LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 25.10.2011 - 5 Sa 103/11
Fundstelle
openJur 2012, 55580
  • Rkr:

1. Beschäftigt eine amtsangehörige Gemeinde in Mecklenburg-Vorpommern noch eigene Arbeitnehmer, ist für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes nach § 23 KSchG auf die Verhältnisse in der Gemeinde und nicht auf die Verhältnisse im Amt abzustellen (so schon LAG Mecklenburg-Vorpommern 26.September 2006 - 5 Sa 67/06 -).2. Auch bei Kündigungen, die nicht unter das Kündigungsschutzgesetz fallen, muss der Arbeitgeber ein gewisses Maß an sozialer Rücksichtnahme walten lassen (LAG Mecklenburg-Vorpommern 26.September 2006 aaO). Insofern darf die Kündigung nicht willkürlich ausgesprochen werden. Zur Wirksamkeit der Kündigung reicht es aber im Regelfall aus, wenn mit ihr ein rechtlich gebilligter Zweck verfolgt wird.3. Es ist kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 GG, wenn die Unterzeichner des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) in § 34 Absatz 2 TVöD den tariflichen Schutz vor ordentlichen Kündigungen bei Vorliegen der dort geregelten Voraussetzungen auf das Tarifgebiet West beschränken.

Tenor

1. Auf die klägerische Berufung und unter teilweiser Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils wird festgestellt, dass die Kündigung vom 19.05.2010 das Arbeitsverhältnis nicht vor dem 31.12.2010 beendet hat.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu ¾ und im Übrigen die Beklagte.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten inzwischen noch um die Wirksamkeit einer von der Beklagten mit Datum vom 19. Mai 2010 ausgesprochenen ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. In Streit steht die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes und auch die maßgebliche Kündigungsfrist.

Der 1954 geborene Kläger ist bei der beklagten Gemeinde seit 1992 als Gemeindearbeiter zuletzt mit einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von durchschnittlich 2.100,00 Euro beschäftigt. Der Kläger gehört zum Kreis der anerkannt schwerbehinderten Menschen. Im heute noch maßgeblichen Formulararbeitsvertrag vom 1. Oktober 1992 heißt es zur Anwendung von Tarifverträgen wörtlich (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die als Anlage K 1 zur Klageschrift überreichte Kopie, hier Blatt 10 f Bezug genommen):

„Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem BMT-G-O und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.“

Die beklagte Gemeinde gehört nach der Kreisgebietsreform 2011 zum Landkreis L.-P.. Bereits im September 1991 hatte sie mit anderen Gemeinden rund um die Stadt H. den Errichtungsvertrag über die Gründung der Verwaltungsgemeinschaft der Gemeinden um H. unterzeichnet (Kopie als Anlage B 3 überreicht, hier Blatt 127 ff). Aus dieser Verwaltungsgemeinschaft ist durch die Erste Landesverordnung zur Bildung der Ämter und die Bestimmung von amtsfreien Gemeinden Ende März 1992 das Amt H.-Land entstanden, dem die beklagte Gemeinde noch heute angehört. Das Amt ist nach § 128 Kommunalverfassung MV 2011 (KV MV) Träger der Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises (§ 3 KV MV), also der kommunalen Pflichtaufgaben. Zu diesem Zwecke hat das hier betroffene Amt eine eigene Amtsverwaltung eingerichtet, in der regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer im Sinne von § 23 KSchG beschäftigt sind.

Zur selbstständigen Erledigung sind den amtsangehörigen Gemeinden daher nur die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft (freiwillige kommunale Aufgaben, § 2 KV MV) verblieben. Zur Erledigung dieser Aufgaben hat die beklagte Gemeinde, in der rund 700 Einwohner wohnen, bis zur Kündigung des Klägers lediglich diesen und eine Gemeindesekretärin in Teilzeit beschäftigt. Der Kläger als Gemeindearbeiter war mit Hausmeistertätigkeiten an den Gemeindegebäuden (insbesondere dem Kindergarten) betraut und hat im Übrigen nach näherer Weisung des Bürgermeisters nach Kräften für die Ordnung, Sauberkeit und Funktionsfähigkeit der gemeindlichen Anlagen gesorgt. Im Zustimmungsbescheid es Integrationsamtes ist insoweit von „Heizungen, Grünpflege, Denkmalpflege und Straßenreinigung“ die Rede. Hinsichtlich dieser freiwilligen Aufgaben der Gemeinde heißt es in § 127 Absatz 1 KV MV, das Amt bereite im Einvernehmen mit dem Bürgermeister die Beschlüsse und Entscheidungen der Gemeindeorgane vor und führt sie aus.

Die beklagte Gemeinde ist hoch verschuldet und ihre bescheidene Einnahmesituation zwingt sie dazu, ihre Aufgaben im eigenen Wirkungskreis weiter einzuschränken. Im Zusammenwirken mit dem Amt ist zur Abwendung aufsichtsrechtlicher Maßnahmen der Kreisverwaltung ein Haushaltssicherungskonzept erarbeitet worden, das die Gemeindevertretung im Juni 2010 verabschiedet hat. Dieses Konzept sieht die Streichung der Stelle des Klägers vor (vgl. hier Blatt 50 ff, insb. Blatt 54 f). Die bisher vom Kläger wahrgenommen Aufgaben sollen soweit nötig fremd vergeben werden und im Übrigen unerledigt bleiben. Insoweit ist auch angedacht, die Gemeindemitglieder intensiver zur freiwilligen ehrenamtlichen Tätigkeit für ihre Gemeinde zu ermuntern. Dadurch werden jährliche Einsparungen in der Größenordnung von 17.500,00 Euro erwartet (Blatt 54 f).

Das Integrationsamt hat mit Entscheid vom 10. Mai 2010 (Kopie hier Blatt 18 ff) der beabsichtigten Kündigung des Klägers zugestimmt. Sodann hat die beklagte Gemeinde das Arbeitsverhältnis zum Kläger mit Schreiben vom 19. Mai 2010 ordentlich zum 30. November 2010 gekündigt (Kopie der Kündigung als Anlage K 2 überreicht, hier Blatt 12, es wird Bezug genommen). Die Kündigung ist dem Kläger am 31. Mai 2010 zugegangen.

Mit der am 17. Juni 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage macht der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung geltend und hat die Verurteilung der Beklagten zur Weiterbeschäftigung verlangt. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 9. März 2011 als unbegründet abgewiesen. Auf dieses Urteil wird wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.

Mit der rechtzeitig eingelegten und rechtzeitig begründeten Berufung verfolgt der Kläger sein Klagebegehren im Kern weiter, den Weiterbeschäftigungsantrag hat er allerdings fallen gelassen. In Hinblick auf die Argumentation des Arbeitsgerichts bezogen auf die falsch gewählte Kündigungsfrist greift der Kläger diese inzwischen vorsorglich auch mit einem eigenen Hilfsantrag an.

Der Kläger meint, auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sei auch der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) anzuwenden, da in der Verwaltung der Beklagten mehr als 10 Arbeitnehmer im Sinne von § 23 Absatz 1 KSchG beschäftigt seien. Denn man müsse insoweit auf die Anzahl der Beschäftigten in der Amtsverwaltung abstellen.

Durch die gesetzliche Konstruktion der Amtsverwaltung, auf die gemeindliche Aufgaben zur Erledigung übertragen seien, sei eine Einheit entstanden, die man dem gemeinsam geführten Betrieb in der Privatwirtschaft gleichstellen müsse. Davon sei auch das zur Erledigung der freiwilligen kommunalen Aufgaben in den Gemeinden selbst angestellte Personal zu rechnen, da die Gemeinden trotz des formal bei ihnen angestellten eigenen Personals keine eigene Verwaltung mehr betreiben würden. Vielmehr würde die gesetzliche Pflicht zum Zusammenwirken mit dem Amt bei der Erfüllung der freiwilligen Aufgaben (§ 127 KV MV) dazu führen, dass es nur noch eine einheitliche Verwaltung, nämlich die Amtsverwaltung gebe. Diese Verwaltung werde insgesamt vom Amt gesteuert und zwar entweder über direkte Weisungen oder im Rahmen von § 127 KV MV indirekt durch das Gebot des Zusammenwirkens zwischen Amt und Gemeinde. Da inzwischen allein das Amt über die Kapazitäten und das Fachwissen verfüge, das für die Führung einer Verwaltung erforderlich sei, sei die förmliche Zwischenschaltung des Bürgermeisters in den Personalangelegenheiten seines eigenen Personals zu einer reinen Formalie geworden, die arbeitsrechtlich nicht als prägend anerkannt werden könne. Das zeige sich besonders plastisch gerade am vorliegenden Fall, wo nicht nur das Haushaltssicherungskonzept von den Grundzügen bis zu den Details durch das Amt vorbereitet worden sei, sondern auch die Beschlussvorlage für die Kündigung des Klägers und gar die Kündigung selbst. Der Bürgermeister habe diese nur noch unterzeichnet.

Weiterhin ist der Kläger der Ansicht, dass er nach § 34 TVöD unkündbar sei. Die Einschränkung der Unkündbarkeit auf das Tarifgebiet West verstoße gegen den Gleichheitssatz und sei daher unbeachtlich.

Letztlich habe die Beklagte der Kündigung auch eine falsche Kündigungsfrist zu Grunde gelegt. Nach dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren § 34 TVöD sei die Kündigung nur zum Quartalsende möglich, das Arbeitsverhältnis könne daher frühestens zum 31. Dezember 2010 geendet haben. Weshalb das Arbeitsgericht der Klage nicht wenigstens insoweit teilweise statt gegeben habe, erschließe sich aus den Entscheidungsgründen nicht.

Der Kläger beantragt

1. unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 19.05.2010 nicht beendet worden ist;

2. hilfsweise festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 19.05.2010 erst am 31.12.2010 beendet wurde.

Die beklagte Gemeinde beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und den Hilfsantrag abzuweisen.

Die beklagte Gemeinde verteidigt das angegriffene Urteil mit Rechtsargumenten. Außerdem betont sie nochmals den Umstand, dass man mit der streitgegenständlichen Kündigung eigentlich schon länger als vertretbar zugewartet hätte. Man habe sie erst ausgesprochen, als die Einsetzung eines Zwangsverwalters durch den Landkreis gedroht habe, weil das Finanzdefizit der Gemeinde in der Vergangenheit nicht beseitig worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages im Berufungsrechtszug wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist nur zu einem kleinen Teil wegen der falsch gewählten Kündigungsfrist begründet. Im Übrigen ist sie nicht begründet.

I.

Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf der im Arbeitsverhältnis maßgeblichen Kündigungsfrist (dazu näher unten unter II.) sein Ende gefunden hat. Diese Ausführungen macht sich das Berufungsgericht zu Eigen. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht.

1.

Es muss offen bleiben, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 Absatz 2 KSchG wäre, denn der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes, zu dem diese Vorschrift gehört, ist auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht anzuwenden. Das ergibt sich aus § 23 Absatz 1 KSchG. Nach dieser Vorschrift gilt der erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes – soweit hier von Interesse – nur in Verwaltungen, in denen in der Regel mehr als 5 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Diese Voraussetzung ist für die beklagte Gemeinde nicht erfüllt. Am Tag des Zugangs der Kündigung waren bei ihr lediglich zwei Arbeitnehmer, der Kläger sowie eine Gemeindesekretärin, beschäftigt.

Beschäftigt eine amtsangehörige Gemeinde noch eigene Arbeitnehmer, ist für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes nach § 23 KSchG auf die Verhältnisse in der Gemeinde und nicht auf die Verhältnisse im Amt abzustellen (vgl. LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26.September 2006 – 5 Sa 67/06 -). Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass diese Rechtsprechung aufzugeben.

Dafür kann offen bleiben, ob die vom Kläger angestellten Überlegungen zu den Parallelen zwischen einer Amtsverwaltung und einem gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen es rechtfertigen könnten, die Amtsverwaltung arbeitsrechtlich einem gemeinsamen Betrieb der amtsangehörigen Gemeinden gleichzustellen. Denn selbst dann, wenn man mit dem Kläger diesen gedanklichen Schritt gehen würde, könnte nicht festgestellt werden, dass der Kläger in diesen Betrieb eingegliedert gewesen war.

Der Kammervorsitzende hatte im Vorlauf zur Kammerverhandlung die Parteien darauf hingewiesen, dass das Gericht davon ausgehe, dass der Kläger dem Weisungsrecht des Bürgermeisters unterlegen habe und nicht dem Weisungsrecht des Amtsvorstehers oder des dortigen leitenden Verwaltungsbeamten. Dem haben die Parteien nicht widersprochen. Damit steht fest, dass der Kläger nicht Teil der Amtsverwaltung gewesen ist.

Diese tatsächliche Feststellung harmoniert auch mit der rechtlichen Stellung der amtsangehörigen Gemeinde nach der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern (KV MV). Durch die Amtsangehörigkeit einer Gemeinde verlagert sich nur die Zuständigkeit für die Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis im Sinne von § 3 KV MV (vgl. § 128 KV MV). Für die kommunalen Aufgaben im eigenen Wirkungskreis im Sinne von § 2 KV MV bleibt die Gemeinde in eigener Verantwortung zuständig (§ 127 KV MV). Soweit sich die Gemeinde zur Durchführung ihrer Aufgaben im eigenen Wirkungskreis eigener Arbeitnehmer bedient, können diese demnach nicht der Amtsverwaltung zugeordnet werden. Um im Bild des gemeinsamen Betriebes zu bleiben, verfolgen beide Rechtsträger unterschiedliche Zwecke, was schon der Anerkennung eines bis in die Gemeinde reichenden gemeinsamen Betriebes entgegen steht.

Auch das gesetzliche Gebot zum Zusammenwirken von Amt und Gemeinde im Bereich des eigenen Wirkungskreises der Gemeinde aus § 127 KV MV rechtfertig eine andere Sichtweise nicht. Denn insoweit leistet das Amt lediglich Unterstützung für die sach- und fachgerechte Aufgabenerfüllung der von ehrenamtlichen Bürgermeistern geleiteten Gemeinden. Die klägerische Beobachtung des tatsächlichen Machtgefälles zwischen dem professionell aufgestellten Amt mit seiner Amtsverwaltung und den Gemeinden, die durch ehrenamtliche Amtsträger geführt werden, mag ja durchaus zutreffend sein. Allerdings lassen sich die vom Kläger daraus gezogenen Schlüsse wegen der grundlegenden Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung im eigenen Wirkungskreis nicht ziehen. Auch die vom Kläger gezogene Parallele zu den mehrstufigen Verwaltungen, die im Sinne von § 23 KSchG als eine Einheit betrachtet werden, auch wenn sie sich in mehrere Dienststellen gliedern, kann daher nicht auf das Verhältnis zwischen Amt und Gemeinde übertragen werden.

2.

Die streitgegenständliche Kündigung ist auch nicht aus anderen Gründen unwirksam. Die vom Kläger dazu angeführten Gesichtspunkte erweisen sich als nicht tragfähig.

a)

Zutreffend weist der Kläger zwar darauf hin, dass der Arbeitgeber auch bei Kündigungen, die nicht unter das Kündigungsschutzgesetz fallen, ein gewisses Maß an sozialer Rücksichtnahme walten lassen muss (vgl. nur LAG Mecklenburg-Vorpommern 26.September 2006 aaO). Insofern darf die Kündigung nicht willkürlich ausgesprochen werden. Mit der Kündigung muss ein rechtlich gebilligter Zweck verfolgt werden.

Hierzu hat bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt, dass die beklagte Gemeinde mit der Kündigung einen rechtlich billigenswerten Zweck, nämlich die Konsolidierung der kommunalen Finanzen, verfolgt hat. Das ist zutreffend und als Rechtfertigung für die Kündigung auch ausreichend. Ob dieser Zweck mit der gewählten Maßnahme (Personalabbau und Einbindung selbstständiger Dienstleister, Einbeziehung der ehrenamtlichen Tätigkeiten der Gemeindemitglieder) tatsächlich erreicht werden kann, kann und darf hier nicht weiter geprüft werden, denn die beklagte Gemeinde muss die hierfür erforderlichen wirtschaftlichen Prognosen selbst anstellen (vgl. nur LAG Mecklenburg-Vorpommern 26.September 2006 aaO).

b)

Dem Arbeitsgericht ist auch zuzustimmen, soweit es den vom Kläger gesehenen tarifvertraglichen Schutz vor ordentlichen Kündigungen (§ 34 Absatz 2 TVöD) als nicht gegeben erachtet hat.

Nach § 34 Absatz 2 TVöD können Arbeitnehmer im Tarifgebiet West, die älter als 40 Jahre sind und die mehr als 15 Jahre Betriebszugehörigkeit aufweisen, nicht mehr ordentlich gekündigt werden. Der Kläger stellt nicht in Frage, dass er danach keinen Schutz vor ordentlichen Kündigungen genießt, da er dem Tarifgebiet Ost angehört. Er meint insoweit allerdings, dass diese Differenzierung zwischen den beiden Tarifgebieten gegen den Gleichheitssatz aus Artikel 3 Grundgesetz (GG) verstoße und leitet daraus ab, der Schutz vor ordentlichen Kündigungen gelte in beiden Tarifgebieten. Diese Rechtsansicht wird vom Berufungsgericht nicht geteilt.

Art. 3 GG verbietet es, für vergleichbare Lebenssachverhalte unterschiedliche rechtliche Regelungen vorzusehen. Er verbietet es jedoch nicht, für unterschiedliche Lebenssachverhalte unterschiedliche Regelungen vorzusehen. Die Tarifvertragsparteien des TVöD sind davon ausgegangen, dass sich die Lebenssachverhalte im Tarifgebiet West noch immer so grundlegend von den Lebenssachverhalten im Tarifgebiet Ost unterschieden, dass es gerechtfertigt ist, für beide Gebiete teilweise unterschiedliche Arbeitsbedingungen im Tarifvertrag zu vereinbaren. Den Tarifvertragsparteien steht bei ihrer Bewertung der zu regelnden Lebenssachverhalte ein weiter Beurteilungsspielraum bei der Frage zu, ob sie es für angemessen halten, differenzierte Regelungen zu treffen, oder ob sie die Lebenssachverhalte für so vergleichbar halten, dass sie eine einheitliche Regelung vereinbaren. Es ist nicht ersichtlich, dass die Tarifvertragsparteien im Rahmen der differenzierten Regelungen in § 34 Absatz 2 TVöD ihr Beurteilungsermessen fehlerhaft ausgeübt haben.

Insoweit gesteht das Gericht dem Kläger sogar zu, dass sich die vorgenommene Differenzierung allein mit dem Blick auf die Lage der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst im Tarifgebiet West und Tarifgebiet Ost sicherlich nicht mehr rechtfertigen lässt, denn die Lebens- und Erwerbsumstände unterscheiden sich zwischen den beiden Tarifgebieten nicht mehr als sie sich auch innerhalb des Tarifgebietes West zwischen ärmeren und reicheren Regionen unterscheiden. Der Kläger muss aber zur Kenntnis nehmen, dass Tarifverträge Abmachungen sind, die auch für Arbeitgeber gelten. Und wenn man sich die Arbeitgeber – zumal die kommunalen Arbeitgeber – betrachtet, springen einem die fortbestehenden Unterschiede zwischen den Tarifgebieten geradezu ins Auge.

Die Träger der kommunalen Verwaltung sind Anfang der 90er Jahre durch Herauslösung aus dem Staatsapparat der untergegangenen DDR entstanden und sie haben – wenn man das einmal etwas umgangssprachlich ausdrücken darf – einen verdammt schlechten Start gehabt. Sie hatten mit Personalkörpern zu tun, die häufig gemessen an ihren neuen Aufgaben überdimensioniert waren und mussten dennoch ihr Personal, um den neuen Aufgaben genügen zu können, häufig trotzdem noch durch Anwerbung von zusätzlichen Beschäftigten aus dem Tarifgebiet West verstärken. In der Folgezeit mussten sie einen demographischen Wandel in der Bevölkerung durch weitere Schrumpfungs- und Anpassungsprozesse begleiten, der in seinem Ausmaß einmalig in der Geschichte Deutschlands der letzten 200 Jahre ist. Zeitgleich mussten sie mit hohem Investitionsbedarf die Infrastruktur auf die Bedingungen einer marktorientierten Wirtschaftsgesellschaft anpassen und zusätzlich Versäumnisse in der Pflege der eigenen Vermögenswerte insbesondere in der Pflege der Bausubstanz aus den letzten Jahrzehnten aufholen. Und all diese Dinge mussten gelingen bei bescheidenen volkswirtschaftlichen Wachstumsraten und dementsprechend spärlich fließenden Steuereinnahmen.

Es kann daher nicht als sachwidrig angesehen werden, wenn die Tarifvertragsparteien auf diese Unterschiede unter anderem mit der unterschiedlichen Ausgestaltung des tariflichen Kündigungsschutzes in § 34 Absatz 2 TVöD Rücksicht genommen haben.

II.

Die Berufung hat Erfolg, soweit der Kläger rügt, die Kündigung sei nicht mit der richtigen Frist ausgesprochen worden.

Aufgrund der vertraglich gewollten dynamischen Bindung an die Tarifverträge im öffentlichen Dienst, ist auf das Arbeitsverhältnis der Parteien § 34 TVöD anzuwenden. Danach kann eine ordentliche Kündigung aufgrund der mehr als 12jährigen Zusammenarbeit der Parteien nur mit einer Frist von 6 Monaten zum Quartalsende ausgesprochen werden. Daher hat die streitgegenständliche Kündigung, die dem Kläger noch im Mai 2010 zugegangen ist, das Arbeitsverhältnis der Parteien erst mit Ablauf des 31. Dezember 2010 beendet.

Ausweislich des Protokolls der Kammerverhandlung vom 9. März 2011 vor dem Arbeitsgericht hat der Kläger jedenfalls im Rahmen der Kammerverhandlung noch die Rüge der Verfehlung der tariflichen Kündigungsfrist erhoben (vgl. hier Blatt 164). Er kann daher mit dieser Rüge nicht nach § 4 KSchG ausgeschlossen sein. Damit kann auch offen bleiben, ob diese Vorschrift, die ebenfalls zum Ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes gehört, im Arbeitsverhältnis der Parteien überhaupt zur Anwendung gelangt. Aus der Akte ist auch nicht ersichtlich, weshalb die Erhebung dieser Rüge im abschließenden Kammertermin wegen Eingreifens verfahrensrechtlicher Verspätungsvorschriften seinerzeit bereits unzulässig gewesen sein sollte, denn alle Tatsachen, die das Gericht für eine Entscheidung über diese Frage benötigt, sind zwischen den Parteien unstreitig.

Unabhängig davon ist zu berücksichtigen, dass der Beschluss der Gemeindevertretung zur Kündigung des Klägers bzw. zur Streichung seiner Stelle ohnehin auf eine Kündigung zum 31. Dezember 2010 gerichtet war (vgl. Beschluss zur Beschlussvorlage GV 087 006/2010 für die Sitzung der Gemeindevertretung vom 14. April 2010, Kopie vom Kläger erstinstanzlich als Anlage 3a überreicht, hier Blatt 49). Das Berufungsurteil bestätigt somit nur das, was die zuständige Vertretung der beklagten Gemeinde ohnehin beschlossen hatte, was dann aber später aus welchen Gründen auch immer nicht richtig umgesetzt wurde.

Der vom Arbeitsgericht in dieser Frage eingenommene gegenteilige Rechtsstandpunkt wird vom Berufungsgericht nicht geteilt.

III.

Wegen des teilweisen Obsiegens des Klägers mit seinem Kündigungsschutzantrag, steht der Hilfsantrag, der auf dasselbe Interesse gerichtet ist, nicht zur Entscheidung an.

IV.

Bei der Kostenentscheidung hat das Gericht wegen des teilweisen Obsiegens des Klägers § 92 Absatz 1 ZPO angewendet.

Der von der Beklagten zu tragende Anteil der Kostenlast entspricht ihrem Unterliegensanteil im Rechtsstreit.

Nach der Entscheidung des Berufungsgerichts verlängert sich zwar die Kündigungsfrist lediglich um einen Monat. Da der gesamte Wert des Kündigungsrechtsstreits nur mit einem Quartalseinkommen bemessen wird (§ 42 Absatz 4 Satz 1 GKG), ergibt sich daraus – unter Mitberücksichtigung des in erster Instanz rechtskräftig abgewiesenen Weiterbeschäftigungsanspruchs – ein Unterliegen im Wertumfang von einem Viertel des gesamten Streitwerts.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision aus § 72 ArbGG sind nicht gegeben.