OLG Stuttgart, Beschluss vom 23.03.2011 - 8 WF 27/11
Fundstelle
openJur 2012, 63998
  • Rkr:

Die Festsetzung einer Einigungsgebühr kommt in Sorgerechtsverfahren nach § 1666 BGB auch nach der Ergänzung der Vorbemerkung 1 zu Nr. 1000 Abs. 5 VV-RVG nicht in Betracht.

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Böblingen - Familiengericht - vom 8.2.2011 (13 F 1630/10) wirdz u r ü c k g e w i e s e n.

2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Beschwerdewert: 224,91 EUR

Gründe

I.

Das am 11.10.2010 auf Antrag des Kreisjugendamtes ... eingeleitete Verfahren betraf Maßnahmen zur Beseitigung einer Kindeswohlgefährdung nach § 1666 BGB betreffend das Kind ..., geboren am 1.4.2003. Mit Beschluss des Familiengerichts vom 15.11.2010 wurde der Kindesmutter/Antragsgegnerin Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... zu den Bedingungen eines im Bezirk des Verfahrensgerichts ansässigen Anwaltes bewilligt.

In der Sitzung des Familiengerichts vom 15.11.2010 schlug das Familiengericht vor, dass die Antragsgegnerin dem Jugendamt eine Vollmacht erteilt hinsichtlich der Gesundheitsfürsorge einschließlich des stationären Aufenthaltes in einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, sowie eine Vollmacht in schulischen Angelegenheiten einschließlich der Unterbringung in einer Tagesgruppe. Die Antragsgegnerin erklärte sich hiermit einverstanden und gab eine entsprechende Erklärung zur Aufnahme in das Sitzungsprotokoll ab, wobei sie die Vollmacht als jederzeit widerruflich bezeichnete. Ebenfalls am 15.11.2010 hörte die Familienrichterin ... persönlich an. Maßnahmen nach § 1666 BGB traf die Familienrichterin in der Folgezeit nicht, sondern erließ am 1.12.2010 einen Beschluss, wonach Gerichtskosten nicht erhoben und außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden.

Am 19.11.2010 beantragte die Anwaltskanzlei ... u. Koll., die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 810,99 EUR festzusetzen. In diesem Betrag enthalten war eine Einigungsgebühr in Höhe von 189,00 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer. Mit Beschluss vom 29.11.2010 setzte die Urkundsbeamtin eine Vergütung in Höhe von 586,09 EUR unter Absetzung der Einigungsgebühr fest. Gegen diesen ihm am 1.12.2010 zugestellten Beschluss legte Rechtsanwalt ... am 6.12.2010 Erinnerung ein, mit welcher er sich gegen die Absetzung der Einigungsgebühr wandte. Die Bezirksrevisorin beim Landgericht Stuttgart trat der Erinnerung mit Schriftsatz vom 15.12.2010 entgegen.

Mit Beschluss des Familiengerichts vom 8.2.2011 wurde die Erinnerung zurückgewiesen. Gegen diese ihm am 16.2.2011 zugestellte Entscheidung legte Rechtsanwalt ... am 28.2.2011 sofortige Beschwerde ein. Das Familiengericht half dieser mit Beschluss vom 1.3.2011 nicht ab und legte die Akten dem Oberlandesgericht Stuttgart zur Entscheidung vor.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG zulässig. Der Beschwerdewert von 200,00 EUR ist bei Berücksichtigung der auf den Gebührenanspruch entfallenden Mehrwertsteuer überschritten. Die sofortige Beschwerde ist in der Sache jedoch nicht begründet.

Wie der Senat bereits zu der bis 31.8.2009 geltenden Rechtslage entschieden hat (OLG Stuttgart FamRZ 2007, 1832), kann auch in Sorgerechtsverfahren grundsätzlich eine Einigungsgebühr entstehen. Dies hat der Gesetzgeber mit der Ergänzung der Vorbemerkung 1 zu Nr. 1000 Abs. 5 durch Satz 3 VV-RVG mit Wirkung ab 1.9.2009 bestätigt. Dennoch kommt die Festsetzung einer Einigungsgebühr in Verfahren nach § 1666 BGB weiterhin nicht in Betracht (OLG Koblenz FamRZ 2011, 245; OLG Celle, FamRZ 2011, 246). Im Unterschied zu Sorgerechtsverfahren nach §§ 1671, 1672 BGB, in welchen die Kindeseltern bei Abschluss einer Vereinbarung im Rahmen von § 156 Abs. 1 FamFG in Ausübung der durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG eingeräumten Befugnisse handeln, geht es in Kindesschutzverfahren nach § 1666 BGB um die Wahrnehmung des staatlichen Wächteramtes über das Kindeswohl nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG. Dieses ist den Jugendämtern, sowie den Familiengerichten übertragen. Zum Abschluss von Verträgen im Sinne von Vorbemerkung 1 Abs. 1 VV-RVG bezüglich der Ausübung des staatlichen Wächteramtes über das Kindeswohl ist weder das Jugendamt noch das Familiengericht befugt. Ein solcher ist im vorliegenden Fall auch nicht abgeschlossen worden. Sollten sich neue Anhaltspunkte ergeben, dass das Kindeswohl von ... trotz der erteilten Vollmachten oder nach deren Widerruf gefährdet ist im Sinne von § 1666 BGB, so wäre das vorliegende Verfahren von Amts wegen und ohne Bindung an etwa getroffene Absprachen wieder aufzunehmen oder ein neues Verfahren einzuleiten.

Dieser Unterschied zwischen den verschiedenen Sorgerechtsverfahren wird in der vom Beschwerdeführer herangezogenen Kommentarstelle (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 19. Auflage, VV 1003, 1004 Rn 36) übersehen.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.