Hamburgisches OVG, Urteil vom 10.12.2009 - 1 Bf 144/08
Fundstelle
openJur 2010, 235
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 21 K 2102/07
Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2008 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg aufgehoben.

Der Bescheid vom 22. November 2006 und der Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2007 werden aufgehoben.

Die Kosten des gesamten Verfahrens trägt die Beklagte.

Hinsichtlich der Kosten des gesamten Verfahrens ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der auf Grund des Urteils vollstreckbaren Kosten abwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe der zu vollstreckenden Kosten leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung eines überzahlten Familienzuschlags zum Ortszuschlag.

Der Kläger ist als Steueramtmann seit langem im Finanzamt ... tätig. Seine Ehefrau erhielt zunächst den halben Anwärterverheiratetenzuschlag. Nach der Einstellung seiner Ehefrau im Angestelltenverhältnis zum 1. Oktober 1996 als teilzeitbeschäftigte Angestellte unterrichtete das Bezirksamt Hamburg-Nord die Personalabteilung der Oberfinanzdirektion, dass die Ehefrau den Unterschiedsbetrag zwischen den Stufen 1 und 2 des Ortszuschlages, den sog. Verheiratetenzuschlag, zur Hälfte erhalte. Daraufhin wies die Personalabteilung der Oberfinanzdirektion mit Zahlungsanweisung vom 31. Oktober 1996 die damalige bei dem Personalamt eingerichtete Besoldungs-und Versorgungsstelle an, an den Kläger ab 1. Oktober 1996 den Ortszuschlag der Stufe 1 zuzüglich der Hälfte des Differenzbetrages zwischen den Stufen 1 und 2 zu zahlen. Eine Durchschrift dieser Zahlungsanweisung erhielt der Kläger zur Kenntnis.

Die Besoldungs-und Versorgungsstelle setzte diese Zahlungsanweisung nicht um und zahlte an den Kläger weiterhin den vollen Ortszuschlag der Stufe 2. Mit Vergleichsmitteilung vom 2. Dezember 2006 benachrichtigte das Bezirksamt Hamburg-Nord das Personalreferat der Finanzbehörde, dass die Ehefrau des Klägers wegen einer tarifvertraglichen Änderung ab dem 1. November 2006 keinen Ortszuschlag mehr erhalte und der Kläger deshalb nunmehr den vollen Ortszuschlag beziehe. Daraufhin stellte das Personalreferat der Finanzbehörde bei einer Überprüfung fest, dass der Kläger die gesamte Zeit über den sog. Familienzuschlag in voller Höhe bezogen hatte.

Mit Bescheid vom 22. November 2006 forderte die Finanzbehörde von dem Kläger den überzahlten Familienzuschlag für die Zeit vom 1. Oktober 1996 bis zum 31. Oktober 2006 zurück, den sie im Einzelnen auf 6.416,92 Euro berechnete. Den dagegen gerichteten Widerspruch des Klägers, mit dem sich dieser u.a. auf Verjährung berufen hatte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2007 zurück: Der Kläger habe gemäß § 40 Abs. 4 Satz 1 BBesG nur die Hälfte des Familienzuschlages zu der Stufe 1 des Ortszuschlages zugestanden. Er könne sich gegenüber seiner Rückzahlungsverpflichtung nicht gemäß § 12 Abs. 2 BBesG i.V.m. § 818 Abs. 3 BGB auf Entreicherung berufen. Denn er sei im Rechtssinne bösgläubig gewesen. Er hätte den Mangel des rechtlichen Grundes für die Überzahlung erkennen müssen. Der an ihn ausgezahlte Familienzuschlag der Stufe 1 sei in der Bezügemitteilung separat ausgewiesen. Ihm sei bekannt gewesen, dass ihm nur die Hälfte des Zuschlages zugestanden habe. Denn er habe im Oktober 1996 eine Durchschrift der Zahlungsanweisung der Oberfinanzdirektion an die Besoldungs-und Versorgungsstelle zur Kenntnis erhalten. Deshalb hätte ihm bei der ihm obliegenden Überprüfung seiner Besoldungsmitteilungen auffallen müssen, dass sich der Betrag zum Familienzuschlag der Stufe 1 nicht verringert habe. Insofern sei er verpflichtet gewesen nachzufragen, ob die Zahlung zu Recht erfolgt sei. Der Rückzahlungsanspruch sei auch nicht verjährt. Die dreijährige Verjährungsfrist habe entsprechend § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erst ab Kenntniserlangung der Personalstelle der Finanzbehörde von der Überzahlung im November 2006 zu laufen begonnen. Erst zu diesem Zeitpunkt habe die zuständige Personalstelle erfahren, dass die Besoldungs-und Versorgungsstelle die Zahlungsanweisung nicht umgesetzt habe und der Kläger deshalb überzahlt worden sei. Der Personalstelle seien auch weder Bearbeitungs-noch Übermittlungsfehler anzulasten. Ihr sei nicht vorzuwerfen, nicht kontrolliert zu haben, ob die Zahlungsanweisung auch befolgt worden sei. Es sei Aufgabe des Beamten, seine Besoldungsmitteilung zu überprüfen. Billigkeitsgründe, die ein Absehen von der Rückforderung rechtfertigen würden, seien nicht ersichtlich.

Mit seiner am 18. Juni 2007 eingegangenen Klage hat sich der Kläger auf den Wegfall der Bereicherung berufen und geltend gemacht, dass der Rückzahlungsanspruch verjährt sei. Die Beklagte habe bereits 1996 um seine, des Klägers, Familienverhältnisse gewusst und sich grob fahrlässig der Erkenntnis verschlossen, dass die Zahlungsanweisung aus 1996 nicht umgesetzt worden sei.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid vom 22. November 2006 und den Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2007 aufzuheben.

Die Beklagte hat den Antrag gestellt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat ihre Bescheide verteidigt: Soweit sich der Kläger darauf berufe, dass sie nach einer internen Anweisung von 1994 verpflichtet sei, die Zahlungen regelmäßig zu überprüfen verkenne er, dass diese Anweisung sich nicht auf die Ausführung der Zahlungen beziehe, sondern darauf, dass durch Erklärungen der Besoldungsempfänger zu prüfen sei, ob sich die tatsächlichen Verhältnisse für die Berechnung des Ortszuschlages verändert hätten.

Das Verwaltungsgericht hat mit auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2008 ergangenem Urteil die Klage abgewiesen: Der Rückforderungsbescheid sei nicht zu beanstanden. Der Kläger sei nach § 12 BBesG i.V.m. § 812 BGB zur Rückzahlung des überzahlten Verheiratetenzuschlages verpflichtet. Zwar sei er entreichert, da bei einer monatlichen Überzahlung von rund 43 Euro anzunehmen sei, dass der Kläger diese Beträge im Rahmen seiner allgemeinen Lebensführung verbraucht habe. Er könne sich aber nicht auf Entreicherung berufen. Denn er habe die erforderliche Sorgfalt in besonders hohem Maße außer Acht gelassen. Er habe wegen der ihm übersandten Zahlungsanweisung gewusst, dass ihm der Ortszuschlag (richtig: sog. Verheiratetenzuschlag) ab dem 1. Oktober 1996 nur noch zur Hälfte zugestanden habe. Den Besoldungsmitteilungen, die den Ortszuschlag/Familienzuschlag gesondert ausgewiesen hätten, hätte er aber entnehmen können, dass sich dieser in der Folgezeit nicht verringert habe. Deshalb hätte er bei der Personalstelle nachfragen und die Richtigkeit dieser Zahlung überprüfen lassen müssen. Der Erstattungsanspruch sei auch nicht verjährt. Nach der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB gelte die im Vergleich zu der früheren 30-zigjährigen regelmäßigen Verjährungsfrist kürzere Frist von 3 Jahren auch für die Zeiträume vor dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes zum 1. Januar 2002. Auch insoweit beginne die Verjährungsfrist erst mit dem Entstehen des Anspruchs und der positiven Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Gläubigers von den den Anspruch begründenden Umständen zu laufen. Der Personalabteilung sei aber nicht bekannt gewesen, dass der Kläger den vollen Ortszuschlag erhalten habe. Insoweit sei unerheblich, dass dies der Besoldungs-und Versorgungsstelle bekannt gewesen sein dürfte. Denn bei Behörden sei auf die Kenntnis des nach der Zuständigkeitsregelung zuständigen Mitarbeiters der entscheidungsberechtigten Behörde abzustellen. Entscheidungsberechtigt sei hier zunächst die Personalabteilung der Oberfinanzdirektion und später das Personalreferat der Finanzbehörde gewesen; die Besoldungs-und Versorgungsstelle habe nur als Zahlstelle fungiert. Auch habe bei der Personalabteilung/Personalreferat keine grob fahrlässige Unkenntnis vorgelegen. Zu ihren Obliegenheiten im Sinne des § 199 BGB habe nicht gehört, die Umsetzung der Zahlungsanweisung zu überprüfen. Denn der Personalabteilung hätten keine Anhaltspunkte vorgelegen, die die Nichtumsetzung nahelegten. Auch die Billigkeitsentscheidung sei nicht zu beanstanden. Der Kläger habe sich im Verwaltungsverfahren nur gegen seine Rückzahlungsverpflichtung gewendet und nicht geltend gemacht, zur Rückzahlung nicht in der Lage zu sein.

Der Kläger macht mit seiner mit Beschluss des entscheidenden Senats vom 2. März 2009 zugelassenen Berufung geltend: Das Verwaltungsgericht habe für den Beginn der Verjährungsfrist zu Unrecht auf den Zeitpunkt der Kenntnis der Personalstelle von den den Rückforderungsanspruch begründenden Umständen abgestellt. Die Beklagte könne sich ihrer Verantwortung aber nicht dadurch entledigen, dass sie möglichst viele Organisationseinheiten bilde, um der Verjährung zu entgehen. Die Beklagte müsse sich auch die Kenntnis ihrer Besoldungs-und Versorgungsstelle zurechnen lassen, die nur als verlängerter Arm ihrer Personalabteilung gearbeitet habe. Auch gehe es nicht an, an die Anforderung des § 12 BBesG, ob der Mangel so offensichtlich sei, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen, geringere Anforderungen zu stellen, als an die grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 199 Abs. 2 Ziff. 2 BGB. Auch sei es nicht richtig, mit dem Verwaltungsgericht die zu dem Beginn der Jahresfrist für die Rücknahme von Verwaltungsakten nach § 48 Abs. 4 VwGO entwickelten Grundsätze auf die Verjährungsvorschriften zu übertragen. Die Verjährungsregelungen dienten einem anderen Zweck als die Vorschrift des § 48 VwVfG. Es hätte für die Beklagte auch nahegelegen, Kontrollmechanismen einzuführen, um die Ausführung der Zahlungsanweisungen zu überprüfen. Insoweit bestehe zwischen der Personalstelle und der Besoldungs-und Versorgungsstelle ein Weisungsverhältnis, das den vorliegenden Fall von denen der zivilgerichtlichen Rechtsprechung zugrundeliegenden Fallkonstellationen unterscheide. Die Unterscheidung zwischen den unterschiedlichen Behörden wirke hier sehr gekünstelt. Auch habe der Senat in seinem Zulassungsbeschluss zu Recht die Billigkeitsentscheidung in Frage gestellt. Zu berücksichtigen sei, dass die Beklagte ein erhebliches Verschulden an der Überzahlung treffe.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 22. November 2006 und den Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2007 unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 22. Februar 2008 aufzuheben.

Die Beklagte stellt den Antrag,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die vom Kläger genannten Urteile des BGH vom 15. Dezember 2005 und des BSG vom 17. April 2008 zur Notwendigkeit eines verwaltungsinternen Informationsaustausches seien wegen anderer Sachverhaltskonstellationen nicht auf den vorliegenden Fall zu übertragen.

Gründe

Die zulässige Berufung hat Erfolg. Das Urteil des Verwaltungsgerichts hat keinen Bestand. Zwar steht der Beklagten ein Anspruch auf Rückzahlung der überzahlten Besoldungsbezüge nach § 12 Abs. 2 Satz 1 und 2 BBesG zu (dazu unter 1). Auch ist dieser Anspruch nicht verjährt (dazu unter 2). Jedoch hat die Beklagte die ihr gemäß § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG obliegende Billigkeitsentscheidung rechtsfehlerhaft getroffen. Sie ist verpflichtet, aus Billigkeitsgründen ihren Erstattungsanspruch erheblich zu reduzieren (dazu unter 3).

1. Der Rückforderungsanspruch der Beklagten findet seine Grundlage in § 12 Abs. 2 Satz 1 und 2 BBesG. Danach richtet sich die Rückforderung zuviel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Es ist nicht zweifelhaft, dass die Beklagte an den Kläger den vollen sog. Verheiratetenzuschlag gezahlt hat, obwohl diesem wegen der Tätigkeit seiner Ehefrau bei der Beklagten nur der halbe Zuschlag zustand. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen auf Seite 7 des Urteils des Verwaltungsgerichts verwiesen, die der Kläger nicht in Frage stellt. Auch hat die Beklagte die Höhe der Überzahlung in dem Zeitraum vom 1. Oktober 1996 bis zum 31. Oktober 2006 zutreffend auf 6.416,92 Euro berechnet. Dies ergibt die Berechnung in der Anlage zu dem Rückforderungsbescheid vom 22. November 2006, die der Kläger nicht in Zweifel zieht.

Der Kläger ist allerdings im Sinne des entsprechend heranzuziehenden § 818 Abs. 3 BGB entreichert. Denn die monatlichen Überzahlungsbeträge bewegten sich zwischen lediglich 21,74 Euro bis zu 52,64 Euro sowie teilweise zuzüglich der anteilig überzahlten Sonderzuwendung bis zu 34,74 Euro. Bei Beträgen in dieser Größenordnung ist anzunehmen, dass sie der Beamte im Rahmen seiner normalen Lebensführung verbraucht (vgl. VV zu § 12 BBesG 12.2.12). Dies sieht auch die Beklagte so. Jedoch kann sich der Kläger nicht auf diese Entreicherung berufen, da der Mangel der Zahlungen so offensichtlich war, dass er ihn hätte erkennen müssen (§ 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG). Insoweit ist maßgeblich, ob der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes für die Zahlung nur deshalb nicht erkannt hat, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer acht gelassen hat (BVerwG, Urt. v. 25.11.1985, NVwZ 1986, 745). Nach ständiger Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 28.2.1985, NVwZ 1985, 907) ist es dem Beamten auf Grund seiner Treuepflicht zuzumuten, die ihm aushändigten Besoldungsmitteilung auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und bei Unklarheiten und in Zweifelsfällen nachzufragen.

Dem Kläger war 1996 bekannt, dass sich sein Ortszuschlag zum Oktober 1996 um die Hälfte des sog. Verheiratetenzuschlages vermindert hatte, nachdem seine Ehefrau von der Beklagten als Angestellte eingestellt worden war. Zum einen hatte ihm die Oberfinanzdirektion ihre an die Besoldungs-und Versorgungsstelle gerichtete Zahlungsanweisung zur Kenntnis gegeben. In dieser heißt es:

„ Änderung des Ortszuschlags ab 1.10.1996. Dem Grunde nach besteht ein Anspruch nach Stufe 1. Der Anspruch erhöht sich um ½ Unterschied zwischen Stufe1/Stufe 2.“

Diese Mitteilung konnte der Kläger, der immerhin Steueramtmann war, nur dahin verstehen, dass sich nunmehr seine Bezüge verringerten. Zum anderen war ihm als Beamten des gehobenen Dienstes bekannt, dass der Unterschiedsbetrag zwischen den Stufen 1 und 2 des Ortszuschlages an verheiratete Beamte nur jeweils zur Hälfte gezahlt wurde, wenn der Ehepartner ebenfalls im öffentlichen Dienst tätig war und aus dieser Tätigkeit gleichfalls einen sog. Verheiratetenzuschlag bezog. Dementsprechend bezweifelt auch der Kläger nicht, dass er um die Verringerung seines sog. Verheiratetenzuschlages wusste.

Der Kläger hätte auch erkennen müssen, dass ihm der Ortszuschlag einschließlich des vollen Verheiratetenzuschlages weiter gezahlt wurde. Der Ortszuschlag mit dem dazu gehörigen sog. Verheiratetenzuschlag wird auf den Besoldungsmitteilungen, wie gerichtsbekannt ist, gesondert ausgewiesen. Zumindest auf Grund der ihm übersandten Zahlungsanweisung war er verpflichtet, seine Besoldungsmitteilung daraufhin zu überprüfen, ob die Minderung seines Ortszuschlages erfolgt war Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urt. v. 28.2.1985, NVwZ 1985, 907, juris Rn 25; vgl. auch Urt. v. 26.5.1966, BVerwGE 24, 148) hat entschieden, dass den Beamten bei einer Veränderung der Besoldungsmerkmale eine erhöhte Sorgfaltspflicht trifft und ein Beamter, dem mitgeteilt wird, dass ihm nur die Hälfte des ehegattenbezogenen Teils des Ortszuschlages ausgezahlt werde, bei gleichbleibenden Gehaltszahlungen den Mangel des rechtlichen Grundes erkennen muss. So liegt es hier. Mithin unterliegt der Kläger der verschärften Haftung nach § 819 Abs. 1 BGB.

2. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf die Einrede der Verjährung berufen.

a. Für die Verjährung des Rückforderungsanspruches nach § 12 BBesG gilt die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB in der Fassung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138).

Allerdings ist bei der analogen Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Verjährungsvorschriften auf öffentlich-rechtliche Ansprüche Zurückhaltung geboten, da der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen hat, anlässlich der Neuregelung der bürgerlich-rechtlichen Verjährung auch die Verjährung öffentlich-rechtlicher Ansprüche neu zu normieren (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.12.2008, BVerwGE 132, 324 mit ausführlicher Darlegung der Gesetzesgeschichte). Auch hat das Bundesverwaltungsgericht a.a.O. entschieden, dass für den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch weiter die frühere dreißigjährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB a.F. Anwendung finden solle. Hinsichtlich des Anspruches auf Rückzahlung überzahlter Bezüge liegt aber eine der zivilrechtlichen Verjährungsproblematik vergleichbare Interessenlage vor. Zwar hat die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung vor dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) insoweit auf die frühere regelmäßige Verjährungsfrist von 30 Jahren nach § 197 BGB a.F. zurückgegriffen (BVerwG, Urt. v. 11.12.2008, DVBl 2009, 445; Urt. v. 25.11.1982, BVerwGE 66, 251) und spricht für einen derart langen Verjährungszeitraum die Bindung der Verwaltung an das Gesetz (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.12.2008 a.a.O.). Dem Interesse an der Herstellung rechtmäßiger Zustände widerstreitet es, gesetzeswidrig gezahlte Besoldung dem Beamten zu belassen. Jedoch stellt sich der Rückforderungsanspruch des Dienstherrn als Spiegelbild des Besoldungsanspruchs des Beamten dar. Für diesen öffentlich-rechtlichen Anspruch sah § 197 BGB a.F. eine Verjährungsfrist von 4 Jahren vor. Nachdem diese Vorschrift durch die Regelung der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren in § 195 BGB ersetzt worden ist, ist nicht einzusehen, weshalb der Dienstherr weiter gegenüber seinen Beamten privilegiert sein und für ihn die frühere regelmäßige Verjährungsfrist von 30 Jahren fort gelten soll. Der zivilrechtlich geprägten Überlegung des Gesetzgebers des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, den Schuldnerschutz durch die Verkürzung der regelmäßigen Verjährung von 30 Jahren auf 3 Jahre zu verbessern (vgl. im Einzelnen BVerwG, Urt. v. 11.12.2008 a.a.O.), entspricht das Schutzbedürfnis der Beamten. Zudem gilt die neue dreijährige regelmäßige Verjährungsfrist auch deshalb, weil der Verweis in § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung zur Anwendung der neuen regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren nach § 195 BGB führt. Dies entspricht der Rechtsprechung des für das Beamtenrecht zuständigen 2. Senats des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.8.2009, 2 B 24/09, juris).

b. Die regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren aus § 195 BGB begann für den hier gegebenen Rückforderungsanspruch der Beklagten noch nicht nach Art. 229 § 6 Abs. 1 und 4 Satz 1 EGBGB, der Überleitungsvorschrift zum Verjährungsrecht, ab dem 1. Januar 2002 zu laufen. Gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB beginnt die Verjährung noch nicht mit der Entstehung des Anspruches, sondern erst mit dem Zeitpunkt, zu dem der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Insoweit kommt es in Anlehnung an die zu § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG für die Frist zur Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte entwickelten Grundsätze auf die Kenntnis des zuständigen Bediensteten der verfügungsberechtigten Behörde an; verfügungsberechtigt in diesem Sinne sind dabei solche Behörden, die über den Rückforderungsanspruch entscheiden können; insoweit ist die behördliche Zuständigkeitsverteilung zu respektieren (BVerwG, Beschl. v. 20.8.2009, 2 B 24/09, juris, unter Verweis auf BGH, Urt. v. 12.5.2009, VersR 2009, 989).

Die früher bei dem Personalamt des Senates der Beklagten angesiedelte Besoldungsund Versorgungsstelle, die die Zahlungsanweisung der Personalstelle der Oberfinanzdirektion, den sog. Verheiratetenzuschlag des Klägers um die Hälfte zu kürzen, 1996 nicht umgesetzt hatte, war nicht zur Entscheidung über den Rückforderungsanspruch befugt. Die für den Kläger zuständige Personalstelle der Oberfinanzdirektion und später der Finanzbehörde wusste vor 2006 nichts von der Überzahlung. Dass sie im Wege einer Überprüfung der Besoldung des Klägers aus ihren Unterlagen bzw. an Hand der in dem Datenverarbeitungssystem Paisy gespeicherten Daten und einem Abgleich mit der aus der Personalakte ersichtlichen Beschäftigung seiner Ehefrau im öffentlichen Dienst die Überzahlung hätte schon vorher und möglicherweise bereits zum 1. Januar 2002 hätte feststellen können, ändert nichts daran, dass die zuständige Personalstelle diese Kenntnis nicht hatte.

Der Personalstelle ist auch keine grob fahrlässige Unkenntnis anzulasten. Der Beklagten ist keine grobe Fahrlässigkeit vorzuhalten, wenn sie davon absieht, regelmäßig die Besoldungszahlungen an ihre Beamten daraufhin zu überprüfen, ob die Zahlungsanweisungen ihrer Personalstellen auch umgesetzt worden sind. Angesichts der Größe des Personalkörpers der Beklagten wäre es mit einem hohen Verwaltungsaufwand verbunden gewesen, die Besoldungszahlungen ohne besonderen Anlass nachträglich mit Hilfe der aus der Personalakte ersichtlichen Angaben auf ihre Richtigkeit hin zu kontrollieren. Insoweit überzeugt der Hinweis des Klägers nicht, die Beklagte frage regelmäßig bei ihren Bediensteten nach, ob sich ihre für ihre Besoldung maßgeblichen persönlichen Lebensverhältnisse (Heirat, Kinder etc.) geändert haben. Dass sich diese persönlichen Verhältnisse der Beamten ändern können und die diesbezüglichen Kenntnisse der Personalstellen unter Kontrolle gehalten werden müssen, liegt auf der Hand. Hingegen muss die Beklagte nicht ohne besonderen Anlass annehmen, dass die Umsetzung der früheren Zahlungsanweisungen unterblieben ist. Es ist nicht grob fahrlässig, wenn sie davon abgesehen hat, nicht allein wegen der in einer Massenverwaltung immer gegebenen Möglichkeit eines Fehlers ein aufwändiges Kontrollverfahren einzuführen.

3. Der Rückforderungsbescheid in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 29. Mai 2007 ist aber rechtswidrig, weil die Beklagte ermessensfehlerhaft entschieden hat, von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen auch nicht teilweise abzusehen (§ 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG).

Die Billigkeitsentscheidung bezweckt, eine allen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den Bereicherten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen. Sie soll der besonderen Lage des Einzelfalles Rechnung tragen, die formale Strenge des Besoldungs-und Versorgungsrechts auflockern und Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben sein und sich als sinnvolle Ergänzung des ohnehin vom gleichen Grundsatz geprägten Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung auswirken und ist deshalb vor allem in Fällen der verschärften Haftung von Bedeutung. Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zwar nicht die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der Bereicherungsanspruch erwächst, nochmals unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen, sondern auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihre Auswirkungen auf die Lebensumstände des Bereicherungsschuldners abzustellen. Insoweit kommt es nicht entscheidend auf die Lage des Beamten in dem Zeitraum, für den die Überzahlung geleistet worden ist, sondern auf dessen Lage im Zeitpunkt der Rückabwicklung an. Jedoch ist auch ein Mitverschulden der Beklagten an der Überzahlung grundsätzlich in die Ermessensentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG einzubeziehen. Besondere Bedeutung hat, wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung zuzuordnen ist und in welchem Maße ein Verschulden oder Mitverschulden hierfür maßgeblich war (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.8.2005, Schütz BeamtR ES/C 5 Nr. 58; Urt. v. 27.1.1994, BVerwGE 95, 94; OVG Hamburg, Beschl. vom 24.9.2004, 1 Bf 242/02).

Nach diesen Grundsätzen hatte die Beklagte allerdings keinen Anlass, dem Kläger eine Ratenzahlung zu ermöglichen. Denn er hatte nicht geltend gemacht, darauf angewiesen zu sein oder sonst wie wegen der Rückforderung in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten. Für derartige Zahlungsschwierigkeiten liegen auch sonst keine Anhaltspunkte vor. Die Beklagte genügt den Anforderungen an ihre Billigkeitsentscheidung aber nicht, wenn sie lediglich berücksichtigt, wie schwer die Rückforderung den Beamten angesichts dessen finanzieller Verhältnisse trifft. In die nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen zu treffende Billigkeitsentscheidung hat die Beklagte auch einzustellen, dass der Grund für die Überzahlung in ihrem Verantwortungsbereich liegt. Zu der Überzahlung war es nur gekommen, weil die Besoldungs-und Versorgungsstelle die Zahlungsanweisung der Personalstelle der OFD Hamburg vom 31. Oktober 1996 nicht ausgeführt und deshalb weiter den vollen statt des hälftigen Verheiratetenzuschlags an den Kläger ausgezahlt hat. Der Kläger seinerseits hatte nicht etwa durch unrichtige, unvollständige oder missverständliche Angaben dazu beigetragen, dass die Zahlungsanweisung nicht ausgeführt worden ist. Ihm ist lediglich anzulasten, dass er seine Besoldungsmitteilungen nicht überprüft und nachgefragt hat, ob die Weiterzahlung des vollen Verheiratetenzuschlages in Ordnung sei.

Dieses dem Kläger zuzurechnende Verschulden wiegt weit weniger schwer als der Fehler der Beklagten. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall erheblich von Konstellationen, in denen dem Beamten wegen der Höhe des Überzahlungsbetrages in die Augen springen musste, dass er den Überzahlungsbetrag nicht behalten durfte. So mag es beispielsweise bei hohen Überzahlungen liegen. Hier waren hingegen die einzelnen Überzahlungen gering und hat sich erst über die Jahre hinweg ein hoher Rückforderungsbetrag aufgetürmt. Es geht nicht um einen jener Fälle, in denen der Beamte positive Kenntnis von der Überzahlung hatte und deshalb im Rahmen der Billigkeit wenig schutzwürdig erscheint. Vielmehr ist der Kläger lediglich seiner Verpflichtung nicht nachgekommen, zu prüfen, ob die Anweisung zur Halbierung seines „Verheiratetenzuschlags“ umgesetzt wurde. Insoweit entspricht es der Billigkeit zu berücksichtigen, dass der Fehler des Klägers, der es pflichtwidrig unterlassen hat, seine Besoldung anlässlich der Änderung seiner persönlichen Verhältnisse durch die Einstellung seiner Ehefrau in den öffentlichen Dienst zu überprüfen, im Laufe der Jahre erheblich an Gewicht verloren hat. Der Kläger hatte keinen Anlass, noch nach Jahr und Tag nachzuprüfen, ob er den halben oder fehlerhaft den ganzen „Verheiratetenzuschlag“ erhielt. Auch wenn sich sein Fehler insoweit ausgewirkt hat, dass die hohe Überzahlungssumme nicht über rund 10 Jahre hinweg aufgelaufen wäre, wenn er 1996 wegen der Höhe des ihm ausgezahlten Verheiratetenzuschlages nachgefragt hätte, erscheint es unbillig, dass er den gesamten Überzahlungsbetrag zurückzahlen soll. Es ist dem selbstverantworteten Risikobereich der Beklagten zuzurechnen, dass sie davon abgesehen hat, die Richtigkeit ihrer Daten zu den besoldungsrelevanten Merkmalen des Klägers in ihrem Besoldungsauszahlungsverfahren in größeren Zeitabständen zu überprüfen. Auch wenn die Beklagte nicht grob fahrlässig gehandelt hat, muss sie sich vorhalten lassen, dass sie über einen Zeitraum von 10 Jahren davon abgesehen hat, die Richtigkeit der Besoldungsdaten des Klägers im Wege eines Abgleiches mit seiner Personalakte oder einer Befragung ihrer Beamten zu kontrollieren.

Aus Gründen der Billigkeit macht es einen gewichtigen Unterschied, ob der Beamte noch durch die Überzahlung bereichert oder ob er entreichert ist. Es erscheint regelmäßig nicht unbillig, dass der Beamte überzahlte Bezüge zurückzuzahlen hat, wenn er noch um die Überzahlung bereichert ist. So liegt es hier aber nicht. Wie oben dargelegt ist davon auszugehen, dass der Kläger die geringen monatlichen Überzahlungen verbraucht hat und nicht mehr um sie bereichert ist.

In der vorliegenden Fallkonstellation reicht nicht aus, dass die Beklagte Ermessenserwägungen nachgeschoben und jedenfalls in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht die für einen Billigkeitserlass sprechenden Gesichtspunkte gesehen hat. Insoweit kann dahinstehen, ob die Beklagte ihre Billigkeitserwägungen in zulässiger Weise im Laufe des Gerichtsverfahrens ergänzt hat. Die Beklagte hat ihre Rückforderung auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht verringert, sondern das Urteil des Verwaltungsgerichts verteidigt und damit an ihrer im Ergebnis fehlerhaften Billigkeitsentscheidung festgehalten. Auch wenn die Beklagte alle in ihre Billigkeitsabwägung einzustellenden Gesichtspunkte berücksichtigt haben sollte, zeigt das Ergebnis, dass sie den für den Kläger sprechenden Erwägungen nicht das erforderliche Gewicht zugemessen hat. Bei zutreffender Gewichtung hätte die Beklagte die Rückforderungssumme erheblich reduzieren müssen, weil jede andere Entscheidung zu einem unbilligen Ergebnis führt. Es ist bei der gebotenen Gesamtwürdigung unbillig, dass der Kläger nach Jahr und Tag den laufend über viele Jahre hinweg aufgelaufenen Überzahlungsbetrag in voller Höhe erstatten soll.

Der Rückforderungsbescheid in der Fassung des Widerspruchbescheides ist in voller Höhe aufzuheben. In welcher Höhe die Rückforderung zu erlassen ist, kann nicht das Gericht entscheiden. Das Gericht darf nicht sein Ermessen bei der Ausübung der Billigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG an die Stelle des Ermessens der Beklagten setzen. Da die Beklagte insoweit ihr Billigkeitsermessen fehlerhaft ausgeübt hat, scheidet eine teilweise Aufhebung des Rückforderungsbescheides aus.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO i.V.m. § 167 VwGO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 132 VwGO, § 127 BRRG liegen nicht vor.