OLG Hamburg, Beschluss vom 14.11.2006 - 5 W 173/06
Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Streitwert in Abänderung des Beschlusses des Landgerichts Hamburg – Zivilkammer 8 - vom 8.9.2006 auf EUR 15.000 festgesetzt.

Gründe

Die gemäß den §§ 68 Abs.1, 63 Abs.3 S.2 GKG zulässige Streitwertbeschwerde ist teilweise begründet.

Der von der Antragstellerin vorgetragene Sachverhalt rechtfertigt nach Auffassung des Senats einen Streitwert in der erkannten Höhe. Dabei geht der Senat mit dem Landgericht davon aus, dass die Antragstellerin eine Haftung der Antragsgegnerin nur als Störerin glaubhaft gemacht hat.

1. Der von dem Landgericht festgesetzte Streitwert von insgesamt EUR 25.500.- bei der urheberrechtsverletzenden Nutzung von 10 Musiktiteln stellt sich allerdings auch nach Meinung des Senats für den Regelfall einer täterschaftlich begangenen Rechtsverletzung als angemessen dar. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin, die sich auf Tarife der GEMA bezieht, kommt es in derartigen Fällen insbesondere nicht auf diejenigen Kosten an, zu denen der urheberrechtlich geschützte Gegenstand (z. B. im Internet) rechtmäßig zur Nutzung erworben werden kann. Der Senat berücksichtigt bei der Streitwertfestsetzung insbesondere in Fällen weit verbreiteter bzw. massenhaft begangener Rechtsverletzungen in angemessenem Umfang auch generalpräventive Aspekte der Abschreckung als Bemessungskriterium. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird insoweit auf die veröffentlichte Senatsrechtsprechung zur urheberrechtswidrigen Nutzung von Kartenausschnitten Bezug genommen (Senat GRUR-RR 04,342 – Abschreckender Streitwert). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Die dort niedergelegten Grundsätze gelten gleichermaßen für das unautorisierte Angebot von Musiktiteln im Internet über so genannte Filesharing-Systeme. Vor diesem Hintergrund sind die von dem Landgericht angenommenen Einzelstreitwerte pro Musiktitel nicht unvertretbar hoch.

2. Die vorgenannten Überlegungen, bei massenhaft und vorsätzlich begangenen Rechtsverletzungen über das Internet die Streitwerte in Hinblick auf den erheblichen Angriffsfaktor und unter generalpräventiven Überlegungen verhältnismäßig hoch festzusetzen, liegen bei einer bloßen Störerhaftung als Inhaber eines Computeranschlusses nicht vor. Zwar ist es aus Sicht des Verletzten und für die Höhe seines Interesses ohne Belang, ob eine Rechtsverletzung dem Beklagten aufgrund täterschaftlicher Begehungsweise zugerechnet werden kann oder aufgrund einer bloßen Störerhaftung. Insoweit ist dem Landgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 1.11.2006 zuzustimmen. In der Regel nimmt der Senat bei der Streitwertfestsetzung in Sachen des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts insoweit auch keine Differenzierung vor.

Allerdings ist zugleich anerkannt, dass für die Streitwertbemessung nicht nur das Wertinteresse des Gläubigers, sondern auch die Intensität des Angriffs zu berücksichtigen ist. Gerade die Wertbemessung in Fällen der massenhaften Rechtsverletzung über das Internet wird in besonderem Maße durch ihren hohen Angriffsfaktor geprägt, weshalb dem Senat hier eine Differenzierung zwischen Störerhaftung und täterschaftlicher Haftung angebracht erscheint. In dem Beschwerdeverfahren zum Aktz. 5 W 118/06, welches fünf Musiktitel betraf, die über ein Filesharing-System zum Herunterladen angeboten wurden, hat der Senat hierzu Folgendes ausgeführt :

„Im vorliegenden Rechtsstreit werden die Antragsgegner indes ausschließlich als urheberrechtliche Störer in Anspruch genommen, weil sie die ihnen obliegenden und zumutbaren Maßnahmen unterlassen haben, um eine Urheberrechtsverletzung zu verhindern, die ihre Kinder mit Hilfe des Computers der Antragsgegner begangen haben. Auch die Antragsteller konnten aufgrund des vorgerichtlichen Schriftwechsels, insbesondere des Schriftsatzes vom 28.06.06, der Art der Musikaufnahmen sowie der Ergebnisse der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen nicht davon ausgegangen sein, dass die konkrete Art der Verletzungshandlung von den Antragsgegnern persönlich begangen worden sind. In derartigen Fällen der Vernachlässigung von Sorgfaltspflichten ist der durch die Verletzung zum Ausdruck kommende Angriffsfaktor deutlich geringer anzusetzen als bei einem täterschaftlichen Verstoß. Denn den Antragsgegnern kann nicht zur Last gelegt werden, unmittelbar und willentlich in Schutzrechte eingegriffen zu haben. Das Charakteristische des Verstoßes liegt vielmehr darin, dass die Antragsgegner untätig geblieben sind bzw. nicht alles in ihrer Kraft stehende unternommen haben, um den Verstoß eigenverantwortlich handelnder dritter Personen zu verhindern. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf die Höhe des festzusetzenden Streitwertes, insbesondere auch unter den generalpräventiven Gesichtspunkten, die der Senat bei der Streitwertbemessung mit berücksichtigt. Vor diesem Hintergrund können selbst erhebliche Umsätze der Antragsteller bei der Vermarktung der streitgegenständlichen Titel die Annahme eines hohen Wertinteresses nicht rechtfertigen. Unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls ist hier nur ein deutlich geringerer Gesamtstreitwert in Höhe von EUR 10.000.- für alle Verletzungshandlungen angemessen.“.

Im vorliegenden Verfahren geht es um 10 Musiktitel. Unter Berücksichtigung aller Umstände hält der Senat einen Streitwert von EUR 15.000.- für angemessen.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs.3 GKG).