VG Stuttgart, Urteil vom 26.11.2009 - 4 K 2331/09
Fundstelle
openJur 2012, 62324
  • Rkr:

Der Kostenfreiheit für Daten über Verstöße im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG unterliegen solche Informationen nicht, die bei der technischen Fachbehörde auf Grund der von dieser vorgenommenen Untersuchungen vorliegen. Die Feststellung der Normverletzung in diesem Sinne obliegt der Vollzugsbehörde (Lebensmittelüberwachungsbehörde).

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Aufhebung der Gebührenfestsetzung für eine Verbraucherinformation.

Mit Schreiben vom 25.09.2009 erbat die Klägerin vom Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Stuttgart Informationen zu Räucherlachs und Graved Lachs aus den Jahren 2007 und 2008. Es interessiere das Verhältnis von untersuchten und davon beanstandeten Proben. Nähere Informationen würden zu den hygienisch zu verbessernden Erzeugnissen, zu den Produkten mit Listeriennachweis sowie zu den beanstandeten Lachserzeugnissen benötigt, die erforderlichen Informationen und Parameter nannte die Klägerin. Mit Schreiben vom 04.10.2008 konkretisierte die Klägerin ihr Informationsbegehren dahingehend, dass es sich ausschließlich auf Beanstandungen der Lebensmittelüberwachung richte. Es interessierten demnach amtlich festgestellte Gesetzesverstöße.

Das CVUA Stuttgart teilte der Klägerin zunächst mit, dass sich die Frist zur Bescheidung der Anfrage wegen betroffener Belange Dritter verlängere. Mit Verfügung vom 09.12.2008 entschied das CVUA Stuttgart, die Information nach § 1 des Gesetzes zur gesundheitsbezogenen Verbraucherinformation (VIG) teilweise herauszugeben und setzte für die Erteilung der Information Gebühren in Höhe von 160 EUR fest. Zur Begründung hieß es, die Information erfolge nur teilweise, da in vier Fällen öffentliche Belange gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 b VIG und in einem Fall zu dem gemäß § 2 Satz 1 Nr. 2 c VIG entgegenstünden. Die Kostenentscheidung beruhe auf § 6 VIG. Unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes erscheine eine Gebühr von 160 EUR unter Zugrundelegung des zu beachtenden Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzips als angemessen und erforderlich, aber auch als ausreichend.

Am 22.12.2008 legte die Klägerin dagegen Widerspruch ein und brachte vor, das Informationsbegehren habe sich ausschließlich auf Beanstandungen der Lebensmittelüberwachung gerichtet, die Klägerin interessierten demnach amtlich festgestellte Gesetzesverstöße. Informationen, die sich auf derartige Verstöße bezögen, seien gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG zwingender maßen kostenlos zu erteilen. Informationen über Gesetzesverstöße gehörten nicht zu den kostenpflichtigen Tatbeständen. Der Aufwand könne keine Kostenerstattungspflicht begründen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.05.2009, zugestellt am 23.05.2009, wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch mit der Begründung zurück, das CVUA Stuttgart sei zwar zuständige Stelle nach dem Verbraucherinformationsgesetz und nehme öffentlich-rechtliche Aufgaben oder Tätigkeiten im Bereich des Verbraucherschutzes, der Lebensmittelsicherheit, der Tiergesundheit und des Tierschutzes in Baden-Württemberg wahr, wobei zu seinen Dienstaufgaben unter anderem die Untersuchungen und Beurteilungen von Lebensmitteln gehörten. Das CVUA Stuttgart übe bei der Wahrnehmung seines Untersuchungsauftrages allein fachwissenschaftliche Hilfsdienste für die Vollzugsbehörden aus. Gebührenfreiheit bestehe aber nur bei Verstößen gegen das Lebens- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) und andere Rechtsnormen in diesem Bereich. Ein Verstoß liege immer dann vor, wenn die zuständige Überwachungsbehörde aus verwaltungsrechtlicher Sicht der Auffassung sei, dass eine konkrete Normabweichung und -verletzung vorliege. Nur die Vollzugsbehörden würden nach außen tätig und könnten Verstöße feststellen, während die Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter lediglich fachwissenschaftliche Hilfsdienste für die Vollzugsbehörden ausübten und keine Aussagen zum Vorliegen eines Verstoßes träfen. Die von der Klägerin begehrten Informationen und Parameter ließen sich nur den Fallgruppen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 5 zuordnen. Daten über Verstöße seien beim CVUA nicht vorhanden, somit entfalle die Gebührenfreiheit nach § 6 Abs. 1 Satz 2 VIG. Die Gebührenhöhe sei nicht zu beanstanden.

Am 18.06.2009 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, die Tätigkeit des CVUA sei nicht nur behördeninterner Art, da dieses regelmäßig nach außen auftrete, indem es eigenverantwortlich über die Ergebnisse der Kontrollmaßnahmen berichte. Ein Verstoß sei eine Regelverletzung und liege auch dann vor, wenn die zuständige Behörde diesen nicht entdeckt habe. Nur Verstöße könnten auch beanstandet werden. Die Feststellung des Verstoßes als Akt der Vollzugsbehörde gehöre nicht zum Begriff Verstoß.

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 VIG umschreibe zwei Sachverhalte, die Gegenstand des Informationsbegehrens sein könnten, nämlich einmal die Information über Verstöße und zum anderen über Maßnahmen, die aufgrund dieser Verstöße getroffen wurden. Die Feststellung von Verstößen als Regelverletzung sei beim CVUA angesiedelt, die Information über Sanktionen sei bei der Vollzugsbehörde einzuholen. Wäre die Auffassung des beklagten Landes richtig, so könnte die Information über Verstöße gebührenfrei bei der Vollzugsbehörde eingeholt werden. Träfe dies zu, dann hätte die angegangene CVUA den Antrag an die Vollzugsbehörde gemäß § 5 Abs. 1 VIG weitergeben müssen. Das CVUA selbst habe aber über derartige Erkenntnisse verfügt. Damit könnten allenfalls die Informationen über hygienisch zu verbessernde Erzeugnisse, nicht aber Informationen über untersuchte und beanstandete Proben gebührenpflichtig sein.

Die Klägerin beantragt,

die Verfügung des Chemischen- und Veterinäruntersuchungsamts Stuttgart vom 09.12.2008 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.05.2009 insoweit aufzuheben, als darin eine Gebühr für die Informationen über beanstandete Proben festgesetzt wird.

Das beklagte Land beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie auf die Verwaltungsakten des Regierungspräsidiums Stuttgart verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtene Gebührenentscheidung für die Auskunft nach dem VIG ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

1. Die Gebührenerhebung durch das CVUA findet ihre Rechtsgrundlage in § 6 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 VIG i. V. m. §§ 4 Abs. 1 und 2, 7 LGebG. Danach werden für Amtshandlungen nach dem VIG der Behörden nach § 1 Abs. 2 oder 3 Abs. 1 S. 3 auch in Verbindung mit S. 4 (&) kostendeckende Gebühren und Auslagen erhoben. Nach § 4 Abs. 1 LGebG setzen die Behörden, die die öffentliche Leistung erbringen, für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen Gebühren und Auslagen nach diesem Gesetz fest. Nach Abs. 2 setzen die obersten Landesbehörden für ihren Geschäftsbereich die gebührenpflichtigen Tatbestände und die Höhe der Gebühren durch Rechtsverordnung fest, soweit nicht Abs. 3 zur Anwendung gelangt. Hierzu galt zum Zeitpunkt der Bescheidserteilung durch das CVUA die Verordnung des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum über die Gebühren der Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter und des Staatlichen Tierärztlichen Untersuchungsamts Aulendorf - Diagnostikzentrum - vom 03.06.2005 (GBl. S. 477), in dessen Gebührenverzeichnis unter 0.1.2 geregelt ist, dass Leistungen, die im Verzeichnis nicht aufgeführt sind, nach Zeit- und Sachaufwand berechnet werden. Das CVUA konnte somit für seine Leistung der Informationserteilung Gebühren erheben.

2. Die Klägerin kann weder mit ihrem Einwand durchdringen, bei den erteilten Informationen handele es sich um solche über Verstöße, die gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 VIG kostenfrei seien (a), noch damit, sie habe ausschließlich Informationen über Verstöße begehrt, solche aber nicht erhalten (b).

a) Bei den an die Klägerin herausgegebenen Informationen handelt es sich nicht um Daten über Verstöße im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG. Dort heißt es: Jeder hat nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu allen Daten über 1. Verstöße gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch, gegen die aufgrund des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches erlassenen Rechtsverordnungen und gegen unmittelbar geltende Rechtsakte der europäischen Gemeinschaft im Anwendungsbereich des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches sowie Maßnahmen und Entscheidungen, die im Zusammenhang mit solchen Verstößen getroffen worden sind (&). Der Klägerin ist zwar zuzugeben, dass ein Verstoß grundsätzlich die Abweichung von einer bindenden Norm ist. Aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG wird aber deutlich, dass nicht Verstöße in einem derart weiten Sinne, sondern nur Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften erfasst sind. Solche Gesetzesverstöße festzustellen, ist nach dem LFGB Aufgabe der zuständigen Behörden, d. h. in Baden-Württemberg der Landratsämter und in den Stadtkreisen der Gemeinden als unteren Lebensmittelüberwachungsbehörden (§ 38 Abs. 1 LFGB i.V.m. §§ 18, 19 AGLMBG und §§ 15 Abs. 1, 19 LVG). Diese treffen die Maßnahmen nach § 39 LFGB und informieren die Öffentlichkeit gemäß § 40 LFGB. Demzufolge ist von einem Verstoß immer dann auszugehen, wenn die zuständigen Behörden zu der Überzeugung gelangt sind, der zu beurteilende Sachverhalt stelle eine Verletzung der maßgeblichen Normen dar (vgl. Beck, Verbraucherinformationsgesetz, Kommentar, Bem. 1.3.2.1 zu § 1). Die Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter dagegen sind keine Vollzugsbehörden, sondern lediglich technische Fachbehörden ohne Exekutivbefugnisse, welche im Vorfeld Sachverhaltsermittlungen, Beprobungen, Untersuchungen und dergleichen vornehmen und die Ergebnisse ggf. den unteren Lebensmittelüberwachungsbehörden mitteilen. Dies bedeutet, dass diese Behörden zwar z.B. Grenzwertüberschreitungen und Belastungen mit unerwünschten Substanzen bei Lebensmitteln feststellen können, die Qualifizierung als Verstoß ihnen aber versagt ist. Diese Qualifizierung unter Zuordnung zu einem Verursacher obliegt damit der Lebensmittelüberwachungsbehörde. Ein CVUA kann damit keinen Verstoß im Sinne des VIG feststellen. Trotz der missverständlichen Darstellung des CVUA in der an die Klägerin erteilten Information - wo von Verstößen die Rede ist - handelt es sich bei den herausgegebenen Informationen in Wahrheit um keine Informationen über Verstöße nach dem VIG. Dies wird daran deutlich, dass das CVUA Stuttgart sonst die Herausgabe von Informationen über einzelne Räucherlachsproben unter Hinweis auf die Versagungsgründe des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b und Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 c VIG nicht hätte verweigern dürfen, denn Informationen über Verstöße in diesem Sinn dürfen nach der Regelung des § 2 VIG regelmäßig herausgegeben werden (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b und S. 3 VIG).

b) Die Klägerin hat mit dem Bescheid vom 09.12.2008 und der Informationsherausgabe vom 24.06.2009 auch die nämlichen Informationen bekommen, die sie wünschte. Dies ergibt sich zunächst daraus, dass die ihr neben den Angaben zur Beanstandungsstatistik übersandte Tabelle in allen Positionen den von ihr gemachten Vorgaben folgte. Zweifel könnten allerdings bestehen, weil die Klägerin mit Schreiben vom 04.10.2008 ihr Informationsbegehren ausschließlich auf Beanstandungen der Lebensmittelüberwachung gerichtet hat und von ihrem Interesse für amtlich festgestellte Gesetzesverstößegesprochen hat. Dies könnte eine Einschränkung ihres Begehrens auf Informationen über Verstöße im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG bedeuten. Allerdings hat die Klägerin die ihr gegebene Information entgegengenommen und zu keinem Zeitpunkt beanstandet, sie habe das von ihr Gewünschte nicht erhalten. Dies zeigt auch der Umstand, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf die Frage, ob sie mit der erteilten Information zufrieden war, keine Antwort gegeben hat; sie bewertete also die erteilte Informationen als wertvoll und ausreichend. Damit und durch ihren späteren Vortrag in der Klageschrift hat sie verdeutlicht, dass die von ihr erhaltenen Daten durchaus ihren Zwecken entsprachen; lediglich gegen deren fehlende Qualifikation als Verstöße erhob sie Einwendungen. Die ihr gegebenen Informationen sind damit im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 VIG Daten über die Kennzeichnung, Herkunft und Beschaffenheit von Erzeugnissen sowie über Abweichungen von Rechtsvorschriften über diese Merkmale bzw. - hinsichtlich der statistischen Angaben - im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 VIG Daten über andere behördliche Tätigkeiten oder Maßnahmen zum Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern einschließlich der Auswertung dieser Tätigkeiten und Maßnahmen. Über diese Daten verfügte das CVUA als Stelle gemäß der Definition des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 b VIG und konnte diese - gegen Gebühr - herausgeben.

3. Die Höhe der festgesetzten Gebühr lässt sich nicht beanstanden. Sie bemisst sich nach Ziffer 0.1.2 des Gebührenverzeichnisses zur Gebührenverordnung für die Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter nach dem Zeit- und Sachaufwand. Die Höhe der Gebühr erscheint auch deshalb plausibel, weil das CVUA diese Höhe bereits im Vorfeld mitgeteilt hatte. Eine Diskrepanz zu den entstandenen Verwaltungskosten (§ 7 Abs. 1 LGebG) oder zur Bedeutung der erteilten Information für die Klägerin (§ 7 Abs. 2 LGebG) ist weder substantiiert vorgetragen noch erkennbar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Berufung wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 124a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Beschluss vom 26.11.2009 Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 160,- Euro festgesetzt.

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