ArbG Freiburg, Urteil vom 04.03.2011 - 4 Ca 12/11
Fundstelle
openJur 2012, 64160
  • Rkr:

Für die Klage eines Rabbiners gegen seine Kündigung durch die jüdische Gemeinde ist der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten und damit auch zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet, soweit die Religionsgemeinschaft im Rahmen ihres Selbstbestimmungsrecht gem. Art. 140 GG i. V. mit Artikel 137 Absatz III WRV für Streitigkeiten mit dem Rabbiner die Zuständigkeit einer eigenen Gerichtsbarkeit vorsieht, die bislang noch nicht angerufen wurde.

Tenor

1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Der Streitwert wird auf 59.787,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Bestand eines Arbeitsverhältnisses, die Weiterbeschäftigung sowie um den hilfsweise gestellten Antrag auf Zahlung einer Abfindung.

Der am 0.0.1939 geborene Kläger ist seit dem 15.03.1998 bei der beklagten Gemeinde als Rabbiner tätig. Die Beklagte ist die I.G. in F. in der Rechtsform der Körperschaft des öffentlichen Rechts. Zwischen den Parteien wurde ein Dienstvertrag geschlossen (Anlage K 1, Abl. 9 ff.). In Ziffer 1 des Vertrages heißt es:

Gegenstand dieses VertragesGemäß Mehrheitsbeschluss der Gemeindeversammlung vom 15.03.1998 wird R. S. seitens der I.G. zum Gemeinderabbiner der I.G. ernannt und ist berechtigt, diesen Titel seit diesem Datum zu führen.

Zum Aufgabengebiet heißt es in Ziffer 2:

R. S. amtiert ab sofort als Gemeinderabbiner der I. und trifft somit für die I. und deren Mitglieder bindende Entscheidungen in allen halachischen Fragen und überwacht auch die Einhaltung der Halacha in allen, die I.G. und deren Mitglieder betreffenden Angelegenheiten. Hierzu gehört ausdrücklich auch die Überprüfung der Zugehörigkeit zum Judentum der Mitglieder, bzw. Anwärtern auf die Mitgliedschaft. Des weiteren amtiert R. S. bei Gottesdiensten, Beschneidungen, Bar und Bat Mitzwot, Trauungen, Beerdigungen und allen anderen religiösen Zeremonien nach Absprache mit dem Vorstand der I.G. Auch die Aus- und Weiterbildung der Gemeindemitglieder der I. in religiösen Belangen kann ihm übertragen werden.

Die in Ziffer 3 zitierte Aufwandsentschädigung betrug zuletzt 1.550 EUR monatlich Auf die gezahlten Aufwandsentschädigungen wurden keine Sozialversicherungsabgaben gezahlt. Unter der Überschrift Vertragsdauer heißt es in Ziffer 4:

Dieser Vertrag wird auf Lebenszeit geschlossen. Er kann seitens R. S. jederzeit aus wichtigem Grunde gekündigt werden, insbesondere bei unüberwindbaren Differenzen mit der Gemeinde. Sollte die I.G. eine Auflösung wünschen, so ist an R. S. eine Abfindung in Höhe von mindestens dem 36-fachen der monatlichen Basispauschale zu bezahlen. Die Vertragsparteien verständigen sich darauf, in allen, diesen Vertrag betreffenden Streitfragen das Schied- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland anzurufen und dessen Urteil bindend anzuerkennen.

Mit Schreiben vom 28.12.2010 (Anlage K 2), dem Kläger zugegangen am 30.12.2010, erklärte die beklagte Gemeinde, dass sie die Dienste des Klägers für die jüdische Gemeinde ab sofort nicht mehr in Anspruch nehmen werde, dass der Kläger ab dem kommenden Freitag und Samstag nicht mehr zu kommen brauche sowie dass seine Honorarzahlungen ab dem nächsten Monat eingestellt würden. Die beklagte Gemeinde erklärte mit Schreiben vom 21.01.2011 und vom 27.01.2011 die fristlose Kündigung des Dienstverhältnisses aus wichtigem Grund.

Das Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland wurde bislang von keiner Partei angerufen.

Der Kläger ist der Ansicht, er sei als Arbeitnehmer für die beklagte Gemeinde tätig. Er habe ein Büro und Sprechzeiten an jedem Dienstag sowie Zugriff auf die Sekretärin der Gemeinde. Er sei in die Organisation der Gemeinde eingebunden und den Weisungen des Vorstands der Gemeinde unterworfen. Lediglich in religiösen Angelegenheiten sei er als Rabbiner weisungsfrei. Er sei verpflichtet, Freitagabend und Samstagmorgen den Gottesdienst sowie die Gottesdienste an den jüdischen Festtagen in der Synagoge zu begleiten. Diesbezüglich und im Hinblick auf weitere religiöse Zeremonien sei er an die entsprechenden Zeiten, zu den die Rituale und Zeremonien anstanden, gebunden. Zudem habe der Kläger auch innerhalb der Gemeinde Verwaltungsaufgaben wahrgenommen, insbesondere bei Mitgliedsanträgen geprüft, ob die die Mitgliedschaft anstrebende Person jüdisch ist. Den Urlaub habe er mit dem Vorstand der Gemeinde abgesprochen.

Der Kläger ist der Ansicht, das vorliegende Verfahren sei der weltlichen Gerichtsbarkeit nicht entzogen. In Streit stehe allein das weltliche Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und der beklagten Gemeinde, welches in der Form eines Dienstvertrages geschlossen worden sei. Insoweit habe sich die beklagte Gemeinde zur Erfüllung ihrer Aufgabe eines Gestaltungsmittels des staatlichen Rechts bedient. Unabhängig von der religiösen Einordnung der beklagten Gemeinde sei zwischen den Parteien ein bürgerlich-rechtlicher Vertrag geschlossen worden. Für diesen Vertrag betreffenden Streitigkeiten seien die staatlichen Gerichte zuständig.

Darüber hinaus sie die beklagte Gemeinde durch den auftretenden Prozessbevollmächtigten nicht ordnungsgemäß vertreten. Die Vollmacht des Prozessbevollmächtigten sei nur von zwei Vorstandmitgliedern unterzeichnet. Nach der Satzung der beklagten Gemeinde handele die Gemeinde nach außen durch ihren Vorstandsvorsitzenden. Nach dem Rücktritt des früheren Vorstandsvorsitzenden sei bislang keine Person zum neuen Vorstandsvorsitzenden ernannt worden. Der kommissarische Verwalter habe die Vollmacht nicht unterzeichnet.

Der Kläger beantragte im Termin vom 04.03.2011 den Erlass eines Versäumnisurteils im Hinblick auf die gerügte Vertretung der beklagten Gemeinde und stellte folgende Anträge:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Erklärungen der beklagten Gemeinde vom 28.12.2010 noch durch die Schreiben vom 21.01.2011 noch die Schreiben vom 27.01.2011 aufgelöst ist.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 01.02.2011 ungekündigt fortbesteht.

3. Für den Fall, dass das Gericht der Kündigungsschutzklage in Ziff. 1 stattgibt, wird die beklagte Gemeinde verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Rabbiner weiterzubeschäftigen.

4. Für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen in Ziffer 1 und 2 wird die beklagte Gemeinde verurteilt, dem Kläger eine Abfindung in Höhe von mindestens EUR 55.188,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2011 zu bezahlen.

Die beklagte Gemeinde beantragte,

die Klage abzuweisen.

Die beklagte Gemeinde steht auf dem Standpunkt, die Klageerhebung zum Arbeitsgericht sei unzulässig im Hinblick auf Ziffer 4 Satz 4 des vorgelegten Dienstvertrages.

Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unzulässig.

Für die Klage ist der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten nicht gegeben.

I.

1. Die Zuständigkeit staatlicher Gerichte für Rechtsstreitigkeiten mit Beteiligung einer Kirche, einer kirchlichen Körperschaft oder einer Religionsgemeinschaft beantwortet sich nach Artikel 140 GG i. V. mit Artikel 137 Absatz III WRV. Danach ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbstständig innerhalb des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates und der bürgerlichen Gemeinde. Mit diesen Verfassungsbestimmungen erkennt der Staat die Kirchen als Institutionen mit dem Recht der Selbstbestimmung an, die ihrem Wesen nach unabhängig vom Staat sind und ihre Gewalt nicht von ihm herleiten. Infolge der öffentlichen Rechtsstellung und der öffentlichen Wirksamkeit der Kirchen, die sich aus ihrem besonderen Auftrag ergeben und durch die sie sich von anderen gesellschaftlichen Gebilden grundsätzlich unterscheiden, ist kirchliche Gewalt zwar öffentliche, aber nicht staatliche Gewalt. Ist die Kirche nur im innerkirchlichen Bereich tätig geworden, liegt kein Akt öffentlicher Gewalt vor, gegen den der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten eröffnet wäre (vgl. BAG, Urteil vom 07.02.1990, 5 AZR 84/89, dort I Ziffer 1 mit Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 17. 2. 1965, 1 BvR 732/64, BVerfGE 18, ,385).

Ob bestimmtes kirchliches Handeln dem innerkirchlichen Bereich zuzurechnen ist, entscheidet sich danach, was inhaltlich, der Natur der Sache oder der Zweckbeziehung nach als eigene Angelegenheit der Kirche anzusehen ist. In diesem Bereich ist die Kirche nicht an das für alle geltende staatliche Gesetz gebunden (vgl. BVerfG vom 17.02.1965, a.a.O.) In den Bereich der eigenen Angelegenheiten der Kirchen fallen nicht nur das kirchliche Amtsrecht einschließlich der Ämterhoheit (vgl. BVerfG vom 17.02.1965, a.a.O.), sondern auch das mit dem Amtsrecht untrennbar verbundene Dienst- und Versorgungsrecht der Geistlichen.

Diese Grundsätze gelten nicht nur für Kirchen, sondern auch für Religionsgemeinschaften (Religionsgesellschaften im Sinne von § 137 WRV).

2. Allerdings können die Religionsgesellschaften sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben der Gestaltungsmittel des staatlichen Rechts bedienen, etwa durch den Abschluss von Arbeitsverträgen. In diesem Fall haben auch sie das für alle geltende Gesetz zu beachten (BAG, Urteil vom 25. 4. 1978, 1 AZR 70/76, NJW 1978, 2116), so dass arbeitsvertragliche Streitigkeiten kirchlicher Bediensteter gem. § 2 Absatz I Nr. 3 ArbGG der staatlichen Arbeitsgerichtsbarkeit unterliegen (BAG, Beschluss vom 11.03.1986 - 1 ABR 26/84, NZA 1986, 685).

Zu dem innerkirchlichen bzw. internen Bereich der Religionsgesellschaft, in dem die staatliche Gerichtsbarkeit in das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen bzw. der Religionsgesellschaften nicht eingreifen kann, gehören vor allem geistlich-seelsorgerische Angelegenheiten (BAG, Beschluss vom 11.03.1986, a.a.O.). Nach Art. 137 Absatz II 2 WRV gehört zum innerkirchlichen, nicht nachprüfbaren Bereich auch das kirchliche Ämterrecht. Jede Religionsgesellschaft verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde. Staatliche Gerichte dürfen die Besetzung kirchlicher Ämter nicht kontrollieren.

a) Aus Ziffer 1 des vorgelegten Vertrages der Parteien ist ersichtlich, dass parallel zum Vertragsschluss die Ernennung des Klägers zum Gemeinderabbiner der I.G. F. erfolgte. Die formal-religiöse Ernennung des Klägers zum Gemeinderabbiner erfolgte durch Beschluss der Gemeindeversammlung vom 15.03.1998. Der nun zwischen den Parteien geschlossene Vertrag, der als Dienstvertrag betitelt ist, regelt im Folgenden vorrangig Aufgabengebiet, Aufwandsentschädigung und Vertragsdauer. Die Ernennung als Rabbiner, also die Berufung in das religiös-seelsorgerische Amt der Religionsgemeinschaft, wurde nicht vertraglich begründet, sondern erfolgte durch den genannten Mehrheitsbeschluss der Gemeinde. Mit diesem Beschluss hat die beklagte Gemeinde im Bereich der eigenen Angelegenheiten der Religionsgemeinschaft, welche nicht nur die Ämterhoheit, sondern auch das Dienstrecht der Geistlichen umfasst, ihre Dienstherrenfähigkeit ausgeübt.

b) Zwar bedeutet das im Grundgesetz garantierte Recht auf Glaubensfreiheit und das Recht der Religionsgemeinschaften, ihre Angelegenheiten selbständig zu verwalten und zu ordnen, nicht, dass die Religionsgemeinschaften außerhalb der Verfassung und Rechtsordnung stehen. Sie haben das Grundgesetz und die für alle geltenden Gesetze zu beachten, wenn sie sich zur Regelung ihrer Angelegenheiten in weltlicher Weise weltlicher Mittel bedienen, wie es z.B. bei der Regelung arbeitsvertraglicher Vereinbarungen der Fall ist (vgl. bereits BAG, Urteil vom 25.04.1978, 1 AZR 70/76, Juris, dort Rdnr. 27). Das Bundesarbeitsgericht betont in der genannten Entscheidung allerdings, dass dies allerdings nicht für die Person gelte, die in einem so engen Verhältnis zur Kirche bzw. Religionsgemeinschaft stehen, dass sie mit der von ihnen gewählten Lebensform einen Stand der Kirche bzw. Religionsgemeinschaft bilden. Durch sie trete die Kirche bzw. die Religionsgemeinschaft in besonderer Weise als solche in ihrem verfassungsrechtlichen gesicherten Wesen in Erscheinung.

Im vorliegenden Fall steht der Gemeinderabbiner in einem so engen Verhältnis zur Religionsgemeinschaft, dass er mit der von ihm gewählten Lebensform einen Stand der Religionsgemeinschaft bildet. Nach dem Vortrag des Klägers ist er in religiösen Angelegenheiten vollkommen weisungsfrei und hat die religiösen Rituale und Gottesdienste in der Synagoge zu begleiten. Zudem trifft er gemäß § 2 des Vertrages für die Gemeinde und deren Mitglieder bindende Entscheidungen in allen halachischen Fragen.

Seine Tätigkeiten stehen im unmittelbaren Zusammenhang mit der Religionsausübung der Gemeinde. Diese besondere Stellung des Klägers im religiösen Leben der Gemeinde kommt auch in einer weiteren Passage des Vertrages zwischen den Parteien zum Ausdruck: In Ziffer 5 des Vertrages verpflichtet sich die Gemeinde, den Einsatz von Vorbetern, Kantoren, Religionslehrern und anderen Rabbinern nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Klägers vorzunehmen. Dieser Vorbehalt bezieht sich ausschließlich auf die Personen, die ebenfalls unmittelbar bei der Religionsausübung und dem religiösen Leben der Gemeinde tätig werden.

3. Dem Staat ist bei der Einrichtung und Besetzung der von den Kirchen und Religionsgemeinschaften zur Erfüllung ihrer besonderen Aufgaben zu schaffenden geistlichen Ämtern und folgerichtig auch bei der Entscheidung der Kirchen und Religionsgemeinschaften über die Begründung, die Beendigung und das Fortbestehen des Dienst- und Amtsverhältnisses der Geistlichen jegliche Mitwirkung versagt. Dies ist in Artikel 130 GG in Verbindung mit 137 Abs. 3 Satz 2 WRV ausdrücklich anerkennt (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27.10.1966, II C 98/64, NJW 1967, 1672). Entscheidend ist, ob die beklagte Religionsgemeinschaft für die Streitigkeiten aus dem Dienst- und Amtsverhältnis eine eigene kirchliche bzw. religiöse Gerichtsbarkeit gegründet hat, oder ob sie insoweit den stattlichen Rechtsweg offen gelassen hat (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27.10.1966, II C 98/64, NJW 1967, 1672). Der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten wäre nur dann gegeben, wenn eine entsprechende innerkirchliche Regelung vorliegt, welche den Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten eröffnet (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15.12.1967, VI C 68/67, NJW 1968, 1345).

Im vorliegenden Fall hat die beklagte Religionsgemeinschaft die Anrufung eines eigenen Schieds- und Verwaltungsgerichtes vorgesehen. In Ziffer 4 des Vertrages heißt es, dass die Vertragsparteien sich darauf verständigen, in allen diesen Vertrag betreffenden Streitfragen das Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland anzurufen und dessen Urteil bindend anzuerkennen. Durch diese Klausel kommt in hinreichender Form der Wunsch der beklagten Religionsgemeinschaft zum Ausdruck, die möglicherweise entstehenden Rechtsstreitigkeiten von einem Gericht der Religionsgemeinschaft beurteilen zu lassen. Soweit damit die Möglichkeit besteht, die Streitigkeit im Einklang mit dem Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft beizulegen, gebietet die verfassungsrechtlich geschuldete Rücksichtnahme gegenüber diesem Selbstverständnis den staatlichen Gerichten, über Fragen des religiösen Amtsrechts nach Maßgabe der allgemeinen Gesetze und in Erfüllung des Justizgewährungsanspruchs, jedenfalls nicht vor Erschöpfung des insoweit gegebenen religiösen Rechtswegs zu entscheiden. Insoweit ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Gerichtszuständigkeiten bei kirchenrechtlichen Versorgungsstreitigkeiten entsprechend heranzuziehen (BVerfG, 1. Kammer des 2. Senats, Beschluss vom 18.09.1998, 2 BvR 14/76-94, NJW 1999, 349).

Die zitierte Entscheidung befasste sich mit dem kirchlichen Rechtsweg im Versorgungsrechtsstreit einer Pastorenwitwe der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche. Insoweit wird nicht verkannt, dass die Kirche entsprechende Kirchengesetze über ein Kirchengericht erlassen hat. Im vorliegenden Fall gebietet jedoch die verfassungsrechtlich geschuldete Rücksichtnahme gegenüber dem Selbstverständnis der beklagten Religionsgemeinschaft, dass der vorgesehene Rechtsweg zum Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland ausgeschöpft wird. Der Kläger hat sich bislang noch nicht an das Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland gewandt. Darüber hinaus hat er keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass durch eine Verweisung auf die nichtstaatlichen Gerichte sein aus Artikel 92 GG bestehender Justizgewährungsanspruch vereitelt würde.

4. Die fehlende Zuständigkeit der staatlichen Gericht verletzt den Kläger auch nicht in seinem Grundrecht nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Nach Art. 19 Abs. 4 GG steht demjenigen, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, der Rechtsweg offen. Die Begründung und Beendigung eines Dienst- oder Amtsverhältnisses der Geistlichen stellt einen Akt innerhalb der Religionsgesellschaft dar. Dieser Akt stellt keine öffentliche, d.h. vom Staat ausgehende Gewalt, dar.

Innerkirchliche Akte bzw. Maßnahmen innerhalb der Religionsgesellschaft sind auch dann nicht als Akte öffentlicher Gewalt zu qualifizieren, wenn die Religionsgesellschaft gemäß Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV - wie die Beklagte - die Eigenschaft einer Körperschaft des öffentlichen Rechts besitzt. Angesichts der religiösen und konfessionellen Neutralität des Staates nach dem Grundgesetz bedeutet diese zusammenfassende Kennzeichnung der Rechtsstellung der Kirchen keine Gleichstellung mit anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, die in den Staat eingegliederte Verbände sind, sondern nur die Zuerkennung eines öffentlichen Status, der sie zwar über die Religionsgesellschaften des Privatrechts erhebt, aber keiner besonderen Kirchenhoheit des Staates unterwirft. Die Kirchen und Religionsgesellschaften nehmen keine Staatsaufgaben wahr, sind nicht in die Staatsorganisation eingebunden und unterliegen keiner staatlichen Aufsicht (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Kammerbeschluss vom 09. Dezember 2008, 2 BvR 717/08, NJW 2009, 1195 m.w.N.).

5. Somit ist die Klage als vor den staatlichen Gerichten als derzeit unzulässig abzuweisen. Ob im Hinblick auf Artikel 92 GG dem Kläger zu einem späteren Zeitpunkt und bei Vorliegen etwaiger Hindernisse im Verfahren vor dem Schieds- und Verwaltungsgericht möglicherweise der Zugang zu den staatlichen Gerichten wieder eröffnet sein könnte, kann an dieser Stelle offen bleiben.

6. Die Klausel in Ziffer 4 des Vertrages ist nicht an den §§ 101 ff. ArbGG zu messen. Die Prüfung am Maßstab der §§ 101 ff. ArbGG hat zur Voraussetzung, dass für die Streitigkeit im Grundsatz zunächst der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten für Arbeitssachen eröffnet wäre. Aus den genannten Gründen ist dies nicht der Fall.

II.

Da es bereits an der Zuständigkeit der staatlichen Gerichte für den vorliegenden Rechtsstreit mangelt, kann die Frage, ob die beklagte Partei im Termin vom 04.03.2011 ordnungsgemäß vertreten war, an dieser Stelle offen bleiben.

III.

Der Kläger hat gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 92 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der Streitwert bemisst sich nach einem Vierteljahresverdienst zuzüglich des hilfsweise eingeklagten Abfindungsbetrages.