VG Braunschweig, Urteil vom 26.03.2007 - 7 A 356/06
Fundstelle
openJur 2012, 45652
  • Rkr:

1. Bei einem Forstbeamten, der regelmäßig Außendienst verrichtet hat, sind die Voraussetzungen des § 31 Abs. 3 BeamtVG für die Anerkennung eines Dienstunfalls bei einer durch den Stich einer Zecke ausgelösten Erkrankung an Borreliose, die zu den unter Ziffer 3102 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung genannten "von Tieren auf Menschen übertragbaren Krankheiten" zählt, erfüllt.

2. Zur Meldefrist des § 45 BeamtVG.

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 17.November 2005 und des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2006verpflichtet, die Borreliose-Erkrankung des Klägers alsDienstunfall anzuerkennen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. DieBeklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhedes zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorder Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 Eurofestgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Anerkennung eines Dienstunfalls als Voraussetzung für die Gewährung von Dienstunfallfürsorge.

Der im D. geborene Kläger war bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand als Forstbeamter im nds. Landesdienst tätig. Seit dem Jahre 1975 war er in der Revierförsterei Nonnenholz, Nds. Forstamt Kattenbühl, eingesetzt, die er seit Oktober 1999 leitete. Er verrichtete regelmäßig Außendienst. Mit Unfallanzeige vom 29. November 2002, beim Nds. Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eingegangen am 12. Dezember 2002, zeigte er an, an Borreliose erkrankt zu sein. Die Erkrankung sei im Jahre 1994 nach einem Zeckenstich erstmals diagnostiziert worden. Er habe den Zeckenstich während der Dienstzeit im Außendienst erlitten. Den genauen Zeitpunkt und den Ort des Eintritts könne er nicht angeben. Begleitend legte der Kläger ärztliche Unterlagen über serologische Blutuntersuchungen in den Jahren 1994 und 2000 vor. Aus dem Bericht über das Ergebnis der Untersuchung einer am 20. Juli 1994 im Labor Dres. E. eingegangenen Blutprobe des Klägers folgt, dass beim Kläger grippale Erscheinungen aufgetreten waren. Des Weiteren wird ausgeführt: „Der serologische Befund mit niedrigem IgG und recht hohem IgM-Titer ist mit einer frühen Phase einer Borrelien-Infektion vereinbar. Der Westernblot kann die Spezifität der nachgewiesenen Antikörper nicht sichern (aufgrund der frühen Phase?). Bei entsprechender Klinik würde der Befund aus serologischer Sicht eine Indikation zur Antibiotika-Therapie stellen.“ Der behandelnde Arzt F. berichtet in seinem Arztbrief vom 14. Dezember 2000, dass nach einer im November 2000 durchgeführten serologischen Untersuchung von einer bestehenden Borrelien-Infektion auszugehen gewesen und deshalb eine antibiotische Therapie durchgeführt worden sei. Das Nds. Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten teilte dem Kläger auf seine Unfallanzeige hin mit Schreiben vom 13. Februar 2003 mit, anhand der vorgelegten Unterlagen könne nicht von einer Erkrankung an der „Zecken-Borreliose“ ausgegangen werden. Sofern der Kläger weitere, für das Bestehen der Erkrankung sprechende Unterlagen vorlegen könne, werde die Gewährung von Dienstunfallfürsorge erneut geprüft werden.

Mit erneuter Unfallanzeige vom 25. März 2004 legte der Kläger ein ärztliches Attest des F. vom selben Tag vor, nach dem bei ihm das Rezidiv einer chronischen Borreliose bestehe, bei der in Anbetracht der Symptomatik von einer Neuroborreliose auszugehen sei. Zugleich teilte der Kläger mit, vom 22. Februar bis 6. März 2004 stationär behandelt worden und bis auf Weiteres dienstunfähig zu sein. Auf die Bitte, nähere Angaben zum erstmaligen Auftreten der Erkrankung zu machen, legte der Kläger u. a. ein ärztliches Attest des Facharztes für Innere Medizin G. vom 10. Mai 2004 vor, wonach er sich im Juli 1994 wegen des Verdachts einer Borreliose in Behandlung befunden habe. Mit Schreiben vom 14. Juli 2004 führte er ergänzend aus, erstmals im Jahre 1994 wegen einer Borrelien-Infektion behandelt worden zu sein. Nach einer Behandlung mit Antibiotika sei er entsprechend der Einschätzung seines Arztes davon ausgegangen, dass die Erkrankung ausgeheilt sei. Da er dementsprechend nicht mit der Möglichkeit von Spätfolgen habe rechnen müssen, habe für ihn zum damaligen Zeitpunkt keine Veranlassung bestanden, einen Dienstunfall anzuzeigen. Er verrichte regelmäßig Außendienst und erleide jedes Jahr mehrere Zeckenstiche. Zahlreiche Laboruntersuchungen, insbesondere seit dem Jahre 2001, hätten stets positive Borrelienwerte ergeben. Zu welchem Zeitpunkt er die ihm aktuell Beschwerden bereitende Borrelien-Infektion erlitten habe und ob ggf. nach einer ausgeheilten Infektion durch weitere Zeckenstiche eine Neuinfektion eingetreten sei, sei medizinisch nicht feststellbar. Die für die Meldung eines Dienstunfalls zu wahrende Zehn-Jahres-Frist dürfe deshalb nicht schon ab dem Jahre 1994 berechnet werden.

Das Nds. Ministerium für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz holte eine arbeitsmedizinische Stellungnahme des Facharztes für Allgemeinmedizin H. vom 28. Juli 2004 ein, in der dieser u. a. ausführt, dass im Jahre 1994 nach Durchführung einer Behandlung mit Antibiotika wahrscheinlich von einer Ausheilung der Erkrankung des Klägers ausgegangen worden sei. Auch nach jahrelangem Wohlbefinden könne die Erkrankung aber plötzlich wieder aggressiv werden.

Nach Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte ersuchte diese das Nds. Landesgesundheitsamt um eine Stellungnahme, das mit Schreiben vom 20. Juni 2005 ausführte, bei der Infektion mit Borrelien müsse die akute Erkrankung von der chronischen Erkrankung unterschieden werden. Auch bei der vermeintlich erfolgreichen Behandlung einer akuten Borrelien-Infektion könne es Monate bis Jahre später langsam oder plötzlich zu einem chronischen Verlauf mit gänzlich anderen Symptomen kommen. Die im Jahre 1994 für den Kläger beschriebenen grippeähnlichen Beschwerden seien typisch für eine akute Borreliose, die sachgerecht mit Antibiotika behandelt worden sei. Nun müsse dagegen von einer chronischen Infektion, einer sog. Neuroborreliose, ausgegangen werden, die sich trotz des Umstands, dass eine bereits Jahre zurückliegende ursprüngliche Infektion anzunehmen sei - wobei es sich aber auch um eine später erfolgte erneute Infektion handeln könne -, als neues Krankheitsbild darstelle.

Mit Bescheid vom 17. November 2005 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Unfallfürsorge ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, der Kläger habe die für die Anzeige eines Dienstunfalls geltenden Fristen nicht gewahrt. Obgleich sich aus den vorgelegten ärztlichen Unterlagen ergebe, dass er bereits im Juli 1994 eine Borrelien-Infektion erlitten habe, habe er diese erst im November 2002 angezeigt. Die Ausschlussfrist von zwei Jahren gemäß § 45 Abs. 1 BeamtVG sei bei diesem Hergang nicht eingehalten. Soweit nach § 45 Abs. 2 BeamtVG die Gewährung von Unfallfürsorge dennoch möglich sei, wenn seit dem Unfall noch nicht zehn Jahre vergangen seien, greife diese Regelung für den Kläger nicht, denn unter Berücksichtigung der bereits im Juli 1994 erfolgten Behandlung wegen Borreliose habe der Kläger nicht glaubhaft gemacht, dass innerhalb der Ausschlussfrist von zwei Jahren mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorge begründenden Folge des Unfalles nicht habe gerechnet werden können.

Zur Begründung seines mit Schreiben vom 8. Dezember 2005 erhobenen Widerspruchs führte der Kläger aus, nach den im Jahre 1994 schnell abgeklungenen grippeartigen Symptomen von einer vollständigen Ausheilung der Borrelien-Infektion ausgegangen zu sein, weshalb ihm die Anzeige eines Dienstunfalls zum damaligen Zeitpunkt nicht geboten erschienen sei. Bis zum Jahre 2000 sei er bei weiteren Zeckenstichen in den Folgejahren beschwerdefrei gewesen und habe keine Veranlassung gehabt, mit Spätfolgen zu rechnen. Hinsichtlich der nun aufgetretenen Beschwerden könne nicht ausgeschlossen werden, dass diese auf einem später erlittenen Zeckenstich beruhten. Die Ursächlichkeit des im Jahre 1994 erlittenen Zeckenstiches sei nicht belegt. Schließlich sei die ärztlich festgestellte Neuroborreliose entsprechend der Stellungnahme des Nds. Landesgesundheitsamtes als eine neue Krankheit und nicht als ein Rezidiv zu werten. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. August 2006 als unbegründet zurück.

Der Kläger hat am 21. September 2006 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend macht er geltend, angesichts des schwach positiven Testergebnisses aus dem Jahre 1994 könne nicht von einer bereits zu diesem Zeitpunkt eingetretenen Borreliose-Erkrankung ausgegangen werden.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 17. November 2005 und den Widerspruchsbescheid vom 23. August 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die bei ihm bestehende Borreliose-Erkrankung als Dienstunfall anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt ergänzend im Wesentlichen vor, trotz des schwach positiven Testergebnisses sei den vom Kläger vorgelegten ärztlichen Unterlagen zu entnehmen, dass er bereits im Jahre 1994 an Borreliose erkrankt sei. Auch wenn das Nds. Landesgesundheitsamt die bei ihm aufgetretene Neuroborreliose als neues Krankheitsbild werte, sei entscheidend, dass dieses Krankheitsbild durch den Zeckenstich im Juli 1994 ausgelöst worden sei. Soweit der Kläger bestreite, dass seine gegenwärtigen gesundheitlichen Beschwerden auf der erstmals im Jahre 1994 aufgetretenen Erkrankung beruhten, trage er die Beweislast für den Nachweis, auf welchen zeitlich bestimmbaren Zeckenstich die Erkrankung ursächlich zurückzuführen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Anerkennung der bei ihm bestehenden Borreliose-Erkrankung als Dienstunfall. Der Bescheid der Beklagten vom 17. November 2005 und der Widerspruchsbescheid vom 23. August 2006 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Erkrankt ein Beamter, der nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung an bestimmten Krankheiten besonders ausgesetzt ist, an einer solchen Krankheit, so gilt dies gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG als Dienstunfall, es sei denn, dass der Beamte sich die Krankheit außerhalb des Dienstes zugezogen hat. Die in Betracht kommenden Krankheiten sind entsprechend der gesetzlichen Ermächtigung in § 31 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG und der Verordnung zur Durchführung des § 31 BeamtVG (Bestimmung von Krankheiten für die beamtenrechtliche Unfallfürsorge) vom 20. Juni 1977 (BGBl. I S. 1004) in der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2623), zuletzt geändert durch Verordnung vom 5. September 2002 (BGBl. I S. 3541), festgelegt. Dazu gehören nach Nr. 3102 von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten, die fachmedizinisch als Zoonosen bezeichnet werden. Zu den Zoonosen zählt auch die durch den Stich einer Zecke übertragbare Krankheit Borreliose, unter welcher der Kläger nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen leidet (vgl. zur Einordnung von Borreliose als Zoonose auch Anhang I der Richtlinie 2003/99/EG des Europ. Parlaments und des Rates vom 17.11.2003 zur Überwachung von Zoonosen und Zoonoseerregern, ABl. EG Nr. L 325 S. 31).

17Als in einer Revierförsterei eingesetzter Forstbeamter, der über lange Jahre hinweg regelmäßig Außendienst verrichtet hat, war der Kläger nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung an Borreliose i. S. d. § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG besonders ausgesetzt. Das Erkrankungsrisiko war für ihn wesentlich höher als für die allgemeine Bevölkerung (vgl. zu diesem Maßstab: BVerwG, Urt. vom 28.01.1993 - 2 C 22/90 -, juris). Im Gegensatz zu der Erkrankung an Frühsommer-Meningoenzephalitis, kurz FSME, die ebenfalls durch einen Zeckenstich ausgelöst werden kann, ist die Übertragung von Borreliose durch Zecken nicht im Wesentlichen auf bestimmte Regionen des Bundesgebietes beschränkt, sondern im gesamten Bundesgebiet in gleicher Weise möglich. Nach den Angaben im medizinischen Fachlexikon Pschyrembel (259. Aufl., 2002, Stichwort „Lyme-Borreliose“) beträgt der Grad der Verbreitung von Borreliose bei der allgemeinen Bevölkerung 7 bis 10 %, während er bei Waldarbeitern bei bis zu 30 % liegt. Forstbeamte, die jahrelang in erheblichem Umfang Tätigkeiten in Waldgebieten verrichtet und dabei - wie vom Kläger berichtet - im Verlaufe eines Jahres jeweils mehrfach Zeckenstiche erlitten haben - sind mithin bei ihrer Tätigkeit einer besonderen Erkrankungsgefahr i. S. d. § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG ausgesetzt (vgl. zum Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung: Bay. LSG, Urt. vom 11.05.2005 - L 2 U 298/03 -; Urt. vom 03.12.2003 - L 2 U 26/02 -, jeweils zitiert nach juris). Dies wird auch von der Beklagten angenommen (vgl. auch Erlass des Nds. Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Anerkennung von Borreliose als Dienstunfall vom 12.09.1988).

Dass sich der Kläger die Erkrankung außerhalb des Dienstes zugezogen hat und sie deshalb gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG nicht als Dienstunfall anzuerkennen wäre, ist nicht ersichtlich und wird von der Beklagten, die entsprechend der gesetzlichen Systematik insoweit die Darlegungs- und Beweislast trägt (vgl. Plog/Wiedow/Lemhöfer, BBG/BeamtVG, Stand: Februar 2007, § 31 BeamtVG, Rn.192, m. w. N.), auch nicht geltend gemacht.

19Der Kläger hat die demzufolge als Dienstunfall geltende Erkrankung an Borreliose auch rechtzeitig angezeigt. Unfälle, aus denen Unfallfürsorgeansprüche nach dem Beamtenversorgungsgesetz entstehen können, sind gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach dem Eintritt des Unfalls bei dem Dienstvorgesetzten des Verletzten zu melden. Nach Ablauf der Ausschlussfrist wird Unfallfürsorge nach § 45 Abs. 2 BeamtVG nur gewährt, wenn seit dem Unfall noch nicht zehn Jahre vergangen sind und gleichzeitig glaubhaft gemacht wird, dass mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorge begründenden Folge des Unfalls nicht habe gerechnet werden können oder dass der Berechtigte durch außerhalb seines Willens liegende Umstände gehindert worden ist, den Unfall zu melden (Satz 1). Die Meldung muss in diesem Fall, nachdem mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorge begründenden Folge des Unfalls gerechnet werden konnte oder das Hindernis für die Meldung weggefallen ist, innerhalb dreier Monate erfolgen (Satz 2). Für eine als Dienstunfall geltende Krankheit i. S. d. § 31 Abs. 3 BeamtVG beginnt die Meldefrist von zwei Jahren gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG in dem Zeitpunkt, in dem sich der Beamte die Krankheit zuzieht. Wann er die Erkrankung erstmals bemerkt, ist dagegen nicht entscheidend (vgl. Saarl. OVG, Urt. vom 17.06.1993 - 1 R 74/90 -, juris; Plog/Wiedow/Lemhöfer, § 45 BeamtVG, Rn. 7b).

Nach diesen Maßstäben kann der Auffassung der Beklagten, die Meldefrist von zwei Jahren nach § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG sei bereits im Jahre 1994 in Lauf gesetzt worden, nicht gefolgt werden. Der Kläger hat im Verwaltungsverfahren zwar angegeben, die Erkrankung an Borreliose sei bei ihm nach einem Zeckenstich erstmals im Jahre 1994 diagnostiziert und mit Antibiotika behandelt worden. Nach den vorgelegten ärztlichen Unterlagen bestand zum damaligen Zeitpunkt aber nur ein Verdacht, der Kläger könne an Borreliose erkrankt sein. So wird in dem Bericht des Labors Dres. E. über das Ergebnis einer im Sommer 1994 durchgeführten Blutuntersuchung lediglich ausgeführt, der serologische Befund sei mit einer frühen Phase einer Borrelien-Infektion vereinbar. Die Spezifität der nachgewiesenen Antikörper habe nicht gesichert werden können. Der Bericht schließt mit der Feststellung, dass der serologische Befund bei entsprechender Klinik eine Indikation zur Antibiotika-Therapie stellen „würde“. Diesen Ausführungen lässt sich ein Nachweis für eine schon im Jahre 1994 bestehende Erkrankung des Klägers an Borreliose nicht entnehmen. Der Facharzt für Innere Medizin G. führt dementsprechend mit Attest vom 10. Mai 2004 auch lediglich aus, der Kläger sei im Juli 1994 wegen des Verdachts einer Borreliose in Behandlung gewesen. Dass die beim Kläger im Sommer 1994 aufgetretenen grippeähnlichen Symptome tatsächlich durch eine Erkrankung an Borreliose und nicht durch eine andere Erkrankung ausgelöst worden sind, kann auf dieser Grundlage nicht als gesichert angesehen werden. Nach dem von der Beklagten vorgelegten Vermerk des Nds. Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 26. Februar 2001 über die Anerkennung von Borreliose als Dienstunfall hätte bei dieser Sachlage zum damaligen Zeitpunkt allein der „Verdacht auf Erkrankung an der Zecken-Borreliose“ mit der Folge der Übernahme insbesondere entsprechender Untersuchungskosten anerkannt werden können, nicht aber das Bestehen einer Borreliose-Erkrankung. Offenbar auch vor diesem Hintergrund hat das Nds. Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten dem Kläger mit Schreiben vom 13. Fe-bruar 2003 auf die erste Unfallanzeige hin mitgeteilt, dass derzeit nicht von einer Erkrankung an Zecken-Borreliose ausgegangen werden könne. Obgleich der Kläger mit seiner Unfallanzeige das Laborergebnis aus dem Jahre 1994 vorgelegt hatte, wird im Schreiben des Ministeriums vom 13. Februar 2003 allein auf die ärztlichen Unterlagen aus dem Jahre 2000 eingegangen, zu denen das Ministerium der Auffassung war, dass sogar auf deren Grundlage die Anerkennung einer Borreliose-Erkrankung als Dienstunfall nicht möglich sei, weil in den ärztlichen Unterlagen lediglich eine erfolgte Borrelien-Infektion bescheinigt worden sei.

Selbst wenn angenommen würde, dass der Kläger bereits im Sommer 1994 an Borreliose erkrankt war, oder eine Anzeigeobliegenheit schon bei dem Verdacht einer Erkrankung an Borreliose als begründet angesehen würde, kann unabhängig davon im Übrigen nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die gegenwärtig beim Kläger bestehende Borreliose auf der damaligen Infektion mit Borrelien beruht und die Anzeigefrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG deshalb ab diesem Zeitpunkt zu berechnen ist. Nachdem der Kläger im Jahre 1994 mit Antibiotika behandelt worden ist, kann eine ggf. bestehende Borreliose-Erkrankung geheilt worden sein und die nunmehr bestehende (chronische) Borreliose auf einer späteren erneuten Borrelien-Infektion beruhen. In diesem Sinne führt auch das Nds. Landesgesundheitsamt mit Stellungnahme vom 20. Juni 2005 aus, dass die chronische Borreliose des Klägers auf einer Jahre zuvor erfolgten Borrelien-Infektion beruhen, es sich aber auch um eine später erfolgte erneute Infektion handeln könne. Der Borreliose Bund Deutschland e. V. berichtet, dass eine ausreichende antibiotische Behandlung eine hohe Heilungsquote verspreche. Gegen Borrelien gebe es keine Immunität. Mehrfache Infektionen und das gleichzeitige Bestehen mehrerer Borreliosen verschiedener Stadien seien möglich (vgl. dem Internet unter www.borreliose-bund.de entnommene Informationen).

Dies zugrunde gelegt, ist der Zeitpunkt des Eintritts der Borrelien-Infektion, die letztlich zu der gegenwärtig beim Kläger bestehenden (chronischen) Borreliose geführt hat, nicht feststellbar. Soweit für das Jahr 2000 auf der Grundlage einer im November 2000 durchgeführten serologischen Untersuchung entsprechend dem Arztbrief des F. vom 14. Dezember 2000 von einer bestehenden Borrelien-Infektion auszugehen ist, ist auch insofern zu berücksichtigen, dass der Kläger mit Antibiotika behandelt wurde und die zu diesem Zeitpunkt bestehende Infektion dementsprechend nicht mit hinreichender Sicherheit als Auslöser der derzeit gegebenen, mit Attest des F. vom 25. März 2004 diagnostizierten (chronischen) Borreliose angesehen werden kann. Dies gilt umso mehr, als der Kläger angibt, jedes Jahr mehrere Zeckenstiche erlitten und auch nach dem Jahr 2000 wiederholt positive Laborergebnisse gehabt zu haben. Mit Schreiben vom 13. Februar 2003 hat das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten dem Kläger unter Würdigung des Arztbriefes vom 14. Dezember 2000 im Übrigen noch entgegen gehalten, das Bestehen einer Borreliose-Erkrankung sei nicht hinreichend nachgewiesen. Da die erstmals innerhalb der Meldefrist diagnostizierte, gegenwärtige Erkrankung des Klägers an Borreliose auch durch einen Zeckenstich ausgelöst worden sein kann, für den die Meldefrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG durch die Unfallanzeigen vom 29. November 2002 und 25. März 2004 gewahrt ist oder zumindest die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 BeamtVG vorliegen, stehen bei dieser Sachlage die Regelungen des § 45 Abs. 1 und Abs. 2 BeamtVG zusammengenommen der Anerkennung der Erkrankung als Dienstunfall nicht entgegen.

Der Kläger war des Weiteren nicht gehalten, jeden einzelnen Zeckenstich, den er erlitten hat, anzuzeigen. Ein Zeckenstich stellt (noch) nicht die als Dienstunfall geltende Krankheit i. S. d. § 31 Abs. 3 BeamtVG dar, auf die sich allein die Meldeobliegenheit des Beamten bezieht. Dies gilt umso mehr, als ein Zeckenstich nicht notwendig zu einer Erkrankung an Borreliose führt. Dienstunfall i. S. d. § 31 Abs. 3 BeamtVG ist deshalb im hier relevanten Zusammenhang entgegen der vom Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung nicht jeweils der einzelne Zeckenstich, sondern entsprechend dem Wortlaut des Gesetzes die Erkrankung an Borreliose. In diesem Sinne sieht auch der von der Beklagten vorgelegte Vermerk des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 28. Februar 2001 im ersten Unterpunkt vor, dass ohne das Vorliegen von Symptomen, die zumindest den Verdacht einer Borreliose-Erkrankung begründen, die Anerkennung eines Dienstunfalls nicht erfolgen könne.

Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang geltend macht, der Kläger trage die Beweislast für den Nachweis, auf welchen zeitlich bestimmbaren Zeckenstich die Erkrankung an Borreliose ursächlich zurückzuführen sei, überzeugt dies nicht. Im Gegensatz zur Anerkennung eines Dienstunfalls auf der Grundlage von § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG, die den Nachweis eines örtlich und zeitlich bestimmbaren, einen Körperschaden verursachenden Ereignisses durch den Beamten erfordert, ist ein solcher Nachweis für die Anerkennung einer als Dienstunfall geltenden Krankheit gemäß § 31 Abs. 3 BeamtVG nicht erforderlich. Getragen von der Erwägung, dass sich etwa der Zeitpunkt der Ansteckung mit einer Infektionskrankheit fast ausnahmslos nicht mit der nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG erforderlichen Genauigkeit feststellen lässt, ist Sinn und Zweck der durch § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG begründeten Fiktion eines Dienstunfalls (vgl. Wortlaut des Gesetzes: „gilt“) gerade, den Beamten insoweit von der Nachweispflicht zu entbinden (vgl. BVerwG, Beschl. vom 19.01.2006 - 2 B 46/05 -, juris; Plog/Wiedow/ Lemhöfer, § 31 BeamtVG, Rn. 178a). Die gesetzliche Fiktion eines Dienstunfalls steht eigenständig neben der gesetzlich mit der Formulierung „es sei denn“ geregelten Beweislastumkehr hinsichtlich des Eintritts der Krankheit außerhalb des Dienstes.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 52 Abs. 1 und Abs. 2 GKG.