Niedersächsisches OVG, Urteil vom 02.11.2010 - 4 KN 230/09
Fundstelle
openJur 2012, 51264
  • Rkr:

Wendet sich der Eigentümer eines in einem Naturschutzgebiet gelegenen Grundstücks mit seinem Normenkontrollantrag gegen eine Regelung, die das Klettern auf Felsen von naturschutzrechtlichen Verboten freistellt, ohne dass dem Eigentümer insoweit Duldungspflichten auferlegt werden, fehlt es an der erforderlichen Antragsbefugnis für den Normenkontrollantrag.

Tatbestand

Die Antragstellerinnen wenden sich gegen die Verordnung über das Naturschutzgebiet „Selterklippen“ in der Samtgemeinde Freden, Landkreis Hildesheim, und in der Stadt Einbeck und der Gemeinde Kreiensen, Landkreis Northeim, soweit die Verordnung das Klettern an vor Ort gekennzeichneten Felsen in kartografisch dargestellten Kletterbereichen von den naturschutzrechtlichen Verboten in dem Naturschutzgebiet freistellt.

Am 23. März 2009 erließ der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz die Verordnung über das Naturschutzgebiet „Selterklippen“ - VO -, die im Niedersächsischen Ministerialblatt Nr. 13 vom 1. April 2009 veröffentlicht wurde. Das Naturschutzgebiet, das eine Größe von ca. 96 ha hat, erstreckt sich auf in der Samtgemeinde Freden, Landkreis Hildesheim, und der Stadt Einbeck sowie der Gemeinde Kreiensen, Landkreis Northeim, gelegene Flächen. Bei dem „Selter“ handelt es sich um einen schmalen, von Nordwest nach Südost verlaufenden bewaldeten Höhenzug im Alfelder Bergland. Das Naturschutzgebiet erfasst den mittleren und südlichen Teil des Selters mit einer Länge von ca. 6 km und liegt innerhalb des FFH-Gebietes Nr. 169 „Laubwälder und Klippenbereiche im Selter, Hils und Greener Wald“, das durch die Entscheidung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 13. November 2007 (Abl. EU Nr. L 12 v. 15.1.2008, S. 383) unter der Gebietsnummer DE4024-332 in die erste aktualisierte Liste von Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung in der kontinentalen biogeografischen Region gemäß Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 - FFH-Richtlinie - (Abl. EG Nr. L 206 v. 22.7.1992, S. 7) mit späteren Änderungen aufgenommen worden ist.

Allgemeiner Schutzzweck für das Naturschutzgebiet ist gemäß § 2 Abs. 2 VO die Erhaltung, Pflege und naturnahe Entwicklung der „Selterklippen“ als Lebensstätte schutzbedürftiger Tier- und Pflanzenarten – insbesondere der Wildkatze, des Wanderfalken und des Uhus – und ihrer Lebensgemeinschaften sowie als Landschaft von großer Seltenheit, besonderer Eigenart, Vielfalt und herausragender Schönheit. Nach § 2 Abs. 3 VO ist das Naturschutzgebiet „Selterklippen“ Teil des Europäischen Ökologischen Netzes „Natura 2000“ und dient die Unterschutzstellung der Erhaltung des Gebietes als FFH-Gebiet. Besonderer Schutzzweck für das Naturschutzgebiet im FFH-Gebiet ist nach § 2 Abs. 4 Nr. 1 VO die Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands durch den Schutz und die Entwicklung insbesondere von naturnahen Schlucht- und Hangmischwäldern im Komplex mit Kalkfelsbiotopen und ihren gut entwickelten Farn- und Moosgesellschaften, Höhlen und naturnahen Waldmeister-Buchenwäldern, u.a. als Fledermausquartiere. Nach dem besonderen Schutzzweck gemäß § 2 Abs. 4 Nr. 2 VO sollen insbesondere die in Anhang I der FFH-Richtlinie aufgeführten Lebensraumtypen „9180 Schlucht- und Hangmischwald (Tilio-Acerion)“, „8210 Kalkfelsen mit Felsspaltenvegetation“, „8310 Nicht touristisch erschlossene Höhlen“ und „9130 Waldmeister-Buchenwald (Asperulo-Fagetum)“ sowie eine vitale, langfristig überlebensfähige Population der in Anhang II der FFH-Richtlinie aufgeführten Tierart „Großes Mausohr (Myotis myotis)“ erhalten und gefördert werden.

Nach § 3 Abs. 1 VO sind gemäß § 24 Abs. 2 des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes - NNatG - im Naturschutzgebiet alle Handlungen verboten, die das Naturschutzgebiet oder einzelne seiner Bestandteile zerstören, beschädigen oder verändern, sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist. Zudem sieht § 3 Abs. 2 Satz 1 VO vor, dass gemäß § 24 Abs. 2 NNatG das Naturschutzgebiet außerhalb der Wege nicht betreten oder auf sonstige Weise aufgesucht werden darf. Darüber hinaus verbietet § 3 Abs. 3 VO einzelne aufgeführte Handlungen, die das Naturschutzgebiet oder einzelne seiner Bestandteile gefährden oder stören können, u.a. wild lebende Tiere oder die Ruhe der Natur durch Lärm oder auf andere Weise zu stören (Nr. 2) sowie zu zelten, zu lagern und offenes Feuer, wie Lagerfeuer, zu entzünden (Nr. 3). Von den vorgenannten Verboten werden bestimmte Handlungen gemäß § 4 VO freigestellt. Nach § 4 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 VO ist allgemein freigestellt das Klettern ausschließlich an den vor Ort gekennzeichneten Felsen in den in der maßgeblichen Karte dargestellten Kletterbereichen mit der Maßgabe, dass Vegetation nicht beseitigt wird (a.) und der gesetzliche Schutz nach § 37 Absatz 4 NNatG unberührt bleibt (b.). § 4 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 VO bestimmt ferner, dass die Kennzeichnung der Felsen mit Zustimmung der zuständigen Naturschutzbehörde erfolgt. In der der Verordnung anliegenden maßgeblichen Karte im Maßstab 1:5000 (im Ministerialblatt nicht abgedruckt) sind drei Kletterbereiche kartografisch dargestellt. Der nördliche Kletterbereich (am Kohlberg) hat eine Länge von ca. 50 m, der weiter südlich gelegene Kletterbereich (Fredener Klippen) eine Länge von ca. 300 m. Im südlichen Teil des Naturschutzgebiets im Bereich Erzhausener Klippen befindet sich ein weiterer Kletterbereich mit einer Länge von etwa 850 m. Die drei Kletterbereiche sind jeweils etwa 100 bis 125 m breit und haben insgesamt eine Größe von ca. 12 ha.

Die Antragstellerinnen sind Eigentümerinnen von im Naturschutzgebiet gelegenen Forstflächen, die sie bewirtschaften. Es handelt sich dabei um Privatwald als Genossenschaftswald im Alleineigentum eines Realverbandes im Sinne des niedersächsischen Realverbandsgesetzes. Die Flächen der Antragstellerin zu 1. erstrecken sich u.a. auf den nördlichen Teil des Naturschutzgebietes, in dem zwei der kartografisch dargestellten Kletterbereiche (am Kohlberg und Fredener Klippen) liegen. Die Flächen der Antragstellerin zu 2. befinden sich im südlichen Teil des Naturschutzgebietes, in dem der südlich gelegene Kletterbereich (Erzhausener Klippen) liegt.

Die Antragstellerinnen haben am 25. August 2009 einen Normenkontrollantrag gestellt, mit dem sie sich gegen die Freistellung des Kletterns von naturschutzrechtlichen Verboten durch § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO wenden.

Zur Begründung ihres Antrags tragen sie im Wesentlichen vor: Ihr Antrag sei zulässig. Sie seien antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, da sie eine Verletzung ihres Eigentumsrechts geltend machen könnten. § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO erkläre Nutzungen ihres Eigentums für zulässig, die durch das allgemeine forstrechtliche Betretungsrecht ihrer Flächen nicht gedeckt seien. Außerdem enthalte § 4 VO Einschränkungen hinsichtlich der Bewirtschaftung ihrer Flächen, indem beispielsweise der Einsatz bestimmter Baumarten und eine Nutzung ausschließlich durch Einzelstammentnahme geregelt würden. Ihr Antrag sei zudem gegen den richtigen Antragsgegner gerichtet, da die Antragsgegner zu 1. und 2. als untere Naturschutzbehörden gemäß § 55 NNatG i.V.m. der ZuStVO-Naturschutz für die Änderung und Aufhebung der Verordnung zuständig seien. In einem Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt und Klimaschutz vom 13. Mai 2009 sei zwar geregelt, dass für die Änderung oder Aufhebung der Verordnung über das Naturschutzgebiet „Selterklippen“, von deren Geltungsbereich mehrerer kommunale Gebietskörperschaften betroffen sind, allein der Antragsgegner zu 1. zuständige untere Naturschutzbehörde sei. Die Behördenzuständigkeit könne aber nicht durch interne Schreiben ohne öffentliche Bekanntgabe wirksam geändert werden. Der Normenkontrollantrag sei auch begründet. Mit der Freistellung des Kletterns durch § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO würden sie in ihren Eigentumsrechten verletzt. Sie seien durch die Regelung verpflichtet, auf ihren Grundstücken die Ausübung des Klettersportes zu dulden. Der alpine Klettersport sei jedoch nicht von dem allgemeinen forstrechtlichen Betretungsrecht nach § 23 Abs. 1 NWaldLG gedeckt. Die Zulassung des Sportkletterns gehöre auch nicht zu den naturschutzbezogenen Duldungspflichten, die den Eigentümern im Rahmen einer Verordnung über eine Schutzgebietsausweisung auferlegt werden könnten. Selbst wenn man die Bestimmung über das Klettern allein als Befreiung von naturschutzrechtlichen Verboten verstünde, würde ihnen die Möglichkeit genommen werden, ihre Eigentumsrechte gegenüber Kletterern wahrzunehmen. Denn weder Kletterer noch Ordnungsbehörden würden in der Praxis eine Differenzierung danach vornehmen, dass das Klettern im Bereich der Verordnung naturschutzrechtlich erlaubt, zivilrechtlich aber unzulässig sei. Im Übrigen sei die Freistellung des Kletterns nicht mit dem vorrangigen europäischen Naturschutzrecht vereinbar. Die Mitgliedstaaten seien gemäß Art. 6 Abs. 2 FFH-RL verpflichtet, die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden seien, zu vermeiden. Ausnahmen, die eine erhebliche Beeinträchtigung der Schutzgüter beinhalten, seien nur unter definierten Voraussetzungen zulässig, die hier nicht vorlägen. Die Zulassung des Sportkletterns beeinträchtige vielmehr in erheblicher Weise den hier geschützten prioritären Lebensraumtyp „Schlucht- und Hangmischwälder“ sowie die Lebensraumtypen „Kalkfelsen mit Felsspaltenvegetation“ sowie „Nicht touristisch erschlossene Höhlen“. Darüber hinaus berücksichtige die getroffene Regelung nicht hinreichend die artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände nach dem Bundesnaturschutzgesetz und den diesen Vorschriften zugrunde liegenden Regelungen der Art. 12 und 16 FFH-RL bzw. Art. 5 und 9 der Vogelschutzrichtlinie - VRL -. Insbesondere fehlten hinreichende zeitliche Einschränkungen für das Klettern. Mit dem Hinweis auf § 37 Abs. 4 NNatG werde lediglich vorgegeben, dass in der Zeit vom 1. Februar bis 30. September in der freien Natur und Landschaft Bäume und Felsen mit Horsten oder Bruthöhlen nicht bestiegen und solche Bäume nicht gefällt werden dürften. Erforderlich sei jedoch ein Totalverbot des Kletterns zu bestimmten Zeiten, wie es in anderen Naturschutzgebietsverordnungen vorgesehen sei.

Die Antragstellerinnen beantragen,

§ 4 Abs. 2 Nr. 4 der Verordnung über das Naturschutzgebiet „Selterklippen“ in der Samtgemeinde Freden, Landkreis Hildesheim, und in der Stadt Einbeck und der Gemeinde Kreiensen, Landkreis Northeim, vom 23. März 2009 für unwirksam zu erklären.

Der Antragsgegner zu 1. beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er erwidert: Zuständige Behörde für die Änderung und Aufhebung der hier streitgegenständlichen Naturschutzgebietsverordnung sei nach Maßgabe des Erlasses vom 13. Mai 2009 des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt und Klimaschutz allein er, so dass der Antrag gegen den Antragsgegner zu 2. nicht gegen die zuständige Behörde gerichtet sei. Der Sache nach verstoße die Regelung des § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO nicht gegen höherrangiges Naturschutzrecht. Die Regelung sei vielmehr das Ergebnis einer umfassenden Abwägung der Interessen des Naturschutzes, der betroffenen Grundstückseigentümer sowie der ebenfalls bedeutsamen Interessen der Sportkletterer gegeneinander im Rahmen des Aufstellungsverfahrens zur Verordnung. Eine Verletzung von Eigentumsrechten der Antragstellerinnen liege nicht vor, da es zur Umsetzung der Freistellung in § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen Kletterverbänden und den Eigentümern bedürfe und das alpine Klettern daher ohne Zustimmung der Eigentümer im Naturschutzgebiet nicht zulässig sei.

Der Antragsgegner zu 2. hat unter Hinweis auf seine nicht gegebene Zuständigkeit schriftsätzlich (sinngemäß) beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge über den Erlass der Naturschutzgebietsverordnung (Beiakten A - I) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Der Normenkontrollantrag ist unzulässig.

Der Antrag ist zwar statthaft, da die Verordnung des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz vom 23. März 2009 gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 7 Nds. AG VwGO der Normenkontrolle durch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht unterliegt.

Die Antragstellerinnen haben auch die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gewahrt, indem sie am 25. August 2009 und damit innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Verordnung im Niedersächsischen Ministerialblatt Nr. 13 vom 1. April 2009 ihren Normenkontrollantrag beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht eingereicht haben.

19Den Antragstellerinnen fehlt jedoch die Antragsbefugnis für den von ihnen gestellten Antrag.

Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Antrag jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Insofern ist es ausreichend, aber auch erforderlich, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die zur Prüfung gestellte Rechtsnorm in einem subjektiven Recht verletzt wird (BVerwG, Urt. v. 17.12.1998 - 1 CN. 1.98 -, BVerwGE 108, 182, 184; Nds. OVG, Urt. v. 13.12.2001 - 8 KN 38/01 - und v. 28.9.2003 - 8 KN 2072/01-; ferner Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: November 2009, § 47 Rn 44; jeweils m.w.N.). Diese Möglichkeit scheidet hier jedoch offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise aus.

Wird ein Grundstück in ein Naturschutzgebiet einbezogen, kann der Eigentümer geltend machen, durch die sich aus der Unterschutzstellung ergebenden Ver- und Gebote in seinem Eigentumsrecht verletzt zu sein. Denn mit der Unterschutzstellung als Naturschutzgebiet unterliegt die private Nutzung des Eigentums verschiedenen Beschränkungen, so dass die Möglichkeit einer Eigentumsverletzung nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. nur Senatsurt. v. 1.4.2008 - 4 KN 57/07 -, NVwZ-RR 2008, 602). Hier wenden sich die Antragstellerinnen jedoch nicht gegen die Unterschutzstellung und die sich aus den § 24 Abs. 2 NNatG und § 3 VO ergebenden Verbote, sondern stellen allein die Freistellung von diesen Verboten nach § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO zur Überprüfung. Aus diesem Grund können die Antragstellerinnen das Vorliegen ihrer Antragsbefugnis nicht damit begründen, dass sie durch die Verordnung in ihren Möglichkeiten der Bewirtschaftung ihrer Flächen eingeschränkt seien und die im Rahmen der Freistellung der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft im Naturschutzgebiet vorgenommene Festlegung bestimmter Maßgaben in § 4 Abs. 3 VO sie beeinträchtige. Denn zu dem Umfang der Bewirtschaftungsmöglichkeiten ihres Eigentums verhält sich die allein zur Überprüfung gestellte Bestimmung des § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO nicht. Diese Vorschrift befreit vielmehr lediglich das Klettern unter den dort genannten Maßgaben von naturschutzrechtlichen Schutzbestimmungen, die sich aus der Unterschutzstellung des „Selter“ als Naturschutzgebiet ergeben.

Eine Antragsbefugnis können die Antragstellerinnen auch nicht damit begründen, dass sie durch die teilweise Freistellung des Kletterns in § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO in ihren Eigentumsrechten verletzt würden. Die Antragstellerinnen übersehen, dass § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO das Klettern allein von den naturschutzrechtlichen Schutzbestimmungen und nicht von sonstigen, insbesondere zivilrechtlichen Bestimmungen freistellt. Dieses geht unmissverständlich aus § 4 Abs. 1 VO hervor, wonach die in den Absätzen 2 und 3 dieser Vorschrift aufgeführten Handlungen - damit auch das hier in § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO geregelte Klettern - von den Regelungen des § 24 Abs. 2 NNatG und des § 3 VO freigestellt sind und keiner naturschutzrechtlichen Befreiung bedürfen. § 4 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 VO kann auch - ebenso wie anderen Bestimmungen der Verordnung - nicht entnommen werden, dass die Eigentümer der von der Schutzgebietsausweisung betroffenen Gebiete eine Nutzung ihrer Grundstücke, die über das Betretensrecht nach § 23 Abs. 1 NWaldLG hinausgeht, zu dulden haben. Da § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO demnach das Klettern allein von den naturschutzrechtlichen Verboten suspendiert und den Eigentümern keine Duldungspflichten auferlegt werden, so dass Kletterer die Grundstücke der Antragstellerinnen nach der Unterschutzstellung nicht im stärkeren Maße als bisher nutzen können, scheidet die Möglichkeit einer Verletzung ihres nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentumsrechts durch § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO von vornherein aus.

Eine Antragsbefugnis ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Antragstellerinnen, dass die Freistellung nach § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO jedenfalls faktisch zu einer Verletzung ihrer Eigentumsrechte führen werde, da weder Kletterer noch Ordnungsbehörden in der Praxis beachten würden, dass das Klettern lediglich naturschutzrechtlich erlaubt, zivilrechtlich aber verboten sei. Für die Möglichkeit einer Rechtsverletzung durch die zur Überprüfung gestellte Norm ist nämlich entscheidend, ob diese in ihr selbst angelegt ist („durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung“, vgl. dazu Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 47 Rn 49 ff.). Zwar fehlt es in der Verordnung insoweit an einem ausdrücklichen Hinweis in § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO, dass das Klettern in den durch die Naturschutzgebietsverordnung dargestellten Kletterbereichen nicht gegen den Willen der betroffenen Grundstückseigentümer erfolgen kann. Eines solchen Hinweises bedurfte es jedoch nicht, da die Verordnung in § 4 Abs. 1 VO unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO das Klettern allein von naturschutzrechtlichen Schutzbestimmungen freistellt. Sowohl aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 VO als auch durch den Regelungszweck der Naturschutzgebietsverordnung „Selterklippen“, naturschutzrechtliche Schutzbestimmungen zu erlassen, wird hinreichend deutlich, dass § 4 Abs. 2 Nr. 4 VO nicht von der Einhaltung von Betretensverboten, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, suspendiert. Abgesehen davon ist auch nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner zu 1. die Rechte der Antragstellerinnen als Grundstückseigentümerinnen nicht beachten wird. Dieser hat vielmehr sowohl im Ausweisungsverfahren als auch im gerichtlichen Verfahren betont, dass er seine nach § 4 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 VO vorgesehene Zustimmung zur Kennzeichnung von Felsen davon abhängig mache, dass die betroffenen Eigentümer einer Kennzeichnung ebenfalls zustimmen.

Die Antragstellerinnen können eine Antragsbefugnis schließlich auch nicht damit begründen, dass die Ausweisung des Naturschutzgebietes „Selterklippen“ ohne eine (naturschutzrechtliche) Freistellung für das Klettern hätte erfolgen müssen, weil diese sachlich nicht gerechtfertigt sei. Das Interesse am Naturschutz ist nämlich ein öffentliches Gemeinwohlinteresse und kein rechtlich geschütztes Interesse Einzelner (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 47 Rn 52). Soweit sich durch die Naturschutzgebietsausweisung Vorteile für die Antragstellerinnen dahingehend ergeben, dass bestimmte Handlungen aus naturschutzrechtlichen Gründen im Naturschutzgebiet untersagt sind, handelt es sich um einen sog. Rechtsreflex, der keine Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO vermittelt. Die Antragstellerinnen können folglich eine Antragsbefugnis nicht damit begründen, dass sie dadurch in ihren Rechten verletzt würden, dass in der Naturschutzverordnung vorgesehene Freistellungen von naturschutzrechtlichen Verboten inhaltlich zu weit reichten und dem öffentlichen Interesse am Naturschutz zuwider liefen.

Soweit sich der Antrag der Antragstellerinnen gegen den Antragsgegner zu 2. richtet, ist dieser nicht gegen den richtigen Antragsgegner gerichtet und auch aus diesem Grund unzulässig.

Nach § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO ist der Antrag gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, die die Rechtsvorschrift erlassen hat. Ändert sich nach dem Erlass der Rechtsvorschrift die Zuständigkeit zum Erlass der Norm, ist der Antrag indessen gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, die zur Änderung oder Aufhebung der Norm befugt ist (vgl. Senatsurt. v. 1.4.2008 - 4 KN 57/07 -, NVwZ-RR 2008, 602). Ein solcher Fall liegt hier vor.

Das Niedersächsische Ministerium für Umwelt und Klimaschutz hat als oberste Naturschutzbehörde (§ 54 Abs. 2 NNatG) mit Erlass vom 25. Februar 2009 den Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz gemäß § 55 Abs. 3 NNatG zur zuständigen Landesbehörde für den Erlass der Verordnung über das Naturschutzgebiet „Selterklippen“ bestimmt. Die Voraussetzungen für diese Übertragung der Zuständigkeit haben vorgelegen, da sich das Naturschutzgebiet „Selterklippen“ auf den Zuständigkeitsbereich mehrerer unterer Naturschutzbehörden - der Antragsgegner zu 1. und 2. - erstreckt und die oberste Naturschutzbehörde die Aufgabe nach § 55 Abs. 3 NNatG im Einzelfall einer Landesbehörde übertragen kann, wenn eine Angelegenheit in den Zuständigkeitsbereich mehrerer unterer Naturschutzbehörden fällt oder eine Änderung der Zuständigkeit aus anderen Gründen zweckdienlich ist. Bedenken gegen die Wirksamkeit des Erlasses vom 25. Februar 2009 bestehen auch im Übrigen nicht. Insbesondere bestand keine Verpflichtung, den Erlass, der den betroffenen Behörden bekannt gegeben worden ist, öffentlich bekannt zu machen. Folglich ist der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz für den Erlass der Verordnung zuständig gewesen.

Nach dem Erlass der Verordnung hat das Niedersächsische Ministerium für Umwelt und Klimaschutz mit Runderlass vom 13. Mai 2009 nach Abstimmung mit den betroffenen Gebietskörperschaften indessen den Antragsgegner zu 1. zur für die Aufhebung oder Änderung der Naturschutzgebietsverordnung zuständigen Gebietskörperschaft bestimmt. Auch diese Änderung der Zuständigkeit zur Aufhebung oder Änderung der Verordnung über das Naturschutzgebiet „Selterklippen“ begegnet keinen Bedenken. Denn sie beruht ebenfalls auf § 55 Abs. 3 NNatG. Der Zuständigkeitsänderung können die Antragstellerinnen auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass mangels Veröffentlichung des Erlasses vom 13. Mai 2009 für die Normadressaten nicht zu erkennen gewesen sei, wer die für die Aufhebung oder Änderung der Verordnung zuständige Behörde ist. Die Antragstellerinnen übersehen dabei, dass der Runderlass vom 13. Mai 2009 im Niedersächsischen Ministerialblatt Nr. 46/2009 bekannt gemacht worden ist. Schon deshalb greift ihr Einwand nicht durch. Sollte im Übrigen - wie die Antragstellerinnen nicht weiter substantiiert behaupten - der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz zur Zuständigkeit eine fehlerhafte Auskunft gegeben haben, läge zwar gegebenenfalls eine Amtspflichtverletzung vor. Diese würde die auf der Grundlage des § 55 Abs. 3 NNatG getroffene Zuständigkeitsregelung jedoch nicht in Frage stellen.