Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 24.08.2010 - 10 LA 118/09
Fundstelle
openJur 2012, 50923
  • Rkr:

Im Fall eines Widerrufs der Verkehrsfähigkeitsbescheinigung eines Pflanzenschutzmittels nach § 16g Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PflSchG liegt bei einer missbräuchlichen Verwendung derselben durch vor Inkrafttreten dieser Bestimmung begangene Handlungen eine tatbestandliche Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung) vor, die sich im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen hält.

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich gegen den Widerruf einer ihr erteilten Verkehrsfähigkeitsbescheinigung für den Parallelimport eines Pflanzenschutzmittels. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (nachfolgend BVL) erteilte der Klägerin mit Bescheid vom 30. November 2006 eine Verkehrsfähigkeitsbescheinigung, die sie berechtigte, das in Spanien zugelassene Pflanzenschutzmittel „Audace“ unter der Bezeichnung „Realchemie Deltamethrin“ in die Bundesrepublik Deutschland einzuführen und in Verkehr zu bringen. Die Untersuchungen von in den Monaten April und Juni 2007 gezogenen Proben der von der Klägerin unter der Bezeichnung „Realchemie Deltamethrin“ vertriebenen Pflanzenschutzmittel ergaben, dass diese stofflich nicht mit dem Referenzmittel überstimmten. Das Bundesamt widerrief die Verkehrsfähigkeitsbescheinigung mit Bescheid vom 8. April 2008.

Das Verwaltungsgericht hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Widerruf der Verkehrsfähigkeitsbescheinigung sei rechtmäßig. Die Verkehrsfähigkeitsbescheinigung sei nach § 16g Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PflSchG zu widerrufen, weil die Klägerin die ihr erteilte Verkehrsfähigkeitsbescheinigung dazu missbraucht habe, ein anderes Pflanzenschutzmittel als das, für das die Verkehrsfähigkeitsbescheinigung erteilt worden sei, einzuführen und in Verkehr zu bringen. Sie habe bewusst und gewollt die ihr für den Parallelimport des Pflanzenschutzmittels „Audace“ erteilte Verkehrsfähigkeitsbescheinigung im Jahre 2007 missbräuchlich dazu verwendet, ein in Bezug auf das Pflanzenschutzmittel „Decis flüssig“ produziertes Generikum, welches anderenfalls nicht verkehrsfähig gewesen wäre, zu ihren Gunsten gewinnbringend zu veräußern. Soweit die Klägerin geltend mache, der mit den Untersuchungsbefunden festgestellte Vertrieb des Generikums unter der Bezeichnung „Realchemie Deltamethrin“ könne allenfalls auf in ihrem Lagerbetrieb aufgetretene versehentliche Falschetikettierungen bei einer nur geringen Restmenge des Generikums zurückzuführen sein, sei dieses Vorbringen als Schutzbehauptung anzusehen. So überzeuge der Vortrag der Klägerin nicht, von den für die B. GmbH hergestellten 55 Tonnen des Generikums zu Beginn des Jahres 2006 lediglich 4 Tonnen übernommen zu haben, die sie schon Anfang des Jahres 2006 veräußert haben wolle. Unter Berücksichtigung des von der Klägerin vorgetragenen Zukaufs einer Menge von 20.000 Litern des Pflanzenschutzmittels „Audace“ im Sommer 2006 hätten der Klägerin zur Deckung ihres genannten Bedarfs für das Jahr 2006 noch etwa 15 Tonnen des Pflanzenschutzmittels gefehlt. Auch angesichts des Umfangs der Rückgabe des Generikums von 946 Litern bei der Rückrufaktion 2008 könne nicht angenommen werden, dass die Klägerin nur eine Menge von 4 Tonnen des Generikums in Verkehr gebracht habe und der Verkauf nur Anfang des Jahres 2006 erfolgt sei. Unabhängig davon habe die Klägerin auch die von ihr vorgetragene Rückrufaktion Ende des Jahres 2006 bzw. Anfang des Jahres 2007 nicht substantiiert und nachvollziehbar dargelegt. So lägen Anschreiben - wie sie die Klägerin bei der Rückrufaktion 2008 und nach dem Widerruf der Verkehrsfähigkeitsbescheinigung erstellt habe - für die vermeintliche Rückrufaktion 2006/2007 nicht vor. Soweit die Klägerin vorgetragen habe, dieser Rückruf sei im Gegensatz zu den späteren Rückrufaktionen nicht nur schriftlich, sondern auch telefonisch und durch ihre Handelsvertreter ausgesprochen worden, erkläre dies das Fehlen aussagekräftiger Nachweise für die Durchführung der Rückrufaktion (2006/2007) nicht hinreichend. Bei dieser Sachlage erscheine weder die Veräußerung einer vergleichsweise nur geringen Menge des Generikums allein zu Beginn des Jahres 2006 noch die Durchführung einer Rückrufaktion wegen fehlender Angabe der PI-Nummer glaubhaft. Dementsprechend könne nicht von lediglich vereinzelten und nur versehentlich unterlaufenden Falschetikettierungen ausgegangen werden. Dagegen spreche auch, dass drei unabhängig voneinander und in verschiedenen Bundesländern gewonnene Proben des von der Klägerin als „Realchemie Deltamethrin“ in Verkehr gebrachten Pflanzenschutzmittels das im Referenzmittel enthaltene Antioxidant nicht oder nicht in dem im Referenzmittel enthaltenen Umfang aufgewiesen hätten und dem Bundesamt keine negativen Untersuchungsergebnisse (im Sinne einer Übereinstimmung von Probe und Referenzmittel) vorlägen. Entgegen der Auffassung der Klägerin stelle die Anwendung des zum 13. März 2008 in Kraft getretenen Widerrufstatbestands des § 16g Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PflSchG auch keinen Fall einer verfassungsrechtlich unzulässigen Rückwirkung gesetzlicher Regelungen dar. Es liege lediglich eine tatbestandliche Rückanknüpfung vor, die unter Abwägung der betroffenen Belange keinen rechtlichen Bedenken begegne.

II.

Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg. Die von ihr geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sowie der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor oder hat die Klägerin nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt.

1. Die Berufung kann nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen werden.

Ernstliche Zweifel in diesem Sinne bestehen dann, wenn gegen die Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts gewichtige Gründe sprechen. Für die Zulassung der Berufung reicht es aber nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil des Verwaltungsgerichts gestützt ist. Vielmehr müssen zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses der Entscheidung begründet sein.

Die Klägerin sieht ernstliche Zweifel darin begründet, dass das Verwaltungsgericht einen Missbrauch der ihr erteilten Verkehrsfähigkeitsbescheinigung angenommen habe. Die Schlüsse, die das Verwaltungsgericht aus dem Tatbestand gezogen habe, seien unzutreffend und führten nicht zu einem Missbrauch der PI-Nummer. Hinsichtlich des Rücklaufs von „RC Deltamethrin“ in 2007 sei das Verwaltungsgericht zu Unrecht von einer Rückrufaktion ausgegangen. Es habe überhaupt kein Anlass für einen Rückruf bestanden. Es sei den Händlern vorgeschlagen worden, die betreffende Ware zurückzunehmen, neu zu etikettieren und zurückzugeben. Dabei habe sie ihre Händler über diese Möglichkeit nicht schriftlich informiert, sondern im Laufe der ohnehin anfallenden persönlichen Verkaufsgespräche. Anders als bei einem echten Rückruf sei der Wechsel der Rechtslage ab dem 1. Januar 2007 (mit dem Erfordernis einer PI-Nummer) kein plötzliches Ereignis gewesen. Für die Importeure sei ausreichend Zeit gewesen, sich hierauf einzustellen. Eines Rundschreibens oder anderer schriftlicher Informationen habe es nicht bedurft. Nur in Ausnahmefällen sei das Angebot auf Nachfrage der Kunden schriftlich bestätigt worden. Tatsächlich stehe gar nicht in Rede, dass sie im Rahmen dieser Aktion die Kennzeichnung auf den Kanistern ausgetauscht habe. Entscheidend sei, dass die Händler im Rahmen der Aktion nicht nur - wie erwartet - die Kanister mit „Audace“, sondern auch mit GAT-Ware zurückgesandt hätten; dies sei beim Rücklauf im Lager nicht erkannt worden, so dass diese Kanister ebenfalls die neue Etikettierung erhalten hätten. Dies stelle keine Schutzbehauptung dar. Dieser Vorgang habe sich tatsächlich so zugetragen, so dass dieser Fehler seitens der Lagerarbeiter fahrlässig herbeigeführt worden sei; dies stelle keinen Vorsatz dar. Sie habe keinen Anlass gehabt, ein Importmittel unter dem Deckmantel einer PI-Nummer illegal in Verkehr zu bringen, weil die GAT-Ware verkauft gewesen sei. Für sie habe keinerlei Motivation bestanden, die Ware im Rahmen der Aktion ebenfalls auszutauschen.

Aus diesem Vorbringen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Das Verwaltungsgericht hat eine missbräuchliche Verwendung der der Klägerin erteilten Verkehrsfähigkeitsbescheinigung bejaht und maßgeblich darauf abgestellt, dass die Klägerin in 2007 unter Verwendung der mit der Verkehrsfähigkeitsbescheinigung erteilten Nummer nicht allein das importierte Pflanzenschutzmittel „Audace“, sondern ein nicht verkehrsfähiges Generikums der C. GmbH (GAT-Ware) in Verkehr gebracht hat. Dabei hat es den Vortrag der Klägerin, sie habe das Generikum allein zu Beginn 2006 in einer vergleichsweise nur geringen Menge veräußert und es sei (im Jahre 2007) eine Rückrufaktion wegen fehlender Angabe der PI-Nummer hinsichtlich des importierten Pflanzenschutzmittels „Audace“ durchgeführt worden, für nicht glaubhaft erachtet. Entgegen dem jetzigen Vorbringen der Klägerin ist das Verwaltungsgericht gerade nicht davon ausgegangen, dass es in 2007 zu einer Rückrufaktion der Klägerin (im Hinblick auf fehlende PI-Nummern der in 2006 in Verkehr gebrachten Pflanzenschutzmittel) gekommen ist. Vielmehr hat sich die Klägerin auf eine Rückrufaktion berufen, aufgrund derer das in den Jahren 2004 und 2005 produzierte Generikum in 2007 versehentlich (erneut) in Verkehr gebracht worden sei. Insoweit widersprechen die vorstehenden Darlegungen zur Begründung des Zulassungsantrags ihrem früheren Vorbringen, ohne das die Klägerin diese Widersprüchlichkeit nachvollziehbar auflöst. Im Gegensatz zu dem jetzigen Vorbringen hat die Klägerin sowohl im Widerspruchsverfahren als auch im Klageverfahren übereinstimmend vorgetragen, dass sie in den Jahren 2006 und 2007 Rückrufaktionen durchgeführt habe (Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 4. Juli 2008 - Seite 8 -, vom 5. September 2008 - Seite 2 - und 4. Dezember 2008 - Seite 13 f. -). Des Weiteren hat die Klägerin mit ihrer Klagebegründung näher ausgeführt, aufgrund der Rückrufaktion seien bis in den September 2007 Waren zurückgeliefert worden und das als Anlage K21 bezeichnete Schreiben habe sich an „den Handel als Vertragspartner der Klägerin“ gerichtet (Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 4. Dezember 2008, Seite 15). Diese Aussage steht aber im Widerspruch zu der mit dem Zulassungsantrag vorgebrachten Aussage, es habe keines Rundschreibens oder sonstiger schriftlicher Informationen bedurft und bei dem als K21 bezeichneten Anschreiben handele es sich um einen Ausnahmefall.

Weiter hat die Klägerin eingewendet, gegen ihre Argumentation spreche nicht, dass sie im Widerspruchsverfahren den Jahresbedarf der Insektizide mit dem Wirkstoff Deltamethrin mit rund 50 Tonnen beziffert habe. Umsätze mit einem Pflanzenschutzmittel unterlägen keinen konstanten Werten. Der Bedarf von 50 Tonnen habe dem voraussichtlichen Bedarf im Jahr 2005 entsprochen. Dementsprechend habe die B. GmbH 50 Tonnen der Ware eingekauft und abzusetzen versucht. Aufgrund des Wettbewerbsverfahrens zwischen der B. GmbH und der D. GmbH sei im Markt eine erhebliche Verunsicherung über die Verkehrsfähigkeit der Produkte „RC Deltamethrin“ aus dem Jahr 2005 aufgetreten. Diese Verunsicherung habe noch in Jahr 2006 nachgewirkt; dies habe Kunden im gewissen Umfang dazu veranlasst, von Bestellungen abzusehen oder das Volumen im Vergleich zu den Vorjahren zu verringern. Da sie in 2006 erstmals am Markt aufgetreten sei, habe sie sich zunächst eine Reputation erwerben müssen. Auch aufgrund der Wetterlage sei der Bedarf in 2006 geringer als im Vorjahr gewesen. Aufgrund dieser Umstände habe sie im Jahr lediglich 25.500 Liter von „RC Deltamethrin“ verkaufen können. Diesen Bedarf habe sie mit der zum Jahreswechsel 2005/2006 von der B. GmbH erworbenen GAT-Ware von 4.000 Litern, der Lieferung des Mittels „Audace“ von 20.000 Litern sowie den gehandelten Reimporten gedeckt.

Auch mit diesem Vorbringen vermag die Klägerin ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht zu begründen. Zum einen stehen diese Ausführungen im Widerspruch zu den zahlreichen übereinstimmenden Erklärungen der Klägerin. So erklärte sie im Rahmen der Anhörung zum Widerruf der Verkehrsfähigkeitsbescheinigung, die jährliche Verkaufsmenge des Insektizids mit dem Wirkstoff Deltamethrin der B. GmbH habe rd. 49 Tonnen betragen und sie - die Klägerin - handele mit vergleichbaren Mengen (Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 4. Juli 2008, Seite 4). Weiter wird dort ausgeführt, der Jahresbedarf der Klägerin habe in 2006 ca. 50 Tonnen betragen. In der Klagebegründung vom 4. Dezember (Seite 6) lässt die Klägerin vortragen, die jährliche Verkaufsmenge der B. GmbH habe 40 Tonnen betragen und sie handele mit diesem Produkt in vergleichbaren Mengen. Eine nachvollziehbare Erklärung für diese gravierenden Mengenabweichungen hat die Klägerin nicht gegeben. Dabei ist davon auszugehen, dass die Klägerin bei Abgabe ihrer Erklärungen in 2008 über den Umfang des Umsatzes in 2006 informiert gewesen ist; jedenfalls wäre zu erwarten gewesen, dass die Klägerin Kenntnis von dem nunmehr behaupteten Umsatzrückgang von etwa 50 % bzw. 40 % gegenüber dem Umsatz der B. GmbH in 2005 gehabt hätte.

Zum anderen erscheint es nicht plausibel, dass im Hinblick auf die nunmehr angeführten „erheblichen Verunsicherungen“ auf dem Markt hinsichtlich der Verkehrsfähigkeit des Generikums bereits in 2005 lediglich eine von der B. GmbH nicht vermarktete Restmenge von 4 Tonnen verblieb, während in 2006 der Umsatz der Klägerin im Vergleich zu dem der B. GmbH in 2005 um ein Vielfaches davon (rd. 20 Tonnen) zurückgefallen sein soll.

Das Vorbringen der Klägerin vermag auch deshalb keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu begründen, weil die Klägerin sich nicht mit der Erwägung des Verwaltungsgerichts auseinandergesetzt hat, gegen eine Veräußerung einer vergleichsweise nur geringen Menge des Generikums (GAT-Ware) allein zu Beginn des Jahres 2006 spreche der Umstand, dass im Rahmen der Rückrufaktion 2008 die beanstandete Ware im Umfang von 946 Litern zurückgegeben worden sei. Zu Recht nimmt das Verwaltungsgericht an, dass bei dem Rücklauf einer derart großen Menge des Generikums im ersten Halbjahr 2008 angesichts der Ablaufs von zwei Saisons seit dem behaupteten Verkauf der Restmenge des Generikums Anfang des Jahres 2006 und unter Berücksichtigung des Umstands, dass auf einen Rückruf regelmäßig noch vorhandene Ware nicht vollständig zurückgegeben wird, nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Klägerin lediglich eine Menge von 4 Tonnen des Generikums Anfang des Jahres 2006 in Verkehr gebracht hat. Dem ist die Klägerin nicht entgegengetreten.

Des Weiteren hat die Klägerin eingewendet: Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht aus dem Umstand, dass drei unabhängig voneinander in verschiedenen Bundesländern gewonnenen Proben aufgefunden worden seien, die jeweils als GAT-Ware zu klassifizieren gewesen sei, den Schluss gezogen, sie habe in einem größeren Umfang diese Ware im Jahr 2007 unter dem Deckmantel der PI-Nummer in den Verkehr gebracht. Das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass die Kanister mit der GAT-Ware entsprechend mit dem Aufdruck „MFG 01/2005“ gekennzeichnet gewesen seien. Für die Probennahmen hätten die Regale der Händler nach solchen Kanistern durchsucht werden können. Dass bei einer solchen Suche nur zwei Proben zu Tage getreten seien, zeige, dass nur ein verschwindend geringer Anteil des Produkts im Jahr 2007 im Handel gewesen sei. Dass weitere für sie positive Untersuchungen nicht vorgelegen hätten, spreche ebenfalls nicht gegen sie. Dies folge daraus, dass gezielt nach den Kanistern mit GAT-Ware gefahndet worden sei. Bei allen anderen Kanistern habe kein Anlass für Probennahmen bestanden. Auch bestreite sie, dass kein „RC Deltamethrin“ untersucht worden sei, bei dem es sich um „Audace“ gehandelt habe.

Auch dieses Vorbringen rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Der Vorhalt der Klägerin, für die Probennahmen sei gezielt nur nach Kanistern mit GAT-Ware gefahndet worden, greift nicht durch. Die Klägerin hat keine Umstände dargelegt, die diese Annahme stützen. Allein die Möglichkeit einer gezielten Suche aufgrund einer Kennzeichnung der Produkte besagt nicht, dass entsprechend gehandelt worden ist. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die im April 2007 gezogene Probe nicht im Wege einer gezielten Suche bei einem Händler, sondern aus einer direkten Lieferung seitens der Klägerin aufgrund einer Bestellung im April 2007 stammt (vgl. Bl. 70 der Verwaltungsvorgänge des BVL); insoweit hat es sich auch nicht um von dem betreffenden Händler zurückgegebene Ware gehandelt. Dieser Umstand belegt weiter die Unrichtigkeit des Vorbringens der Klägerin, das in 2005 hergestellte Generikum sei allein im Rahmen einer Aktion zur Umetikettierung von Pflanzenschutzmittel mit dem Inhalt „Audace“ im Jahr 2007 versehentlich an diese Händler zurückgegeben worden.

14Des Weiteren hat die Klägerin den Einwand erhoben, das Verwaltungsgericht habe seine Entscheidung zu Unrecht auf § 16g Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PflSchG gestützt, weil es sich insoweit um eine unzulässige gesetzliche Rückwirkung handele. Die Neuregelung stehe nicht in Einklang mit dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgebot gemäß Art. 2 Abs. 2, 20 Abs. 3 GG. Es bedürfe einer besonderen Rechtfertigung, wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändere. Der Bürger werde in seinem Vertrauen auf die Verlässlichkeit der Rechtsordnung enttäuscht, wenn der Gesetzgeber an Tatbestände ungünstigere Folgen knüpfe als diejenigen, von denen er bei seinen Dispositionen habe ausgehen dürfen. Selbst bei einer unechten Rückwirkung seien der gesetzgeberischen Regelungsbefugnis Grenzen gesetzt, die sich aus der Abwägung zwischen dem Gewicht der berührten Vertrauensschutzbelange und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl ergäben. Die Rechtsgrundlage für den Widerruf der Verkehrsfähigkeitsbescheinigung wegen Missbrauchs habe der Gesetzgeber erstmals mit dem am 5. März 2008 verkündeten Gesetz geschaffen, mithin ein Jahr nach dem behaupteten Verstoß einer missbräuchlichen Nutzung der PI-Nummer. Zu dem Zeitpunkt des Verstoßes sei eine entsprechende Neuregelung im Pflanzenschutzgesetz weder geplant noch absehbar gewesen. Es habe den Eindruck, dass die Beklagte politisch Einfluss genommen habe, damit eine entsprechende Regelung geschaffen werde, um bei Altfällen die PI-Nummer zu widerrufen. Dies sei mit Vertrauensgesichtspunkten jedoch nicht vereinbar. Dies gelte erst recht vor dem Hintergrund der Rechtsfolgen, die sich mit dem Widerruf der Verkehrsfähigkeitsbescheinigung nach § 16g Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PflSchG ergäben. Denn nach § 16g Abs. 2 Satz 2 sei dem Importeur vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Widerruf der PI-Nummer keine neue Verkehrsfähigkeitsbescheinigung zu erteilen. Dies stelle nicht nur einen erheblichen Eingriff in das Recht an dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar, weil die Geschäftstätigkeit erheblich erschwert werde, sondern habe auch einen strafähnlichen Charakter. Hier werde plötzlich ein Verhalten in einem Maße sanktioniert, das sich unter Vertrauensgesichtspunkten mit einem etwaigen gesetzgeberischen Anliegen nicht vereinbaren lasse. Ein faktisches Berufsverbot lasse sich weder mit rechtsstaatlichen Gesichtspunkten vereinbaren noch mit dem Grundsatz „nulla poena sine lege“. Auf eine Verfolgung wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 40 PflSchG habe sich ein Importeur einstellen können. Der Schaffung einer gänzlich anderen Sanktionsmöglichkeit stehe der Vertrauensschutz entgegen. Maßgeblich sei die Erwartungsgrundlage, auf die sich ein Betroffener habe einstellen dürfen. Die Erwartungsgrundlage sei nicht gewesen, dass die Regelungen im PflSchG in irgendeiner Form von Anfang an unter dem Vorbehalt einer gesetzlichen Änderung gestanden hätten. Vielmehr habe es sich mit der Neufassung des Gesetzes um eine grundlegende Regimeänderung gehandelt, mit der ein geschlossenes System zur Frage der Verkehrsfähigkeit, der Kennzeichnungspflicht und der Sanktionen durch den Gesetzgeber geschaffen worden sei. Es habe keine besondere Notwendigkeit bestanden, mit § 16g Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PflSchG die Rechtsgrundlage für den Widerruf einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung zu schaffen. Bis heute seien gerade einmal drei Verkehrsfähigkeitsbescheinigungen unter Berufung auf diese Norm widerrufen worden. Deswegen habe diese Bestimmung den Charakter eines Einzelfallgesetzes, da der Gesetzgeber in Kenntnis der drei angeblichen Verstöße tätig geworden sei, um im Nachhinein das Bundesamt zu ermächtigen, in die bereits abgeschlossenen Tatbestände lenkend einzugreifen und dieses Verhalten mit dem Widerruf zu sanktionieren. Dies mache nicht nur die Willkür deutlich, die das Motiv gewesen sei, sondern erkläre auch die Dauer des Verwaltungsverfahrens der Beklagten. Es sei Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips, dass auch derjenige, der sich gegen die Rechtsordnung verhalte, auf den Bestand der gesetzlichen Normen vertrauen dürfe und nicht damit rechnen müsse, dass sein Verhalten, das er vor dem Hintergrund des zur Tatzeit aktuellen Normgefüges an den Tag gelegt habe, retrospektiv neu gewertet werde.

Auch aus diesem Vorbringen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die Klägerin hat keine ernstliche Zweifel an der Anwendbarkeit des § 16g Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PflSchG dargelegt. Es ist davon auszugehen, dass der nach dieser Bestimmung vorgesehene Widerruf einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung bei missbräuchlicher Verwendung nicht gegen die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen des Vertrauensschutzes verstößt. Aus dem Vorbringen der Klägerin lässt sich nicht ableiten, dass sich die vorgenannte Bestimmung nicht im Rahmen einer verfassungsrechtlich zulässigen tatbestandlichen Rückanknüpfung (unechten Rückwirkung) hält.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedarf es vor dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes einer besonderen Rechtfertigung, wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolgen eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert. Der Bürger wird in seinem Vertrauen auf die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als einer Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen enttäuscht, wenn der Gesetzgeber an bereits abgeschlossene Tatbestände im Nachhinein ungünstigere Folgen knüpft als diejenigen, von denen der Bürger bei seinen Dispositionen ausgehen durfte (BVerfG, Urteil vom 5. Februar 2004 - 2 BvR 2029/01 -, BVerfGE 109, 133 = BGBl. I 2004, 1069 = NJW 2004, 739 und Beschluss vom 5. Februar 2002 - 2 BvR 305/93, 2 BvR 348/93 -, BVerfGE 105, 17 = NJW 2002, 3009). Das Vertrauensschutzgebot bewahrt den Bürger vor der Enttäuschung schutzwürdigen Vertrauens durch eine belastende Neuregelung (BVerfG, Urteil vom 5. Februar 2004, a.a.O. und Beschluss vom 14. Mai 1986 - 2 BvL 2/83 -, BVerfGE 72, 200 = BStBl. II 1986, 628 = DVBl 1986, 814 = NJW 1987, 1749). Hingegen ist die schlichte Erwartung, das geltende Recht werde unverändert fortbestehen, verfassungsrechtlich nicht geschützt. Bei Gesetzen mit tatbestandlicher Rückanknüpfung wird den allgemeinen Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit kein genereller Vorrang vor dem jeweils verfolgten gesetzgeberischen Anliegen eingeräumt. Es muss dem Gesetzgeber möglich sein, Normen, die auch in erheblichem Umfang an in der Vergangenheit liegende Tatbestände anknüpfen, zu erlassen und durch Änderungen der künftigen Rechtsfolgen dieser Tatbestände auf veränderte Gegebenheiten zu reagieren. Die Grenzen gesetzgeberischer Regelungsbefugnis ergeben sich hier aus einer Abwägung zwischen dem Gewicht der berührten Vertrauensschutzbelange und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens (vgl. BVerfG, Urteil vom 5. Februar 2004, a.a.O. mit weiteren Nachweisen seiner Rechtsprechung).

Das Verwaltungsgericht hat ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin zu Recht verneint. Da nach den obigen Ausführungen von einer missbräuchlichen Verwendung der der Klägerin erteilten Verkehrsfähigkeitsbescheinigung auszugehen ist, hat sich die Klägerin bewusst und gewollt rechtswidrig verhalten. Die Klägerin konnte deshalb kein schutzwürdiges Vertrauen darauf begründen, dass der Gesetzgeber im Falle missbräuchlicher Verwendung einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung keine den Fortbestand betreffende Regelung treffen würde.

Unabhängig davon konnte die Klägerin auch deshalb kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand der ihr erteilten Verkehrsfähigkeitsbescheinigung im Falle einer missbräuchlichen Verwendung derselben begründen, weil bereits im Zeitpunkt der der Entscheidung zugrunde gelegten Verstöße die Verkehrsfähigkeitsbescheidung unter dem gesetzlichen Vorbehalt der Aufhebung stand. Nach § 16g Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 PflSchG in der in 2007 geltenden Fassung blieben die Regelungen über die Rücknahme nach § 48 VwVfG und über den Widerruf nach § 49 VwVfG unberührt. Die Klägerin hat aber nicht dargelegt, dass das BVL nicht befugt gewesen wäre, die ihr erteilte Verkehrsfähigkeitsbescheinigung im Falle ihrer missbräuchlichen Verwendung nach den genannten Bestimmungen zurückzunehmen oder zu widerrufen. Deshalb greift die ihrem Vorbringen zugrunde liegende Annahme nicht durch, allein durch die Neufassung des § 16g Abs. 2 Satz 1 PflSchG sei die rechtliche Grundlage für den angefochtenen Widerruf der Verkehrsfähigkeitsbescheinigung geschaffen worden.

Aber selbst wenn ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin gegeben wäre, wären die Grenzen gesetzgeberischer Regelungsbefugnis nur dann überschritten, wenn die berührten Vertrauensschutzbelange in Gewicht und Bedeutung das gesetzgeberische Anliegen überwögen. Im Hinblick hierauf hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, das gesetzgeberische Anliegen, der missbräuchlichen Verwendung der Verkehrsfähigkeitsbescheinigungen Einhalt zu gebieten, überwiege in seiner Bedeutung für das Wohl der Allgemeinheit die Enttäuschung eines etwaigen Vertrauens Betroffener auf den Fortbestand der zuvor bestehenden Rechtslage. Dem ist die Klägerin nicht entgegengetreten.

2. Die Berufung kann nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen werden.

Eine Rechtssache ist nur dann grundsätzlich bedeutsam, wenn sie eine höchstrichterlich bislang noch nicht beantwortete Tatsachen- oder Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die im Rechtsmittelverfahren entscheidungserheblich ist und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf. Hierzu hat der Antragsteller im Hinblick auf ein Klärungsbedürfnis die für fallübergreifend gehaltene Frage zu formulieren sowie zu begründen, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll.

Hier hat die Klägerin schon eine klärungsbedürftige Rechts- oder Tatsachenfrage nicht bezeichnet. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich weiter, dass ein über den vorliegenden Einzelfall hinausgehendes Klärungsbedürfnis hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 16g Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PflSchG und der Anwendbarkeit dieser Bestimmung nicht gegeben ist.

3. Die Berufung kann schließlich nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zugelassen werden. Die Klägerin hat mit der Begründung ihres Zulassungsantrages nicht dargelegt, dass der Streitfall besondere, d.h. überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht aufweist. Entgegen der Ansicht der Klägerin bedarf es nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens, um die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides festzustellen. Auch lassen sich besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten der Rechtssache nicht aus dem Begründungsaufwand des Verwaltungsgerichts ableiten, da der Umfang der Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils nicht unüblich ist. Schließlich begründet allein der Umstand, dass die Kammer den Rechtsstreit nicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO auf den Einzelrichter übertragen hat, keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 16. Februar 2009 - 12 ZB 07.2158 -, juris; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 10. Juli 2008 - 2 L 397/05 -, juris; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 124 Rdnr. 123; Happ, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 124 Rdnr. 31).

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).