LG Hamburg, Urteil vom 12.05.2009 - 312 O 140/09
Fundstelle
openJur 2010, 300
  • Rkr:
Tenor

Der Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung vom 17.03.2009 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

Die Antragstellerin ist die britische Muttergesellschaft der deutschen Firma T., die bis Anfang Juni 2008 als Firma O.. Die deutsche Tochtergesellschaft benutzt das Zeichen „O.“ umfangreich in Deutschland zur Bewerbung sowie zum Vertrieb von Telekommunikations-, DSL- und Internetdienstleistungen sowie diesbezüglichen Endgeräten, wobei auch letztere teilweise mit dem Zeichen „O.“ versehen sind.

Die Antragstellerin ist Inhaberin einer Reihe von Gemeinschaftsmarken sowie deutscher Marken betreffend das Zeichen „O.“. Sie ist Inhaberin der Gemeinschaftsmarke ... „O.“, angemeldet am 27.04.2005 und eingetragen am 20.11.2008 u.a. für Klasse 4 (u.a. Technische Öle und Fette; Schmiermittel; Brennstoffe [einschließlich Motorentreibstoffe]) und Klasse 9 (u.a. Mess-, Signal- und Kontrollapparate und –instrumente; Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Computer-Hardware und Computer-Software).

Weiter ist sie Inhaberin der deutschen Marke „O.“, angemeldet am 07.11.2007 und eingetragen am 27.08.2008 u. a. für Klasse 9 (Mess-, Signal-, Kontrollapparate und instrumente; Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Computer-Hardware und Computer-Software) und Klasse 42 (Technologische Dienstleistungen; Industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen).

Die Antragsgegnerin verwendete das auf Bl. 7 abgebildete Zeichen im Zusammenhang mit Spritspar-Technologien in von ihr vertriebenen Fahrzeugen. Der genaue Bezug der Bezeichnung zu den Waren ist zwischen den Parteien streitig. Das streitgegenständliche Zeichen ist kreisförmig und enthält in dem Kreis die Worte „p....O.“ in grafischer Gestaltung. Dieses kreisförmige Zeichen war im Internetauftritt der Antragsgegnerin als Abbildung unter der Überschrift „EINKAUF“ zum größten Teil zu sehen; unter dem Zeichen stand „PUR-O. Baureihe“ (vgl. Anlage LSG 7). Im Fließtext heißt es:

„Neben dem F. ... und dem F. B. vervollständigt der repräsentative F. C. PUR-O. diese umweltfreundliche Fahrzeugpalette.“ (Hervorhebung im Original)

Weiter verwendete die Antragsgegnerin das angegriffene kreisförmige Zeichen auch als weitere Bezeichnung von bestimmten Fahrzeugmodellen (vgl. hierzu die Anlagen AG 2 und AG 9).

Am 17.03.2009 hat die Kammer auf entsprechenden Antrag vom 13.03.2009 beschlossen:

I. Im Wege einer einstweiligen Verfügung – der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung – wird den Antragsgegnern bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,00; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre)

verboten,

in der Bundesrepublik Deutschland im geschäftlichen Verkehr das Zeichen

(Abb. Bl. 26)

zur Bezeichnung einer Spritspar-Technologie und/oder einer Kraftfahrzeug-Baureihe zu benutzen, insbesondere derartige Waren mit diesem Kennzeichen anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen, und/oder derartige Waren mit diesem Kennzeichen einzuführen oder auszuführen und/oder das Kennzeichen für derartige Waren in Geschäftspapieren oder in der Werbung zu benutzen.

II. Die Kosten des Verfahrens fallen der Antragsgegnerin nach einem Streitwert von EUR 100.000,00 zur Last.

Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 17.04.2009 Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung eingelegt.

Sie behauptet, die unter der Bezeichnung „p. O.“ vertriebene Kraftfahrzeugbaureihe sei bereits auf dem Pariser Autosalon im Oktober 2008 der Öffentlichkeit vorgestellt worden; es sei davon auszugehen, dass die Antragstellerin bereits zu diesem Zeitpunkt Kenntnis erlangt habe. Jedenfalls aber sei ihr die Benutzung des Zeichens spätestens seit Mitte Januar 2009 bekannt, da sie in der Abmahnung vom 23.03.2009 auf den Artikel in der Zeitschrift „Autobild“ vom 19.01.2009 verweise, in dem – unstreitig – hierüber berichtet wurde.

Sie ist der Auffassung, da das streitgegenständliche Zeichen keine Spritspar-Technologie bezeichne, sondern lediglich Modellreihen ihrer Kraftfahrzeuge, bestehe zwischen diesen und den für die Antragstellerin eingetragenen Marken aufgrund der Branchenferne keine Verwechslungsgefahr.

Außerdem vertritt sie die Auffassung, die – bestrittene – Bekanntheit oder Berühmtheit der Marke der Antragsgegnerin könne höchstens Auswirkungen auf Waren oder Dienstleistungen haben, die denjenigen ähnlich seien, für die eine Bekanntheit bestehe. Die von ihr angebotenen Waren fielen aber gerade nicht hierunter.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 17.März 2009 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt:

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 17.03.2009 wird bestätigt.

Die Antragstellerin behauptet, die von ihr geschützten Marken betreffend das Zeichen „O.“ seien hochgradig bekannte, wenn nicht gar berühmte Marken im Sinne der Rechtsprechung.

Die Antragstellerin behauptet, sie habe am13.03.2009 Kenntnis von der Verwendung des streitgegenständlichen Zeichens durch die Antragsgegnerin erhalten, als ihr Prozessbevollmächtigter es auf der Internetseite der Antragsgegnerin erblickt habe. Auch wenn man auf die erstmalige Kenntnis vom einem entsprechenden Bericht in der Zeitschrift „Autobild“ abstellen wolle, sei dies nicht dringlichkeitsschädlich; diesen Bericht habe sie Mitte Februar 2009 erstmals zur Kenntnis genommen.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze samt Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.05.2009 verwiesen.

Gründe

Der Widerspruch ist zulässig. Er hat jedoch keinen Erfolg, da der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zulässig und begründet ist.

I. Das Landgericht Hamburg ist aufgrund der deutschlandweiten Verbreitung des angegriffenen Zeichens über das Internet örtlich zuständig gemäß Art. 93 GMV, §§ 32 ZPO, 125g MarkenG.

II. Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG ist nicht widerlegt. Eine Kenntnisnahme der Antragstellerin bei der Vorstellung der Baureihe auf dem Pariser Autosalon im Oktober 2008 wird von der Antragsgegnerin lediglich vermutet. Zwar stammt der Bericht in der „Autobild“, der über das Zeichen berichtet und es auch abbildet, vom 19.01.2009. Allerdings ist eine sofortige Kenntnis hiervon nicht dargelegt; im Gegenteil behauptet die Antragstellerin, sie habe Kenntnis hiervon erst Mitte Februar 2009 erlangt.

Überdies ist auf den Bericht in der „Autobild“ nicht abzustellen, denn die Antragstellerin hat unmittelbar nach ihrer behaupteten Kenntnis vom Bericht Recherchen angestellt und das Zeichen auf der Internetpräsenz der Antragsgegnerin nicht gefunden. Sie durfte daher davon ausgehen, dass es von Seiten der Antragsgegnerin nicht verwendet wurde. Ein gerichtliches Vorgehen hätte insoweit zum damaligen Zeitpunkt höchst risikoreich erscheinen müssen. Insofern ist ihr zuzugestehen, dass sie eine Verwendung durch die Antragsgegnerin selbst – in diesem Fall auf deren Website – abwarten durfte, wie diese dann am 13.03.2009 bekannt wurde.

III. Der Verfügungsanspruch ist gegeben. Die Antragstellerin hat einen Unterlassungsanspruch aus Art. 9 Abs. 1 lit. b) GMV sowie § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

Danach ist es Dritten untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.

Die Beurteilung, ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr., vgl. die umfangreichen Nachweise bei Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 14 Rn. 272).

1. Die zwischen den Parteien streitige Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit ist gegeben. Die Antragstellerin hat Waren durch die Klagemarke schützen lassen, die den mit dem angegriffenen Zeichen gekennzeichneten Waren der Antragsgegnerin ähnlich sind.

Die Antragstellerin hat ihre Gemeinschaftsmarke – soweit hier relevant – schützen lassen u.a. für technische Öle und Fette; Schmiermittel; Brennstoffe (einschließlich Motorentreibstoffe) sowie für Mess-, Signal- und Kontrollinstrumente und Computerhardware und -software; ihre deutsche Marke genießt ebenfalls Schutz u.a. für Mess-, Signal- und Kontrollinstrumente.

Die Antragsgegnerin vertreibt Fahrzeuge. Ein Modell einer Baureihe dieser Fahrzeuge, etwa des F. C., wird mit der weiteren Kennzeichnung „P.- O.“ bezeichnet, heißt also F. C. PUR-O.. Die Antragsgegnerin steht auf dem Standpunkt, dass Zeichen auf einem Gesamtprodukt in der Regel nur das Gesamtprodukt selbst und nicht auch einzelne Bestandteile des Gesamtprodukts kennzeichneten. In den so gekennzeichneten Fahrzeugen gebe es kein einzelnes Teil, auf dem etwa „PUR-O.“ stehe. Demzufolge stünden die genannten Schutzbereiche der Marken einerseits, Kraftfahrzeuge andererseits sich gegenüber. Eine Ähnlichkeit zwischen technischen Ölen und Fetten usw. und Kraftfahrzeugen sei aber nicht vorhanden.

Diese Auffassung ist aber unzutreffend. Hier wird die Bezeichnung „PUR-O.“ z. B. der Baureihe F. C. als nähere Kennzeichnung von speziellen Modellen der Baureihe verwendet, die über verschiedene Modifikationen mit dem Zweck der Kraftstoffeinsparung, mithin eine Spritspartechnologie verfügen. Der Unterschied zwischen dem Standardmodell z. B. des „F. C.“ und dem „F. C. PUR-O.“ ist gerade die Spritspartechnologie. Die Bezeichnung „PUR-O.“ selbst kennzeichnet also nicht nur den Wagen (F. C.), sondern auch die in ihm enthaltene Spritspartechnologie.

Dies gilt auch für das angegriffene kreisförmige Zeichen. Dieses Zeichen mit dem Text „p....O.“ in grafischer Gestaltung wird ausweislich der Anlagen AG 2 und LSG 7 immer im räumlichen Zusammenhang mit der Bezeichnung der Baureihen verwendet, ist also als grafische Darstellung des Zusatzes „P. O.“ zu den Baureihen bzw. als eigenständige Benennung der in ihnen enthaltenen Spritspartechnologie zu verstehen. Das Zeichen wird ausweislich der Anlage AG 9 auch auf den Autos selbst verwendet.

Bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren kennzeichnen; hierzu gehören insbesondere die Art der Waren, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren. In die Beurteilung einzubeziehen ist, ob die Waren regelmäßig von denselben Unternehmen oder unter ihrer Kontrolle hergestellt werden oder ob sie beim Vertrieb Berührungspunkte aufweisen, weil sie in denselben Verkaufsstätten angeboten werden (BGH, GRUR 2003, 428, 432 – BIG BERTHA). Dabei kann von Warenunähnlichkeit nur ausgegangen werden, wenn trotz (unterstellter) Identität oder großer Ähnlichkeit der Marken die Annahme einer Verwechslungsgefahr wegen des Abstands der Waren von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. BGH, GRUR 2001, 507, 508 – EVIAN/REVIAN; BGH, GRUR 2004, 594, 596 – Ferrari).

Bei der Gegenüberstellung von Spritspartechnologie einerseits, Motorentreibstoffen, Kontrollinstrumenten und Computerhardware und -software andererseits besteht jedenfalls kein solcher Unterschied, dass eine Verwechslungsgefahr wegen des Abstands der Waren von vornherein ausgeschlossen wäre.

Die Antragstellerin weist überdies zu Recht darauf hin, dass die Spritspartechnologie der Antragsgegnerin ausweislich der Anlage AG 2 u.a. aus Einzelkomponenten besteht, die zwar – entgegen ihrer Ansicht – keine durchgehende Identität, aber wenigstens eine hohe Ähnlichkeit mit den einzelnen Schutzbereichen der Klagemarken aufweisen. Ein „Start&Stopp-System“ (bezüglich des Motors) ist hochgradig ähnlich zu Mess-, Signal- und Kontrollinstrumenten und Computerhardware und -software; „Ölsorten mit geringer Viskosität“ sind identisch mit technischen Ölen und Schmiermitteln; eine „Geschwindigkeitsregelanlage“ ist identisch mit Mess-, Signal- und Kontrollinstrumenten und Computerhardware.

Demnach liegt wenigstens eine durchschnittliche Warenähnlichkeit vor.

2. Die verwendeten Zeichen sind sich in durchschnittlichem Maße ähnlich.

a. Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit, d.h. der zeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr ist zunächst auf den Gesamteindruck des jeweiligen Zeichens abzustellen (vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 - Sabèl/Puma; BGH GRUR 1996, 198, 199 - Springende Raubkatze, mwN), also zu erörtern, ob sich die Marken in ihrem Gesamteindruck verwechselbar nahe kommen. Dies ist nicht der Fall. Die Bildbestandteile der Zeichen sind sich nicht ähnlich. Die Länge der Begriffe und die Schreibweise sind deutlich unterschiedlich. Die Aussprache ist teilweise verschieden.

b. Die Markenähnlichkeit ist weiter nach deren Ähnlichkeit im (Schrift-)Bild, ihrem Klang und ihrem Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen. Um die Markenähnlichkeit zu bejahen, kann ggf. bereits die Ähnlichkeit in einem der Bereiche genügen (BGH, GRUR 2006, 60 – „coccodrillo“).

Bei dem angegriffenen Wort-/Bildkennzeichen sind die Worte „p....O.“ deutlich als textliche Gestaltungselemente erkennbar. Es ist zwar kein Erfahrungssatz ersichtlich, wonach der Verkehr bei rein visueller Wahrnehmung eines Wort-/Bildkennzeichens in erster Linie die Wörter oder den Buchstaben, nicht jedoch den Bildbestandteil in sein Erinnerungsbild aufnimmt (vgl. BGH, GRUR 99, 241 – "Lions";). Etwas anderes gilt aber dann, wenn die Bildbestandteile nichts sagende oder geläufige Verzierungen darstellen (BGH, GRUR 2000, 506, 509 – „ATTACHE/TISSERAND“). Der bildliche Bestandteil ist hier ein Kreis mit hellerem Rand, in dem zentral und gut erkennbar die Worte „p....O.“ stehen. Dieser bildliche Bestandteil tritt gegenüber dem Textbestandteil als nichts sagend zurück.

Der entsprechende Bestandteil des angegriffenen Kennzeichens, nämlich „O.“, tritt in selbständig kennzeichnender Weise im textlichen Bestandteil hervor. Der „überschießende“ Bestandteil „pur ·“ tritt hinter dem anderen Bestandteil „O.“ zurück. „pur“ bedeutet „rein“ oder „nichts außer“.

Zum einen wirkt dies als beschreibender Teil, denn bei der Bezeichnung einer Spritspartechnologie soll und kann der Bestandteil „pur“ im Zusammenhang mit „O.“ andeuten, dass durch diese Technologie der (Luft-)Sauerstoff „rein“ gehalten wird, auch wenn dies – rein chemisch gesehen – wenig zutreffend sein mag.

Zum anderen wirkt der Zusatz „pur“ nach seinem Inhalt als verstärkender Hinweis auf „O.“, denn anderes außer „O.“ fällt laut Bezeichnung weg – es geht um „nichts außer“ „O.“. Das Argument der Antragsgegnerin, „O.“ müsse aber beschreibend sein, damit „pur“ als beschreibend oder verstärkend empfunden werde, trifft nicht zu. Auch eine rein herkunftshinweisende Bezeichnung kann in dieser Art verstärkt werden.

Die demnach sich gegenüberstehenden Bestandteile „O.“ einerseits, „O.“ andererseits innerhalb der Gesamtmarken/-zeichen wirken selbständig kollisionsbegründend, da sie bis auf Groß- und Kleinschreibung des Buchstabens „O“ identisch sind. Abweichungen bzgl. Groß-/Kleinschreibung sind generell unschädlich (BGH GRUR 2000, 1038, 1039 - Kornkammer; BPatG GRUR 1997, 287, 289 - INTECTA/tecta). Außerdem werden hier im gesamten Zeichen lediglich Kleinbuchstaben verwendet, so dass kein relevanter Unterschied zu einem Großbuchstaben auffiele.

Besonders die bei beiden Zeichen verwendete Tiefstellung der Zahl „2“ wirkt demgegenüber prägnant.

Da einerseits bei dem angegriffenen Kennzeichen – unwesentliche – Bild- und Wortbestandteile vorhanden sind, die den Klagemarken fehlen, andererseits beinahe Identität zwischen den restlichen Bestandteilen „O.“/ O.“ besteht, ist eine durchschnittliche Zeichenähnlichkeit anzunehmen.

3. Die Kennzeichnungskraft der eingetragenen Klagemarken ist als originär durchschnittlich zu bewerten. Kennzeichnungs- bzw. Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. z.B. OLG Hamburg, GRUR-RR 2004, 42, 43). Diese Eignung ist bei dem streitgegenständlichen Begriff originär „O.“ in durchschnittlicher Weise gegeben. Zwar bezeichnet der Begriff – insoweit als Beschreibung – die chemische Formel für Sauerstoff. Streitgegenständlich sind aber keine Waren der Antragstellerin, bei denen insoweit ein beschreibender Anklang in Frage käme.

Diese Kennzeichnungskraft ist durch umfangreiche Verwendung und Werbung gesteigert, allerdings nicht im hier relevanten Bereich. Es ist anerkannt, dass eine Kennzeichnungskraft durch den Gesichtspunkt der Verkehrsbekanntheit gesteigert werden kann. Der für die gesteigerte Kennzeichnungskraft erforderliche Bekanntheitsgrad des Zeichens ist keine feste Größe, sondern von der jeweiligen Marktbedeutung der Marke für die tatsächlich benutzten Waren abhängig. Maßgebend sind die Einzelfallumstände, namentlich der Marktanteil der Marke, die Intensität, die geografische Ausdehnung und die Dauer ihrer Benutzung sowie der Umfang der Investitionen, die das Unternehmen zur Förderung der Marke getätigt hat (zu § 14 II Nr. 3 MarkenG BGH, GRUR 2002, 340, 341 – Fabergé; vgl. auch OLG Hamburg GRUR 2004, 42, 43 – Sitting Bull).

Ob eine bekannte Marke vorliegt, richtet sich nach dem Bekanntheitsgrad bei den aktuellen und potentiellen Abnehmerkreisen der Waren/Dienstleistungen, für welche die Marke Schutz genießt. Hierfür gelten die zur Verwechslungsgefahr geltenden Regeln entsprechend, insbesondere die Maßgeblichkeit der Waren/Dienstleistungen ihrer gattungsmäßigen Art nach (Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 14 Rn. 795). Hierbei genügt es, wenn eine für mehrere Waren/Dienstleistungen eingetragene Marke bei den für eine Ware oder Dienstleistung in Betracht kommenden Abnehmern über die erforderliche Bekanntheit verfügt; es darf dann allerdings auch nur diese Ware oder Dienstleistung bei der Prüfung der weiteren Tatbestandsvoraussetzungen zugrunde gelegt werden (Schweyer, in: v. Schultz, MarkenR, § 14 Rn. 175 zu § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG). Eine Bekanntheit besteht unstreitig nicht im Bereich der Mess-, Signal- und Kontrollinstrumente, Computerhardware, -software oder bei technischen Ölen und Schmiermitteln.

Bei der Marke „O.“ handelt es sich zwar um eine gerichtsbekannt bekannte Marke. Es ist das Firmenschlagwort einer der vier großen Mobilfunkanbieter, der regelmäßig und umfangreich, teilweise auch mit Prominenten, in fast allen Medien wirbt. Diese Bekanntheit bezieht sich aber nur auf Mobilfunk- und Kommunikationsdienstleistungen. Die originäre durchschnittliche Kennzeichnungskraft ist demzufolge nicht relevant gesteigert.

4. Sowohl eine unmittelbare Verwechslungsgefahr als auch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn sind unter Berücksichtigung der eben aufgezählten Umstände – durchschnittliche Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit, durchschnittliche Zeichenähnlichkeit sowie eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Klagemarken – zu bejahen.

Es ist anzunehmen, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Waren der Antragsgegnerin wenigstens gedanklich in Verbindung mit den Waren und Dienstleistungen der Antragstellerin bringen und insoweit eine Kooperation oder wirtschaftliche Zusammenarbeit z. B. in Form einer Lizensierung vermuten, da die Klagemarken in ihrem wesentlichen Gehalt als Bestandteil der angegriffenen Kennzeichen erscheinen und sich die Klagemarke allgemein zu einem Hinweis auf das Unternehmen der Klägerin entwickelt hat (vgl. BGH GRUR 2002, 171, 175 – Marlboro).

5. Daneben steht der Antragstellerin auch ein Anspruch aus Art. 9 Abs. 1 lit. c) GMV sowie § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG zu.

a. Das verwendete Zeichen ist ähnlich zu den Klagemarken.

b. Ob die jeweils gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen sich ähnlich sind, kann insoweit dahinstehen, da die genannten Normen entsprechend auch auf Fälle anzuwenden sind, in denen die Waren Ähnlichkeit aufweisen.

c. Bei der Marke „O.“ handelt es sich gerichtsbekannt um eine bekannte Marke auf dem Bereich der Telekommunikationsdienstleistungen.

d. Die Benutzung des Zeichens nutzt die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke „O.“ ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise aus.

Die Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der älteren Marke in unlauterer Weise durch die Benutzung der jüngeren Marke ist unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (EuGH, GRUR 2009, 56 – Intel).

Als derartige Umstände können nach der eben zitierten Entscheidung des EuGH genannt werden

- der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken;

- die Art der Waren und Dienstleistungen, für die die einander gegenüberstehenden Marken jeweils eingetragen sind, einschließlich des Grades der Nähe oder der Unähnlichkeit dieser Waren und Dienstleistungen sowie die betreffenden Verkehrskreise;

- das Ausmaß der Bekanntheit der älteren Marke;

- der Grad der der älteren Marke innewohnenden oder von ihr durch Benutzung erworbenen Unterscheidungskraft;

- das Bestehen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum.

All diese Kriterien sind nach dem oben bereits Gesagten erfüllt bzw. sprechen für eine unlautere Ausnutzung der Unterscheidungskraft und Wertschätzung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.