VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.03.2000 - 2 S 689/99
Fundstelle
openJur 2013, 11278
  • Rkr:

Die Zustimmungserklärung des Trägers der Wegebaulast zur Verlegung neuer und zur Änderung vorhandener Telekommunikationslinien nach § 50 Abs 3 S 1 TKG erfolgt auch auf Veranlassung des jeweiligen Lizenznehmers und ist daher eine gebührenfähige Amtshandlung.

Gründe

Der nach § 124a Abs. 1 S. 1 VwGO fristgemäß gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 124 Abs. 2 Nrn. 1, 3 und 5 VwGO) rechtfertigt die Zulassung der Berufung.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen dann, wenn die im Zulassungsantrag geltend gemachten und dargelegten Gründe die Annahme rechtfertigen, daß eine überwiegende Wahrscheinlichkeit gegen die Richtigkeit des angegriffenen Urteils spricht (st.Rspr. des Senats seit Beschluß vom 17.9.1997 - 2 S 1542/97). Derartige Zweifel sind dargelegt, wenn unter eingehender Auseinandersetzung mit den eigentlichen, die Entscheidung tragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts erläutert wird, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernsthaften Zweifeln begegnen (st.Rspr. des Senats, Beschluß vom 2.6.1998 - 2 S 1119/98). Diesen Anforderungen genügt die Antragsbegründung nicht.

Die Klägerin rügt, die Gebührenhöhe verstoße gegen das Kostendeckungsprinzip. Die Geltung dieses Prinzips sei bei der Erhebung von Verwaltungsgebühren für die Erteilung der Zustimmung nach § 50 Abs. 3 S. 1 TKG "aus der bundesrechtlich angeordneten Unentgeltlichkeit der Nutzung der Verkehrswege für die öffentlichen Zwecken dienenden Telekommunikationslinien nach § 50 Abs. 1 TKG abzuleiten".

Diese Ausführungen legen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung dar. § 50 Abs. 1 S. 1 TKG, wonach der Bund befugt ist, Verkehrswege für die öffentlichen Zwecken dienenden Telekommunikationslinien unentgeltlich zu benutzen, soweit nicht dadurch der Widmungszweck der Verkehrswege dauernd beschränkt wird (Nutzungsberechtigung), untersagt den Gemeinden nur, für die Durchleitung von Telekommunikationsleitungen Wegeentgelte zu erheben (BVerfG, Beschluß vom 7.1.1999, NVwZ 1999, 520). Die Geltung des Kostendeckungsgrundsatzes für die Erhebung der hier streitgegenständlichen Verwaltungsgebühr ergibt sich aus § 8 Abs. 2 S. 1 KAG i.V.m. § 4 Abs. 2 der Satzung der Stadt Karlsruhe über die Erhebung von Verwaltungsgebühren (Verwaltungsgebührensatzung) vom 25.5.1993. Das Kostendeckungsprinzip ist kein Wesensmerkmal der Gebühr, sondern gilt nur, wenn und soweit es gesetzlich vorgeschrieben ist. Dabei handelt es sich um eine "Veranschlagungsmaxime", die lediglich besagt, daß die kommunale Körperschaft sich bei der Veranschlagung der Gebühreneinnahmen im Haushaltsplan von dem Bestreben leiten lassen muß, einen Überschuß über die sorgfältig veranschlagten Ausgaben zu vermeiden (BVerwG, Urteil vom 8.12.1961, BVerwGE 13, 214, 223ff.). Das Kostendeckungsprinzip ist nicht schon verletzt, wenn die Ausgaben für die einzelne Amtshandlung oder sonstige Verwaltungstätigkeit durch die hierfür erhobene Gebühr überschritten werden, sondern erst dann, wenn das Gesamtgebührenaufkommen die Gesamtheit der Ausgaben des betreffenden Verwaltungszweigs überschreitet (BVerwG, Urteil vom 24.3.1961, BVerwGE 12, 162, 166; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.7.1990, KStZ 1991, 35; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Rdnrn. 49 bis 51 zu § 5; Faiß, Das Kommunalabgabenrecht in Baden-Württemberg, Stand Mai 1999, Rdnr. 8 zu § 8 KAG). Anhaltspunkte für die Verletzung des Kostendeckungsprinzips im Sinne des Gesamtkostenüberdeckungsverbots sind der Antragsbegründung nicht zu entnehmen.

Entscheidungserhebliche ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind auch nicht insoweit dargelegt, als nach der Antragsbegründung nur die Kosten für den tatsächlich angefallenen Sach- und Personenaufwand hätten angesetzt werden dürfen. Denn die Beklagte hat bei der Bemessung der Gebührenhöhe weder die Bedeutung des Gegenstands, das wirtschaftliche oder sonstige Interesse für den Gebührenschuldner noch dessen wirtschaftliche Verhältnisse berücksichtigt, sondern nur den tatsächlich angefallenen Verwaltungsaufwand zugrunde gelegt. Dies ergibt sich aus dem Aktenvermerk (ohne Datum) zu den "Verwaltungsaufwandsgebühren bei lizenzierten TK-Unternehmen hier: Kalkulationsgrundlagen auf Grund des Widerspruchs der Deutschen Telekom AG" i.V.m. der Kostenermittlung des Tiefbauamts für das Finanzreferat bezüglich TK-Leitungen vom 20.6.1995, wie den der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zugrundeliegenden Behördenakten zu entnehmen ist. Auf den Hinweis in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils, "daß die in §§ 8 Abs. 2 KAG, 4 Abs. 2 Verwaltungsgebührensatzung genannten Bemessungskriterien kumulativ zur Anwendung kommen", kam es vorliegend nicht entscheidungstragend an.

Soweit die Klägerin sich weiter dagegen wendet, daß mit der Gebühr auch der Aufwand für die - der Zustimmungserklärung nachfolgende - "Ausführungsüberwachung" berücksichtigt wurde, sind ebenfalls ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nicht hinreichend dargelegt. Insoweit hätte es einer Auseinandersetzung mit den darauf bezogenen Entscheidungsgründen bedurft, wonach die "Ausführungsüberwachung" jedenfalls eine nach § 1 Verwaltungsgebührensatzung gebührenpflichtige und im Interesse und auf Veranlassung des telekommunikationsrechtlichen Lizenznehmers erfolgte Amtshandlung darstellt, die in innerem Zusammenhang mit der Zustimmungserklärung nach § 50 Abs. 3 S. 1 TKG steht.

Auch die weitere Rüge, die von der Beklagten erhobene Verwaltungsgebühr sei überhöht, greift nicht durch. Aus den der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zugrunde gelegten Behördenakten (vgl. dort den o.g. Aktenvermerk i.V.m. der Kostenermittlung des Tiefbauamts für das Finanzreferat bezüglich TK-Leitung vom 20.6.1995) geht im einzelnen hervor, daß und wie die Beklagte ihren mit der Überprüfung verbundenen Personalaufwand ermittelt hat. Eine fallbezogene Auseinandersetzung damit läßt die Antragsbegründung, die im Unterschied zu dieser von ganz unterschiedlichen Stundensätzen ausgehenden Gebührenkalkulation unter Bezugnahme auf den Vorlagebeschluß des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 29.7.1998 - 9 S 1763/97 - einen Stundensatz von 100,-- DM je Arbeitsstunde zugrunde legt, vermissen. Warum das Verwaltungsgericht weiter "zwischen dem Aufwand der Beklagten und etwaigem Aufwand Dritter, die die Beklagte am Zustimmungsverfahren beteiligt", hätte differenzieren müssen, geht aus der Antragsbegründung nicht hervor. Zu Recht weist die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 19.4.1999 in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die Beteiligung Dritter im Rahmen des Zustimmungserklärungsverfahrens bei der Ermittlung des Verwaltungsaufwands unerheblich war.

Auch die weitere Rüge, eine eigenständige, einen Aufwand auslösende Prüfung der Leitungsführung durch die Beklagte habe - abgesehen von der Versendung eines Standardformulars - im Zustimmungsverfahren nicht stattgefunden, vielmehr habe sich die Klägerin selbst nach bestehenden Leitungstrassen erkundigen müssen, führt ebenfalls nicht zur Berufungszulassung. Ausweislich der der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zugrundeliegenden Behördenakten waren im Zustimmungsverfahren neben dem Gartenbauamt die Hauptabteilung Straßenbau mit den Abteilungen Planung, ÖPNV, Verkehrseinrichtungen, Erschließung, Unterhaltung, Tangentenstraße und Baubezirk Ost sowie weiter die Hauptabteilung Stadtentwässerung mit den Abteilungen Planung, Kanalbetrieb und Neubau beteiligt worden, die ihre jeweils abgegebenen Stellungnahmen "keine Einwände" durch Handzeichen ihrer Mitarbeiter bestätigten. Die Kalkulationsgrundlagen für die Ermittlung des Personalaufwands sind dem oben bereits erwähnten Aktenvermerk zu entnehmen. Die danach gebotene substantielle Auseinandersetzung damit ist der Antragsbegründung allerdings nicht zu entnehmen. Aus welchen Gründen die Klägerin meint folgern zu müssen, die Beklagte habe keine eigenständige Prüfung der Durchführbarkeit der beantragten Leitungsverlegung vorgenommen, legt sie nicht hinreichend dar. Aus dem Umstand, daß die Klägerin verpflichtet war, sich ihrerseits selbst (auch) nach der Lage von Versorgungs- und Entsorgungsleitungen bei den zuständigen Stellen zu erkundigen, ergibt sich dies - entgegen ihrer Annahme in der Antragsbegründung - jedenfalls ebensowenig wie aus der Verwendung von Formularen und standardisierten Textbausteinen durch die Beklagte.

Die Klägerin kann auch nicht mit der Rüge durchdringen, das Urteil sei insoweit unrichtig, als es nicht in Anwendung von § 2 Abs. 1 Nr. 6 Verwaltungsgebührensatzung der Beklagten zur Annahme von sachlicher Gebührenfreiheit gelangt sei, obwohl die Zustimmungserklärung nach § 50 Abs. 3 S. 1 TKG ausschließlich im öffentlichen Interesse erfolge und die Klägerin mit der Verlegung und Änderung von Telekommunikationslinien einem Belang diene, dem in Art. 87f Abs. 1 GG verfassungsrechtlicher Rang eingeräumt worden sei.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 Verwaltungsgebührensatzung werden Gebühren nicht erhoben für Amtshandlungen, die überwiegend im öffentlichen Interesse vorgenommen werden. Diese Bestimmung stimmt wörtlich mit § 5 Abs. 1 Nr. 7 LGebG überein. Hierzu hat der Senat wiederholt entschieden, daß der Gesetzgeber allein an die Vornahme der Amtshandlung und nicht an den mit ihr verbundenen Zweck anknüpft (Urteil vom 27.1.1983, BWGZ 1983, 291; Urteil vom 2.4.1998 - 2 S 1148/97; Urteil vom 2.6.1992 - 14 S 1804/90). Von einem Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Vornahme der Amtshandlung ist regelmäßig dann auszugehen, wenn anzunehmen ist, die Behörde hätte die Amtshandlung ohne "Veranlassung" Dritter, mithin auf eigenen Antrieb erlassen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.8.1986, NVwZ 1988, 271 und Urteil vom 2.4.1998, a.a.O.). Die ist hier offensichtlich nicht der Fall. Hier geht es vielmehr um eine Überwachungsmaßnahme einer konkreten wirtschaftlichen, auf Gewinnerzielung gerichteten Betriebsbetätigung der Klägerin auf deren Veranlassung hin. Die Zustimmung des Trägers der Wegebaulast nach § 50 Abs. 3 S. 1 TKG ist zu erteilen, wenn die Telekommunikationslinie den Widmungszweck des Verkehrswegs nicht dauernd beschränkt sowie den Anforderungen der Sicherheit und Ordnung und den anerkannten Regeln der Technik genügt (BVerwG, Urteil vom 1.7.1999, DÖV 1999, 1052). In einer solchen Fallkonstellation erreicht das (private) Interesse des Lizenznehmers und Anbieters von Telekommunikationsdienstleistungen eine erhebliche, jedenfalls gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Vornahme der Überwachungstätigkeit nicht unterwertig zu gewichtende Bedeutung mit der Folge, daß sachliche Gebührenfreiheit nicht in Betracht kommt.

Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine für die Berufungsentscheidung erhebliche, klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechts- oder Tatsachenfrage allgemeiner, fallübergreifender Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder ihrer Fortentwicklung der berufungsgerichtlichen Klärung bedarf. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Die Klägerin wirft die Frage auf, ob das Kostendeckungsprinzip für die Erhebung von Verwaltungsgebühren für Zustimmungserklärungen nach § 50 Abs. 1 S. 1 TKG gilt. Abgesehen davon, daß die Entscheidungserheblichkeit dieser Frage für den vorliegenden Fall nicht dargelegt wird, läßt sie sich auf der Grundlage des § 8 Abs. 2 KAG i.V.m. § 4 Abs. 2 Verwaltungsgebührensatzung der Beklagten bejahen. Auch die weitere Frage, ob Zustimmungserklärungen nach § 50 Abs. 3 S. 1 TKG überwiegend im öffentlichen Interesse im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 6 Verwaltungsgebührensatzung vorgenommen werden, ist nicht klärungsbedürftig, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt. Schließlich ist hinsichtlich der weiteren Frage, der die Klägerin grundsätzliche Bedeutung beimißt, nämlich ob "bei der Ermittlung des anzusetzenden Kostenaufwands auch Ausführungsüberwachungsmaßnahmen zu berücksichtigen sind", nicht dargelegt, inwieweit sich diese Frage auch über den Einzelfall hinaus stellen kann und inwieweit sie sich vorliegend angesichts der insoweit auf § 1 Verwaltungsgebührensatzung abstellenden Begründung des Verwaltungsgerichts überhaupt stellt.

Schließlich führen auch die von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) nicht zur Beschwerdezulassung. Ihrer Auffassung nach habe das Verwaltungsgericht den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt, indem es unterstellt habe, daß im Zustimmungserklärungsverfahren nach § 50 Abs. 3 S. 1 TKG die im innerstädtischen Bereich häufig schwierig gelagerten Nutzungsverhältnisse an öffentlichen Straßenkörpern überprüft würden. Daß diese Annahme ausweislich der der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zugrundeliegenden Behördenakten unzutreffend ist, wurde bereits ausgeführt.

Die Klägerin rügt weiter einen Verstoß gegen die Begründungspflicht nach § 108 Abs. 1 S. 2 VwGO, weil in den Entscheidungsgründen eine Auseinandersetzung mit dem Tatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 6 Verwaltungsgebührensatzung nicht erfolgt sei. Insoweit ist in der Antragsbegründung weder dargelegt noch den Akten des Verwaltungsgerichts zu entnehmen, daß die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren sachliche Gebührenfreiheit nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 Verwaltungsgebührensatzung überhaupt für sich in Anspruch genommen hat. Im übrigen kommt es für die Entscheidung auf die lediglich vermißte Erörterung nicht an, da der Gebührenausschlußtatbestand - wie ausgeführt - nicht vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf §§ 14 Abs. 3, 13 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluß ist unanfechtbar.