OLG Celle, Beschluss vom 22.11.2007 - 2 Ws 367/07
Fundstelle
openJur 2012, 46624
  • Rkr:

Unzulässigkeit des Klageerzwingungsverfahrens bei fehlendem Haftgrund gegenüber im Ausland lebenden Beschuldigten (Anschluss an OLG Stuttgart NStZ 2003, 682).

Tenor

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unzulässig verworfen.

Gründe

1Die Unzulässigkeit ergibt sich bereits daraus, dass die Beschuldigten Schweizer Staatsbürger sind und auf den Philippinen leben, ohne dass es den deutschen Strafverfolgungsbehörden möglich ist, ihre Gestellung vor einem deutschen Gericht zu erzwingen. Denn dem Erlass eines Haftbefehls, der unumgängliche Voraussetzung für eine Auslieferung wäre, steht entgegen, dass es an einem Haftgrund im Sinne des § 112 Abs.2 StPO mangelt. Insbesondere liegt bei den Beschuldigten nicht der Haftgrund der Flucht vor, weil sie bereits vor Einleitung des Ermittlungsverfahrens ihren Lebensmittelpunkt dauerhaft auf die Philippinen verlegt hatten. Aber auch der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO ist nicht gegeben, weil das „Sich-Entziehen“ im Sinne dieser Norm ein aktives zweckgerichtetes Verhalten verlangt. Ein rein passives Verhalten und selbst Ungehorsam gegenüber Ladungen genügen jedoch nicht (vgl. OLG Karlsruhe StV 2005, 34 f.; OLG Hamm StV 2005, 35 f.; OLG Stuttgart NStZ 1998, 437 ff.; Hilger StV 2005, 36 ff.; Dahs/Riedel StV 2003, 416, 417 f.; Böhm NStZ 2001, 633, 636). Ein aktives Verhalten der Beschuldigten, sich Strafverfahren und -verfolgung in Deutschland zu entziehen, ist jedoch weder vorgetragen noch sonst nach Aktenlage ersichtlich. Bei dieser Sachlage fehlt es an den formellen Voraussetzungen für die Erhebung der öffentlichen Klage, weil die Beschuldigten für ein Strafverfahren vor einem deutschen Gericht in absehbarer Zeit nicht zur Verfügung stehen und das Verfahren gemäß § 205 StPO entsprechend einzustellen wäre. Der Antrag im Klageerzwingungsverfahren ist deshalb auf ein unmögliches Ziel gerichtet und unzulässig (OLG Stuttgart NStZ 2003, 682).

Im Übrigen genügt das Antragsvorbringen trotz seines Umfangs auch nicht den Erfordernissen des § 172 Abs.3 S.1 StPO. Denn die von den Antragstellern gegebene Sachdarstellung ist lückenhaft und ermöglicht dem Senat deshalb aus sich heraus keine Schlüssigkeitsprüfung. U.a. fehlen jegliche Darlegungen zum Vorfeld der behaupteten Straftaten. So verhält sich die Antragsbegründung nicht zu den finanziellen Verhältnissen der Antragsteller im Tatzeitraum. Solche Angaben wären gerade im Hinblick auf das ehemals gegen den Antragsteller zu 1.) unter dem Aktenzeichen 36 Js 19584/96 bei der Staatsanwaltschaft München geführte Strafverfahren und die dort vom Landgericht München II getroffenen Feststellungen geboten gewesen. Das Landgericht hatte den Antragsteller zu 1.) zwar vom Vorwurf des vierfachen Betruges bzw. der vierfachen Untreue freigesprochen, jedoch festgestellt, dass sich der Antragsteller zu 1.) in den Jahren 1992 und 1993 in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten befand. Zudem hatte der Antragsteller zu 1.) in einem Schreiben vom 24.07.1993 seinen Bekannten P. A. um ein Darlehen in Höhe von 2.000 DM unter Hinweis auf seine desolate finanzielle Situation gebeten. Er habe mittlerweile den Schmuck seiner Frau, der Antragstellerin zu 2.), zu Spottpreisen verhökert, um überhaupt überleben zu können. Vor diesem Hintergrund hätte es näherer Darlegungen bedurft, woher die Antragsteller bereits im Juni 1994 wieder Geld für den Kauf eines Grundstücks hatten und zudem angeblich für die Bauarbeiten am Privathaus des Beschuldigten zu 1.) 25.000 US-Dollar aus eigenem Vermögen hatten aufbringen können. Das gilt auch für das angebliche Vorhandensein von 25.000 DM Bargeld im November 1994. Im Hinblick auf den erwähnten Schmuckverkauf hätte auch der den Beschuldigten vorgeworfenen Schmuckdiebstahl zusätzlicher Ausführungen bedurft. Ferner fehlt die Darstellung der Einlassungen der Beschuldigten vor den Schweizer Behörden und des verstorbenen früheren Mitbeschuldigten J. im hiesigen Verfahren. Schon gar nicht findet insoweit die gebotene inhaltliche Auseinandersetzung statt.

Hinsichtlich der Antragstellerin zu 2.) ist zudem anzumerken, dass diese gar nicht Anzeigeerstatterin ist und im Übrigen ihr gegenüber auch ein begründeter Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft nicht ergangen ist.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird aus den vorstehenden Erwägungen unter 1.) ebenfalls als unzulässig verworfen (§ 172 Abs. 3 Satz 2 StPO, § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO entspr.).

Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).