AG Peine, Urteil vom 23.02.2006 - 5 C 405/05
Fundstelle
openJur 2012, 44027
  • Rkr:

Bei einem dem Widerruf zugänglichen Kaufvertrag mit einem Verbraucher ist die Widerrufsbelehrung in derjenigen Sprache schriftlich zu erteilen, in der auch die (mündlichen) Vertragsverhandlungen stattgefunden haben.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die beklagte Partei abwenden gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil insgesamt vollstreckbaren Betrages, sofern nicht zuvor die beklagte Partei Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin vertreibt Kochtopfsortimente über Handelsvertreter an Endverbraucher und verlangt von dem Beklagten Schadensersatz in Höhe ihres entgangenen Gewinns sowie die Erstattung einer Handelsvertreterprovision. Die Parteien streiten über den Abschluss eines wirksamen Kaufvertrages.

Am 16. November 2004 unterzeichnete der Beklagte anlässlich eines Besuches eines Vertreters der Klägerin die Bestellung für zwei selbstständige Bestelleinheiten über ein A.-Gar- und Serviersortiment „Comet-Plus“ zum Warenpreis von 2.255,90 € sowie ein A.-Gar- und Serviersortiment „Samowar Columbu Turbo“ zum Warenpreis von 465,00 €, wobei der Kaufpreis durch die S.Kreditbank Finanzierung GmbH in B. finanziert werden sollte. Der Beklagte hat die Lieferung vom 15. Dezember 2004 zurück gesandt. Er hält sich für berechtigt, von seinem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen.

Das gesamte Vertragsformular nebst Widerrufsbelehrung ist in deutscher Sprache verfasst. Die Parteien streiten, ob die Widerrufsbelehrung in russischer Sprache hätte verfasst sein müssen.

Die Klägerin beziffert ihren entgangenen Gewinne auf 4 % des Kaufpreises sowie 6 % Handelsvertreterprovision und 2 * 24,59 € Anlieferungskosten.

Die Klägerin hat den Beklagten mit Schreiben vom 2. März 2005 aufgefordert, binnen einer Frist von 14 Tagen die Bereitschaft zur Erfüllung des Kaufvertrages zu erklären und für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs Schadensersatz statt der geschuldeten Leistung angekündigt.

Die Klägerin lobt ihr Produkt und behauptet, es seien nicht sämtliche Vertragsgespräche in russischer Sprache geführt worden, weil vielmehr die Verträge vom Beklagten und dem Verkaufsrepräsentanten der Klägerin zusammen in deutscher Sprache ausgefüllt, durchgelesen und der Inhalt vereinbart worden sei, wobei der Verkaufrepräsentant eine zusätzliche russische Übersetzung gegeben habe. Die Klägerin ist deshalb der Auffassung, dass die Widerrufsbelehrung nicht in russischer Sprache hätte abgefasst werden müssen. Sie meint, der Unternehmergewinn sei mit 4 % des Verkaufspreises angemessen bewertet und behauptet, weitere 6 % entfielen auf die betrieblichen Allgemeinkosten. Die Handelsvertreterprovision schulde sie, wenn sie den Kaufpreis oder aber den Schadensersatz realisiert habe.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 837,45 € nebst 11,25 % Zinsen seit dem 24.03.2005 sowie 8,00 € Mahnkosten zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, die gesamten Verkaufsverhandlungen seien ausschließlich in russischer Sprache geführt worden. Er meint, deshalb müsse auch die Widerrufsbelehrung in russischer Sprache abgefasst sein. Der Handelsvertreter der Klägerin habe die Aufträge mitgenommen. Weil die Widerrufsfrist sechs Monate betrage, sei diese mit der Rücksendung der Ware ausgeübt worden, zumal der Beklagte einen Widerruf vom 21. Dezember 2004 zugleich mitgesandt habe. Insoweit wird auf Bl. 20 d.A. verwiesen.

Es ist Beweis erhoben worden gemäß Beweisbeschluss vom 8. Dezember 2005.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht aufgrund der Abnahmeverweigerung des Beklagten gemäß § 281 BGB kein Schadensersatzanspruch wegen ihres entgangenen Gewinns und keine evtl. zu leistender Handelsvertreterprovision zu. Ein am 16. November 2004 wirksamer Kaufvertrag besteht zwischen den Parteien nicht.

Der Beklagte hat mit Rücksendung der gelieferten Ware unter gleichzeitigem in dem Schreiben vom 21. Dezember 2004 enthaltenen Inhalt den Widerruf seiner Willenserklärung erklärt. Dass die schriftliche der Ware beigefügte Erklärung von der Ehefrau des Beklagten unterzeichnet ist, ist ohne Belang, weil allein die Rücksendung den Widerruf beinhaltet. Dazu war er nach § 355 BGB zum Widerruf binnen 6 Monaten nach Vertragsunterzeichnung und nicht schon binnen 2 Wochen berechtigt.

Die Frist von 2 Wochen gemäß § 355 Abs. 1 S. 2 BGB setzt voraus, dass dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht, die ihm entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten Kommunikationsmittels seine Rechte deutlich macht, in Textform mitgeteilt worden ist. Das Gesetz enthält keine Vorschrift darüber, in welcher Sprache dies geschehen soll. Daraus ergibt sich nach Auffassung des Gerichts, dass die Belehrung in derjenigen Sprache zu erteilen ist, in der die Vertragsverhandlungen geführt und danach die übereinstimmenden Willenserklärung ausgetauscht werden. Auf die Sprache des schriftlichen Vertragstextes kommt es dabei nur untergeordnet an.

Vorliegend ist das Gericht davon überzeugt, dass die Vertragsverhandlungen vollständig in russischer Sprache und der Vertragsschluss so auch mündlich erfolgt ist, während die Unterzeichnung nur noch reine Formsache war. Der Zeuge V. hat selbst bestätigt, mit dem Beklagten und dessen Ehefrau das gesamte Gespräch in Russisch geführt zu haben - nicht zuletzt weil das für ihn auch einfacher war. Er stammt offenbar ebenfalls aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Zuvor hatte die Ehefrau des Beklagten, die Zeugin G.P. dies ebenso geschildert.

Danach hätte auch die Widerrufsbelehrung in russischer Sprache erteilt werden müssen. Dazu genügt nicht eine globale Übersetzung der deutschen Widerrufsbelehrung durch den Handelsvertreter. Wie die gesetzliche Vorschrift verdeutlicht, ist dem Verbraucher die Widerrufsbelehrung vor allem deshalb schriftlich zu erteilen, damit er sie nach dem Vertragsschluss nochmals nachlesen kann und nach Kenntnis der damit verbundenen Rechte und Pflichten die Ausübung des Widerrufs erwägen kann, die gesetzlichen Fristen einhalten kann und den Widerrufsempfänger kennt.

Das Gericht vermag dem Zeugen P. nicht dahin zu folgen, er habe den Beklagten ausführlich genug über sein Widerrufsrecht mündlich belehrt, was unter Umständen als ausreichend angenommen werden könnte. Der Zeuge konnte nicht bestätigen, die Widerrufsbelehrung wörtlich übersetzt zu haben. Dazu hätte schließlich auch der richtige Empfänger des Widerrufs benannt werden müssen. Vielmehr hat der Zeuge den Inhalt der Aussage der Zeugin G.P. bestätigt, er habe seine Telefonnummer für den Fall hinterlassen, wenn an dem Auftrag nicht festgehalten werden solle.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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