OLG Stuttgart, Urteil vom 16.10.2008 - 13 U 77/08
Fundstelle
openJur 2012, 61873
  • Rkr:

Zur Schutzwirkung des § 407 Abs. 1 BGB bei Zahlung des Schuldners an den bisherigen Gläubiger nach Abtretungsanzeige und Aufforderung des Zendenten, wieder an ihn zu leisten - Abgrenzung zu OLG Frankfurt, NJW-RR 1988, 1270

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Ulm - Einzelrichter - vom 04.04.2008 - Geschäftsnummer 11 O 2/08 KfH -a b g e ä n d e r t:

Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hünfeld vom 17.12.2007 - 07-1609484-3-0 - wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin EUR 10.000,00 zzgl. Zinsen i. H. v. 8 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz aus EUR 6.002,46 seit 17.05.2007 und aus EUR 3.997,54 seit 27.05.2007 zzgl. vorgerichtlicher Anwaltskosten i. H. v. EUR 651,80 zu bezahlen.

Im Übrigen wird der Vollstreckungsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung wirdz u r ü c k g e w i e s e n.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Klägerin vorab EUR 650,--, die übrigen Kosten trägt die Beklagte.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert: EUR 10.000,01.

Gründe

I.

Die Klägerin, ein Factoring-Unternehmen, verlangt aus abgetretenem Recht der - inzwischen insolventen - Streitverkündeten Fa. D. GmbH von der Beklagten den Kaufpreis für Warenlieferungen i. H. v. EUR 10.000,01-- sowie Ersatz vorgerichtlicher Kosten.

Die Streitverkündete hatte die Abtretung auf den streitbefangenen Rechnungen vom 13.04. und 23.04.2007 offengelegt.

Nachdem die Streitverkündete mit Schreiben vom 21.06.2007 (B 2, Bl. 45) mitgeteilt hatte

Wir sind ab sofort nicht mehr Mitglied bei der a. factoring GmbH.

Bitte zahlen Sie Ihre offenen und auch die künftigen Rechnungen auf eines der nachfolgenden Konten ...,

zahlte die Beklagte an die Streitverkündete bzw. verrechnete mit Gegenansprüchen.

Unter Hinweis darauf, diese Leistung sei Schuld befreiend gewesen, verweigert die Beklagte eine (erneute) Zahlung an die Klägerin.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin, meint, ihre Forderung sei nicht durch Leistung der Beklagten an die Streitverkündete erloschen und beantragt,

unter Abänderung des am 4. April 2008 verkündeten Urteils des Landgerichts Ulm, Aktenzeichen 11 O 2/08 KfH, den Vollstreckungsbescheid vom 17.12.2007 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Von der weiteren Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Der form- und fristgerechte Einspruch der Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid hat in der Sache im Wesentlichen keinen Erfolg.

Die Beklagte ist als Gesamtschuldnerin neben ihren, im Verfahren 13 U 76/08 beklagten persönlich haftenden Gesellschaftern gemäß §§ 433 Abs. 2, 398 BGB aus abgetretenem Recht der Streitverkündeten zur Zahlung des mit Rechnungen vom 13.04. und 23.04.2007 berechneten Kaufpreises verpflichtet, soweit dieser i. H. v. EUR 10.000,00 an die Klägerin abgetreten wurde.

1. Die Klägerin ist Forderungsinhaberin geworden. Die Streitverkündete hat ihre Kaufpreisforderungen auf der Grundlage des Factoring-Vertrages (K 6) unstreitig an die Klägerin abgetreten. Bedenken gegen die Wirksamkeit der Abtretung im Rahmen des echten Factoring bestehen nicht und werden von der Beklagten auch nicht mehr geltend gemacht.

Die Klägerin ist Inhaberin der Forderung geblieben, da diese unstreitig im Zuge der Beendigung der Geschäftsbeziehungen nicht an die Streitverkündete rückabgetreten wurde.

2. Die Forderung der Klägerin ist nicht durch die Zahlung der Beklagten an die Streitverkündete erloschen (§ 362 BGB).

Grundsätzlich kann mit Schuld befreiender Wirkung nur an den berechtigten Forderungsinhaber geleistet werden. Dies war im Zeitpunkt der Zahlung der Beklagten nicht die Streitverkündete, sondern die Klägerin. Der Leistung der Beklagten an die Streitverkündete kommt im Verhältnis zur Klägerin auch nicht ausnahmsweise Erfüllungswirkung zu, da sie - außerhalb des Schutzbereichs der §§ 407, 409 BGB und ohne sich auf einen sonstigen Rechtsscheintatbestand berufen zu können - auf eigenes Risiko an die Streitverkündete als den falschen, da nur vermeintlichen Gläubiger geleistet hat.

2.1 Um einen Fall der direkten Anwendung des § 407 Abs. 1 BGB geht es vorliegend nicht..

Nach dieser Vorschrift muss der neue Gläubiger eine Leistung, die der Schuldner nach der Abtretung an den bisherigen Gläubiger bewirkt, gegen sich gelten lassen, es sei denn, dass der Schuldner die Abtretung bei der Leistung kannte.

§ 407 schützt das Vertrauen des Schuldners darauf, dass sein Altgläubiger nach wie vor der (verfügungsbefugte) Gläubiger der Forderung ist, obwohl dieser tatsächlich nicht mehr Rechtsinhaber ist (Roth in MünchKomm zum BGB, 5. Aufl. 2007, § 407 Rn. 1; § 408 Rn. 1). Dieses Vertrauen wird bis zur positiven Kenntnis des Gegenteils geschützt, wobei grundsätzlich die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, die den Schluss auf den Rechtsübergang zulassen, genügt (Roth, a.a.O., § 407 Rn. 14; Busche in Staudinger, BGB, 2005, § 407 Rn. 31; Knerr in Juris PK-BGB, Buch 2, 3. Aufl. 2006, § 407 Rn. 14).

Kenntnis wird i. d. R. durch eine Abtretungsanzeige des Zedenten gem. § 409 BGB begründet (Roth, a.a.O., Rn. 16; Knerr, a.a.O., Rn. 14; Busche, a.a.O., Rn. 33). Die Anzeige durch den Zessionar begründet nur dann Kenntnis, wenn dieser vertrauenswürdig erscheint und seine wirtschaftliche Lage keinen Gedanken an eine Täuschung aufkommen lässt (BGH, Urteil v. 19.10.1987, II ZR 9/87, zitiert nach Juris, Rz. 16; Staudinger-Busche, a.a.O., Rn. 31; Knerr, a.a.O., Rn. 14; Roth, a.a.O., Rn. 16).

Vorliegend hat die Beklagte an die Zedentin (Streitverkündete) geleistet, obwohl sie Kenntnis von der Forderungsabtretung an die Klägerin hatte. Der Beklagten war die Abtretung unstreitig durch entsprechende Vermerke auf den Rechnungen der Streitverkündeten (Zedentin) vom 13.04. (K 1, Bl. 21) und 23.04.2007 (K 2, Bl. 22) i. S. v. § 409 Abs. 1 S. 1 BGB angezeigt worden. Dort hieß es:

Wir bitten Sie, Zahlungen unter Angabe der Factoring-Kundennummer... nur an die a. factoring GmbH zu leisten, an die wir die dieser Rechnung zugrunde liegende Forderung verkauft und abgetreten haben. ...

Ihre Zahlung kann mit Schuld befreiender Wirkung nur erfolgen an: a. factoring GmbH, ....

Auf die Schutzwirkung des § 407 Abs. 1 BGB kann sich die Beklagte damit nicht berufen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass ihr die Zedentin mit Schreiben vom 21.06.2007 (B 2, Bl. 45) mitgeteilt hatte:

Wir sind ab sofort nicht mehr Mitglied bei der a. factoring GmbH. Bitte zahlen Sie Ihre offenen und auch künftigen Rechnungen auf eines der nachfolgenden Konten: ....

Durch dieses Schreiben ist die Bösgläubigkeit der Beklagten i. S. v. § 407 Abs. 1 BGB nicht entfallen.

2.2 Allerdings wird angenommen, dass ein Schuldner auch dann als gutgläubig gilt und § 407 BGB entsprechend anwendbar ist, wenn ihm die Abtretung zwar bekannt war, er aber mit gutem Grund annehmen durfte, dass die Abtretung rückgängig gemacht wurde (OLG Frankfurt, Urteil v. 09.04.1987, 1 U 28/86 = NJW-RR 1988, 1270; hier zitiert nach Juris; Roth, a.a.O., Rn. 14; Busche, a.a.O., Rn. 35; Knerr, a.a.O., Rn. 14, sämtliche unter Verweis auf OLG Frankfurt).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Offen bleiben kann deshalb, ob es sich bei der Rückgängigmachung einer Abtretung nicht eigentlich um eine Rückabtretung handelt mit der Folge, dass ein Fall des § 407 Abs. 1 BGB bereits deshalb nicht vorliegt, weil der Schuldner nicht - wie diese Norm dies voraussetzt - an seinen ursprünglichen Gläubiger im Vertrauen auf dessen fortbestehende Forderungsinhaberschaft, sondern an sich an einen Neugläubiger leistet.

Das Schreiben der Streitverkündeten vom 21.06.2007 war weder im Hinblick auf seinen Inhalt noch seinen Urheber geeignet, das Vertrauen des Schuldners dahin zu begründen, die Abtretung sei rückgängig gemacht worden:

2.2.1 Anders als in dem vom OLG Frankfurt entschiedenen Fall, in dem der Zessionar die konkrete, zuvor an ihn abgetretene Forderung wieder dem Vermögen des Zedenten zugeordnet hatte, nimmt das Schreiben der Streitverkündeten vom 21.06.2007 nicht auf konkrete Kaufpreisforderungen Bezug und legt damit schon nicht zwingend nahe, dass das konkrete, streitbefangene Geschäft rückgängig gemacht und die Kaufpreisforderungen rückabgetreten wurden. Es wird lediglich gebeten, dass die offenen und auch künftigen Rechnungen wieder auf Konten, deren Inhaberin die Streitverkündete war, bezahlt werden. Welche Rechnungen bei Abfassung des Schreibens offen waren, ist Zufall. Die streitbefangenen Rechnungen sind zwei Monate vor dem Schreiben vom 21.06.2007 gestellt worden und hätten innerhalb dieser Zeit beglichen sein können.

2.2.2 Das Vertrauen der Beklagten in die Richtigkeit der Mitteilung wird aber auch deshalb nicht geschützt, weil das Schreiben von der Zedentin stammte, die im damaligen Zeitpunkt nicht mehr Inhaberin der Forderung und damit Nichtberechtigte war.

Hierin liegt der entscheidende Unterschied zu dem vom OLG Frankfurt entschiedenen Fall: Dort hatte nach Ansicht des OLG Frankfurt das Verhalten des Zessionars , der - nachdem der Schuldner vom Zedenten eine Abtretungsanzeige erhalten hatte und damit bösgläubig i. S. v. § 407 Abs. 1 BGB war - in einem Schreiben die Forderung wieder dem Vermögen des Zedenten zugeordnet hatte, die Annahme des Schuldners gerechtfertigt, die Forderung sei rückabgetreten worden. Damit hatte der Zessionar als wirklicher Forderungsinhaber und damit Berechtigter den ihm zurechenbaren Rechtsschein geschaffen, die Abtretung sei rückgängig gemacht worden.

Das Vertrauen des Schuldners in diese Mitteilung zu schützen, entspricht der Wertung des § 409 Abs. 1 BGB. Nach dieser Vorschrift, die das Gegenstück zu § 407 BGB darstellt, kann der Schuldner die ihm mitgeteilte Abtretung als wirksam behandeln, auch wenn sie das nicht ist, also mit befreiender Wirkung an den angezeigten Scheinzessionar leisten (Roth, a.a.O., § 409 Rn. 11). Die Schutzwirkung des § 409 BGB greift aber nur ein, wenn der Zedent, also der wirkliche Forderungsinhaber , die Abtretung angezeigt und so den ihm zurechenbaren Rechtsschein geschaffen hat, nicht mehr er, sondern der Zessionar sei berechtigter Gläubiger; eine Anzeige durch den Zessionar - als tatsächlich Nichtberechtigten - reicht hingegen nicht aus (Knerr, a.a.O., § 409 Rn. 7; Roth, a.a.O., § 409 Rn. 5; Busche, a.a.O., § 409 Rn. 13).

§ 409 BGB greift ein, wenn der Berechtigte mitteilt, sein Recht verloren zu haben, auch wenn dies tatsächlich nicht der Fall ist. Dieser Konstellation entspricht der vom OLG Frankfurt entschiedene Fall.

Vorliegend hat demgegenüber der Zedent, nachdem er zuvor die erste Abtretung angezeigt hatte, als nicht mehr berechtigter Gläubiger den Anschein erweckt, wieder Forderungsinhaber zu sein. Das Vertrauen des Schuldners in die Behauptung eines Nichtberechtigten, ihm stehe der Anspruch (wieder) zu, wird weder durch § 409 noch durch § 407 BGB geschützt.

Außerhalb dieses Schutzbereichs leistet der Schuldner an den angeblichen Erwerber der Forderung auf eigenes Risiko, d. h. die Erfüllungswirkung des § 362 BGB tritt nur dann ein, wenn dem Leistungsempfänger die Forderung auch tatsächlich zusteht (Knerr, a.a.O., § 409 Rn. 1; Roth, a.a.O., § 409 Rn. 1). Bei nichtiger oder irrig angenommener Zession hat der Schuldner, der an den Scheinzessionar gezahlt hat, gegen diesen einen Bereicherungsanspruch (Roth, a.a.O., Rn. 1).

Auch vorliegend hat sich die Beklagte auf die Mitteilung eines Nichtberechtigten verlassen, die der wahre Forderungsinhaber, die Klägerin, nicht veranlasst hat und die ihr deshalb nicht zurechenbar ist. Daran ändert entgegen der Auffassung der Beklagten auch der Umstand nichts, dass sich die Klägerin nie an die OHG gewandt und Zahlung verlangt hat.

Die Beklagte hat demnach auf eigenes Risiko an den falschen Gläubiger gezahlt und ist auf einen - wegen deren Insolvenz allerdings wohl wertlosen - Bereicherungsanspruch gegen die Streitverkündete zu verweisen.

3. Der Höhe nach kann die Klägerin nach ihrem eigenen, unbestritten gebliebenen Vortrag den an sie abgetretenen Betrag beanspruchen. Das sind aus der Rechnung vom 11.04.2007, K 1, EUR 6.002,46 und aus der Rechnung vom 23.04.2007, K 2, EUR 3.997,54 (nicht wie im Vollstreckungsbescheid angegeben EUR 3.997,55), insgesamt also EUR 10.000 ,00 und nicht wie geltend gemacht EUR 10.000 ,01.

4. Nebenforderungen:

Zinsen kann die Klägerin gem. §§ 286 Abs. 1, Abs. 3, 288 Abs. 2 BGB i. H. v. 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für die Zeit ab 30 Tage nach Zugang der Rechnungen verlangen, also wie von der Klägerin geltend gemacht aus EUR 6.002,46 ab 17.05.2007 und aus EUR 3.997,54 seit 27.05.2007.

Auskunftskosten für die Ermittlung der persönlich haftenden Gesellschafter der OHG sowie deren ladungsfähiger Anschriften schuldet die Beklagte demgegenüber nicht.

Vorgerichtliche Anwaltskosten schuldet die Beklagte gem. §§ 280 Abs. 2, 286 BGB, i. H. v. EUR 651,80. Da die Forderung der Klägerin nur EUR 10.000,00 und nicht wie vorgerichtlich mit Schreiben vom 29.8.2007 (K 3) geltend gemacht EUR 12.853,48 oder wie im Vollstreckungsbescheid angegeben, EUR 10.000,01 beträgt, ermäßigt sich die Gebühr auf EUR 631,80 zzgl. Auslagenpauschale von EUR 20,00.

Zinsen aus den vorgerichtlichen Anwaltskosten werden nicht verlangt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Ein Fall des § 92 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO liegt nicht vor, da die Zuvielforderung der Klägerin zwar gering war, jedoch einen Sprung in die nächste Gebührenstufe verursacht hat. Deshalb ist es gerechtfertigt, der Klägerin die durch die Zuvielforderung entstandenen Kosten vorab aufzuerlegen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO).