Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 30.11.2005 - 10 PA 118/05
Fundstelle
openJur 2012, 43610
  • Rkr:
Gründe

Die nach §§ 146 Abs. 1, 147 Abs. 1 VwGO zulässige Beschwerde hat Erfolg. Die Rechtsverfolgung der Klägerin verspricht bei der in diesem Verfahren allein gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO). Für die Annahme einer hinreichenden Erfolgsaussicht genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolgs. Hierbei dürfen die Anforderungen, insbesondere an den Vortrag der Beteiligten, nicht überspannt werden. So darf das Verfahren nicht dazu benutzt werden, die Klärung streitiger Tatsachenfragen im Hauptsacheverfahren zu verhindern (BVerfG, Beschluss vom 6. November 2004, - 1 BvR 414/04, NJW 2005, 1567). Vor allem dient es nicht dazu, Rechtsfragen abschließend zu klären, die strittig sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Februar 2003, - 1 BvR 1526/02 -, NJW 2003, S. 1857 <1858>) oder die ungeklärt und - auch unter Berücksichtigung der gesetzlichen Regelung und bereits vorliegender anderweitiger Rechtsprechung - schwierig zu beantworten sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990, - 2 BvR 94/88 -, BVerfGE 81, 347 <358 f.>; BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2004, - 1 BvR 596/03 -, NJW 2004, 1789 ).

Diesen Anforderungen wird die Entscheidung zur Nichtgewährung von Prozesskostenhilfe nicht gerecht. Das Verwaltungsgericht hat seine Ablehnung der Prozesskostenhilfe zum einen darauf gestützt, dass die Klägerin aller Voraussicht nach für den Zeitraum zwischen Januar 1980 bis März 2004 als Rundfunkteilnehmerin anzusehen sei, weil sie anlässlich des Besuchs des Gebührenbeauftragten des Beklagten am 3. März 2003 ausdrücklich erklärt habe, dass sie seit Januar 1980 tatsächlich ein Rundfunk- und ein Fernsehgerät zum Empfang bereit gehalten habe, und dass die Klägerin die Richtigkeit dieser Angaben anschließend durch ihre Unterschrift auf dem entsprechenden Anmeldeformular bestätigt habe (1.). Zum anderen hat das Verwaltungsgericht die Erfolgsaussichten verneint, weil sich die Klägerin auf eine Verjährung nach § 4 Abs. 4 RGebStV für die Forderungen bis zum April 2000 nicht berufen könne, da die Forderung zwar in Anwendung des § 4 Abs. 4 RGebStV und unter Berücksichtigung der Verjährungsregelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches zum überwiegenden Teil verjährt sei, die erhobene Verjährungseinrede jedoch aller Voraussicht nach unbeachtlich sein werde, da sie in Anbetracht der unterlassenen Anmeldung der Rundfunkgeräte und des hierin begründeten objektiven Fehlverhaltens der Klägerin eine unzulässige Rechtsausübung darstellen dürfte (2.).

1. Die Frage, ob die Klägerin als Rundfunkteilnehmerin im Sinne des § 2 Abs. 2 RGebStV anzusehen ist, wird im Hauptsacheverfahren unter Einholung der angebotenen Beweise zu klären sein. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts kommt dem insoweit von der Klägerin unterschriebenen Anmeldeformular allein eine bloße Indizwirkung zu, die nicht dazu führt, dass angebotene Beweise nicht erhoben zu werden brauchen (vgl. § 86 Abs. 1 VwGO). Dies folgt daraus, dass unabhängig von der - vom Verwaltungsgericht umfassend aufgearbeiteten - Frage, ob es sich bei der von der Klägerin unterzeichneten „Anmeldung von Rundfunkempfangsgeräten“ um eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 98 VwGO i.V.m. § 415 Abs. 1 ZPO oder um eine Privaturkunde gemäß § 98 VwGO i.V.m. § 416 ZPO handelt, diese den vollen Beweis nur darüber erbringt, dass die in ihr enthaltenen Erklärungen abgegeben worden sind; ihre Beweiskraft erstreckt sich demgegenüber nicht auf die inhaltliche Richtigkeit der beurkundeten Erklärungen (OVG Münster, Beschl. v. 9.9.2004, - 19 A 2556/03 -, NJW 2004, 3505). Denn eine solche Urkunde ist zunächst nur eine bloße Wissenserklärung, die ein - bloß formelles - Zeugnis des Ausstellers gegen sich selbst darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2001, - XI ZR 120/00 -, BGHZ 147, 203-211). Die hier streitige Frage, ob die Klägerin Rundfunkteilnehmerin war, ist demgegenüber eine solche des materiellen Rechts, gegebenenfalls auch eine solche der Beweislast. Auch die Beweislast ist dem materiellen Recht zuzuordnen, da Beweislastregel und materieller Rechtssatz aufs engste miteinander verbunden sind (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2001, - XI ZR 120/00 -, BGHZ 147, 203-211). Deshalb hat ein Gläubiger die streitigen Entstehungsvoraussetzungen seines Anspruchs sogar dann zu beweisen, wenn sich der Schuldner wegen dieses Anspruchs in notarieller Urkunde der Zwangsvollstreckung unterworfen hat (BGH, Urteil vom 3. April 2001, - XI ZR 120/00 -, BGHZ 147, 203-211). Für den Beweis des Anspruchs auf Rundfunkgebühren bei vorheriger Abgabe einer formellen Erklärung kann nichts anderes gelten.

Steht damit lediglich fest, dass die Klägerin die beurkundete Erklärung abgegeben hat, so ist für die Frage der hinreichenden Erfolgsaussichten des Hauptssacheverfahrens entscheidend, ob eine Beweiserhebung gemäß § 86 Abs. 1 VwGO zur Sachverhaltsaufklärung angezeigt ist, um dem Gericht die zu seiner Überzeugungsbildung ( § 108 Abs. 1 VwGO ) notwendigen Kenntnisse zu verschaffen. Dies ist dann der Fall, wenn Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der öffentlichen Urkunde bestehen (BVerwG, Beschluss vom 14. Oktober 2004, BVerwG - 6 B 6.04 -, Buchholz 115 Sonstiges Wiedervereinigungsrecht Nr. 115). Die inhaltliche Richtigkeit der Urkunde unterliegt dann der freien Beweiswürdigung nach § 108 Abs. 1 VwGO. Bestehen derartige Anhaltspunkte, so kann das - formelle - Zeugnis des Erklärenden gegen sich selbst durch jeden Gegenbeweis entkräftet werden. Dieser ist bereits dann geführt, wenn die Überzeugung des Gerichts von der zu beweisenden Tatsache erschüttert wird; dass sie als unwahr erwiesen wird, ist nicht nötig (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2001, - XI ZR 120/00 -, BGHZ 147, 203-211).

Vorliegend ist damit entscheidungserheblich, dass die Klägerin umfassend, plausibel und unter Beweisantritt dargelegt hat, dass sie aufgrund ihrer familiären Verhältnisse und dem langjährigen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Vater in dessen Wohnung nicht selbst Rundfunkteilnehmerin gewesen sei. Für die Plausibilität dieser Darlegung spricht auch die von der Klägerin - unabhängig von einem Besuch des Gebührenbeauftragten der Beklagten oder in den Verwaltungsvorgängen dokumentierten vorherigen Ermittlungsmaßnahmen des Beklagten - vorgenommene Anmeldung eines Rundfunk- und eines Fernsehgerätes vom 26. Juni 2000 (Blatt 1 der Beiakte A) nach dem Ableben ihres Vaters. Die Klägerin hat ferner dargelegt, dass ihr der Gebührenbeauftragte mit strafrechtlichen Konsequenzen für den Fall des Nichtunterschreibens des von ihm ausgefüllten Anmeldeformulars gedroht und ausgeführt habe, dass sie zum Unterzeichnen des Formulars verpflichtet und dass eine Überprüfung der Angelegenheit nach Ergehen eines rechtsbehelfsfähigen Gebührenbescheides möglich sei. Dem ist der Beklagte in der Sache nicht entgegengetreten. Da sich in den Verwaltungsvorgängen des Beklagten kein Vermerk über Inhalt, Ablauf und Ergebnisse des fraglichen Hausbesuchs durch den Gebührenbeauftragten befindet, ist auch sonst nichts für die Unrichtigkeit dieser Darstellung ersichtlich, so dass es hinreichend wahrscheinlich erscheint, dass die Indizwirkung des von der Klägerin unterschriebenen Formulars entkräftet werden kann.

Bei der erforderlichen freien Beweiswürdigung im Sinne des § 108 Abs.1 Satz 1 VwGO wird das Verwaltungsgericht nach Erheben der von der Klägerin angebotenen Beweise - ggf. auch nach Vernehmung des Gebührenbeauftragten (§ 86 Abs. 1 VwGO) - zu berücksichtigen haben, dass nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin nicht auszuschließen ist, dass im Einzelfall der Rundfunkgebührenbeauftragte auf Grund seiner finanziellen Beteiligung an der Beitreibung rückständiger Gebühren durch Provisionen (vgl. zur vertraglichen Ausgestaltung der Beziehungen zwischen Rundfunkbeauftragtem und Rundfunkanstalt und zur Höhe der Provisionen BAG, Urteil vom 15. Februar 2005, - 9 AZR 51/04 -, AP 00 Nr. 6 zu 12 a TVG; Urteil vom 26. Mai 1999, - 5 AZR 469/98, AP Nr. 104 zu § 611 BGB Abhängigkeit) ein erhebliches Eigeninteresse an der Abgabe auch inhaltlich zweifelhafter, ihn aber wirtschaftlich begünstigender Erklärungen haben kann.

Da die Klägerin schlüssig geltend gemacht hat, in der früher bewohnten Wohnung hätten sich ausschließlich Rundfunkgeräte befunden, die von ihrem Vater bereit gehalten bzw. angemeldet gewesen seien, und da sie insoweit Beweis angetreten hat durch Benennung der Zeugen B. und C. D., ist es - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts - unerheblich, ob sie ihren unter Beweis gestellten Sachvortrag durch an den Vater gerichtete Gebührenbescheide, Zahlungsbelege oder die damalige Teilnehmernummer ihres Vaters untermauern kann. Denn die materielle Beweislast dafür, dass die Klägerin selbst Rundfunkteilnehmerin im streitgegenständlichen Zeitraum war, trägt der den Anspruch behauptende Beklagte, ohne dass eine Pflicht der Klägerin ersichtlich wäre, insoweit Beweise aus der Sphäre eines Dritten - ihres Vaters - anzubieten.

Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass ihr Vater seiner Verpflichtung zur Anmeldung von ihm bereitgehaltener Rundfunkempfangsgeräte und zur Gebührenzahlung nicht nachgekommen sein sollte, dürfte dies für die Frage, ob die Klägerin im maßgeblichen Zeitraum selbst Rundfunkteilnehmerin und Gebührenschuldnerin war, unerheblich sein. Denn wenn die Klägerin Haushaltsangehörige im Haushalt ihres Vaters gewesen wäre, ohne ein eigenes Rundfunkgerät zum Empfang bereitzuhalten, dürfte der Gebührentatbestand in ihrer Person auch dann nicht erfüllt sein, wenn sich ihr Vater seiner Gebührenpflicht entzogen haben sollte.

2. Sollte die Beweiserhebung ergeben, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum selbst Rundfunkteilnehmerin gewesen ist, so dürfte für den Zeitraum Januar 1980 bis Dezember 1999 von einer Verjährung des Gebührenanspruchs auszugehen sein, deren Einrede der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gemäß § 242 BGB nicht entgegenstehen dürfte.

Im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Beurteilung der Sach- und Rechtslage - bei der vorliegenden Anfechtungsklage gegen einen Gebührenbescheid ist dies die letzte Behördenentscheidung, mithin das Ergehen des Widerspruchsbescheides vom 1. November 2004 - galt die Verjährungsregelung des § 4 Abs. 4 RGebStV in der Fassung vom 26. November 1991 (Gesetz zu dem Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 26. November 1991, GVBl. S. 311 [RGebStV a.F.]). Hiernach verjährte der Anspruch auf Rundfunkgebühren in vier Jahren.

Für die Verjährung öffentlich-rechtlicher Ansprüche gelten - soweit nichts anderes bestimmt ist - die Vorschriften des BGB entsprechend (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2002, - BVerwG 2 C 6/01 -, BVerwGE 115, 389; Schmidt-Räntsch, in: Ermann, BGB, vor § 194 BGB Rn. 7).

Bei der Anwendung der §§ 195 ff. BGB sind nach dem maßgeblichen Übergangsrecht auf den streitgegenständlichen Anspruch die Vorschriften der §§ 195 ff. BGB in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) anzuwenden. Dies folgt aus der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 5 EGBGB. Diese enthält, wie sich auch aus der amtlichen Überschrift der Norm ergibt, eine allgemeine Überleitungsvorschrift zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz. Nach ihrem Satz 1 ist auf Schuldverhältnisse, die vor dem 1. Januar 2002 entstanden sind - für Dauerschuldverhältnisse gemäß Satz 2 jedoch nur bis zum 31. Dezember 2002 -, das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung anzuwenden, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Eine solche abweichende, speziellere Überleitungsvorschrift enthält für das Verjährungsrecht Art. 229 § 6 EGBGB. Nach der Grundregel des Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB finden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Verjährung in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung auf die an diesem Tag bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung. Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB bestimmt jedoch weiter, dass sich u.a. der Beginn der Verjährung für den Zeitraum vor dem 1. Januar 2002 nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung bestimmt.

In Anwendung der genannten Übergangsvorschrift dürften die Ansprüche zum überwiegenden Teil verjährt sein. Die vierjährige Verjährungsfrist für die festgesetzten Rundfunkgebührenansprüche beginnt nach § 4 Abs. 4 RGebStV a.F. i.V.m. §§ 197, 198, 201 BGB a.F. (s.o.) mit dem Schluss des Jahres der Anspruchsentstehung. Erst der Bescheid vom 2. Juni 2004 hat die Verjährung dieser Ansprüche gemäß § 53 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 1 NdsVwVfG gehemmt. Damit dürften die Ansprüche des Beklagten bis einschließlich Dezember 1999 verjährt sein.

Der Berufung der Klägerin auf die Einrede der Verjährung dürfte vorliegend auch nicht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht meint, der Verjährungseinrede stehe der Arglisteinwand insoweit entgegen, als die Klägerin ihre Rundfunkgeräte entgegen der Vorschrift des § 3 Abs. 1 RGebStV a.F. nicht angemeldet habe.

Zwar ist dem Verwaltungsgericht zuzugestehen, dass die herrschende Meinung in der Rechtsprechung für Bereiche außerhalb des Rundfunkgebührenrechts (BVerwG, Urteil vom 15.05.1984, - BVerwG 3 C 86.82 -, BVerwGE 69, 227; Urteil vom 25. November 1982, - 2 C 32.81 -, BVerwGE 66, 256; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 5. November 2003, - 8 LA 169/03 -, NJW 2004, 2689) einem Mitteilungspflichtigen, der entgegen einer gesetzlichen Verpflichtung dieser nicht genügt, die Verjährungseinrede versagt. Begründet wird dies damit, dass insoweit ein objektiv pflichtwidriges Unterlassen vorliege, das der Behörde die Möglichkeit nehme, die geschuldeten Beiträge festzusetzen. Unter diesen Umständen müsse die Erhebung der Verjährungseinrede als unzulässige Rechtsausübung angesehen werden (BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1966, - 6 C 112.63 -, BVerwGE 23, 166 , 171; siehe auch Urteil vom 20. Januar 1977, - BVerwG 5 C 18.76 -, BVerwGE 52, 16 , 24 f.) . Diese Rechtsprechung hat der Bayerische VGH (Urteil vom 3. Juli 1996, - 7 B 94.708 -, NVwZ-RR) auch auf den Bereich des Rundfunkgebührenrechts übertragen.

Dem dürfte jedenfalls für den Fall des § 4 Abs. 4 RGebStV a.F. nicht beizutreten sein.

Grundsätzlich kommt bei der Anwendung von Verjährungsvorschriften dem Wortlaut des Gesetzes besondere Bedeutung zu. Da der Rechtsverkehr klare Verhältnisse erfordert und die Vorschriften über die Verjährung, welche dazu dienen, Rechtssicherheit und Rechtsfrieden sowie Verkehrssicherheit herbeizuführen (Schmidt-Räntsch, in: Ermann, BGB, 11. Auflage Köln 2004, vor § 194 Rn. 2), dementsprechend eine formale Regelung enthalten, ist es grundsätzlich geboten, sich bei der Anwendung solcher Vorschriften eng an deren Wortlaut zu halten (BGH, Urteil vom 1. März 2005, - VI ZR 101/04 -, NJW-RR 2005, 1044-1048 m.w.N.). Hieraus folgt ebenso, dass es geboten ist, bei Fragen der Durchbrechung der Verjährung strenge Maßstäbe anzulegen und den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nur gegenüber einem tatsächlich groben Verstoß gegen Treu und Glauben ( § 242 BGB ) durchgreifen zu lassen, etwa wenn der Verpflichtete den Berechtigten durch sein Verhalten von der rechtzeitigen Anspruchsdurchsetzung abgehalten oder ihn nach objektiven Maßstäben zu der Annahme veranlasst hat, es werde auch ohne Rechtsstreit eine vollständige Befriedigung seines Anspruchs zu erzielen sein (Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 6. Dezember 2001, - 2 OA 3485/01 -, juris; BGH, Urteil vom 21. Januar 1988, - IX ZR 65/87 -, NJW 1988, 2245). Der Verpflichtete muss aber im Sinne eines Handelns etwas getan haben; ein bloßes Unterlassen kann das Unwerturteil nicht rechtfertigen (von Feldmann, in: Münchener Kommentar zum BGB, 2. Auflage München 1984, § 194 Rn. 11). Bloßes Ausweichen, Ablenken oder Schweigen rechtfertigt daher das Unwerturteil einer unzulässigen Rechtsausübung nicht (Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 6. Dezember 2001, - 2 OA 3485/01 -, juris; BGH, Urteil vom 21. Januar 1988, - IX ZR 65/87 -, NJW 1988, 2245); der Schuldner muss die Verjährung zumindest durch eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung mitverursacht haben (Heinrichs, in: Palandt, BGB, 64. Auflage, München 2005, vor § 194 Rn. 21). So ist etwa auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Aufklärungspflichten beim Anwaltsvertrag anerkannt, dass das Nichthinweisen des Rechtsanwaltes auf die Möglichkeit seiner Haftung und die entsprechende Verjährungsfrist wegen schuldhafter Verletzung anwaltlicher Sorgfaltspflichten eine neue schuldhafte Pflichtverletzung darstellt, gleichwohl aber auch für diesen Sekundäranspruch die Verjährungsfrist zu laufen beginnt und nach ihrem Ablauf dem Rechtsanwalt auf seine Einrede der Verjährung hin sein Schweigen auch nicht als unzulässige Rechtsausübung entgegengehalten werden kann (BGH, Urteil vom 21. Januar 1988, - IX ZR 65/87 -, a.a.O.). Dass und aus welchen Gründen für die Nichterfüllung der rundfunkgebührenrechtliche Anmeldepflicht des § 3 Abs. 1 RGebStV, die ebenfalls ein bloßes Schweigen darstellt, etwas anderes gelten sollte, ist nicht ersichtlich.

Soweit das Verwaltungsgericht meint, dass etwas anderes aus dem Umstand folge, dass es sich bei der Rundfunkgebührenverwaltung um ein Massengeschäft handele, und es den Rundfunkanstalten wegen des damit verbundenen personellen und sächlichen Aufwandes nicht möglich wäre, in jedem Einzelfall den Nachweis eines konkreten Verschuldens des Rundfunkteilnehmers zu führen, dürfte diese Überlegung nicht tragfähig sein (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 9. September 2004, - 19 A 2556/03 -, NJW 2004, 3505). Der notwendige Verwaltungsaufwand hat auf die Konkretisierung des § 242 BGB keinen rechtlichen Einfluss. Auch bei sogenannten Massenverfahren verbleibt es vielmehr bei der - aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung in Art. 20 GG folgenden (Stelkens, Verwaltungsgerichtsbarkeit - Gerichtsbarkeit ohne Verwaltung ?, NVwZ 1982, 81, 83) - Grundregelung des § 24 Abs. 1 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 1 NdsVwVfG, wonach die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen ermittelt. Dieser Grundsatz wird verstärkt durch die Regelungen des § 4 Abs. 5 und 6 RGebStV, wonach die Rundfunkanstalten Auskunfts-, Datenerhebungs- und entsprechende Zwangsrechte haben. Auch wenn Art und Umfang der nach diesen Vorschriften dem Beklagten obliegenden Ermittlungstätigkeit durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz begrenzt sind, so berechtigt dies doch keinesfalls zu einer nur noch oberflächlichen oder gar unterbleibenden Sachverhaltsermittlung lediglich aus Personal- und Kostengründen. Die Abwägung zwischen Aufwand und Ermittlungsergebnis darf vielmehr nur aus Gründen des jeweiligen Einzelfalls vorgenommen werden, nicht aus Gründen, die allen Einzelfällen gemeinsam sind (vgl. Stelkens/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Auflage, München 2001, § 24 Rn. 36, 37).

Entscheidend dürften Sinn und Zweck der - kurzen - vierjährigen Verjährungsfrist des § 4 Abs. 4 RGebStV a.F. dagegen sprechen, dem Rundfunkgebührenpflichtigen die Einrede der Verjährung allein wegen der Nichtanzeige des Rundfunkgerätes zu verwehren. In der Begründung zu der Einführung der hier maßgeblichen Verjährungsregelung (Art. 5 Abs. 3 RGebStV 1974, LT-Ds. 8/491, S. 13) ist ausgeführt, dass die Verjährungsfrist von vier Jahren der Regelung des § 197 BGB a.F. für regelmäßig wiederkehrende Leistungen entspreche. Tragend für die Einführung der vierjährigen Verjährungsfrist in § 4 Abs. 4 RgebStV a.F. sind damit die Motive des § 197 BGB a.F.. Die Abkürzung der Verjährung von Ansprüchen auf Rückstände regelmäßig wiederkehrender Leistungen beruht auf den Erwägungen, dass Geschäfte des täglichen Verkehrs in der Regel nicht längere Zeit im Gedächtnis der Beteiligten gegenwärtig bleiben, dass in kurzer Zeit eine Verdunkelung des Sachverhältnisses eintritt, dass der Schuldner nicht nach einer Reihe von Jahren wegen Forderungen in Anspruch genommen werden kann, die vermutlich gezahlt sind, über deren Bezahlung aber ein Nachweis nicht vorhanden ist, und dass es auch im Interesse des Gläubigers liegt, gegenüber einem säumigen Schuldner das Sachverhältnis alsbald klarzustellen und ihm die Gelegenheit zu späteren prozessualen Weiterungen, die mit der Höhe des Streitgegenstandes in keinem Verhältnis stehen, zu entziehen (BVerwG, Urteil vom 18.04.1986, - BVerwG 8 A 1.83 -, Buchholz 454.4 § 19 II. WoBauG Nr. 1). Durch § 197 BGB a.F. soll der Schuldner gegen die Geltendmachung überholter Ansprüche geschützt werden, da er sich möglicherweise wegen des Zeitablaufs, insbesondere wegen des Verlustes von Beweismitteln, nicht mehr sachgemäß verteidigen kann (Schmidt-Räntsch, in: Ermann, BGB, 11. Auflage, Köln 2004, vor § 194 Rn. 2). Denn gerade bei regelmäßig wiederkehrenden Leistungen ist es oft sehr schwer ist, sichere Feststellungen für eine Zeit zu treffen, die bis zu 30 Jahren zurückliegt (BGH, Urteil vom 10.07.1986, - III ZR 133/85 -, BGHZ 98, 174-188). Ferner sollen Leistungen, die ihrer Natur nach nicht aus dem Kapitalvermögen des Schuldners, sondern aus seinen regelmäßigen Einkünften zu tilgen sind, nicht zu einer solchen Höhe anwachsen, dass sie schließlich einen Betrag erreichen, dessen Aufbringung in einer Summe dem Schuldner immer schwerer fällt bzw. ihn sogar wirtschaftlich gefährden kann (Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 9. Februar 2005, - 2 L 66/03 -, juris; BVerwG, Urteil vom 31.10.2001, - BVerwG 2 C 61.00 -, BVerwGE 115, 218 ff).

Für den Bereich öffentlich-rechtlicher Körperschaften hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass diese als Gläubiger vermögensrechtlicher Ansprüche auf regelmäßig wiederkehrende Leistungen im Interesse klarer Verhältnisse durch die kurze Verjährungsfrist dazu angehalten werden sollen, ihre Forderungen in angemessener Zeit geltend zu machen; denn gerade bei laufenden öffentlich-rechtlichen Zahlungsverpflichtungen stehe hinter dieser Zweckbestimmung noch ausgeprägter als im Privatrecht das allgemeine Interesse, insbesondere das öffentliche Interesse an einer ordnungsgemäßen Haushaltsplanung (BVerwG, Urteil vom 18.04.1986, - BVerwG 8 A 1.83 -, Buchholz 454.4 § 19 II. WoBauG Nr 1). Die kurze Verjährungsfrist soll damit zumindest auch eine ordnungsgemäßen Verwaltungsführung und hier dem Element des behördlichen Amtsermittlungsgrundsatzes (s.o.) Nachdruck verleihen.

Der so umschriebene Sinn und Zweck der - vom Gesetzgeber wie gezeigt bewusst unter Hinweis auf § 197 BGB a.F. gewollten - kurzen Verjährung des Anspruchs aus § 4 Abs. 1 RGebStV a.F. würde leer laufen, wenn regelmäßig allein durch das Nichtanmelden eines Rundfunkgerätes das Berufen auf eine Verjährung ausgeschlossen wäre. Gerade der vorliegende Fall zeigt die Schwierigkeiten, die mit der Geltendmachung einer lange Zeit - bis zu 23 Jahren - zurückliegenden und erheblich angewachsenen Forderung für die Betroffene auch in Bezug auf das Führen von Nachweisen verbunden sind. Hätte der Gesetzgeber als Regelfall das Berufen auf die Verjährung ausschließen bzw. erschweren wollen, so hätte er entweder eine 30jährige Verjährung statuieren oder für den Beginn einer kürzeren Verjährung entsprechend der früher geltenden Regelung für Ansprüche aus unerlaubter Handlung (§ 852 Abs. 1 BGB a.F.) auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen und der Person des Schuldners abstellen müssen. Letzteres ist durch § 4 Abs. 4 RGebStV in der Fassung des Gesetzes zum Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag (vom 22. Januar 2004, GVBl. S. 27; LT-Ds. 15/1485 S. 34) und die dortige Bezugnahme auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die regelmäßige Verjährung, deren Beginn nach § 199 Abs. 1 BGB n.F., aber auch deren absolute Höchstgrenze nach § 199 Abs. 4 BGB n.F. unabhängig von der Kenntnis des Gläubigers eintreten, geschehen.

Entgegen ihrem klaren Gesetzeswortlaut die Regelung des § 4 Abs. 4 RGebStV a.F. ohne jede praktische Bedeutung zu stellen, was der Fall wäre, da nahezu kein Fall realistisch denkbar wäre, in dem ein Rundfunkteilnehmer sein Rundfunkgerät der Rundfunkanstalt anzeigt, diese jedoch - z.B. auf Grund eines Versehens - untätig bleibt und die Gebühren nicht geltend macht, erscheint demgegenüber nicht sachgerecht. Die Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung für den Fall des Berufens auf die Einrede der Verjährung muss daher ein Ausnahmefall bleiben für solche Fälle, in denen der Schuldner durch aktives Handeln, etwa bewusstes häufiges Umziehen oder die Falschbeantwortung von Auskunftsersuchen aktiv versucht, die Durchsetzung des Gebührenanspruchs zu vereiteln, oder in dem ihm zumindest ein diesbezügliches pflichtwidriges und vorwerfbares Handeln nachgewiesen wird; sie kann nicht die Grundregel des § 4 Abs. 4 RGebStV in ihr Gegenteil verkehren. Für einen derartigen Ausnahmefall ist aber aufgrund des bisherigen Sach- und Streitstandes nichts erkennbar.

Ob und inwieweit die Einschaltung Privater in ein öffentlich-rechtlich ausgestaltetes Verwaltungsverfahren und noch dazu auf Provisionsbasis möglich ist, ist in der Rechtsprechung ebenfalls ungeklärt. Mangels Vorliegens einer Übertragung von Hoheitsrechten auf den Rundfunkgebührenbeauftragten durch Gesetz oder aufgrund gesetzlicher Ermächtigung durch konkreten Beleihungsakt (zu diesen Anforderungen Niedersächsisches OVG, Urteil vom 27. Mai 2004, - 11 LC 116/02 -, NordÖR 2005, 43) dürfte dieser nicht anders als ein BSE-Untersuchungslabor (vgl. BGH, Urteil vom 14. Oktober 2004, - II ZR 169/04 -, BGHZ 161, 6-14 m.w.N.), ein Abschleppunternehmer oder ein Parkraumüberwachungsunternehmer (KG Berlin, Beschluss vom 23. Oktober 1996, - 2 Ss 1717/96 -, VD 1997, 11-19) bloßer Verwaltungshelfer und damit Privater sein. Soweit in der Satzung des Beklagten Regelungen über Rundfunkgebührenbeauftragte enthalten sind, stellen diese keine „gesetzliche“ Regelung als Voraussetzung einer Beleihung dar. Ob das zum Tätigkeitsbereich eines Rundfunkgebührenbeauftragten gehörende „Vornehmen bisher versäumter Anmeldungen“ (http://www.ndr.de/info/stellenangebote/freigeb.html) im Zusammenspiel mit den in Aussicht gestellten „attraktiven Einnahmen auf Provisionsbasis“ in freiberuflicher Tätigkeit (ebenda) - auch unter dem Blickwinkel des Art. 33 Abs. 4 GG - mit dem öffentlich-rechtlichen Charakter des Gebühreneinzugsverfahrens vereinbar ist, bedürfte gegebenenfalls weiterer Klärung in einem Hauptsacheverfahren.

Da die Klägerin auch nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfüllt, war der Beschwerde stattzugeben.