LG Köln, Urteil vom 18.02.2010 - 15 O 174/09
Fundstelle
openJur 2010, 294
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt,

an die Klägerin € 15.545,01 nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkte über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (21.4.2009) Zug um Zug gegen Übertragung von 17 von der Lehman Brothers Treasury Co. B.V. begebenen Zertifikate mit der Bezeichnung A1 ZERTIFIKAT (ISIN B1) zu zahlen .

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt aus (angeblich) abgetretenem Recht ihres Ehemannes Schadensersatz von der beklagten Bank wegen angeblich falscher Anlageberatung Anfang 2007. Herr S erwarb nach – so jedenfalls der Klagevortrag - ausschließlich telefonischer Beratung durch die E- Bank sog. Lehmann Brothers Zertifikate, nämlich 17 Stück Lehman Brothers A1 Zertifikate zum Stückpreis von € 1.000,00 zuzüglich eines Aufschlags von € 8,53 (= € 17.145,01). Wegen der Abrechung des Wertpapierauftrags wird auf die Anlage K 7 = Bl. 68 d.A. Bezug genommen.

Die Klägerin behauptet, ihr Ehemann sei von Herrn X, dem damaligen Mitarbeiter der E- Bank, falsch beraten worden. Herr X habe nicht nur auf die vermeintliche Sicherheit der Anlage hingewiesen, sondern es auch insbesondere pflichtwidrig unterlassen, über die erheblichen und mannigfachen Risiken, die mit dem Erwerb der Zertifikate verbunden gewesen seien, aufzuklären. Es sei weder eine anleger- noch anlagegerechte Beratung erfolgt. Die Klägerin meint, der Zedent habe deshalb einen entsprechenden Schadensersatzanspruch auf Erstattung des nach der Insolvenz der Emittentin verlorenen Kapitaleinsatzes abzüglich einer Bonusausschüttung von € 1.600,00 Zug um Zug gegen Übertragung der Papiere. Der Anspruch gründe sich zudem auf den bei dem Telefonat unterlassenen Hinweis auf die der Bank zugeflossene (Rück-)Vergütung, aber auch darauf, dass die Bank entgegen ausdrücklicher Weisung bei Kursverlust nicht verkauft und bei späteren Telefonaten zum Halten der Zertifikate geraten habe. Hätte Herr X richtig und umfassend, auch über die Vergütung in Höhe von 3,5% aufgeklärt, wären die Papiere nicht erworben worden.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zur Zahlung von € 15.545,01 nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkte über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Übertragung von 17 von der Lehman Brothers Treasury Co. B.V. begebenen Zertifikaten mit der Bezeichnung A1 ZERTIFIKAT (ISIN B1) zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, es sei schon zweifelhaft, ob es überhaupt zu einem Beratungsvertrag gekommen sei. Sie behauptet, der Zedent sei durch Herrn X umfassend über die Risiken und Funktionsweise der Zertifikate aufgeklärt, entsprechend beraten worden. Auch zu späteren Zeitpunkten seien keine Pflichten verletzt worden. Ein etwaiger Rat zum Halten der Papiere wäre nicht fehlerhaft gewesen. Hinsichtlich der Vergütungen, so meint die Beklagte, hätten keinerlei Aufklärungspflichten bestanden, zumal bloße Eigengeschäfte, Festpreisgeschäfte und keine Kommissionsgeschäfte vermittelt worden seien. Der Vorgang sei zu einem Pauschalpreis abgerechnet worden, der u.a. die Gewinnmarge beinhalte. Im übrigen sei der Zedent durch die Broschüre "Informationen zum Wertpapiergeschäft" von September 2007 aufgeklärt worden. Auch könne vorliegend von der Kausalität einer etwaigen Pflichtverletzung, die hinsichtlich der Vergütung ohnehin nicht schuldhaft erfolgt sei, für die Entscheidung des Zedenten keine Rede sein.

Wegen der Behauptungen der Klägerin betr. die angebliche Falschberatung im einzelnen wird u.a. auf die Klageschrift (S. 11-15 = Bl. 11 bis 15 d.A.) und S. 4 ff. des Schriftsatzes vom 6.8.09 (Bl. 137 ff., d.A.) verwiesen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Aus abgetretenem Recht steht der Klägerin gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch in der geltend gemachte Höhe wegen schuldhafter Falschberatung bei Erwerb der streitgegenständlichen Lehman Brothers Zertifikate zu.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Die vorgelegte Urkunde Anlage K 17 ist inhaltlich ausreichend.

Zwischen den damaligen Parteien ist ein Beratungsvertrag zustande gekommen. Hierfür reicht es nach der Rechtsprechung aus, dass die Bank dem Anleger ein bestimmtes Finanzprodukt aus ihrer Angebotspalette empfiehlt und tatsächlich eine Beratung stattfindet. Von dem Vorliegen dieser Voraussetzungen ist auch und gerade nach dem Vorbringen der Beklagten auszugehen. Eine umfassende Aufklärung über die mit dem Erwerb der Wertpapiere verbundenen Risiken und die Funktionsweise der Zertifikate lässt nur den Schluss auf eine Beratung und nicht bloße Vermittlung zu. Die Beklagte selbst macht ausdrücklich eine "eingehende und umfassende Beratung an Hand der schriftlichen Unterlagen" geltend. Sie meint, ihre Beratungspflichten erfüllt zu haben. Deshalb kann dahinstehen, dass nach Ansicht der Kammer seinerzeit die Dresdnerbank auch als bloße Vermittlerin gehalten gewesen wäre, den Zedenten vollständig und richtig aufzuklären.

Diese Pflicht ist verletzt worden. Dabei kann der Streit der Parteien, ob im Streitfall anfangs und später grundsätzlich anleger- und anlagegerecht beraten worden ist, dahinstehen. Jedenfalls ist die Beratungspflicht insoweit verletzt worden, als der Zedent nicht umfassend über die Höhe der gesamten Vergütung aufgeklärt worden ist, die die Beklagte durch den Verkauf der Zertifikate erlangt hat. Die diesbezügliche Information des Zedenten bezog sich allenfalls auf den Ausgabeaufschlag, nicht indes auf die der Beklagten entweder zugeflossene Vertriebsgebühr (von 3,5%) oder, wie die Beklagte geltend macht, auf deren mit dem Weiterverkauf der Papiere erzielten Gewinnmarge. Auf – zudem allgemein gehaltene – Mitteilungen nach dem Zeitpunkt des Erwerbs – die Beklagte beruft sich auf die Broschüre vom September 2007, die der Zedent nicht erhalten haben will - kann es selbstverständlich nicht ankommen. Auch wenn die Beklagte die Zertifikate zunächst selbst erworben und sodann an den Zedenten mit Gewinn weiter veräußert hat, wäre sie auskunftspflichtig gewesen. Zwar läge in diesem Fall eine sog. "Rückvergütung" im Sinne der Rechtsprechung des BGH zum Erwerb von Anteilen an Aktien- und Medienfonds, wie vom BGH jüngst in der Entscheidung vom 27.10.2009 – Az.: XI ZR 338/08 – angesprochen, nicht vor. Es ist aber schon fraglich, ob diese Rechtsprechung von vorn herein nur in diesem einschränkenden Sinn zu verstehen ist. Auf jeden Fall ist die Kammer der Ansicht, dass diese Rechtsprechung auch auf den Erwerb von Zertifikaten und unabhängig davon anzuwenden ist, ob z.B. der Bank (hinter dem Rücken des Kunden) eine Vertriebsgebühr zufließt oder das Kreditinstitut einen Gewinn aus der Weiterveräußerung des Zertifikats erzielt. In jedem Fall unterliegt das beratende Institut einem Interessenkonflikt, der zu der vorerwähnten Rechtsprechung des BGH geführt hat. Auch bei dem Erwerb von Zertifikaten ist die Bank an der Ausführung des Geschäfts interessiert, weil sie hierfür vergütet wird bzw. eine Marge erzielt. Auf der anderen Seite ist die beratende Bank verpflichtet, durch richtige und vollständige Beratung ihren Kunden aufzuklären und ggf. die bestehenden Risiken zutreffend so darzulegen, dass ihr Kunde wegen entsprechender Einschätzung der Risiken ggf. Abstand von dem geplanten Geschäft nimmt. Die Interessenlage der am Beratungsvertrag Beteiligten ist in den Fällen, in denen eine Bank zu einer Anlage rät, mit der sie eine Handelsspanne erzielen will, nicht wesentlich anders als in den Fällen, in denen die Bank eine Rückvergütung (Provision) von der Fremdemittentin erhält. Wie bereits das LG Hamburg (Urteil vom 1.7.2009 – Az.: 325 O 22/09) - wenn auch in Abweichung von seitens der Beklagten zitierter Urteile anderer Gerichte - überzeugend ausgeführt hat, besteht in beiden Fällen die Gefahr, dass der Anleger nicht anleger- und objektgerecht beraten wird, sondern die Bank bei dem Geschäft zumindest auch ihre eigenen Interessen verfolgt. Die Argumentation, einer Aufklärung bedürfe es nicht, weil der Kunde, dem ein Wertpapier von seinem Kreditinstitut weiter veräußert wird, ohnehin von der Gewinnerzielungsabsicht der Bank wie von derjenigen eines Verkäufers eines anderen Produkts wisse, überzeugt nicht. Sie verkennt einen wesentliche Unterschied. Vorliegend ist nicht der bloße Verkauf einer Ware zu beurteilen. Die Bank verkauft nicht nur eine Ware, wenn man einmal ein sog. Festpreisgeschäft unterstellt. Zugleich ist sie Beraterin ihres Kunden, ohne aber diese zusätzliche Leistung in Rechnung zu stellen bzw. anderweit zu offenbaren. In einem solchen Fall ist eben für den Erwerber nicht von vornherein eindeutig klar, was er wofür bezahlt. Dies mag nur dann anders sein, wenn, anders als hier, die Bank zugleich Emittentin ist.

Im übrigen ist das Argument, jeder verständige Anleger gehe von der Gewinnerzielungsabsicht der Bank aus, auch deshalb nicht stichhaltig, weil es gerade auch auf die Höhe der jeweiligen Vergütung bzw. Handelsspanne ankommen kann. Ist der mit einem Weiterverkauf erzielte Gewinn besonders hoch, dürften für die Bank deren Interessen im Vordergrund stehen. Es lässt sich deshalb nicht argumentieren, den Anleger interessiere der Gewinn nicht, denn er gehe ohnehin davon aus, die Bank werde nicht unentgeltlich tätig.

Von all dem abgesehen – und hierauf weist die Klägerin mit Recht hin – ist ohnehin fraglich, ob es vorliegend überhaupt um die Bewertung einer bloßen Handelsspanne im Rahmen eines sog. Festpreisgeschäfts geht, wie die Beklagte geltend machen will. Zum einen spricht die tatsächlich vorgenommene Abrechnung gerade für die Ausführung eines Kommissionsgeschäfts. Zum anderen räumt die Beklagte ausdrücklich den Erhalt einer sog. Vertriebsprovision von 3,5% ein. Ist dem so, kann es bei zutreffender Wertung auf den bloß formalen Unterschied der Art der Abrechnung zwischen der Emittentin und der Bank (gesonderte Zahlung einer Gebühr "hinter dem Rücken des Kunden" oder "Preisnachlass" bei dem Erwerb des Papiers mit Weiterverkauf und dabei erzieltem Gewinn) von vorn herein schwerlich ankommen.

Die Beklagte hat ihre Beratungspflicht auch schuldhaft verletzt, wie die Kammer bereits wiederholt für Fälle entschieden hat, in denen Anlegern nach dem Jahr 2000 Fondsanteile vermittelt wurden. Hinsichtlich dieser objektiven Pflichtverletzung wird das Verschulden der beratenden Bank vermutet, wie der BGH ausdrücklich entschieden hat, Urteil vom 12.5.2009 – Az.: XI ZR586/07 -. Diese Vermutung ist von der Beklagten nicht widerlegt. Vielmehr steht nach Ansicht der Kammer, die nicht an abweichende Entscheidungen anderer Land- bzw. Oberlandesgerichte gebunden ist, das Verschulden der Beklagten fest (vgl. auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 3.3.09, Az.: 17 U 371/08 und die vorläufige Einschätzung des für die Kammer zuständigen Berufungsgerichts, OLG Köln, Beschluss vom 11.3.09, Az.: 13 U 59/08). Von dieser ist im Jahr 2007 fahrlässigerweise nicht bedacht worden, dass sie ihre Kunden bei der Vermittlung von Zertifikaten bzw. der diesbezüglichen Beratung auch auf die ihr zufließenden Vergütungen, wie immer man sie genau bezeichnen will, bzw. zu erzielenden Margen hinzuweisen hat. Der Gedanke, dass auch dieser Gesichtspunkt und nicht nur die Kapitalsicherheit und die Renditehöhe für den potentiellen Anleger von Bedeutung sein könnten, lag bei der geschuldeten sorgfältigen Einschätzung der Pflichten einer Bank keineswegs fern, eher sogar auf der Hand. Der hiermit verbundene Konflikt zwischen den Interessen des Kunden an einer sachgerechten Beratung und den eigenen Belangen der Bank an einer möglichst hohen Vergütung ist unschwer zu erkennen gewesen und hätte bei sorgfältiger Prüfung zu der Einsicht führen müssen, den Kunden auch über die der Bank zufließenden Vergütungen bzw. die jeweilige Handelsspanne aufzuklären. Hierüber hat es einer ausdrücklichen Rechtsprechung, wie sie – praktisch - mit dem Urteil des BGH vom 19.12.2006 – XI ZR 56/05 – begonnen hat, nicht bedurft. Im übrigen hat schon der früheren höchstrichterlichen Rechtsprechung entnommen werden können, dass gerade ein solcher Interessenkonflikt von Bedeutung ist und die Pflichten eines Beraters mit beeinflusst. Der BGH selbst hat in der vorgenannten Entscheidung, der zwar eine Beteiligung an einem Aktienfonds zugrunde lag, die sich aber allgemein über Beratungs- und Aufklärungspflichten im Rahmen des Erwerbs von Fondsanteilen verhält, auf seine Rechtsprechung seit dem Urteil vom 19.12.2000 (!) – XI ZR 349/99 - hingewiesen. Danach hat eine Bank, die einem Vermögensverwalter Provisionen und Depotgebühren rückvergütet, ihren Kunden vor Abschluss eines Geschäfts darauf hinzuweisen, dass sie eine Gefährdung der Kundeninteressen durch den Vermögensverwalter herbei führt. Diese Fallgestaltung ist insoweit, hinsichtlich des begründeten Interessenkonflikts, mit der vorliegenden durchaus vergleichbar, selbst wenn eine sog. Rückvergütung im engeren Sinne nicht vorliegen mag. Der BGH selbst hält nach den unter Ziffer II 4 dargestellten, ganz allgemein gehaltenen Entscheidungsgründen des Urteils vom 19.12.06 die damalige Rechtsprechung ausdrücklich auf den vom ihm unter diesem Datum abgeurteilten Fall für übertragbar. Dass der BGH diese Übertragbarkeit ersichtlich nicht auf den Erwerb von Anteilen an einem Aktienfonds beschränkt wissen wollte, ergibt sich ebenfalls zweifelsfrei aus den anschließenden Entscheidungsgründen. Diese stellen allgemein gehalten darauf ab, "dass, wenn eine Bank einen Kunden ohne Zwischenschaltung eines Vermögensverwalters berät, Anlageempfehlungen abgibt und dabei an dem empfohlenen Fonds durch Rückvergütungen verdient, die Bank die Kundeninteressen gerade durch die Rückvergütungen gefährdet". Es ist weiter, ohne Beschränkungen auf einen bestimmten Anlagenbereich bzw. ein konkretes Finanzprodukt, von der "konkreten Gefahr die Rede, dass die Bank Anlageempfehlungen nicht allein im Kundeninteresse nach den Kriterien anleger- und objektgerechter Beratung abgibt, sondern zumindest auch in ihrem eigenen Interesse, möglichst hohe Rückvergütungen zu erzielen". Der BGH hat seinen Beschluss vom 20.1.2009 ausdrücklich auch damit begründet, es mache keinen Unterschied, ob der Berater Aktien- oder Medienfonds vertreibe. Nach diesen Ausführungen, gestützt auf allgemein anerkannte zivilrechtliche Grundsätze (§§ 276, 676 GB), hätte eine sorgfältig handelnde Bank jedenfalls bzw. spätestens seit der Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2000, selbst ungeachtet entsprechender Meinungen des Schrifttums – im Urteil des OLG Dresden vom 24.07.09, Az.: 8 U 1240/08 zitiert, vgl. auch OLG Karlsruhe a.a.O. -, zu der Erkenntnis kommen können und müssen, in allen Fällen der Empfehlung von Kapitalanlagen im weiteren Sinne, also auch bei der Vermittlung bzw. dem Verkauf von Zertifikaten, verpflichtet zu sein, ihre Kunden auch auf die ihr zufließenden Provisionen oder die durch den Verkauf erzielte Gewinnmarge hinzuweisen. Hat sie sich dieser Erkenntnis verschlossen, kann bei der erforderlichen Anlegung eines strengen Maßstabes von einem "entschuldbaren Rechtsirrtum", von einer mangelnden Vorhersehbarkeit der aktuellen Rechtsprechung, nach Ansicht der Kammer keine Rede sein.

Dies wäre allenfalls dann anders zu beurteilen, wenn sich die Beklagte 2007 auf Kollegialentscheidungen des ausdrücklichen Inhalts hätte berufen können, dass in solchen Fällen eine Pflicht zur Aufklärung nicht besteht. Dies ist indes gerade nicht entschieden worden. Letztlich will sich die Beklagte im Kern ihrer Argumentation auch nur darauf berufen, dass es die streitgegenständliche höchstrichterliche Rechtsprechung erst seit kurzem bzw. einigen Jahren gibt. Dies ist indes in dem hier maßgeblichen Zusammenhang von vornherein der falsche Ansatzpunkt. Ergeben sich Pflichten einer Vertragspartei aus allgemein anerkannten zivilrechtlichen Grundsätzen – hier dem Grundsatz der Vermeidung von vertragswidrigen Interessenkonflikten -, sind diese unabhängig davon zu beachten, ob ein Kollegialgericht eine solche Pflicht ausdrücklich postuliert. Soweit die Beklagte auf den aktuellen Meinungsunterschied in der Rechtsprechung abstellt, ist dem zu entgegnen, dass sich eine einheitliche Rechtsprechung im Sinne der Rechtsansicht der Beklagten gerade nicht heraus gebildet hat. Im übrigen kann es für die Frage, ob sich die Beklagte für ihr Verhalten Anfang 2007 auf Gerichtsurteile bzw. darauf berufen kann, eine bestimmte Rechtsprechung habe es nicht gegeben, nicht auf späteren Entscheidungen, insbesondere aktuelle aus dem Jahr 2009, ankommen.

Letztlich folgt die Feststellung eines Verschuldens der Bank in Fällen der vorliegenden Art unmittelbar aus der postulierten Verschuldensvermutung selbst. Diese Rechtsprechung käme praktisch für die gesamte Vergangenheit nicht zur Auswirkung, könnten sich Banken für den zurückliegenden Zeitraum von vornherein auf einen entschuldbaren Rechtsirrtum berufen. Dies steht miteinander nicht in Einklang, die Vermutung wird praktisch in ihr Gegenteil verkehrt. Im übrigen spricht nichts dafür, das des BGH, der in seinem Urteil vom 12.5.2009 eine Fondsbeteiligung aus dem Jahre 2000, also einen Sachverhalt zu beurteilen hatte, der sogar noch aus der Zeit vor der Entscheidung vom 19.12.2000 stammt, die von der Beklagten und einem Teil der Rechtsprechung vertretene Gegenansicht teilt. Andernfalls wäre bei realistischer Einschätzung zu erwarten gewesen, dass sich der BGH mit dieser Frage wenigstens ansatzweise auseinandergesetzt hätte, anstatt ausdrücklich, eindeutig und einschränkungslos den Grundsatz aufzustellen, das Verschulden werde vermutet.

Der Schaden des Zedenten (in Form des Aufwandes für den Erwerb der Zertifikate) ist schließlich durch die aufgezeigte schuldhafte Pflichtverletzung verursacht worden. Insoweit gilt nach dem Urteil des BGH vom 12.5.2009 eine Kausalitätsvermutung Diese ist von der Beklagten nicht widerlegt. Die Beklagte verkennt den rechtlichen Ansatz, wenn sie auf die allgemeinen zur Kausalitätsvermutung entwickelten Grundsätze Bezug nimmt und darauf abstellt, für den Zedenten wären mehrere verschiedene andere Anlagemöglichkeiten mit jeweils unterschiedlichen Folgen in Betracht gekommen. Hierauf kommt es nicht an. Nach der Rechtsprechung des BGH, gerade der Entscheidung vom 12.5.2009, ist für die hier vorliegende konkrete Fallgestaltung nur maßgeblich, ob der Zedent, wäre er hinsichtlich der an die Beklagte fließende Vergütung bzw. Provision oder einer erzielten Handelsspanne aufgeklärt worden, sich gleichwohl für diese Anlage mit dieser negativen Auswirkung entschieden oder ob er von dieser konkreten Fondsbeteiligung Abstand genommen hätte. Zu vermuten ist die letztere Alternative. Diese wird insbesondere nicht durch den sog. Schutzzweckzusammenhang und auch nicht durch das spätere Anlageverhalten des Zedenten widerlegt, abgesehen davon, dass die Klägerin geltend macht, auch bei den späteren Wertpapierkäufen sei der Zedent insoweit nicht aufgeklärt worden. Soweit die Beklagte schließlich meint, die Vermutung sei "ganz allgemein widerlegt", kann die Kammer auch dieser Ansicht nicht folgen. Es kommt insoweit stets nur auf den konkreten Einzelfall und nicht darauf an, dass die Kunden auch nach den allgemeinen Informationen vom September 2007 – nunmehr in Kenntnis der den Banken zufließenden Erträge – weiterhin Zertifikate erwerben.

Die zuerkannten Zinsen sind wegen Rechtshängigkeit begründet.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.