VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.06.2011 - 1 S 1509/11
Fundstelle
openJur 2012, 64361
  • Rkr:

1. Ein vor Einleitung eines förmlichen Bebauungsplanverfahrens eingereichtes initiierendes Bürgerbegehren, das auf einen Planungsverzicht gerichtet ist, zielt - soweit nicht bereits ein Grundsatzbeschluss des Gemeinderats vorliegt und es nicht den Festsetzungen des Flächennutzungsplans oder anderen übergeordneten planerischen Festsetzungen zuwiderläuft - auf eine bürgerentscheidsfähige Grundsatzentscheidung zur Gemeindeentwicklung.

2. Im einstweiligen Anordnungsverfahren wird in der Regel mit der vorläufigen Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens der Anspruch auf Durchführung des Bürgerentscheids hinreichend gesichert. Weitergehende sichernde Anordnungen sind im Einzelfall nur bei einem unmittelbar drohenden treuwidrigen Verhalten der Gemeinde erforderlich, d.h. zur Verhinderung von Maßnahmen des Bürgermeisters oder des Gemeinderats, die bei objektiver Betrachtung allein dem Zweck dienen, dem Bürgerbegehren, dessen Zulässigkeit vorläufig festgestellt wurde, die Grundlage zu entziehen.

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 11. Mai 2011 - 5 K 764/11 - aufgehoben, soweit das Verwaltungsgericht der Antragsgegnerin aufgegeben hat, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens einen Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplans für die Errichtung eines Lebensmittelmarktes auf den Doldenmatten zu unterlassen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die der Bürgerinitiative lebendiger Ortskern St. Peter angehörenden Antragsteller sind Mitunterzeichner eines am 09.11.2010 eingereichten Bürgerbegehrens zu der Frage: Sind Sie dafür, dass die Doldenmatten nicht für einen Lebensmittelmarkt vorgesehen werden? Zur Begründung wurde auf den Unterschriftenlisten ausgeführt: Die Gemeindeverwaltung von St. Peter beschäftigt sich mit dem Vorhaben eines Investors, einen Lebensmittelmarkt auf den Doldenmatten zu errichten. In anderen Orten hat die Verlagerung des Lebensmittelmarktes an den Ortsrand die Ortsentwicklung stark negativ beeinflusst und in der Folge die Lebensqualität für viele Bürger gemindert. Wir befürchten dies auch für St. Peter, möchten daher den Lebensmittelmarkt als wichtigen Teil des Versorgungsbereiches im Ortskern halten und fordern den Gemeinderat auf, diese wichtige Entscheidung den Bürgern zu übertragen.

Mit Bescheid vom 21.12.2010 lehnte die Antragsgegnerin auf der Grundlage des entsprechenden Gemeinderatsbeschlusses vom 20.12.2010 den Antrag auf Durchführung eines Bürgerentscheids mit der Begründung ab, dass der Ausschlusstatbestand des § 21 Abs. 2 Nr. 6 GemO erfüllt sei, weil bei positivem Ausgang im Sinne der Fragestellung eine bestimmte Planung verhindert werde. Auch die Entscheidung über das Ob einer Planung sei jedoch dem Gemeinderat vorbehalten.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 29.03.2011 wies das Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald die hiergegen eingelegten Widersprüche der Antragsteller als unbegründet zurück. Das Bürgerbegehren ziele auf die Vorwegnahme einer Abwägungsentscheidung über die bauplanungsrechtliche Nutzung eines Grundstücks. Dies widerspreche der gesetzgeberischen Absicht, bauleitplanerische Abwägungsprozesse dem Gemeinderat als Hauptorgan der Gemeinde zu überlassen.

Hiergegen haben die Antragsteller Klage erhoben und Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 11.05.2011 (- 5 K 764/11 - juris) vorläufig festgestellt, dass das am 09.11.2010 eingereichte Bürgerbegehren zulässig ist. Ferner hat es der Antragsgegnerin aufgegeben, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens 5 K 757/11 einen Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplans für die Errichtung eines Lebensmittelmarktes auf den Doldenmatten zu unterlassen.

Zur Begründung der hiergegen eingelegten Beschwerde trägt die Antragsgegnerin vor, der Ausschlusstatbestand des § 21 Abs. 2 Nr. 6 GemO sei erfüllt, weil mit dem Bürgerbegehren ein Planungsverzicht angestrebt werde. Dies verstoße auch gegen § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB. Des weiteren sei das Bürgerbegehren verfristet. Es richte sich gegen den in nichtöffentlicher Sitzung gefassten Gemeinderatsbeschluss vom 02.04.2007, in dem der Gemeinderat die geplante Erweiterung des Ladengeschäfts begrüßt und den eingebrachten Standort unterstützt habe. Dieser Beschluss sei hinreichend bekannt gemacht worden. Er sei in der Anlage des Protokolls des 9. Kommunalen Informationsabends vom 09.06.2008, einer Podiumsdiskussion zur Umsiedlung des Edeka-Lebensmittelmarkts, enthalten, an der einer der Antragsteller auf dem Podium teilgenommen habe. Bei dieser Veranstaltung sei der Beschluss öffentlich bekanntgegeben worden. Schließlich habe das Verwaltungsgericht der Antragsgegnerin zu Unrecht aufgegeben, einen Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplans für die Errichtung eines Lebensmittelmarktes auf den Doldenmatten zu unterlassen. Denn ein Bürgerbegehren habe selbst bei rechtskräftiger Feststellung seiner Zulässigkeit keine aufschiebende, die Gemeinde an der Fortführung ihres Projekts hindernde Wirkung. Die Antragsgegnerin sei daher rechtlich nicht gehindert, dem Bürgerbegehren entgegenstehende Maßnahmen zu ergreifen.

Die Antragsteller sind der Beschwerde entgegengetreten.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin sowie des Landratsamtes Breisgau-Hochschwarzwald verwiesen.II.

Die fristgerecht erhobene und begründete sowie inhaltlich den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechende Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, aber im Wesentlichen unbegründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die vorläufige Feststellung getroffen, dass das Bürgerbegehren zulässig ist (1.). Die auf Unterlassung eines Aufstellungsbeschlusses nach § 2 Abs. 1 BauGB gerichtete Anordnung kann demgegenüber keinen Bestand haben (2.).

1. a) Nach der neueren Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 27.04.2010 - 1 S 2810/09 - VBlBW 2010, 311; Beschl. v. 30.09.2010 - 1 S 1722/10 - VBlBW 2011, 26 und Beschl. v. 08.04.2011 - 1 S 303/11 - juris) schließt der Umstand, dass ein Bürgerbegehren keine aufschiebende Wirkung hat, die Stellung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die Durchführung eines Bürgerbegehrens bzw. Bürgerentscheids zu sichern, nicht aus. Zulässig ist eine vorläufige gerichtliche Feststellung, dass das Bürgerbegehren zulässig ist. Eine solche gerichtliche Entscheidung ist geeignet, die Position der Antragsteller zu verbessern. Mit der vorläufigen gerichtlichen Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens lässt sich zum einen ein Warneffekt für die Antragsgegnerin dahingehend erzielen, sich während der Dauer eines etwaigen Hauptsacheverfahrens der Risiken bewusst zu sein, die mit weiteren Vollzugsmaßnahmen einhergehen, wenn ihren Maßnahmen gegebenenfalls nachträglich die Grundlage entzogen wird und ihr hierdurch finanzielle Nachteile entstehen können. Zum anderen ist damit ein Appell für die Antragsgegnerin verbunden, auf die der Bürgerschaft nach § 21 Abs. 3 GemO zustehenden Kompetenzen bei ihrem weiteren Vorgehen Rücksicht zu nehmen.

Die begehrte vorläufige Feststellung der Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn die Zulässigkeit bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren mit solcher Wahrscheinlichkeit bejaht werden kann, dass eine gegenteilige Entscheidung im Hauptsacheverfahren praktisch ausgeschlossen werden kann und der mit dem Hauptsacheverfahren verbundene Zeitablauf voraussichtlich eine Erledigung des Bürgerbegehrens zur Folge hätte. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch müssen in einem das übliche Maß der Glaubhaftmachung übersteigenden deutlichen Grad von Offenkundigkeit auf der Hand liegen (Senatsbeschl. v. 27.04.2010, a.a.O.).

b) Daran gemessen ist ein Anordnungsgrund zu bejahen, weil ohne die erstrebte vorläufige Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens die Gefahr besteht, dass die Antragsgegnerin - ausgehend von ihrer Rechtsauffassung, das Bürgerbegehren sei unzulässig - in das förmliche Bebauungsplanverfahren eintreten und dieses zügig vorantreiben wird. Die Antragsgegnerin hat ihre Absicht bekundet, alsbald über einen Aufstellungsbeschluss (vgl. § 2 Abs. 1 BauGB) für einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan (vgl. § 12 BauGB) zu beraten und zu beschließen und damit das auf Erlass eines Bebauungsplans (vgl. § 10 Abs. 1 BauGB) gerichtete Verfahren einzuleiten. Dabei kann für die Frage des Vorliegens eines Anordnungsgrundes offenbleiben, ob bereits mit dem Aufstellungsbeschluss der Ausschlusstatbestand des § 21 Abs. 2 Nr. 6 GemO erfüllt wäre und dadurch das Bürgerbegehren unzulässig werden könnte. Jedenfalls steht zu erwarten, dass das Bebauungsplanverfahren, soweit der Senat nicht die vorläufige Feststellung des Verwaltungsgerichts über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens bestätigt, zügig vorangetrieben werden soll, so dass planungsrechtlich vollendete Tatsachen geschaffen werden könnten. Für den Fall, dass die Antragsgegnerin erst zu einem späteren Zeitpunkt im Hauptsacheverfahren rechtskräftig verpflichtet würde, das Bürgerbegehren für zulässig zu erklären, könnte bis dahin die verbindliche Planung soweit fortgeschritten sein, dass ein nachfolgender Bürgerentscheid, soweit er überhaupt noch rechtlich möglich wäre, jedenfalls angesichts vollendeter Tatsachen das Abstimmungsverhalten der Bürger beeinflussen und damit das Recht der Bürger wirkungslos machen würde. Zudem könnte das Ziel des Bürgerbegehrens bei Eintritt formeller und materieller Planreife durch Erteilung einer Baugenehmigung während der Planaufstellung gemäß § 33 BauGB unwiederbringlich gegenstandslos werden. Die ohne die vorläufige Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens ohne weiteres rechtlich zulässige Schaffung vollendeter Tatsachen käme daher einem drohenden Rechtsverlust gleich.

c) Die Antragsteller haben des Weiteren einen den oben genannten Anforderungen gerecht werdenden Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (vgl. § 123 Abs. 1 Satz 2 u. Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Nach § 21 Abs. 3 GemO kann die Bürgerschaft über eine Angelegenheit des Wirkungskreises der Gemeinde, für die der Gemeinderat zuständig ist, einen Bürgerentscheid beantragen (Bürgerbegehren). Ein Bürgerbegehren darf nur Angelegenheiten zum Gegenstand haben, über die innerhalb der letzten drei Jahre nicht bereits ein Bürgerentscheid aufgrund eines Bürgerbegehrens durchgeführt worden ist. Das Bürgerbegehren muss schriftlich eingereicht werden; richtet es sich gegen einen Beschluss des Gemeinderats, muss es innerhalb von sechs Wochen nach der Bekanntgabe des Beschlusses eingereicht sein. Das Bürgerbegehren muss die zur Entscheidung zu bringende Frage, eine Begründung und einen nach den gesetzlichen Bestimmungen durchführbaren Vorschlag zur Deckung der Kosten der verlangten Maßnahme enthalten. Es muss von mindestens 10 v.H. der Bürger unterzeichnet sein, höchstens jedoch in Gemeinden mit nicht mehr als 50.000 Einwohnern von 2.500 Bürgern.

aa) Die Schaffung der bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen für die Errichtung eines Lebensmittelmarktes im Gewann Doldenmatten ist eine Angelegenheit des Wirkungskreises der Gemeinde, die in die Zuständigkeit des Gemeinderats fällt. Angelegenheiten des Wirkungskreises der Gemeinde sind solche, die in der Gemeinde wurzeln oder einen spezifischen Bezug zu ihr haben und die von der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 GG umfasst sind (vgl. Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung für Baden-Württemberg, § 21 Rn. 3). Die Bauleitplanung zählt als Teil der kommunalen Planungshoheit zum eigenen Wirkungskreis der Gemeinden. Das schriftlich eingereichte Bürgerbegehren enthält auch die zur Entscheidung zu bringende Frage und eine ausreichende Begründung (vgl. zu den Anforderungen an die Begründung Senatsbeschl. v. 08.04.2011 - 1 S 303/11 - a.a.O. m.w.N.). Innerhalb der letzten drei Jahre ist ein Bürgerentscheid aufgrund eines Bürgerbegehrens zu der gleichen Frage nicht durchgeführt worden. Ein Vorschlag für die Deckung der Kosten war hier entbehrlich, da mit dem Bürgerbegehren ein Planungsverzicht begehrt wird. Mit 392 gültigen Unterschriften ist die erforderliche Anzahl von Unterzeichnern erreicht. Bei 1.952 Wahlberechtigten liegt das notwendige Quorum bei 196 Personen.

bb) Entgegen dem Beschwerdevorbringen steht die Ausschlussfrist des § 21 Abs. 3 Satz 3 GemO der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens nicht entgegen, weil es sich - wovon bislang auch die Antragsgegnerin und die Widerspruchsbehörde ausgegangen sind - nicht um ein gegen einen Gemeinderatsbeschluss vom 02.04.2007 gerichtetes kassatorisches Bürgerbegehren handelt. Dieser Gemeinderatsbeschluss, auf den sich die Antragsgegnerin erstmals im Beschwerdeverfahren beruft, entfaltet gegenüber dem streitgegenständlichen Bürgerbegehren keine Sperrwirkung gemäß § 21 Abs. 3 Satz 3 GemO. Der in nichtöffentlicher Sitzung unter TOP 7.3 Anfrage auf Unterstützung für Neubau Lebensmittelmarkt gefasste Beschluss lautet:

Der GR begrüßt die geplante Erweiterung des Ladengeschäftes und unterstützt den eingebrachten Standort. Aufgrund der Ortseingangslage und der guten Sichtbarkeit wird gebeten, das Bauvorhaben und die Außenanlagen anspruchsvoll und sorgfältig zu gestalten.

Dieser Beschluss wurde ausweislich einer Anlage zum Protokoll vom damaligen Bürgermeister der Antragsgegnerin auf dem 9. Kommunalen Informationsabend am 09.06.2008, einer Podiumsdiskussion zur Umsiedlung des Edeka-Lebensmittelmarkts, im Rahmen der einführenden Erläuterung des bisherigen Sachstandes erwähnt.

Mangels Verbindlichkeit dürfte es sich bei dem Gemeinderatsbeschluss vom 02.04.2007 nicht um einen weichenstellenden Grundsatzbeschluss im Sinne der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urt. v. 18.06.1990 - 1 S 657/90 - BWGZ 1992, 599; Beschl. v. 30.09.2010 - 1 S 1722/10 - a.a.O.; Beschl. v. 08.04.2011 - 1 S 303/11 - a.a.O.) handeln. Bereits aus dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Auszug aus der Niederschrift über die nichtöffentliche Gemeinderatssitzung vom 02.04.2007 ergibt sich, dass dem Gemeinderat lediglich eine informelle Anfrage des Edeka-Markt-Inhabers zur geplanten Erweiterung und Verlagerung seines Lebensmittelmarktes vorlag und dass es lediglich darum ging, im Gemeinderat ein unverbindliches Meinungsbild zu dem Vorhaben und zum Standort zu erheben. Bestätigt wird dies durch die eidesstattliche Versicherung des früheren Bürgermeisters der Antragsgegnerin vom 04.06.2011, in der dieser erläutert, dass es sich lediglich um eine unverbindliche Absichtserklärung gehandelt habe.

Selbst wenn man dies anders sehen wollte, würde es an der erforderlichen Bekanntmachung des Gemeinderatsbeschlusses fehlen. Zwar ist eine formelle Bekanntmachung entbehrlich. Vielmehr reicht es aus, wenn ohne formelle Bekanntmachung gewährleistet ist, dass der Bürger von der Beschlussfassung Kenntnis erlangen kann. Dem wird auch eine Veröffentlichung ihres wesentlichen Inhalts in der örtlichen Presse oder im redaktionellen Teil des Amtsblattes gerecht, die den Bürger hinreichend über den Inhalt des Beschlusses unterrichtet und ihm eine Entscheidung im Hinblick auf ein Bürgerbegehren ermöglicht (vgl. Senatsbeschl. v. 27.04.2010 - 1 S 2810/09 - a.a.O.). Vorliegend ist der in nichtöffentlicher Sitzung ergangene Gemeinderatsbeschluss vom 02.04.2007, der nicht formell bekanntgemacht wurde, zu keinem Zeitpunkt Gegenstand der örtlichen Presseberichterstattung gewesen. Eine Bekanntmachung ist auch nicht auf der Informationsveranstaltung am 09.06.2008 erfolgt. Ausweislich der eidesstattlichen Versicherung des früheren Bürgermeisters der Antragsgegnerin vom 04.06.2011 hat dieser auf der kommunalen Informationsveranstaltung am 09.06.2008 keinesfalls mitgeteilt, dass vom Gemeinderat ein verbindlicher Grundsatzbeschluss zum Edeka-Markt gefasst worden sei. In der Badischen Zeitung vom 07.06.2008 wurde der Informationsabend unter ausdrücklichem Hinweis darauf angekündigt, dass zu dem Thema noch keine Beschlüsse getroffen worden seien und noch alles offen sei. Am 13.06.2008 berichtete die Badische Zeitung ausführlich über den Ablauf des Informationsabends, ohne die von der Antragsgegnerin behauptete Bekanntmachung eines Gemeinderatsbeschlusses seitens des Bürgermeisters zu erwähnen. Am 09.07.2008 berichtete die Badische Zeitung schließlich, dass der Tagesordnungspunkt Aufstellung eines Bebauungsplans zur Errichtung eines Lebensmittelmarktes im Gewann Doldenmatten von der Gemeinderatssitzung am 07.07.2008 abgesetzt und nicht beraten worden sei. Bei dieser Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Bürgerschaft von dem Beschluss vom 02.04.2007 als einem verbindlichen Grundsatzbeschluss Kenntnis erlangen konnte.

cc) Das Bürgerbegehren ist nicht auf ein bundesrechtlich rechtswidriges Ziel gerichtet; es verstößt entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht gegen die abschließenden Regelungen zum materiellen Bauplanungsrecht im Baugesetzbuch. Das Baugesetzbuch gibt - als Bundesrecht - nicht vor, welches Gemeindeorgan für die Entscheidungen im Rahmen der Bauleitplanung zuständig ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.08.2000 - 4 CN 2.99 - DVBl 2000, 1861 = NVwZ 2001, 203; BayVGH, Urt. v. 28.05.2008 - 4 BV 07.1981 - BayVBl 2009, 245; W. Schrödter, in: Schrödter, BauGB, 7. Aufl., § 2 Rn. 6 m.w.N.; Mitschang, in: Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl., § 2 Rn. 2 d m.w.N.). Allerdings ist in jedem Fall zu prüfen, ob die konkrete Fragestellung eines Bürgerbegehrens mit den gesetzlichen Vorschriften des Bauplanungsrechts vereinbar ist. Insbesondere das in § 1 Abs. 7 BauGB verankerte Gebot, bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen, setzt der direktdemokratischen Einflussnahme auf die kommunale Bauleitplanung durch Bürgerentscheid rechtliche Grenzen (vgl. BayVGH, Urt. v. 28.05.2008 - 4 BV 07.1981 - a.a.O. m.w.N.). Denn während die planerische Abwägung nicht in einer einmaligen Entscheidung, sondern in einem dynamischen Prozess mit einer Kette gestufter Präferenzentscheidungen unter Abschichtung von Alternativen erfolgt, zielt der Bürgerentscheid mit seiner geschlossenen nur mit ja oder nein beantwortbaren Fragestellung auf eine Einzelentscheidung mit beschränkt bindender Wirkung (§ 21 Abs. 7 GemO).

Auch eine auf Einstellung von Bauleitplanverfahren, d.h. auf einen Planungsverzicht zielende Fragestellung ist grundsätzlich unproblematisch (vgl. BayVGH, Beschl. v. 19.03.2007 - 4 CE 07.416 - juris Rn. 23 m.w.N.) und verstößt insbesondere nicht gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB, solange sich die Planungsbefugnis der Gemeinde nicht ausnahmsweise zu einer Planungspflicht verdichtet hat (vgl. hierzu Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 1 Rn. 39 ff.). In erster Linie ist es Sache der Gemeinde, wie sie ihre Planungshoheit handhabt und welche Konzeption sie ihr zugrunde legt. Der Gesetzgeber ermächtigt die Gemeinde, diejenige Städtebaupolitik zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht. Die Gemeinde besitzt dazu ein sehr weites planerisches Ermessen (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O. Rn. 30 m.w.N.). Sie ist grundsätzlich nicht gehindert, ihre Planungsabsicht zu ändern und etwa von einer Bauleitplanung Abstand zu nehmen. Ebenso wenig ist sie verpflichtet, ein einmal begonnenes Planaufstellungsverfahren zu Ende zu führen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 26.06.1997 - 4 B 97.97 - NVwZ-RR 1998, 357; Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O. Rn. 39 m.w.N.).

Daran gemessen verstößt das streitgegenständliche Bürgerbegehren, welches auf einen Planungsverzicht gerichtet ist, nicht gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Das mit dem Bürgerbegehren verfolgte Ziel steht auch im Einklang mit den Vorgaben des gültigen Flächennutzungsplans, der das fragliche Gebiet nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten als Grünfläche bzw. landwirtschaftliche Fläche ausweist. Das Gebot, Bebauungspläne aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln (§ 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB), wird daher durch das Bürgerbegehren nicht tangiert. Der angestrebte Planungsverzicht bewegt sich innerhalb des durch den Flächennutzungsplan eröffneten planungsrechtlichen Rahmens.

Das in § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB normierte Verbot einer vertraglichen Bindung der Gemeinde hinsichtlich der Aufstellung eines (bestimmten) Bebauungsplans ist nicht einschlägig; es betrifft allein die Außenbindung der Kommune im Verhältnis zu Dritten und nicht die hier streitgegenständliche interne Willensbildung der Gemeinde unter Einbeziehung der Bürgerschaft mittels Bürgerentscheid (BayVGH, Beschl. v. 28.07.2005 - 4 CE 05.1961 - NVwZ-RR 2006, 208).

dd) Schließlich steht der Ausschlussgrund des § 21 Abs. 2 Nr. 6 GemO der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift findet ein Bürgerentscheid u.a. nicht statt über Bauleitpläne. Dieser Ausschlussgrund erfasst über den Wortlaut der Regelung hinaus grundsätzlich die Bauleitplanung im Sinne des § 1 BauGB und damit die wesentlichen Verfahrensabschnitte, die in dem Aufstellungsverfahren nach dem Baugesetzbuch zu durchlaufen sind. Grundsatzentscheidungen zur Gemeindeentwicklung im Vorfeld eines bauplanungsrechtlichen Verfahrens können jedoch zum Gegenstand eines Bürgerentscheids gemacht werden (vgl. Senatsbeschl. v. 20.03.2009 - 1 S 419/09 - NVwZ-RR 2009, 574; Urt. v. 22.06.2009 - 1 S 2865/08 - VBlBW 2009, 425). An dieser in der Literatur von unterschiedlicher Seite kritisierten Rechtsprechung hält der Senat fest. Im Einzelnen:

Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich eindeutig, dass nach Sinn und Zweck des Gesetzes nicht nur der Satzungsbeschluss über den Bebauungsplan, sondern grundsätzlich das gesamte förmliche Verfahren der Bauleitplanung einem Bürgerentscheid entzogen sein soll. Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung (LT-Drs. 13/4385, S. 18) erfordern Entscheidungen in den nach § 21 Abs. 2 Nr. 6 GemO genannten Bereichen vielschichtige Abwägungsprozesse. Diese Abwägungen sollen dem Gemeinderat als Hauptorgan der Gemeinde vorbehalten werden und nicht auf eine Ja-Nein-Fragestellung, die zwingend Gegenstand eines Bürgerentscheids sein müsste, reduziert werden. Noch deutlicher wird die gesetzgeberische Intention, wenn der Vorschlag des Gemeindetags im Gesetzgebungsverfahren mit dem Hinweis darauf nicht aufgegriffen wird, die im Gesetzentwurf verwendete Formulierung (Bauleitpläne und örtliche Bauvorschriften) decke die gewünschte Formulierung Verfahren zur Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Bauleitplänen bereits ab (vgl. LT-Drs. 13/485, S. 11).

Für eine in der Literatur teilweise vertretene enge Auslegung des Ausschlusstatbestandes, wonach dieser nur Bürgerentscheide über den Satzungsbeschluss als solchen (vgl. § 10 BauGB) umfassen soll (vgl. Geitmann, VBlBW 2007, 321), spricht demgegenüber lediglich der Wortlaut der Vorschrift, der jedoch der vom Senat vorgenommenen weiteren Auslegung, die entscheidend auf Sinn und Zweck der Vorschrift abstellt, nicht zwingend entgegensteht. Gegen eine enge Auslegung spricht zudem, dass der Ausschlussgrund dann keinen eigenständigen Regelungsgehalt aufwiese, weil sich, wie oben dargestellt, bereits aus den bundesrechtlichen Vorschriften des Baugesetzbuches, insbesondere aus dem bauplanungsrechtlichen Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB ergibt, dass der Satzungsbeschluss gemäß § 10 BauGB dem Gemeinderat vorbehalten bleiben muss (insoweit ebenso West, VBlBW 2010, 389 ).

Grundsatzentscheidungen zur Gemeindeentwicklung im Vorfeld des förmlichen Verfahrens der Bauleitplanung können jedoch zum Gegenstand eines Bürgerentscheids gemacht werden. Sie werden nicht vom Ausschlussgrund des § 21 Abs. 2 Nr. 6 GemO erfasst (vgl. LT-Drs. 13/4385 sowie ferner die Antwort der Landesregierung auf eine Große Anfrage der Fraktion GRÜNE, LT-Drs. 14/2311, S. 8). Um eine derartige Grundsatzentscheidung geht es hier.

Der Begriff der Grundsatzentscheidung im Vorfeld ist zum einen sachlich zu verstehen, er weist aber auch eine zeitliche Komponente auf (insoweit a.A. Löbbecke, VBlBW 2009, 253 , der den Begriff allein sachlich abgrenzen will).

In sachlicher Hinsicht umfasst der Begriff grundsätzliche Sachentscheidungen und Richtungsentscheidungen zur Bauleitplanung. Hingegen sind die inhaltlichen Vorgaben der Bauleitplanung im Detail und das förmliche Verfahren der Bauleitplanung Sache des Gemeinderats. Entscheidungen über das Ob einer Planung sind typischerweise derartige Grundsatzentscheidungen. Die Frage etwa, ob die Gemeinde in einem bestimmten Bereich eine Gewerbeansiedlung zulassen will, ist eine primär politische Entscheidung im Rahmen der Planungshoheit der Gemeinde (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O. Rn. 30 m.w.N.). Genau solche politischen Grundsatzentscheidungen, bei denen der Bürger lediglich entscheiden muss, ob er für oder gegen die Planung stimmt, sind für ein Bürgerbegehren eröffnet (so zutreffend Löbbecke, a.a.O. S. 255; in diesem Sinne auch die Stellungnahme des Innenministeriums BW vom 22.11.2005 an die Gemeinde Bad Wurzach, BW Woche 2005, Nr. 27 S. 12). Soweit in der Literatur demgegenüber vertreten wird, die Ausschlussklausel erfasse auch im Vorfeld eines förmlichen Bauleitplanverfahrens alle den Gemeinderat in einem möglichen späteren Bauleitplanverfahren bindenden Entscheidungen durch die Bürgerschaft (so West, VBlBW 2010, 389 ; ähnlich Burmeister/Wortha, VBlBW 2009, 412 ), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Nach dieser Auffassung hätte die Bürgerschaft auch im Vorfeld der Bauleitplanung keinerlei echte Entscheidungskompetenz, sondern dürfte nur - ohne rechtliche Bindungswirkung - unverbindlich ihre Meinung zu einer planerischen Grundsatzfrage kundtun. Ein Bürgerentscheid über eine planerische Grundsatzfrage hätte danach keine weitergehenden Wirkungen als eine unverbindliche Bürgerbefragung. Eine solche Auslegung entfernt sich zu weit vom Wortlaut des § 21 Abs. 2 Nr. 6 GemO und ist auch nach Sinn und Zweck der Regelung nicht geboten. Sie lässt sich auch mit der Grundkonzeption des Gesetzes, welches mit dem Instrument des Bürgerentscheids die unmittelbare Demokratie stärken und den Bürgern echte Entscheidungskompetenzen einräumen will, nicht vereinbaren.

In zeitlicher Hinsicht stellt der Aufstellungsbeschluss nach § 2 Abs. 1 BauGB eine Zäsur dar, weil mit ihm in das förmliche Bebauungsplanverfahren eingetreten wird, welches nach Sinn und Zweck des Gesetzes einem Bürgerentscheid entzogen sein soll (vgl. Senatsbeschl. v. 20.03.2009 - 1 S 419/09 - a.a.O.; zur abweichenden Rechtslage in Bayern - unbegrenzte Zulässigkeit in zeitlicher Hinsicht - vgl. BayVGH, Beschl. v. 19.03.2007 - 4 CE 07.416 - a.a.O.). Es spricht daher vieles dafür, dass initiierende Bürgerbegehren zum Ob eines Vorhabens ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zulässig sind. Dies bedarf allerdings auch im vorliegenden Verfahren keiner abschließenden Klärung, weil das in sachlicher Hinsicht auf eine planerische Grundsatzentscheidung gerichtete initiierende Bürgerbegehren vor Einleitung des förmlichen Bebauungsplanverfahrens eingereicht wurde.

2. Die Beschwerde ist jedoch begründet, soweit sie auf die Aufhebung der verwaltungsgerichtlichen Anordnung gerichtet ist, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens einen Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplans für die Errichtung eines Lebensmittelmarktes auf den Doldenmatten zu unterlassen. Für eine derartige über die vorläufige Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens hinausgehende Anordnung zum Zweck der Sicherung des Anspruchs auf Durchführung des Bürgerentscheids sieht der Senat keinen Anlass. Insoweit fehlt es jedenfalls an dem erforderlichen Anordnungsanspruch.

Dies folgt freilich nicht bereits daraus, dass ein Bürgerbegehren nach § 21 GemO selbst bei rechtskräftiger Feststellung seiner Zulässigkeit keine aufschiebende, die Gemeinde an der Fortführung ihres Projekts hindernde Wirkung hat (vgl. Senatsbeschl. v. 27.04.2010 - 1 S 2810/09 - a.a.O. m.w.N.; anders z. B. § 26 Abs. 6 Satz 5 GemO NRW i.d. seit dem 17.10.2007 geltenden Fassung für Bürgerbegehren, deren Zulässigkeit der Gemeinderat festgestellt hat) und dass Bestrebungen, in der Gemeindeordnung Baden-Württemberg eine entsprechende Schutz- bzw. Sperrwirkung wie in anderen Bundesländern vorzusehen (vgl. LT-Drs. 13/4263), auch in der geänderten Fassung des Gesetzes vom 28.07.2005 (GBl. S. 578 ff.) keinen Niederschlag gefunden haben.

Denn der Umstand, dass ein Bürgerbegehren keine aufschiebende Wirkung hat, schließt die Stellung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die Durchführung eines Bürgerbegehrens bzw. Bürgerentscheids zu sichern, gerade nicht aus. Inhalt der einstweiligen Anordnung ist dabei im Regelfall die vorläufige Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens.

Ein Anlass für weitergehende sichernde Anordnungen, die im Einzelfall zulässig sein können (vgl. Senatsbeschl. v. 27.04.2010 - 1 S 2810/09 - a.a.O.), besteht vorliegend entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht. Voraussetzung dafür wäre ein unmittelbar drohendes treuwidriges Verhalten der Gemeinde, welches allein dem Zweck dient, dem Bürgerbegehren die Grundlage zu entziehen (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 19.03.2004 - 15 B 522/04 - NVwZ-RR 2004, 519 und Beschl. v. 06.12.2007 - 15 B 1744/07 - DVBl 2008, 120; HessVGH, Beschl. v. 17.11.2008 - 8 B 1806/08 - NVwZ-RR 2009, 442; VG Stuttgart, Urt. v. 17.07.2009 - 7 K 3229/08 - VBlBW 2009, 432 = juris Rn. 106; Burmeister/Wortha, a.a.O. S. 415). Die Gemeindeorgane unterliegen den Handlungsschranken, die sich aus dem im Staatsrecht entwickelten und auf das Verhältnis der Gemeindeorgane zur Bürgerschaft im Rahmen eines Bürgerbegehrens übertragbaren Grundsatz der Organtreue ergeben. Dieser verpflichtet hier die Gemeindeorgane, sich so gegenüber dem Bürgerbegehren zu verhalten, dass dieses seine gesetzlich eröffnete Entscheidungskompetenz ordnungsgemäß wahrnehmen kann, mit anderen Worten, dass bei der Ausübung der gemeindlichen Kompetenzen von Rechts wegen auf die Willensbildung der Bürgerschaft im Rahmen eines Bürgerbegehrens Rücksicht zu nehmen ist. Ein in diesem Sinne treuwidriges Handeln eines Gemeindeorgans setzt jedoch voraus, dass dessen Handeln - sei es in der Sache selbst oder hinsichtlich des dafür gewählten Zeitpunkts - bei objektiver Betrachtung nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist, sondern allein dem Zweck dient, dem Bürgerbegehren die Grundlage zu entziehen und damit eine Willensbildung auf direkt-demokratischem Wege zu verhindern (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 19.03.2004 - 15 B 522/04 - a.a.O. und Beschl. v. 06.12.2007 - 15 B 1744/07 - a.a.O.).

Daran gemessen ist die Antragsgegnerin vorliegend ungeachtet der vorläufigen Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens nicht gehindert, ihre Planungen weiterzuverfolgen und in das förmliche Bebauungsplanverfahren einzutreten. Ein Aufstellungsbeschluss hätte in der vorliegenden Konstellation eines bei Einreichung zulässigen initiierenden Bürgerbegehrens nicht zur Folge, dass dieses Bürgerbegehren nachträglich unzulässig würde und ein Bürgerentscheid nicht mehr möglich wäre. Durch den Aufstellungsbeschluss würden keine unumkehrbaren Fakten geschaffen. Er würde, falls die Bürgerschaft sich im Bürgerentscheid dafür ausspricht, dass die Doldenmatten nicht für einen Lebensmittelmarkt vorgesehen werden, gegenstandslos und könnte vom Gemeinderat wieder aufgehoben werden. Der Grundsatz der Organtreue steht nur solchen Maßnahmen entgegen, die einen Bürgerentscheid endgültig vereiteln würden. Die Antragsgegnerin ist daher aufgrund der vorläufigen Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens, die angesichts des strengen materiellen Prüfungsmaßstabs einer endgültigen Feststellung im Hauptsacheverfahren nahekommt, gehindert, das Bebauungsplanverfahren bis zum Eintritt der Planreife im Sinn von § 33 Abs. 1 BauGB voranzutreiben. Denn bereits mit Eintritt der Planreife hat der Investor einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung nach § 58 Abs. 1 LBO i.V.m. § 33 Abs. 1 BauGB, wenn das Vorhaben den Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Dadurch könnte dem Bürgerentscheid die Grundlage entzogen werden. Dass die Antragsgegnerin unter Missachtung der Rechtsauffassung des Senats derartiges plant, ist nicht ersichtlich. Vielmehr ergibt sich aus dem im amtlichen Mitteilungsblatt der Antragsgegnerin vom 09.06.2011 bekanntgegebenen Gemeinderatsbeschluss vom 06.06.2011, dass die Antragsgegnerin beabsichtigt, die vorliegende Beschwerdeentscheidung bei ihrem weiteren Vorgehen zu beachten. Bereits die rechtlich unbedenkliche Beratung und Beschlussfassung über die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans ist danach nur im Falle einer Entscheidung des VGH zugunsten der Gemeinde beabsichtigt.III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Da der Senat davon ausgeht, dass die Durchführung des Bürgerentscheids hier mit der vorläufigen Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens im Wege der einstweiligen Anordnung hinreichend gesichert ist, unterliegen die Antragsteller nur zu einem geringen Teil und es entspricht billigem Ermessen, ihnen keine Kosten aufzuerlegen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Eine Reduzierung des Auffangstreitwerts im vorliegenden Eilverfahren kommt nicht in Betracht, weil mit Blick auf den strengen materiellen Prüfungsmaßstab die Entscheidung faktisch einer Vorwegnahme der Hauptsache nahe kommt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).