LG Karlsruhe, Urteil vom 17.07.2009 - 6 O 186/08
Fundstelle
openJur 2012, 61859
  • Rkr:

1. In der Zusatzversorgung des Öffentlichen Dienstes ist die beklagte Anstalt (VBL) grundsätzlich berechtigt, fehlerhafte Berechnungen - unabhängig von den Voraussetzungen des § 40 VBLS n.F. - jederzeit zu korrigieren.

2. Zur Abwägung der Gesamtumstände einer Änderung der VBL-Betriebsrente für die Zukunft bei Änderungen in der Berechnung der gesetzlichen Rente wegen der durch die in der Neuregelung des Artikel 6 § 4 c Absatz 2 Fremdrenten- und Auslandsrenten- Neuregelungsgesetz (FANG) gewährte Kompensation für die früher fehlende Übergangsregelung für Fremdrenten.VBL: Änderung der Betriebsrente wegen Änderung der gesetzlichen Rente nach dem Fremdrentengesetz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der ehemals im öffentlichen Dienst beschäftigte Kläger wehrt sich gegen die Korrektur seiner Betriebsrentenmitteilung im Zusammenhang mit der Anwendung fremdrentenrechtlicher Regelungen.

Die beklagte Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) hat die Aufgabe, Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege privatrechtlicher Versicherung eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Mit Neufassung ihrer Satzung vom 22. November 2002 (BAnz. Nr. 1 vom 3. Januar 2003) hat die Beklagte ihr Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum 31. Dezember 2001 (Umstellungsstichtag) umgestellt. Den Systemwechsel hatten die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes im Tarifvertrag Altersversorgung vom 1. März 2002 (ATV) vereinbart. Damit wurde das frühere - auf dem Versorgungstarifvertrag vom 4. November 1966 (Versorgungs-TV) beruhende - endgehaltsbezogene Gesamtversorgungssystem aufgegeben und durch ein auf einem Punktemodell beruhendes Betriebsrentensystem ersetzt.

Der 1933 geborene Kläger war, nachdem er zunächst in den 1950er bis 1970er Jahren Versicherungszeiten in einem Herkunftsland nach dem Fremdrentengesetz (im folgenden: FRG) zurückgelegt hatte (vgl. AH 117 f.), bei der Beklagten zusatzversichert und legte bei ihr 238 Umlagemonate zurück (AH 177/285).

Seit dem 01.10.1996 bezog der Kläger, wie ihm mit Bescheid vom 10.12.1996 (AH 111 ff.) mitgeteilt wurde, von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) eine gesetzliche Altersrente für langjährig Versicherte in Höhe von zunächst monatlich 2.161,47 DM brutto = netto (AH 111 f.).

Daneben erhielt der Kläger, wie ihm unter dem 13.02.1997 (AH 281 ff.) mitgeteilt wurde, von der Beklagten eine monatliche Versorgungsrente für Versicherte nach § 37 VBLS a.F. in Höhe von zunächst 1.589,83 DM brutto = netto (AH 281/289). Zur Errechnung dieses Betrages ging die Beklagte von einer Gesamtversorgung in Höhe von 3.751,30 DM aus und zog davon eine gesetzliche Rente in Höhe von 2.161,47 DM (entsprechend 46,3139 Entgeltpunkten) ab (AH 289).

In dem Bescheid der BfA vom 10.12.1996 (AH 111 ff.) war das der Berechnung der Entgeltpunkte zugrunde liegende versicherte Einkommen des Klägers für Zeiten in den Herkunftsländern nach dem FRG gemäß § 22 Abs. 4 FRG zwar mit dem Faktor 0,6 vervielfältigt und berechnet worden, der Faktor 0,6 war dabei aber nicht als solcher explizit ausgewiesen worden (vgl. AH 120 ff.); eine Berechnung der gesetzlichen Rente ohne Absenkung für die FRG-Versicherungszeiten erfolgte nicht.

Mit Rentenbescheid der Deutschen Rentenversicherung (DRV) vom 26. Juli 2007 (AH 201 ff.) wurde die gesetzliche Rente des Klägers von Anbeginn - ab dem 01.10.1996 - neu festgestellt. Hintergrund dafür war, dass das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 13. Juni 2006 - 1 BvL 9/00 u.a. (BVerfGE 116, 96 ff.) - den Gesetzgeber aufgefordert hatte, zugunsten der am 30. September 1996 rentennahen Jahrgänge bis zum 31. Dezember 2007 eine Übergangsregelung für die Absenkung der Entgeltpunkte (i.S. des § 22 Abs. 4 FRG) zu schaffen, welche mit dem Rentenversicherungs-Altersgrenzanpassungsgesetzes im April 2007 vorlag (vgl. insoweit ausdrücklich AH 202). Die darin vorgesehene Neuregelung des Artikel 6 § 4c Absatz 2 Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz (im folgenden: FANG) gewährt den Berechtigten einen einmaligen Ausgleichsbetrag zur Kompensation der früher fehlenden Übergangsregelung.

Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG lautet:

"(2) Für Berechtigte,1. die vor dem 1. Januar 1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben,2. deren Rente nach dem 30. September 1996 beginnt und3. Über deren Rentenantrag oder über deren bis 31. Dezember 2004 gestellten Antrag auf Rücknahme des Rentenbescheides am 30. Juni 2006 noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist,wird für diese Rente einmalig zum Rentenbeginn ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten ermittelt. Der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten ergibt sich aus der Differenz zwischen der mit und ohne Anwendung von § 22 Abs. 4 des Fremdrentengesetzes ermittelten Summe aller persönlichen Entgeltpunkte. Dieser Zuschlag wird monatlich für die Zeit des Rentenbezugesvom 1. Oktober 1996 bis 30. Juni 1997 voll,vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 zu drei Vierteln,vom 1. Juli 1998 bis 30. Juni 1999 zur Hälfte undvom 1. Juli 1999 bis 30. Juni 2000 zu einem Viertelgezahlt. Für die Zeit des Rentenbezuges ab 1. Juli 2000 wird der Zuschlag nicht gezahlt. ..."

Entsprechend dieser Regelung berücksichtigte die DRV in ihrem Bescheid vom 26. Juli 2007 zugunsten des Klägers für eine Übergangszeit bis zum 30. Juni 2000 einen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten, der stufenweise verringert wurde; ab dem 1. Juli 2000 wurde ein Zuschlag nicht mehr gezahlt. So wurden ab 01.10.1996 auf der Grundlage von 51,3044 Entgeltpunkten DM 2.394,38 brutto (zuzüglich Zuschüssen für die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge) gezahlt (AH 207). Die zusätzlichen Entgeltpunkte wurden, beginnend ab 01.07.1997 und vollständig ab 01.07.2000, auf tatsächliche 46,3139 abgeschmolzen (AH 210). Das für die Berechnung der Entgeltpunkte zugrunde liegende versicherte Einkommen des Klägers für ihre FRG-Versicherungszeiten war wiederum gemäß § 22 Abs. 4 FRG mit dem Faktor 0,6 multipliziert worden; der Faktor 0,6 war dabei aber diesmal explizit als solcher kenntlich gemacht (vgl. AH 221 ff.). Außerdem war dem Rentenbescheid eine Berechnung ohne Absenkung für die FRG-Zeiten beigefügt, nach der sich ohne Kürzung nach dem FRG eine Rente von 2.394,38 DM, das heißt dem Produkt aus 51,3044 Entgeltpunkten und dem Rentenwert von 1996 (46,67 DM; AH 235, 207), ergab (AH 235 ff.).

Den vorgenannten Bescheid der DRV nahm auch die Beklagte zum Anlass, die Betriebsrente des Klägers rückwirkend zum 01.02.2008 neu - und erstmals unter Anwendung der Vorschrift des § 40 Abs. 1, Abs. 2 a) ee) VBLS in der Fassung bis zur 41. Satzungsänderung (im folgenden: a.F.) - zu berechnen.

§ 40 Abs. 1, Abs. 2 a) ee) VBLS a.F. lautet:

(1) Als Monatliche Versorgungsrente wird der Betrag gewährt, um den die Summe der in Absatz 2 genannten Bezüge hinter der nach §§ 41 bis 43b errechneten Gesamtversorgung zurückbleibt.(2) Bezüge im Sinne des Absatzes 1 sinda) die Rente wegen Alters (§ 33 Abs. 2 SGB VI) oder wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 33 Abs. 3 Nr. 1, 2, 4 und 5 SGB VI) aus der gesetzlichen Rentenversicherung in der Höhe, in der sie für den Monat des Beginns der Versorgungsrente (§ 62) geleistet wird oder zu leisten wäre, wenn...ee) sie nicht nach Artikel 6 § 4 Abs. 6 FANG oder nach § 22 Abs. 4 FRG vermindert wäre ,... (Unterstreichung durch das Gericht)

Unter Heranziehung des nicht abgesenkten gesetzlichen Rentenbetrages (2.394,38 DM) gelangte die Beklagte in ihrer von dem Kläger angegriffenen Mitteilung vom 17.12.2007 zu dem Ergebnis, dass die Zusatzrente des Klägers für den Zeitraum vom 01.10.1996 bis zum 31.01.2008 mit insgesamt 15.902,86 EUR überzahlt sei, und forderte diesen Betrag zunächst zurück (AH 161). Gleichzeitig teilte sie dem Kläger mit, dass die Rente in der bisherigen Höhe (956,16 EUR brutto - AH 2; 792,66 netto - AH 175) letztmalig für Januar 2008 gezahlt werde und in Zukunft (ab dem 01.02.2008) monatlich nur noch 833,07 EUR brutto bzw. 681,49 netto (AH 162/174) betragen werde.

Zu einem nicht aktenkundigen Zeitpunkt sah die Beklagte von einer Rückforderung des genannten Überzahlungsbetrages ab, hielt jedoch an der Reduktion der Betriebsrente zum 01.02.2008 fest (AS 73).

Im Einzelnen lagen den Berechnungen der Beklagten die folgenden Daten zugrunde:

Alte VBL-Mitteilung vom13.02.1997 (AH 281 ff.)Heranziehung der gesetzlichenRente mit Absenkung für dieFRG-ZeitenNeue VBL-Mitteilung vom17.12.2007 (AH 161 ff.) Heranziehung der gesetzlichenRente ohne Absenkung für dieFRG-ZeitenGesamtversorgung3.751,30 DM(AH 289; AS 71)3.751,30 DM(AH 180)Abgezogene ges. Rente2.161,47 DM(AH 289; AS 71)2.394,38 DM(AH 180)VBL-Rente zum 01.10.1996brutto = netto(§ 40 I VBLS a.F.)1.589,83 DM(AH 281/289/ AS 71)1.356,92 DM(AH 170/180)VBL-Rente zum 01.02.2008956,16 EUR brutto (AH 2)792,66 netto (AH 175)822,07 EUR brutto (AH 174)681,49 netto (AH 174)Ges. Rente zum 01.02.20081.216,67 EUR brutto (AH 203)1.096,83 EUR netto (AH 201)1.216,67 EUR brutto (AH 203)1.096,83 EUR netto (AH 201)Rente gesamt zum 01.02.20082.172,83 EUR brutto1.889,49 EUR netto2.038,74 EUR brutto1.778,32 EUR netto

Die Parteien streiten nunmehr im Wesentlichen darum, ob die Kürzung der Rente des Klägers von 956,16 EUR brutto (AH 2)/ 792,66 netto (AH 175) auf 822,07 EUR brutto (AH 174)/681,49 EUR netto (AH 174) - also um 134,09 EUR brutto/ 111,17 EUR netto - mit Wirkung zum 01.02.2008 rechtens war oder nicht.

Der Kläger trägt vor:

Da die zu seinen Gunsten erfolgte Nachzahlung in der gesetzlichen Rente sich lediglich auf den Zeitraum vom 01.10.1996 bis zum 30.06.2000 bezogen habe, sei nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte anlässlich des Bescheids der DRV vom 26.07.2007 die Kürzung der VBL-Rente über diesen Zeitraum hinaus vorgenommen habe. Die Beklagte berücksichtige die Einmaligkeit des Zuschlags nach § 4c FANG nicht hinreichend.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Betriebsrentenberechnung für den Kläger ab dem 01.07.1997 neu vorzunehmen und bis zum Systemwechsel 2001/2002 die jeweils tatsächlich zustehende Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf die Gesamtversorgung anzurechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor:

Die Kürzung rechtfertige sich aus der Anrechnungsregelung des § 40 Abs. 2 lit. a) ee) VBLS a.F.; diese sei rechtmäßig (BGH v. 12. März 2003 - IV ZR 56/02) und in der Vergangenheit seit Einführung mit der 25./30. Satzungsänderung von der Beklagten auch umgesetzt worden. Jedenfalls mit Wirkung für die Zukunft sei die von der Beklagten vorgenommene Kürzung nicht zu beanstanden. Aus § 242 BGB ergebe sich nichts anderes: Es genüge dem Grundsatz des Vertrauensschutzes, dass sie von der Rückforderung für die Vergangenheit abgesehen habe; hieraus sei auch zu ersehen, dass die Beklagte sehr wohl die Interessen des Klägers umfassend gewürdigt habe.

Mit Beschluss vom 31.07.2008 hat das Amtsgericht Karlsruhe den Rechtstreit an das Landgericht Karlsruhe verwiesen (AS 23).

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.072009 (AS 107 f.) und die Anlagen verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Betriebsrente seit dem 01.02.2008. Die Abänderung der ursprünglichen Rentenmitteilung vom 13.02.1997 für den Zeitraum ab dem 01.02.2008 ist rechtens. Erst recht kann der Kläger für den Überzahlungs-Zeitraum vor dem 01.02.2008, insbesondere ab 01.07.1997 keine weiteren (Über-) Zahlungen (nochmals) verlangen.

1. Die Beklagte ist grundsätzlich berechtigt, fehlerhafte Berechnungen - unabhängig von den Voraussetzungen des § 40 VBLS n.F. - jederzeit zu korrigieren (vgl. LG Karlsruhe, Urteil vom 21. Juli 2006 - 6 O 2/06 - (nicht veröffentlicht); zuletzt Urteil v. 19. September 2008 - 6 S 48/07 - (veröffentlicht in Juris); kritisch: BGH, Urteil vom 22. Mai 1985 - IVa ZR 153/83 - BGHZ 94, 344 ff. = VersR 1985, 943 ff., sub II.3; Gilbert/Hesse, Die Versorgung der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes, § 61 Anm. 4). Dass ein solches Korrekturrecht besteht, ist in §§ 70 Abs. 1-3 VBLS a. F. / 53 VBLS n.F. vorausgesetzt, denn die dort geregelte Rückforderung überzahlter Renten setzt die vorherige Korrektur der Rentenmitteilungen voraus. Anerkannt ist, dass §§ 70 Abs. 1-3 VBLS a. F. / 53 VBLS n.F. auch auf andere als die dort ausdrücklich geregelten Überzahlungstatbestände anwendbar sind (vgl. LG Karlsruhe, Urteil vom 14. Juni 2005 - 6 O 186/04 -; Gilbert/Hesse, aaO., Kap. B, § 70 Bl. 339e). Die Mitteilungen der Beklagten sind keine Verwaltungsakte und erwachsen demgemäß auch nicht in Bestandskraft (vgl. LG Karlsruhe, Urteil vom 05. November 2004 - 6 O 980/03 -; Urteil vom 16. Mai 2006 - 6 O 234/05).

Hiervon ausgehend war die Neuberechnung der Versorgungsrente des Klägers (unter Berücksichtigung der nicht nach § 22 Abs. 4 FRG verminderten gesetzlichen Rente) in der Rentenmitteilung der Beklagten vom 17.12.2007 grundsätzlich gerechtfertigt, weil die Beklagte in ihrer ursprünglichen Rentenberechnung vom 13.02.1997 § 40 Abs. 2 a) ee) VBLS a.F. fehlerhaft nicht angewandt hatte.

Die Beklagte durfte § 40 Abs. 2 a) ee) VBLS a.F. auch ohne Weiteres anwenden. Die Vorschrift ist wirksam, hält insbesondere einer Inhaltskontrolle stand. Die Beklagte muss nämlich die Kürzung der gesetzlichen Rente Fremdrentenberechtigter nicht durch eine entsprechende Erhöhung ihrer Zusatzrente ausgleichen; sie verspricht in ihrer Satzung nicht generell eine Aufstockung der Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf eine Gesamtversorgung, sondern lediglich eine durch zahlreiche Einzelheiten - hier § 40 Abs. 2 a) ee) VBLS a.F. - näher bestimmte Zusatzversorgung (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2003 - IV ZR 56/02 und IV ZR 57/02 -, VersR 2003, 719-722, im Anschluss an LG Karlsruhe, Urteile vom 18. August 2000 und vom 13. Oktober 2000 - 6 O 203/00 und 6 O 200/00).

2. Gleichwohl müssen Versicherte nicht ohne Weiteres in jedem Fall korrigierte Neuberechnungen ihrer Rente durch die Beklagte hinnehmen. Das Gericht hat vielmehr im Rahmen des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) in Anlehnung an die Grundsätze des § 48 VwVfG eine Gesamtabwägung aller zu berücksichtigenden Umstände vorzunehmen. Der Bundesgerichtshof hat in seiner bereits zitierten Entscheidung vom 22. Mai 1985 zum Zusatzversorgungsrecht der Postangestellten (BGH, Urteil vom 22. Mai 1985 - IVa ZR 153/83 - BGHZ 94, 344 ff. = VersR 1985, 943 ff.) hervorgehoben, dass nach § 48 VwVfG bei Vorliegen besonderer Umstände die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung auch für die Zukunft ganz oder teilweise ausgeschlossen sein kann (vgl. Kopp, VwVfG, 3. Aufl., § 48 Rdnr. 76; Maurer, Allg. VerwR, 3. Aufl., S. 226). § 48 VwVfG normiere die ursprünglich nicht gesetzlich festgelegten allgemeinen Grundsätze, die das Rechtsstaatsprinzip für einen wesentlichen Teilbereich des Verwaltungsrechts verwirklichen und sichern (vgl. BVerfGE 59, 128 (166 f.) = NJW 1983, 103). Die im Verwaltungs- und Sozialrecht, hier insbesondere im Bereich der Beamtenversorgung, entwickelten Grundsätze des Vertrauensschutzes seien, ungeachtet der privatrechtlichen Ausgestaltung des Versicherungsverhältnisses und unabhängig von der Rechtsnatur der Rentenmitteilung, entsprechend im Bereich der Zusatzversorgung der Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst anzuwenden. Der Vertrauensgrundsatz erfordere eine Prüfung der Besonderheiten des Einzelfalls; vorzunehmen sei eine Gesamtabwägung. Zu den dabei zu berücksichtigenden Umständen zählten unter anderem das Alter des Begünstigten und die Erfahrungstatsache, dass älteren Menschen eine Umstellung auf veränderte Verhältnisse besonders schwer falle. Bedeutsam könne ferner sein, wie lange die zurückzunehmenden Leistungen schon erbracht wurden, und ob deren Entzug einschneidende Änderungen der Lebensführung mit sich bringen würden. Mit fortschreitender Dauer der Leistungen stiegen die Anforderungen für die Rücknahme. Bei bereits gewährten, überzahlten Renten seien insbesondere hinsichtlich vergangener Zeiträume unter dem Vertrauensgesichtspunkt u.U. Ausnahmen zu machen (vgl. BGH a.a.O.).

Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Beklagte nach Auffassung der Kammer hier den Anforderungen des Vertrauensschutzprinzips bereits dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass sie gegenüber dem Kläger von der Rückforderung des überzahlten Betrags in Höhe von 15.902,86 EUR für den Zeitraum vom 01.10.1996 bis zum 31.01.2008 Abstand nahm (vgl. insoweit auch LG Karlsruhe, Urteil vom 21. Juli 2006 - Az. 6 O 2/06). Für die Zukunft - ab dem 01.02.2008 - benachteiligt die Entscheidung der Beklagten, es bei der Reduzierung der Zusatzrente um monatlich 134,09 EUR brutto/ 111,17 EUR netto gemäß ihrer Mitteilung vom 17.12.2007 zu belassen, hingegen den Kläger nach dem Grundsatz von Treu und Glauben letztlich nicht unangemessen.

Insoweit waren hier einerseits das erhebliche Alter des Klägers zum Zeitpunkt der Abänderung (74 Jahre) und die lange Dauer der bisherigen (falsch berechneten) Leistungen (ca. 11 Jahre) zu berücksichtigen. Gleichfalls war zu sehen, dass der Beklagten bereits seit 1996 alle maßgeblichen Anknüpfungstatsachen - d.h. die FRG-Zeiten des Klägers mit entsprechender Berücksichtigung gem. § 22 Abs. 4 FRG bei der Berechnung der gesetzlichen Rente - vorlagen und dass die Beklagte - jedenfalls bei sorgfältiger Durchsicht des BfA-Rentenbescheids vom 18. August 1997 - jederzeit § 40 Abs. 2 a) ee) VBLS a.F. anwenden hätte können. Von einer im Jahr 1996 bewusst erfolgten Außerachtlassung des § 40 Abs. 2 a) ee) VBLS a.F. durch die Beklagte konnte das Gericht hingegen nicht ausgehen.

Andererseits war zu sehen, dass die durch die Neuberechnung bedingte Reduktion der Gesamtrente des Klägers (EUR 111,17 netto), ausgehend von der Sollvorstellung des Klägers zum 01.02.2008, (nur) bei ca. 6 % des Gesamtbetrags liegt [2007 (Soll nach Klägervortrag): 1.889,49 EUR netto; 2007 (Ist): 1.778,32 EUR netto] und dass der Kläger im Interesse der Versichertengemeinschaft im Verhältnis zu anderen Versicherten nicht ungerechtfertigt besser dastehen soll, zumal sie in der Vergangenheit bereits von der fehlerhaften Berechnung der Beklagten erheblich profitiert hat, indem er fast 16.000,00 EUR mehr bekommen hat als ihm eigentlich zustanden. Nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich ist, dass in Anlehnung an die vom Bundesgerichtshof (mit Urteil vom 22.05.1985 - IVa ZR 153/83 -, a.a.O.) aufgestellten Grundsätze, dass und inwiefern der Kläger durch langandauernde Übung veranlasst war, seinen Lebensabend in einer bestimmten Weise auszugestalten, die nicht ohne weiteres geändert werden kann" (BGH a.a.O. - Juris Rn. 26). Erforderlich wäre es insoweit gewesen, die Vermögensverhältnisse insgesamt vor und nach der maßgeblichen Abänderungsmitteilung der Beklagten darzulegen. Aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich zwar, dass ihm nunmehr weniger Rente verbleibt als vorher. Es ergibt sich aber nicht, dass er im Hinblick auf seine ursprünglich höhere Rente bestimmte Dispositionen getroffen hat und inwiefern er durch die Verringerung seiner Rente derart eingeschränkt ist, dass er nunmehr mit dem verbleibenden Rest nicht (gut) weiter sein Leben führen kann.

Unter Berücksichtigung all dieser Gesichtspunkte ist das Gericht zu der Auffassung gelangt, dass die von der Beklagten zuletzt ausschließlich mit Wirkung für die Zukunft ab dem 01.02.2008 vorgenommene Rentenkürzung den Kläger nicht unangemessen benachteiligt.

Die Klage war mithin abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91 Abs. 1, 281 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.