VG Hannover, Beschluss vom 31.10.2008 - 11 B 4885/08
Fundstelle
openJur 2012, 48193
  • Rkr:

Vergaberichtlinien für einen Weihnachtsmarkt, die als materielle Auswahlkriterien (1) die Attraktivität des Standes und des Angebots, (2) die Bewährtheit des Bewerbers, (3) die auf Veranlassung des Veranstalters getätigten Investitionen und (4) die Ortsansässigkeit des Bewerbers festlegen, sind ermessensfehlerhaft, wenn sie keine weiteren Anwendungshinweise für die Gewichtung der Kriterien oder deren Reihenfolge bei der Auswahlentscheidung festlegen. Eine willkürfreie Entscheidung ist dann nämlich nicht möglich.

Tenor

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Bewerbung derAntragstellerin auf Teilnahme am E. er Weihnachtsmarkt mit einemGlühweinstand bis zum 14. November 2008 unter Beachtung derRechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Dieaußergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nichterstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500 EUROfestgesetzt.

Gründe

Der am 08.10.2008 beim Gericht eingegangene Antrag der Antragstellerin mit dem Begehren,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Bewerbung der Antragstellerin auf Teilnahme am E. er Weihnachtsmarkt 2008 bis zu einem vom Gericht festzusetzenden Zeitpunkt unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden,

hat Erfolg.

Die Antragstellerin hat gemäß § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO hinreichend glaubhaft gemacht, dass sie gegenüber der Antragsgegnerin einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Teilnahme an dem E. er Weihnachtsmarkt 2008 mit ihrem Glühweinstand hat und dass ihr wesentliche Nachteile im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO drohen, wenn die begehrte einstweilige Anordnung nicht ergeht.

Eine eventuelle Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigt es vorliegend nicht, die Erfordernisse eines effektiven Rechtsschutzes hintanzustellen. Die von der Rechtsprechung im Hinblick auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG entwickelten Grundsätze zu Ausnahmen vom Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache stellen zu Recht regelmäßig auch auf den irreparablen Rechtsverlust als solchen oder das Zeitmoment ab, wenn eine Entscheidung in der Hauptsache mit hoher Wahrscheinlichkeit zu spät käme (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.08.2002 - 1 BvR 1790/00 - NJW 2002, 3691 f. m.w.N.).

Die Vergabeentscheidung der Antragsgegnerin über die Bewerbung der Antragstellerin auf Teilnahme an dem diesjährigen Weihnachtsmarkt ist bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihrem Teilnahmerecht nach § 70 Abs. 1 GewO.

Die Antragstellerin hat grundsätzlich gemäß § 70 Abs. 1 GewO einen Anspruch auf Zulassung zu dem nach § 69 GewO festgesetzten Weihnachtsmarkt der Antragsgegnerin. Dieser aus dem Grundsatz der Marktfreiheit abzuleitende Anspruch ist allerdings durch § 70 Abs. 3 GewO eingeschränkt. Der Veranstalter kann nach § 70 Abs. 3 GewO aus sachlich gerechtfertigen Gründen, insbesondere wenn der zur Verfügung stehende Platz nicht ausreicht, einzelne Aussteller, Anbieter oder Besucher von der Teilnahme ausschließen. Erfordert die Struktur oder die Platzkapazität einer Veranstaltung eine Beschränkung einzelner Stände oder Fahrgeschäfte, so steht es im Ermessen des Veranstalters, in welchem Umfang Beschränkungen vorzunehmen sind und wie die erforderliche Auswahlentscheidung zwischen mehreren Anbietern zu treffen ist.

Der Gestaltungsermessen bei der Konzeption der Veranstaltung und das Verteilungsermessen nach § 70 Abs. 3 GewO sind nicht nur durch die jede Ermessensentscheidung der Verwaltung bindenden Grundsätze, wie z.B. den Gleichheitsgrundsatz und das Willkürverbot, eingeschränkt. Das Verteilungsermessen des Veranstalters gemäß § 70 Abs. 3 GewO unterliegt darüber hinaus auch den sich aus dem Grundsatz der Marktfreiheit ergebenden Schranken (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.04.1984 - 1 C 24.82 - GewArch 1984, 265; Nds. OVG, Urt. v. 16.06.2005 - 7 LC 201/03 - NVwZ-RR 2006, 177). Marktfreiheit bedeutet Offenheit der Märkte, d.h. Freiheit des Marktzugangs, wobei für die Teilnahmeberechtigung im Sinne des § 70 Abs. 1 GewO Art und Zweck der Veranstaltung maßgeblich sind (vgl. Landmann/Rohmer, GewO, § 70 Rn. 2, 5).

Nach diesen Maßstäben ist bereits die Ausgestaltung des Vergabeverfahrens zum Weihnachtsmarkt der Antragsgegnerin offensichtlich rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten.

Die Weihnachtsmarktsatzung der Antragstellerin vom 13.10.1999 in der Fassung vom 06.07.2005 regelt in § 4 die Zulassung zum Markt. Nach § 4 Abs. 4 der Weihnachtsmarktsatzung müssen Anträge auf Zulassung spätestens bis zum 31.12. des Vorjahres bei der Antragsgegnerin eingegangen sein und die Art und Größe sowie die benötigte Stromstärke angeben. Außerdem sind Ablichtungen des Standes sowie eine Beschreibung oder Ablichtung der Produkte, die angeboten werden sollen, beizufügen. Über diese formellen Voraussetzungen hinausgehende Richtlinien für die Auswahl der Anbieter gem. § 70 Abs. 3 GewO enthält die Marktsatzung nicht. § 5 Abs. 1 Satz 1 der Marktsatzung bestimmt lediglich, dass die Beklagte die Standplätze nach Maßgabe der vom Oberbürgermeister zu erlassenden Vergaberichtlinien zuweist. Diese finden sich in den vom Bürgermeister der Antragsgegnerin erlassenen "Vergaberichtlinien zu § 5 der Weihnachtsmarktsatzung der Stadt E. " vom 20.03.2002. Dort heißt es unter Ziff. 4:

"Es werden lediglich gewerberechtlich zuverlässige Beschicker zugelassen. Die Platzvergabe wird nach folgenden Kriterien vorgenommen:

- Attraktivität des Angebots (Art, Zusammensetzung und Präsentation),

- Berücksichtigung der Investitionen, die auf Veranlassung der Stadt E. getätigt wurden,

- Bewährte Beschicker,

- Ortsansässigkeit.

Bei gleichartigen Angeboten entscheidet das Los. Ein Rechtsanspruch auf Zuteilung eines Standplatzes besteht nicht."

Ziff. 5 der Vergaberichtlinien regelt weiter, dass die Stände dem Altstadtcharakter sowie der Weihnachtszeit entsprechend zu gestalten und auszuschmücken sind und die üblicherweise bei Volksfesten, Jahr- und Wochenmärkten eingesetzten Verkaufseinrichtungen diesen Anforderungen nicht genügten.

Eine Ergänzung der Vergaberichtlinien enthält ein offenbar behördeninterner Vermerk vom 20.06.2002 "Ausgestaltung der Vergaberichtlinien zu § 5 der Weihnachtsmarktsatzung der Stadt E. ", der nur paraphiert ist. Nach diesem unterteilt die Antragsgegnerin die Weihnachtsmarktstände in die drei Kategorien I "Kunsthandwerk/Geschenkartikel", II "Süßwaren und Karussells" und III "Getränke/Imbiss". Auf dem Weihnachtsmarkt sind nach diesem Vermerk von ca. 65 vorhandenen Standplätzen der Kategorie I mindestens 40 % zuzuweisen sowie in Kategorie II höchstens 10 Plätze an Süßwarenstände und 3 an Kinderkarussells. Zu Kategorie III heißt es:

"Die Kategorie III ist so auszugestalten, dass der Hauptanteil aus Ständen mit Speisen besteht, die allerdings zusätzlich Getränke verkaufen dürfen. Dabei ist darauf zu achten, dass ein möglichst umfassendes kulinarisches Angebot verabreicht wird. Daher wird der Anteil an Vollimbissen (typisch deutsche Imbissgerichte wie z.B. Bratwurst und Pommes Frites) ebenso auf 3 begrenzt, wie der Anteil an Pizza- und Pastaständen. Die Zahl der reinen Getränkestände wird auf 5 begrenzt, von denen einer ein Stand mit Feuerzangenbowle sein soll. Die Gesamtzahl der Stände der Kategorie III soll 25 nicht überschreiten."

Der Vermerk verweist hinsichtlich der Vergabe innerhalb der einzelnen Kategorien auf Ziff. 4 der Vergaberichtlinien und betont weiter, dass die Gesamtattraktivität des Weihnachtsmarktes im Vordergrund steht, so dass sich die Stände in die Altstadt durch die Standgestaltung einfügen sollen. Abschließend bestimmt der Vermerk, dass Stände, die innerhalb der jeweiligen Unterkategorien nach objektiven Kriterien als gleichwertig angesehen werden, einem Rotationsverfahren unterworfen werden.

Der Umstand, dass die Antragsgegnerin mit dem Vermerk vom 20.06.2002 die Vergaberichtlinien ergänzende, behördeninterne Vorgaben zur Platzvergabe gesetzt hat, begegnet nach Auffassung der Kammer keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Ein Satzungs- oder Richtlinienzwang im Hinblick auf die gesamte Organisation festgesetzter Märkte ist weder § 69 Abs. 1 GewO, der nur die Festsetzung von Gegenstand, Zeit, Öffnungszeiten und Platz verlangt, noch § 70 Abs. 3 GewO zu entnehmen. Eine den Grundrechtsschutz sichernde Verfahrensgestaltung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.09.2002 - 1 BvR 819/01 und 1 BvR 826/01 - NJW-RR 2003, 203) verlangt u.a. ein für alle Bewerber einheitliches, vorher festgelegtes und deshalb gerichtlich überprüfbares Verfahren. Anforderungen an die rechtliche Gestalt dieser Festlegung oder Aussagen über die innergemeindliche Zuständigkeit dafür können daraus nicht abgeleitet werden (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 16.06.2005, a.a.O.).

Auch ist es nicht zu beanstanden, dass die Antragstellerin drei verschiedene Kategorien (Kunsthandwerk/Geschenkartikel, Süßwarenstände und Karussellbetriebe, Glühwein- und Imbissstände) gebildet und letztere Kategorie in weitere vier Untergruppen unterteilt und jeder Kategorie und Untergruppe eine Anzahl von Standplätzen zugewiesen hat, um ein möglichst breit aufgefächertes und damit attraktives Angebot für die Besucher des Weihnachtsmarkts zu sichern. Die Ausgestaltung insbesondere des Kriteriums der Attraktivität ist unter Berücksichtigung des weiten Gestaltungsspielraums der Antragsgegnerin ebenfalls nicht zu beanstanden.

23Ausgehend vom Vortrag der Antragsgegnerin, nach dem die materiellen Auswahlkriterien nicht in einer Rangfolge stehen, sondern nebeneinander anzuwenden sind, genügen die Vergaberichtlinien der Antragsgegnerin den dargestellten Anforderungen an eine willkürfreie, den Gleichbehandlungsgrundsatz und die Marktfreiheit wahrende Ermessensentscheidung jedoch aus anderen Gründen nicht. Der Grundsatz der Marktfreiheit gebietet zwar nicht, das Kriterium der Attraktivität zum vorrangigen zu machen, wie die Antragstellerin meint. Eine solche Reihenfolge ergibt sich weder aus § 70 Abs. 3 GewO noch aus Grundrechten (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 16.06.2005, a.a.O.). Auch der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 7/3859, S. 16) ist lediglich zu entnehmen, dass die Entscheidung des Veranstalters willkürfrei zu sein hat.

Eine Anwendung der materiellen Kriterien ohne weitere Anwendungshinweise etwa zur Gewichtung - z.B. in Gestalt eines Punktesystems - oder Rangfolge ist indes offensichtlich nicht praktikabel. Eine rechtmäßige Verwaltungspraxis, die Grundlage für den Anspruch der Bewerber auf Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG ist, lässt sich aus der Vergaberichtlinie damit nicht ableiten. Dies wird deutlich an der in diesem Jahr getroffenen Auswahl in der Kategorie III "Glühwein- und Imbissstände". Ausweislich des Protokolls über die Auswahlentscheidung vom 21.08.2008 hat die Antragsgegnerin in der Gruppe 1 "überwiegend Glühwein" sechs von sieben Plätzen nach der nicht näher dargelegten Formel "in der Vergangenheit durch hohe Investitionen und ein attraktives Angebot bewährt" ausgewählt, in der Gruppe 2 "Feuerzangenbowle" nach dem Kriterium der Attraktivität und einem darauf folgenden Losentscheid, in der Gruppe 3 "Fettbackartikel" und Gruppe 4 "Imbiss" einen Teil der Plätze nach dem Kriterium "alt und bewährt" und einen weiteren Teil der Plätze durch Losentscheid. Diese Vorgehensweise illustriert, dass eine ermessensfehlerfreie Anwendung der Auswahlkriterien in der Verwaltungspraxis nicht möglich ist und der von der Antragsgegnerin erhobene Anspruch der unterschiedslosen Anwendung der Kriterien einer willkürlichen Vergabe den Weg bereitet.

25Darüber hinaus legt eine (vorgeblich) unterschiedslose Anwendung der von der Antragsgegnerin gewählten Auswahlkriterien nahe, regelmäßig den Altbeschickern den Vorrang einzuräumen. Sie erfüllen bereits das Auswahlkriterium "bekannt und bewährt". Sie haben bei lebensnaher Betrachtung darüber hinaus auch mehr Möglichkeiten, aus dem konkreten Marktgeschehen heraus mit der Antragsgegnerin in Verhandlungen über eine attraktivere Gestaltung des Standes oder seiner Umgebung zu treten und damit auch das weitere Kriterium der auf Veranlassung der Antragsgegnerin erfolgten Investitionen zu erfüllen. Das Auswahlkriterium "bekannt und bewährt" ist zwar als sachliches Kriterium anerkannt (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.04.1984 - 1 C 24.82 - GewArch 1984, 265 f.). Der Bewerber hat sich nämlich nach bisherigen Erfahrungen in besonderer Weise - positiv - in das Konzept der jeweiligen Veranstaltung eingefügt, so dass die Prognose gerechtfertigt erscheint, dies werde auch in Zukunft so bleiben. Allerdings kann die dem Merkmal "bekannt und bewährt" innewohnende Tendenz zum Bestandsschutz bei undifferenzierter Handhabung dazu führen, dass Neubewerbern unter Verletzung ihres grundsätzlich bestehenden Anspruchs auf Teilhabe auf Dauer jede realistische Zugangschance genommen wird. Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 27.04.1984 entschieden, dass eine Auswahlentscheidung, der ein System zugrunde liegt, das Neubewerbern oder Wiederholungsbewerbern, die nicht kontinuierlich auf dem Markt vertreten waren, weder im Jahre der Antragstellung noch in einem erkennbaren zeitlichen Turnus eine Zulassungschance einräumt, in jedem Fall außerhalb der Ermessensgrenzen des § 70 Abs. 3 GewO liegt (vgl. auch Nds. OVG, 18.07.2002 - LB 3835/01 - Juris; Landmann/Rohmer, a.a.O., § 70 Randnr. 21). Insgesamt ist das Merkmal "bekannt und bewährt" nur dann ein sachlich gerechtfertigter Ausschlussgrund, wenn für Neubewerber eine reale Chance bleibt, ihrerseits in absehbarer Zeit am Marktgeschehen teilzuhaben. Diesen Vorgaben trägt die Vergaberichtlinie weder für sich noch zusammen mit dem Vermerk vom 20.06.2002 Rechnung. Die Zulassungschance von Neubewerbern hing in den zurückliegenden Jahren und hängt in Zukunft ausschließlich von dem Teilnahmewillen der in den letzten Jahren berücksichtigten beigeladenen Altbeschicker ab. Ein solches Auswahlverfahren eröffnet der Antragstellerin über einen längeren Zeitraum keine erkennbare Zulassungschance (vgl. VG Hannover, Urt. v. 22.05.2006 - 11 A 6044/04 -; Beschl. v. 05.06.2007 - 11 B 1671/07 -; Beschl. v. 04.08.2008 - 11 B 2780/08 - Rechtsprechungs-datenbank der Nds. Verwaltungsgerichtsbarkeit). Dieser Befund wird nicht dadurch behoben, dass die Antragsgegnerin ausweislich der Protokolls vom 21.08.2008 abweichend von ihren eigenen Vergaberichtlinien offenbar teilweise eine Praxis ausübt, nach der ein Teil der zur Verfügung stehenden Plätze an Altbeschicker und ein anderer Teil an noch nicht zum Zuge gekommene Bewerber oder Neubewerber vergeben wird. Denn die Anzahl der nach dem Kriterium "alt und bewährt" zu vergebenden Plätze scheint keinem Muster zu folgen und ist damit willkürlich.

26Im Übrigen steht die Bestimmung eines Rotationsverfahrens als letzte Stufe des Auswahlverfahrens für den Fall gleichwertiger Bewerber durch den Vermerk vom 20.06.2002 im Widerspruch zur Bestimmung eines Losverfahrens für eben diesen Fall durch die Vergaberichtlinie vom 20.03.2002. Diese widersprüchlichen Regelungen verstoßen gegen das Willkürverbot, da sie der Antragsgegnerin erlauben, in einer Konstellation das Rotationsverfahren, in einer anderen aber das Losverfahren anzuwenden.

27Auch die konkrete Auswahlentscheidung verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten.

Die Antragsgegnerin hat sich bei der Auswahl nicht an ihre Vergaberichtlinie und den behördeninternen Vermerk gehalten und damit bei der Auswahl willkürlich gehandelt. Sie hat zunächst entgegen der Vorgabe des Vermerks vom 20.06.2002 den reinen Getränkeständen ohne (schwerpunktmäßig) Feuerzangenbowle nicht vier, sondern sieben Plätze zugewiesen und sich darüber hinaus vorbehalten, im Verlauf des Verfahrens weitere Plätze dieser Gruppe zuzuweisen. Einen der sieben Plätze erhielt ausweislich des Protokolls der Auswahlrunde am 21.08.2008 der Beigeladene zu 7) mit der Begründung, er sammle mit dem Verkauf von Glühwein Geld für ein Kinderheim in F.. Die Auswahl allein aus humanitären Gründen findet keinen Niederschlag in der Vergaberichtlinie. Von diesem Bewerber, der nach der von der Antragsgegnerin vorgelegten Anschrift einer ihrer eigenen Mitarbeiter ist, hat die Antragsgegnerin überdies mit den Verwaltungsvorgängen keine Bewerbungsunterlagen vorgelegt. Die Kammer hat daher Grund zur Annahme, die Platzzuweisung sei auf Zuruf erfolgt. Die weitere Auswahlentscheidung ist ermessensfehlerhaft, weil sie gegen den Grundsatz der Marktfreiheit verstößt. Die weiteren sechs Plätze wurden nämlich, wie oben dargelegt, nach einer Formel vergeben, die aus Sicht der Kammer den Umstand, dass letztlich Altbeschicker ausgewählt wurden, nicht verschleiern kann. Eine Zulassungschance für den diesjährigen Weihnachtsmarkt wurde der Antragstellerin damit nicht eingeräumt.

Nicht durchdringen kann die Antragstellerin indes mit dem Vortrag, die Auswahlentscheidung verstoße gegen § 20 Abs. 1 VwVfG, weil an ihr Herr G. und Herr H. teilgenommen haben. § 20 Abs. 1 VwVfG regelt den Ausschluss von Personen an einem Verwaltungsverfahren wegen Befangenheit. Herr G. fällt nicht unter die Regelung, insbesondere ist er selbst kein Beteiligter des Auswahlverfahrens, das nur für die Kategorien II und III durchgeführt wurde. Es kann dahinstehen, ob die Auswahl innerhalb der einzelnen Kategorien jeweils ein eigenständiges Verfahren ist oder das Auswahlverfahren in seiner Gesamtheit zu betrachten ist. Herr G. jedenfalls ist nach Auskunft der Antragsgegnerin Gärtner und beschickt den Weihnachtsmarkt 2008 mit einem kunstgewerblichen Stand. In dieser Kategorie fand keine Auswahl statt, weil es nicht mehr Bewerber als zur Verfügung stehenden Plätze gab und jeder Bewerber damit einen Standplatz erhielt. Herr G. steht auch nicht in Konkurrenz zur Antragstellerin, weil die Antragsgegnerin die jeder Kategorie zuzuweisenden Plätze vorab zugeteilt hat und Herr G. aus einer Entscheidung der Antragsgegnerin in den Kategorien II und III mangels Auswahlentscheidung in seiner Kategorie I keinerlei Vorteil für sich ziehen könnte. Auch die Beteiligung von Herrn H. ist nicht zu beanstanden, der Geschäftsführer des Stadtmarketing- und Verkehrsvereins E. ist. Zwar zählen zu den mit Stand vom 31.12.2007 in dem Verein organisierten 275 E. er Geschäftsleuten aus allen Bereichen auch einige der zum Weihnachtsmarkt 2008 zugelassenen Beschicker, darunter auch die Beigeladene zu 5) als direkte Konkurrentin der Antragstellerin. Dies führt indes nicht zur Rechtswidrigkeit des Auswahlverfahrens wegen der Beteiligung von Herrn H.. Dieser fällt in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer des Vereins nicht unter die in § 20 Abs. 1 Satz 1 VwVfG aufgezählten Personen. Auch § 20 Abs. 1 Satz 2 VwVfG, nach dem dem Beteiligten gleichsteht, wer durch die Tätigkeit oder durch die Entscheidung einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil erlangen kann, ist nicht einschlägig, da Herr H. keine persönlichen Vorteile aus der Auswahlentscheidung ziehen kann, sondern das Gruppeninteresse der in dem Verein organisierten E. er Geschäftsleute vertritt (§ 20 Abs. 1 Satz 3 VwVfG).

Die Antragstellerin hat wegen der ermessensfehlerhaften Auswahlentscheidung einen Bescheidungsanspruch. Das Gericht ist nicht befugt, das Auswahlermessen anstelle der Antragsgegnerin auszuüben. Allein aus der Rechtswidrigkeit des angewendeten Auswahlverfahrens und der Auswahlentscheidung kann die Antragstellerin keine für sie positive Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin ableiten (vgl. VG Hannover, Urt. v. 29.09.2005 - 11 A 451/05 -). Dem steht auch nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin bereits den Beigeladenen den Zuschlag erteilt und damit die Platzkapazität für Glühweinstände beim Weihnachtsmarkt 2008 erschöpft ist. Das Gebot effektiven Primärrechtsschutzes im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG für abgelehnte Marktstandbewerber rechtfertigt es nicht, die Antragstellerin bei Erschöpfung der Platzkapazität auf eine inhaltliche Kontrolle der Entscheidung der Antraggegnerin im Verfahren einer Fortsetzungsfeststellungsklage oder im Rahmen eines Schadensersatzprozesses wegen eines Amtshaftungsanspruchs zu beschränken. Das von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Recht der Antragstellerin auf Ausübung ihres Berufes als Marktbeschickerin oder auf Teilnahme an einer korrekten Bewerberauswahl zu dem Weihnachtsmarkt ist aber bereits mit der verzögerten oder verweigerten Sachentscheidung im einstweiligen Rechtsschutz unwiederbringlich verloren, ohne dass eine von Art. 19 Abs. 4 GG geforderte inhaltliche Überprüfung der Vergabeentscheidung durch ein Gericht stattgefunden hätte. Ergibt die Überprüfung der versagenden Vergabeentscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, dass ein Standplatz zu Unrecht vorenthalten wurde, hat das Gericht eine entsprechende Verpflichtung des Marktanbieters auszusprechen. Es ist dann die im Einzelnen vom Gericht nicht zu regelnde Sache des Marktanbieters, diese Verpflichtung umzusetzen. Sowohl das öffentliche Recht wie das Privatrecht halten mit Widerruf und Rücknahme oder der Möglichkeit der Kündigung - gegebenenfalls gegen Schadensersatz für den rechtswidrig bevorzugten Marktbeschicker - Vorkehrungen für den Fall bereit, dass die öffentliche Hand eine zunächst gewährte Rechtsposition entziehen muss. Die Bescheidung von erfolgreichen Mitbewerbern oder der Abschluss von Mietverträgen mit ihnen ist demnach weder ein rechtliches noch ein faktisches Hindernis, das die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes für einen zu Unrecht übergangenen Antragsteller unmöglich macht. Die Marktanbieter haben es in der Hand, durch die Regelung entsprechender Widerrufsvorbehalte oder die Vereinbarung entsprechender Kündigungsklauseln für diese Fälle vorzusorgen (BVerfG, Beschl. v. 15.08.2002 - 1 BvR 1790/00 - a.a.O.; VG Hannover, Beschl. v. 05.06.2007 - 11 B 1671/07 -).

Im vorliegenden Verfahren ist eine derartige Rückabwicklung indes nur erforderlich, wenn bei der Durchführung eines rechtsstaatlichen Grundsätzen genügenden neuen Auswahlverfahrens - beispielsweise eines Verfahrens anhand von vorab gewichteten oder in eine Prüfungsfolge gebrachten materiellen Kriterien, von denen das Kriterium "bekannt und bewährt" nicht vorrangig ist, und eines anschließenden Losverfahrens für Fälle, in denen eine Gleichwertigkeit der Bewerber festgestellt wurde - die Auswahlentscheidung nicht wiederum auf die Beigeladenen entfiele.

Der Antragsgegnerin war eine angemessene Frist für ein neues Auswahlverfahren und die Neubescheidung zu setzen. Die Kammer geht davon aus, dass eine Frist von zwei Wochen ausreichend ist, um die Durchsetzbarkeit des effektiven Rechtsschutzes zu gewährleisten, zumal nach der Weihnachtsmarktsatzung der Antragsgegnerin der Aufbau der Stände (erst) am 24.11.2008 beginnt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 15 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da sie keinen Antrag gestellt und sich damit nicht einem Kostenrisiko ausgesetzt haben.

Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 53 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Ziffer 54.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von Juli 2004 (DVBl. 2004, 1525 ff.). Danach ist in Streitigkeiten der vorliegenden Art von einem Mindeststreitwert von 300,00 EUR pro Tag auszugehen.