt zu Lasten der Antragstellerin aus; ihr Interesse an der aufschiebenden Wirkung der Klage ist geringer zu bewerten als das öffentliche Interesse an einer sofortigen Sperrung der fraglichen Seiten bis zum Abschluss des Klageverfahrens.

Das Interesse der Öffentlichkeit besteht vorliegend darin, die Verwirklichung der oben genannten Straftatbestände zu verhindern. Insbesondere die Volksverhetzung nach § 130 StGB betrifft ein gewichtiges inländisches Rechtsgut, das zudem einen besonderen Bezug auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aufweist. Das Äußerungsdelikt nach § 130 StGB schützt Teile der inländischen Bevölkerung schon im Vorfeld von unmittelbaren Menschenwürdeverletzungen und will - wegen der besonderen Geschichte Deutschlands - dem Ingangsetzen einer historisch als gefährlich nachgewiesen Eigendynamik entgegenwirken.

Vgl. BGH Urteil vom 12. Dezember 2000 - 1 StR 184/00 - NJW 2001, S. 628.

Letztlich geht es darum, schon frühzeitig eine Vergiftung des politischen Klimas durch die Verharmlosung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft zu verhindern.

Vor diesem Hintergrund erscheint die Anordnung der sofortigen Vollziehung zur raschen und effektiven Durchsetzung der Sperrungsverfügung rechtlich nicht zu beanstanden. Schließlich sind auch vergleichbare Verbote in Frankreich verhängt worden. So wurde die Fa. Yahoo verurteilt, Auktionen für Nazi - Memorabilien für französiche Nutzer aus ihrem Angebot herauszunehmen.

Tribunal der Grand Instance de Paris, 20. November 2000, Nr. RG 00/05308.

Demgegenüber sind schützenswerte Interessen der Antragstellerin, einstweilig von der Sperrung der fraglichen Internetseiten verschont zu bleiben, nicht erkennbar. Was das zuvor aufgezeigte Mittel (Ausschluss von IPs durch Sperrung im Router) anbelangt, hat die Antragstellerin selbst nicht vorgetragen, dass diese Maßnahme einen besonderen technischen Aufwand erfordere. Soweit sie darauf verweist, dass diese Art der Sperrung deshalb problematisch sei, weil die Zuordnung vonIP-Adressen zu bestimmten Webseiten stündlich wechseln könne (Eidesstattliche Versicherung vom 21. Oktober 2002 am Ende), ist es nicht Aufgabe der Antragstellerin, die Liste der zu sperrenden Adressen zu aktualisieren.

Vgl. zu diesem Gesichtspunkt, Zimmermann a.a.O.,S. 3150 sowie Spindler/Volkmann, a.a.O. S. 406.

Soweit die Antragstellerin ferner darauf verweist, dass sich bei der Sperrung vonIP-Adressen Auswirkungen auf andere - legale - Inhalte ergeben könnten, ist dies ebenso hinzunehmen wie etwaige wirtschaftliche Nachteile, die daraus erwachsen könnten, dass sich Kunden der Antragstellerin einem anderen Zugangs-Provider zuwenden, um die inkriminierten Webseiten aufrufen zu können. Nachteile dieser Art hat die Antragstellerin im Übrigen selbst nicht vorgetragen.

Nach den vorstehenden Ausführungen zu § 80 Abs. 3 und 5 VwGO hat auch der Hilfsantrag, die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuheben, keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 20 Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes.