OLG Celle, Beschluss vom 21.04.2006 - 11 W 17/06
Fundstelle
openJur 2012, 44334
  • Rkr:

1. Bei der Kostenentscheidung nach § 91a ZPO ist das Gericht nicht gezwungen, schwierige Rechtsfragen zu klären. Maßstab der Entscheidung ist vielmehr der aufgrund summarischer Prüfung zu prognostizierende Ausgang des Rechtsstreits ohne Eintritt der Erledigung. Dabei ist es auch zu würdigen, wenn die beklagte Partei während des Verfahrens erfüllt und sich hierdurch freiwillig in die Position der Unterlegenen begibt.

2. Gegen die Nichtabhilfeentscheidung des Ausgangsgerichts nach § 572 Abs. 1 ZPO ist eine erneute sofortige Beschwerde grundsätzlich nicht gegeben.

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 12. Januar 2006 gegen den § 91 a ZPO-Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 10. Januar 2006 wird auf ihre Kosten als unbegründet zurückgewiesen.

2. Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 7. März 2006 gegen den Nichtabhilfebeschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 27. Februar 2006 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

3. Wert des Beschwerdeverfahrens: Gebührenstufe bis 2.000 €.

Gründe

Die Beklagte wendet sich gegen die vom Landgericht nach vorangegangenem Prozessvergleich gemäß § 91 a ZPO getroffene, sie mit zwei Dritteln der Verfahrenskosten belastende Kostenentscheidung. Sie meint, das Landgericht habe die Quoten vertauscht.

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 12. Januar 2006 gegen den § 91 a ZPO-Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 10. Januar 2006 ist unbegründet und wird daher zurückgewiesen.

a) Die Entscheidung des Landgerichts, der Beklagten vorab die Kosten ihrer Säumnis aufzuerlegen, folgt aus § 344 ZPO. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt. Insbesondere ist das Versäumnisurteil in gesetzlicher Weise ergangen, weil die Klage am Geschäftssitz der Beklagten gemäß § 281 ZPO durch Einlegung in ihren Briefkasten am 9. August 2005 ordnungsgemäß zugestellt worden ist (Bl. 12 d. A.).

Mit ihrer Behauptung, ab dem 1. August unter der angegebenen Anschrift nicht mehr geschäftsansässig gewesen zu sein, kann die Beklagte demgegenüber nicht gehört werden. Denn dieser Vortrag steht im Widerspruch dazu, dass mit der Einspruchsbegründung zwar die nicht ordnungsgemäße Zustellung gerügt, jedoch ohne Hinweis auf eine unzutreffende Anschrift nur auf einen tatsächlich fehlenden Zugang abgestellt, zudem die insoweit vorgelegte eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Beklagten vom 7. September 2005 eben gerade auf deren Geschäftsbogen unter der vermeintlich falschen Anschrift (L.-Straße) abgegeben worden ist (Bl. 35 d. A.).

Damit ist das tatsächliche Vorbringen der Beklagten, sie habe ihren Geschäftssitz zum Zustellungszeitpunkt am 9. August bereits in der X.-Straße gehabt (Bl. 67, 265 d. A.), rechtlich nicht erheblich. Denn es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, worauf das widersprüchliche Vorbringen beruht und welcher der beiden gegensätzlichen Sachverhaltsdarstellungen der Vorzug zu geben ist, zumal die Beklagte diesen Gesichtspunkt mit ihrer Beschwerdebegründung auch selbst nicht mehr aufgreift (Bl. 336 f. d. A.).

Selbst wenn der Vortrag über die Änderung ihrer Adresse zuträfe, müsste die Beklagte die Zustellung der Klageschrift unter der ehemaligen Anschrift in der L.-Straße gegen sich gelten lassen. Denn sie hätte ausweislich ihres noch am 7. September mit dieser Anschrift benutzten Geschäftspapiers sowie aufgrund der Tatsache, dass auch der Postzusteller insoweit keine durchgreifenden Zweifel hatte (vgl. insoweit OLG Frankfurt/M. NJW-RR 1997, 956), jedenfalls den Anschein gesetzt, dort aufhältlich zu sein und ihren Geschäftssitz dort zu haben (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 178 Rn. 7 m. w. N.).

Schließlich ist das pauschale Bestreiten des tatsächlichen Zugangs durch die bereits erwähnte eidesstattliche Versicherung (Bl. 35 d. A.) nicht geeignet, die Beweiskraft der Postzustellungsurkunde (Bl. 12 d. A.) zu erschüttern (vgl. Zöller, a.a.O., § 182 Rn. 14 f.).

b) Auch die Kostenquotelung im Übrigen ist nicht zu beanstanden.

9Die Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO erfolgt nach billigem Ermessen. Dabei ist das Gericht nicht gezwungen, schwierige Rechtsfragen zu klären. Maßstab der Entscheidung ist vielmehr der aufgrund summarischer Prüfung zu prognostizierende Ausgang des Rechtsstreits ohne Eintritt der Erledigung. Erfüllt die beklagte Partei während des Verfahrens, begibt sie sich freiwillig in die Position der Unterlegenen. Dies rechtfertigt es, zumal wenn andere Anhaltspunkte für ihr mutmaßliches Unterliegen hinzukommen, ihr die Kosten aufzuerlegen (vgl. Musielak/Wolst, ZPO, 4. Aufl., § 91 a Rn. 23).

Es ist hier also zunächst daran anzuknüpfen, dass die Beklagte sich der Räumungsklage gebeugt hat, was schon dafür spricht, sie insoweit mit den Kosten zu belasten. Hinzu kommt, dass nach summarischer Prüfung die Räumungsklage bei streitiger Entscheidung vermutlich Erfolg gehabt hätte. Das vorprozessuale Schreiben der Beklagten vom 30. Dezember 1993 (Anl. K 8; Bl. 121 d. A.) stützt nämlich die Würdigung der Klägerin, die Beklagte und nicht der Streitverkündete habe das Pachtverhältnis faktisch fortgesetzt. Denn die Beklagte erklärt selbst, sie sei Unterpächterin des Streitverkündeten, dieser habe ihr zum 30. Juni 1994 wegen Beendigung des Hauptpachtverhältnisses gekündigt, sie werde das Objekt pünktlich zum 1. Juli 1994 an die Klägerin zurückgeben, sofern sie nicht einen neuen Pachtvertrag mit der Klägerin abschließe, woran sie interessiert sei und was dem in den letzten Jahren mehrfach bekundeten Willen aller Beteiligten entspreche.

Selbst wenn aber die Auffassung der Klägerin zuträfe, wegen des Nichtzustandekommens eines schriftlichen Vertrages mit der Beklagten sei nach § 545 BGB eine stillschweigenden Fortsetzung durch die bisherigen Vertragsparteien anzunehmen, dürfte gleichwohl von einer wirksamen Kündigung gegenüber dem Streitverkündeten auszugehen sein, sodass die Beklagte als Unterpächterin zur Herausgabe des Pachtobjekts an die Klägerin verpflichtet gewesen wäre (§ 584 Abs. 1 i. V. m. §§ 581, 546 Abs. 2 BGB). Denn das dem Mitgeschäftsführer der Beklagten, Herrn M., übergebene Kündigungsschreiben war (auch) an den Streitverkündeten persönlich adressiert. Zudem wird inhaltlich zutreffend der Pachtvertrag gekündigt, „welcher zwischen dem D. Club und Herrn W. B. am 7. März 1988 abgeschlossen worden ist“ (Bl. 5 d. A.). Auch dürfte dieses Schreiben dem Streitverkündeten durch Übergabe an Herrn M. als Empfangsboten gemäß § 130 Abs. 1 Satz BGB wirksam zugegangen sein (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 130 Rn. 9). Eine Befristung des Pachtverhältnisses bis 2011, die der Anwendung des § 584 BGB entgegenstehen könnte, ist nicht dargetan, da insoweit die Verträge im Entwurfsstadium stecken geblieben waren, also keine Einigkeit erzielt worden war.

Soweit die Beklagte dem Herausgabeverlangen Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung wegen vorgenommener Investitionen in das Pachtobjekt entgegengehalten hat, war die Vornahme der betreffenden Umbauten zwar unstreitig, nicht aber die bei der Klägerin durch die (vorzeitige) Rückgabe angefallene Wertverbesserung, die die Beklagte mit 95.000 € beziffert hatte. Es war deshalb ursprünglich die Einholung eines Sachverständigengutachtens beabsichtigt (Bl. 221 d. A.). Durch den Prozessvergleich hat die Klägerin sich sodann hinsichtlich eines Teilbetrages von 30.000 € gebeugt, die Beklagte auf weitergehende 65.000 €, wenn auch nicht endgültig, sondern nur im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits, verzichtet.

Nach alledem hatte die Klägerin insgesamt mit ihrer Räumungsklage (16.710 €), ferner zu mehr als zwei Drittel mit der Abwehr der Hilfswiderklageforderung von 95.000 €, also insgesamt zu [(16.710 € + 65.000 € =) 81.710 € : 111.710 € =] 73,14 % Erfolg. Da die Beklagte durch die angefochtene Kostenentscheidung demgegenüber nur zu 2/3, also etwa 66,66 % belastet ist, ist sie, auch unter Berücksichtigung der offen gelassenen Berechtigung der weitergehenden Forderung von 65.000 €, nicht beschwert.

2. Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 7. März 2006 gegen den Nichtabhilfebeschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 27. Februar 2006 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

15Die nach § 572 Abs. 1 ZPO getroffene Entscheidung hat zu keiner weitergehenden Beschwer der Beklagten geführt. Eine erneute Beschwerdemöglichkeit ist daher im Gesetz nicht vorgesehen und ergibt sich, mangels Beschwer, auch nicht aus allgemeinen Grundsätzen (§ 567 ZPO).

Die Einführung der generellen Abhilfebefugnis des iudex a quo (§ 572 Abs. 1 S. 1 Halbs. 1 ZPO) dient der Selbstkontrolle des erstinstanzlichen Gerichts und damit zugleich der Verkürzung des Verfahrens und der Entlastung der Beschwerdegerichte. Dem würde es zuwiderlaufen, wenn die Entscheidung des iudex a quo, der sofortigen Beschwerde nicht abzuhelfen, ihrerseits wieder anfechtbar wäre. Denn dann müsste erneut nach § 572 Abs. 1 ZPO über die Abhilfe entschieden werden, auch insoweit wäre dann abermals eine sofortige Beschwerde möglich, dann wiederum ein Abhilfeverfahren erforderlich und so weiter. Dies macht keinen Sinn und entspricht ersichtlich nicht der Intention des Gesetzes.

3. Die Beklagte hat die Kosten der erfolglos gebliebenen Beschwerdeverfahren nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Den Beschwerdewert hat der Senat gemäß § 3 ZPO nach dem mutmaßlichen Kosteninteresse der Beklagten geschätzt.