LG Ulm, Beschluss vom 17.03.2006 - 2 T 32/04
Fundstelle
openJur 2012, 66370
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Beschwerde der Kostenschuldnerin wird die Gebührenrechnung des Notariats I vom 17.07.2000 - AV 108, 109 - betreffend die Beurkundung des Verschmelzungsvertrags vom 12.07.2000, UR Nr. .../2000, insoweit aufgehoben, als darin für die Beurkundung des Verschmelzungsvertrags auf der Grundlage des Geschäftswerts von DM 5.460.800,- Gebühren berechnet wurden.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Berechnung des Kostenansatzes zurückgegeben.

3. Im übrigen (Gebührenrechnung des Notariats I vom 12.07.2002 - AV II 205 - betreffend die Beurkundung des Verschmelzungsvertrags vom 11.07.2002, UR Nr. .../2002) wird die Beschwerde zurückgewiesen.

4. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

5. Die weitere Beschwerde wird zugelassen.

Beschwerdewert:

DM 17.140,00 + Umsatzsteuer = DM 19.882,40

= EUR 10.165,71

+ EUR 18.974,78

EUR29.140,49

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Rückforderung von Notargebühren, die die Kostenschuldnerin/Beschwerdeführerin in den Jahren 2000 und 2002 an den Kostengläubiger/Beschwerdegegner, einen beamteten Notar, im Zusammenhang mit der Verschmelzung der R bank I eG mit der E Bank eG und sodann mit der R bank D eG bezahlt hat.

Im Jahre 2000 schloss sich die E Bank eG mit der R bank I eG zusammen. Der Kostengläubiger beurkundete u. a. den Verschmelzungsvertrag vom 12.07.2000 und stellte der Beschwerdeführerin am 17.07.2000 - neben anderen, zwischenzeitlich nicht mehr streitigen Gebühren - ausgehend von einem Geschäftswert von ca. DM 5,4 Mio. Gebühren von DM 17.140,- einschließlich Schreibgebühren und Auslagen zuzüglich Mehrwertsteuer in Rechnung.

Im Juli 2002 wurde sodann auch die R bank D eG mit der nunmehr als R bank D-I eG firmierenden Kostenschuldnerin verschmolzen. Der beteiligte Amtsnotar beurkundete am 11.07.2002 den Verschmelzungsvertrag und stellte der Beschwerdeführerin am 12.07.2002 auf der Grundlage eines Geschäftswerts von ca. EUR 5,8 Mio. Gebühren einschließlich Schreibgebühren und Auslagen von EUR 16.357,57 zuzüglich Mehrwertsteuer in Rechnung.

Beide Rechnungen wurden bezahlt.

Mit Schreiben vom 04.05.2004 legte die Kostenschuldnerin gegen die genannten Gebührenrechnungen und 14 andere Gebühren- und Kostenrechnungen, die im Zusammenhang mit den beschriebenen Verschmelzungsvorfällen gestellt und bezahlt worden waren, Beschwerde ein. Zwischenzeitlich hat sie nach entsprechenden Hinweisen die Beschwerde auf die genannten beiden Gebührenrechnungen vom 17.07.2000 und vom 12.07.2002 beschränkt, hinsichtlich der erstgenannten Rechnung auf die Gebühren für die Beurkundung des Verschmelzungsvertrags vom 12.07.2000 in Höhe von DM 17.140,- zuzüglich Mehrwertsteuer. Sie geht davon aus, dass es sich bei den jetzt noch angegriffenen Gebühren nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des OLG Stuttgart um eine nicht richtlinienkonforme Steuer handle, weshalb die Beträge zurückzuzahlen seien. Verjährung ihrer Rückerstattungsansprüche sei nicht eingetreten.

Der Notar - Beschwerdegegner - hat Zurückweisung der Kostenbeschwerde beantragt und in seiner Stellungnahme vom 22.09.2004 die Auffassung vertreten, die Beschwerdeführerin verkenne die unterschiedlichen Notariatssysteme im badischen und württembergischen Landesteil. Die Entscheidungen des EuGH vom 21.03.2002 und des OLG Karlsruhe vom 24.09.2002 könnten auf die unterschiedlichen Notariatsformen in Württemberg nicht übertragen werden, da es hier auch nicht beamtete Notare gebe, zu denen die Bezirksnotare in unmittelbarer Konkurrenz stünden. Da die Gebühren für gesellschaftsrechtliche Beurkundungen durch nicht beamtete Notare in keinem Fall eine unzulässige Steuer im Sinne der EG-Richtlinie seien, fehle es im württembergischen Landesteil am wesentlichen Merkmal der "Steuer". In weiteren Stellungnahmen hat sich der Notar auf Verjährung des Rückforderungsanspruches berufen und darauf hingewiesen, dass die etwaige Steuereigenschaft jedenfalls nur die Gebühren für die Beurkundung des Verschmelzungsvertrages und ggf. der Beschlussfassungen der Generalversammlungen betreffe.

Der Präsident des Landgerichts Ulm hat sich in seiner Stellungnahme vom 07.11.2005 dahingehend geäußert, dass Gegenstand des vorliegenden Verfahrens nach § 156 KostO nur die Kosten sein könnten, die der Notar in seiner Eigenschaft als öffentlicher Notar eingefordert habe, nicht aber auch Kosten, die daraus entstanden seien, dass er für die seinem Bezirk zugehörigen Grundbuchämter tätig geworden sei oder Gerichtskosten eingefordert habe. Was den Verschmelzungsvertrag vom 12.07.2000 angehe, so fielen die den Kostenrechnungen zugrunde liegenden Beurkundungen in den gegenständlichen Bereich der Richtlinie 69/335 und seien als richtlinienwidrig erhobene Steuern anzusehen. Damit seien diese Kostenrechnungen aufzuheben, da nur aufwandsbezogene Gebühren angesetzt werden könnten. Der Rückerstattungsanspruch sei nicht verjährt. Für die Kostenrechnung vom 12.07.2002 sei aufgrund der nunmehr geltenden Übergangsvorschriften der Steuercharakter der in Ansatz gebrachten Gebühr beseitigt, so dass diese Gebühr zulässig sei.II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber auch in dem jetzt noch aufrecht erhaltenen Umfang nur zum Teil begründet.

1. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist die Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital in der Fassung der Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 so auszulegen, dass die Gebühren für die notarielle Beurkundung eines unter diese Richtlinie fallenden Rechtsgeschäfts in einem Rechtssystem, in dem die Notare Beamte sind und ein Teil der Gebühren dem Staat zufließt, der der Dienstherr der Notare ist und der diese Einnahmen für die Finanzierung seiner Aufgaben verwendet, als Steuer im Sinne der Richtlinie 69/335 in der geänderten Fassung anzusehen sind. Der Umstand, dass die für die notarielle Beurkundung eines Vertrags über die Gründung einer Kapitalgesellschaft erhobenen Gebühren, die proportional zu dem gezeichneten Nennkapital steigen, eine Obergrenze nicht übersteigen dürfen, kann diese Gebühren nicht zu (erlaubten) Abgaben mit Gebührencharakter im Sinne der Richtlinie machen, wenn diese Obergrenze nicht im angemessenen Verhältnis zu den Kosten der Leistung steht, die mit diesen Gebühren abgegolten wird (EuGH Beschluss 21.03.2002, C-264/00 - Gründerzentrum - ZIP 2002, 663). Dabei ist nicht entscheidend, wer im Außenverhältnis Kostengläubiger ist, ob also der Staat selbst die Gebühren einzieht und dem Notar einen Teil zukommen lässt oder ob der Notar Kostengläubiger ist und einen Staatsanteil abzuführen hat. Entscheidend ist vielmehr, wem die Gebühren letztlich zufließen (EuGH Urteil 30.06.2005, C-165/03 - Längst; die Entscheidung bestätigt diejenige vom 21.03.2002 für beamtete Notare im OLG-Bezirk Stuttgart).

Gemäß § 6 UmwG bedurften die Verschmelzungsverträge der notariellen Beurkundung. Die an der Beurkundung beteiligten eingetragenen Genossenschaften und damit die beurkundeten Verträge fallen in den gegenständlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 69/335, da die Genossenschaften den in der Gesellschaftssteuerrichtlinie genannten Kapitalgesellschaften gleichzustellen und Verschmelzungen als Kapitalerhöhungen anzusehen sind, wenn eine oder mehrere Kapitalgesellschaften ihr gesamtes Gesellschaftsvermögen in eine oder mehrere Kapitalgesellschaften einbringen (OLG Stuttgart Beschluss 14.09.2005, 8 W 397/05, und Beschluss 07.02.2006, 8 W 532-534/05).

2. a) Unter Anlegung dieser Kriterien war die Gebührenrechnung vom 17.07.2000 (AV 108, 109) aufzuheben, soweit für die Beurkundung des Verschmelzungsvertrags vom 12.07.2000 neben den zulässigerweise erhobenen Schreibgebühren und Auslagen eine vom Geschäftswert abhängige Gebühr von insgesamt DM 17.140,- zuzüglich Mehrwertsteuer berechnet wurde. Diese Gebühr richtete sich nicht nach den tatsächlich entstandenen Kosten der erbrachten Leistungen, was eine erlaubte Abgabe mit Gebührencharakter wäre, sondern ausschließlich nach dem Geschäftswert. Damit wurde sie unabhängig von den dem Notar tatsächlich entstandenen, ersichtlich geringeren Aufwendungen berechnet. Der größere Anteil dieser Gebühr floss dem Land Baden-Württemberg zu, das damit nicht nur den Aufwand finanzierte, der für den Betrieb des staatlichen Notariats entsteht, soweit dieses im Beurkundungswesen tätig wird, sondern das diese Beträge in den allgemeinen Staatshaushalt einfließen ließ und damit zur Finanzierung seiner allgemeinen Staatsaufgaben verwandte. Damit ist die berechnete Beurkundungsgebühr dieser Kostenrechnung als eine der Richtlinie 69/335 widersprechende Steuererhebung anzusehen, der der Rechtsgrund fehlt, soweit sie mit der Richtlinie nicht vereinbar ist (vgl. OLG Stuttgart Beschluss 14.09.2005). Die Kostenrechnung war daher, soweit sie gegenstandswertbezogene Gebühren zuzüglich Mehrwertsteuer umfasst, aufzuheben.

b) Auf die Neuregelung der Notargebühren durch das Gesetz zur Änderung des Baden Württembergischen LJKG und des LFGG vom 28.07.2005, in Kraft getreten am 01.01.2006, kann sich der Kostengläubiger vorliegend nicht stützen. Zwar sieht die Übergangsvorschrift in Art. 4 § 2 des Änderungsgesetzes vor, dass für alle zwischen dem 01.06.2002 und dem 31.12.2005 entstandenen Beurkundungsgebühren in gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten Art. 1 Nr. 6 (= § 11 Abs. 1 LJKG n. F.) insoweit gilt, als darin Gebühren den Notaren vollständig überlassen werden, wobei die Notare als pauschale Aufwandsentschädigung 15 % dieser Gebühren an die Staatskasse abzuführen haben. Im vorliegenden Fall datiert die streitige Kostenrechnung jedoch vom 17.07.2000, ist von der Neuregelung also nicht erfasst.

c) Der Beschwerdegegner kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Rückforderungsanspruch verjährt sei.

Der Rückerstattungsanspruch hinsichtlich überzahlter Notargebühren unterliegt der allgemeinen Verjährung nach BGB, nicht der Verjährungsfrist des § 17 Abs. 2 KostO (§ 143 Abs. 1 KostO in der Fassung bis zum 01.01.2002), weil der beamtete Notar selbst Kostengläubiger ist (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.09.2005, 8 W 397/05 m.w.N.). Damit galt die allgemeine Verjährungsfrist von 30 Jahren, § 195 BGB a. F., beginnend mit der Entstehung des Anspruchs, also dem Zeitpunkt der Zahlung der Rechnung durch die Beschwerdeführerin Ende Juli 2000. Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB endete die Verjährungsfrist des Rückerstattungsanspruchs am 31.12.2004. Durch die am 05.05.2004 beim Landgericht Stuttgart und nach Abgabe am 18.05.2004 beim Landgericht Ulm eingegangene Beschwerde wurde der Lauf der Verjährung entsprechend § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB n. F. gehemmt.

3. Die Beschwerde ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Gebührenrechnung vom 12.07.2002 betreffend den Verschmelzungsvertrag vom 11.07.2002 über EUR 18.974,78 inklusive Schreibgebühren und Auslagen richtet.

Für die Zeit vor dem Gesetz zur Änderung des LJKG und des LFGG vom 28.07.2005 stellte die Erhebung einer Gebühr nach § 47 KostO durch einen württembergischen Amtsnotar für die Beurkundung eines Verschmelzungsbeschlusses zweier eingetragener Genossenschaften oder einer Gebühr nach § 36 Abs. 2 KostO für die Beurkundung eines Verschmelzungsvertrags eine richtlinienwidrige Steuererhebung dar, weil der beamtete Notar verpflichtet war, einen Teil der Gebühren an den Staat abzuführen, der diese Einnahmen zur Finanzierung seiner allgemeinen Aufgaben verwendete. Nach der Neuregelung des § 11 Abs. 1 LJKG erhält die Staatskasse - vorbehaltlich hier nicht interessierender anderer Fälle - keinen Anteil mehr an den Beurkundungsgebühren in gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten, die aufgrund zwingender gesellschaftsrechtlicher Vorgaben der notariellen Beurkundung bedürfen. Als pauschale Aufwandsentschädigung haben die Notare jedoch 15 % dieser Gebühren an die Staatskasse abzuführen. Diese Regelung gilt nach der bereits genannten Übergangsvorschrift im LJKÄndG vom 28.07.2005 für alle zwischen dem 01.06.2002 und dem 31.12.2005 entstandenen Beurkundungsgebühren in gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten. Damit ist sie auf die vorliegend streitige Gebührenrechnung vom 12.07.2002 anwendbar.

Abgaben mit Gebührencharakter, die einen konkreten Aufwand des Staates abdecken sollen und nicht der Finanzierung seiner sonstigen Aufgaben dienen, widersprechen der Gesellschaftssteuerrichtlinie 69/335 nicht (Art. 12 Abs. 1e der Richtlinie). Dass die im Einzelfall tatsächlich entstandenen Aufwendungen für die konkrete Beurkundung pauschal mit 15 % berechnet werden, begegnet keinen Bedenken (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss 07.02.2006, 8 W 532-534/05). Damit stellt aber eine Gebührenerhebung, die dem Amtsnotar die eingenommenen Gebühren belässt und dem Staat nur einen geringen Teil zuweist, der dem tatsächlich entstandenen staatlichen Aufwand für die Stellung der notwendigen Infrastruktur (Notariatsgebäude, Schreibkräfte etc.) entspricht, keine unzulässige Steuer im Sinne der Richtlinie dar.

Die Kammer teilt die Bedenken, die in dem erwähnten Vorlagebeschluss des OLG Stuttgart vom 07.02.2006 und in dem Beschluss des LG Stuttgart vom 17.01.2006 (19 T 288/02) zum Ausdruck gekommen sind, nicht. Zwar ist richtig, dass der beurkundende Notar Beamter und damit in die Verwaltungsorganisation eingebunden ist. Richtig ist weiter, dass auch nach der Neuregelung des LJKG der Amtsnotar einen Teil der Gebühren an die Staatskasse abzuführen hat. Dieser Staatsanteil ist durch die Neuregelung jedoch auf 15 % der Gebühren und damit - pauschaliert - auf den dem Staat im Zusammenhang mit den fraglichen Beurkundungen tatsächlich entstehenden Aufwand begrenzt worden, im Anwendungsbereich des § 47 KostO gedeckelt durch die Obergrenze von EUR 5.000,00, so dass der Staatsanteil sich maximal auf EUR 750,00 beläuft. Der dem Staat zufließende Gebührenanteil hat daher nicht den Charakter einer Steuer, die sich dadurch auszeichnet, dass sie ohne Bezug auf eine konkrete staatliche Leistung zur Finanzierung der allgemeinen Staatsausgaben dient. Vielmehr stellt dieser Staatsanteil eine auch nach der Richtlinie erlaubte, zweckbezogene und an den dem Staat entstandenen Kosten der erbrachten Dienstleistung orientierte Abgabe dar. Darauf, dass der Notar im Außenverhältnis eine höhere Gebühr berechnet, die den konkreten Aufwand übersteigt, kommt es deswegen nicht an, weil der Staat an diesem Gebührenanteil nicht partizipiert, dieses Gebührenaufkommen insbesondere nicht zur Deckung seiner allgemeinen Staatsaufgaben heranziehen kann. Dieser Teil der Gebühren kann schon deswegen nicht als Steuer angesehen werden, weil er dem Staat gar nicht zufließt. Damit ist es aber auch nicht gerechtfertigt, die den Gesellschaften im Außenverhältnis in Rechnung gestellten Gebühren insgesamt als staatliche Steuer anzusehen.III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 156 Abs. 5 KostO.

Die Kammer hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit, insbesondere im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des OLG Stuttgart vom 07.02.2006, die weitere Beschwerde zugelassen, § 156 Abs. 2 KostO.

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