Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 06.07.2005 - 8 ME 70/05
Fundstelle
openJur 2012, 43260
  • Rkr:

Der Bewerbung eines Bezirksschornsteinfegermeisters, der nicht in die Bewerberliste A eingetragen ist, um einen Kehrbezirk, der zugleich von dem auf dem ersten Platz der Bewerberliste B verzeichneten Schornsteinfegermeister erstrebt wird, kann nach § 12 Abs. 3 VOSch nur stattgegeben werden, wenn für seine Bestellung die deutlich besseren Gründe sprechen.

Gründe

Die zulässigen Beschwerden des Antragsgegners und des Beigeladenen haben Erfolg.

Zum 1. April 2005 wurde der im wesentlichen in F. gelegene Kehrbezirk NOM-9 aus Altersgründen frei. Um die Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister in diesem Bezirk konkurrieren der 1965 geborene Antragsteller und der 1969 geborene Beigeladene. Der Antragsteller ist seit Januar 2002 Bezirksschornsteinfeger mit einem Kehrbezirk in G. (Landkreis H.). Wegen familiärer Bindungen behielt er jedoch seinen Wohnsitz im Landkreis C., zunächst in F. und nachfolgend in I., bei, was von der Bezirksregierung J. hingenommen wurde, und bemühte sich um den Wechsel in einen wohnortnahen Kehrbezirk. Mit Bescheid der vormals zuständigen Bezirksregierung J. vom 2. November 2004 wurde der Antragsteller widerruflich mit Wirkung ab dem 1. April 2005 zum Bezirksschornsteinfegermeister für den streitigen Kehrbezirk NOM-9 bestellt und zugleich seine Bestellung für den bisherigen Kehrbezirk mit Sitz in G. aufgehoben. Hiergegen legte im Januar 2005 der in K. (Landkreis C.) wohnhafte Beigeladene mit der Begründung Widerspruch ein, dass er auf der maßgebenden Liste der Bewerber zur Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister (Bewerberliste B) an der ersten Rangstelle geführt werde. Folglich habe ihm und nicht dem Antragsteller, der seinen Kehrbezirk noch keine fünf Jahre verwaltet habe, der Kehrbezirk NOM-9 übertragen werden müssen. Auf diesen Widerspruch hob der Antragsgegner mit Bescheid vom 14. März 2005 die Bestellung des Antragstellers für den Kehrbezirk NOM-9 auf und ordnete die sofortige Vollziehung an.

Dem hiergegen gerichteten vorläufigen Rechtsschutzantrag gab das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 31. März 2005 statt und stellte die aufschiebende Wirkung der von dem Antragsteller gegen den Bescheid vom 14. März 2005 zugleich erhobenen Klage wieder her. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass bei der Bestellung des Antragstellers durch Bescheid vom 2. November 2004 zwar die Belange des Beigeladenen nicht hinreichend berücksichtigt worden seien. Allein aus diesem Grunde habe jedoch auf den Widerspruch des Beigeladenen die Bestellung des Antragstellers nicht aufgehoben werden dürfen. Vielmehr hätte geprüft werden müssen, ob die Bestellung des Antragstellers im Ergebnis nicht auch bei nachträglicher Berücksichtigung der Belange des Beigeladenen hätte aufrechterhalten werden können. Dies sei unterblieben, der Aufhebungsbescheid daher rechtswidrig und deshalb die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.

Gegen diesen Beschluss haben der Antragsgegner und der Beigeladene Beschwerde eingelegt. Der Antragsgegner weist darauf hin, dass er die Gründe seines Aufhebungsbescheides vom 14. März 2005 durch ergänzenden Bescheid vom 11. Mai 2005 erweitert habe. Darin sei die vermisste Abwägung der Interessen des Antragstellers einerseits und des Beigeladenen andererseits nachgeholt worden. Ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Aufrechterhaltung der Bestellung habe dabei nicht festgestellt werden können. Der Beigeladene vertritt ergänzend die Auffassung, dass ihm schon deshalb der Vorrang gebührt habe, weil er auf der Liste der sog. B-Bewerber die erste Rangposition inne habe.

Auf die Beschwerden des Antragsgegners und des Beigeladenen, gegen deren Zulässigkeit keine Bedenken bestehen, war der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern und der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen. Denn der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist zwar zulässig, aber unbegründet.

Der Antrag ist nach wie vor zulässig, insbesondere besteht unverändert ein Rechtsschutzbedürfnis. Dieses ist nicht dadurch entfallen, dass der Antragsgegner den Beigeladenen inzwischen durch den weiteren Bescheid vom 31. März 2005 zum Bezirksschornsteinfegermeister für den streitigen Kehrbezirk mit Sitz in F. bestellt hat. Denn dieser Bescheid ist dem Antragsteller gegenüber noch nicht bestandskräftig. Im Übrigen steht die Bestellung des Beigeladenen unter Widerrufsvorbehalt. Ihm ist vom Antragsgegner ausdrücklich mitgeteilt worden, dass er mit dem Widerruf seiner Bestellung rechnen müsse, falls der Antragsteller mit seinem Begehren um die eigene Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister für den streitigen Kehrbezirk verwaltungsgerichtlich Erfolg habe. Da somit vom Ausgang dieses Verfahrens letztlich auch der Fortbestand der Bestellung des Beigeladenen abhängig ist, besteht für den vorläufigen Rechtsschutzantrag weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis.

Der demnach zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 14. März 2005 in der Fassung des Bescheides vom 11. Mai 2005 ist jedoch unbegründet.

Der Antragsgegner hat jedenfalls mit seinem ergänzenden Bescheid vom 11. Mai 2005 in einer den formalen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden und auch in der Sache zutreffenden Weise begründet, dass vorliegend der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht abgewartet werden kann. Es liegt nicht nur im Interesse der beteiligten Schornsteinfegermeister, sondern auch im öffentlichen Interesse, dass es in einem Kehrbezirk nicht wiederholt zu einem Wechsel des zuständigen Bezirksschornsteinfegermeisters oder gar zu einer Vakanz kommt. Deshalb ist unverzüglich und nicht erst im Hauptsachverfahren zu klären, ob nun der Antragsteller oder der Beigeladene im streitigen Kehrbezirk als Bezirksschornsteinfegermeister tätig werden darf.

Die Entscheidung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches oder der Klage setzt eine Abwägung des Interesses des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, gegen das öffentliche Interesse an dessen sofortiger Vollziehung voraus. Diese Abwägung fällt in der Regel zu Lasten des Antragstellers aus, wenn bereits im Aussetzungsverfahren zu erkennen ist, dass ein Rechtsbehelf ersichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.2.1982 - 2 BvR 77/82 -, NVwZ 1982, 241; BVerwG, Beschl. v. 9.9.1996 - 11 VR 31/95 -; Senatsbeschl. v. 9.5.2005 - 8 ME 52/05 -). Das ist hier der Fall, da die für sofort vollziehbar erklärte Aufhebung der Bestellung des Antragstellers zum Bezirksschornsteinfegermeister keinen rechtlichen Bedenken begegnet und seine dagegen gerichtete Klage somit keine Aussicht auf Erfolg verspricht.

Ist ein begünstigender Verwaltungsakt von einem Dritten mit dem Widerspruch angefochten worden, so ist auf diesen Widerspruch der ihn belastende und den Adressaten begünstigende Verwaltungsakt mit Doppelwirkung im Widerspruchsverfahren jedenfalls dann aufzuheben, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig ist und der widersprechende Dritte dadurch in seinen Rechten verletzt wird (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, § 73, Rn. 7). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, so dass der Antragsgegner mit Bescheid vom 14. März 2005 in der Fassung des ergänzenden Bescheides vom 11. Mai 2005 zu Recht den Bescheid der vormals zuständigen Bezirksregierung J. vom 2. November 2004 über die Bestellung des Antragstellers zum Bezirksschornsteinfegermeister im streitigen Kehrbezirk aufgehoben hat.

Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschl. v. 1.9.1989 - 8 M 12/89 -, Urt. v. 19.10.1989 - 8 A 69/87 - u. Beschl. v. 16.1.1990 - 8 M 26/89 -, GewArch 1990, 250) ist die Bestellung zum Bezirksschornsteinfeger mit gleichzeitiger Zuweisung eines Kehrbezirks gegenüber den übrigen Bewerbern als Verwaltungsakt mit Doppelwirkung anzusehen. Die Bewerber werden durch die Aufnahme in die jeweilige Bewerberliste in ein einheitliches Verwaltungsrechtsverhältnis einbezogen, das durch eine Vielzahl von Einzelentscheidungen abzuwickeln ist. Die Bewerber um die Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister - wie der Beigeladene - erwerben mit der Aufnahme in die sog. Bewerberliste B ein Anwartschaftsrecht auf die Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister. Dieses Anwartschaftsrecht begründet zwar keinen Anspruch auf einen bestimmten Kehrbezirk, wohl aber auf Zuteilung des nächsten freien Kehrbezirks nach Erreichen des ersten Platzes auf der Rangliste. Im Streitverfahren korrespondiert damit die Befugnis, die Bestellung eines Mitbewerbers angreifen zu können. Der übergangene Bewerber ist also nicht darauf verwiesen, bei der zuständigen Behörde den Widerruf der erfolgten Bestellung des Konkurrenten zum Bezirksschornsteinfegers anzuregen (vgl. zu einem Sonderfall OVG Greifswald, Beschl. v. 22.8.1995 - 2 M 62/95 -, GewArch 1996, 76 ff.), oder sich gar auf einen Schadensersatzanspruch zu beschränken.

Daran gemessen war der Widerspruch des Beigeladenen vom 5. Januar 2005 gegen den ihm zuvor nicht bekannt gegebenen Bescheid der vormals zuständigen Bezirksregierung J. vom 2. November 2004, mit dem der Antragsteller mit Wirkung zum 1. April 2005 zum Bezirksschornsteinfegermeister für den streitigen Kehrbezirk bestellt werden sollte, zulässig.

Der Beigeladene stand an erster Rangstelle in der Liste für die Bestellung von Schornsteinfegermeistern zum Bezirkschornsteinfegermeister (Bewerberliste B). Damit hatte er ein Anwartschaftsrecht auf die Übertragung des nächsten frei werdenden Kehrbezirks und dadurch zugleich die Widerspruchsbefugnis gegen eine anderweitige Kehrbezirksvergabe erworben. Da der Beigeladene die erste Rangposition sowohl im November 2004 als auch noch zum vorgesehenen Bestellungszeitpunkt zu Beginn des April 2005 inne hatte, kann dahinstehen, auf welchen Zeitpunkt es insoweit genau ankommt. Die im November 2004 formell auf der Rangliste noch vor dem Antragsteller erfassten vier Bewerber waren nicht mehr zu berücksichtigen, da sie zu diesem Zeitpunkt bereits bestellt waren, auch wenn ihre Bestellung erst zum Jahresbeginn 2005 wirksam geworden ist.

Der Beigeladene hat sein Anwartschaftsrecht auf Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister bezogen auf den streitigen Kehrbezirk und die darauf beruhende Widerspruchsbefugnis auch nicht durch Verzicht verloren. Wie sich aus § 3 Abs. 1 Nr. 5 der Verordnung über Schornsteinfegerwesen (VOSch) vom 19. Dezember 1969 (BGBl. I S. 2363), zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. Juli 2004 (BGBl. I S. 1314), ergibt, kann ein Schornsteinfegermeister zwar einen ihm angebotenen Kehrbezirk ausschlagen, also auf die Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister in dem ihm angetragenen Kehrbezirk verzichten. Hat er dies jedoch zweimal getan, so ist er gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 5 VOSch von der Bewerberliste zu streichen und verliert damit sein Anwartschaftsrecht. Ein solcher Verzicht auf die Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister in einem angetragenen Kehrbezirk ist daher wegen der weitreichenden Folgen eindeutig und bedingungsfrei zu erklären. Eine solche Erklärung hat der Beigeladene nicht abgegeben. Seinen im Einzelnen zwischen den Beteiligten streitigen Erklärungen kann allenfalls entnommen werden, dass er gegen die Übernahme des streitigen Kehrbezirks durch den Antragsteller dann keine Einwände erhoben hätte, wenn er (der Beigeladene) gleichzeitig zum Bezirksschornsteinfegermeister in dem bisherigen Kehrbezirk des Antragstellers in G., der von dem Wohnort des Beigeladenen in K. in etwa gleich entfernt liegt wie der streitige Kehrbezirk in F., bestellt und/oder ihm “zugesichert“ worden wäre, dass er unter denselben Voraussetzungen wie der Antragsteller vorzeitig, d.h. vor Ablauf von fünf Jahren, ebenfalls in einen näher an seinem Wohnort in K. gelegenen Kehrbezirk hätte wechseln können. Eine solche bedingte Erklärung stellt jedoch schon keinen wirksamen Verzicht auf das Anwartschaftsrecht dar. Im Übrigen sind die von dem Antragsteller genannten Bedingungen schon deshalb nicht erfüllbar, weil für den Kehrbezirk in G. die vorrangige Bewerbung eines Dritten vorliegt und ihm nicht voraussetzungslos ein vorzeitiger Kehrbezirkswechsel in Aussicht gestellt werden darf.

Der Widerspruch des Beigeladenen war schließlich im Januar 2005 auch noch fristgerecht. Da ihm der Bescheid vom 2. November 2004 nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen bekannt gegeben worden war, betrug die Widerspruchsfrist gemäß §§ 70 Abs. 2, 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO ein Jahr, innerhalb dessen der Beigeladene Widerspruch eingelegt hat.

Der demnach zulässige Widerspruch ist auch begründet, weil der Bescheid vom 2. November 2004 über die Bestellung des Antragstellers rechtswidrig gewesen und der stattdessen zu bestellende Beigeladene dadurch in seinen Rechten verletzt worden ist.

Als Rechtsgrundlage für die Bestellung des Antragstellers kommt vorliegend nur § 12 Abs. 3 VOSch in Betracht. Danach kann die zuständige Verwaltungsbehörde auch Bezirksschornsteinfeger berücksichtigen, die nicht in das besondere Verzeichnis eingetragen sind, frühestens jedoch nach Ablauf der Probezeit. Diese Bestimmung ist in der Rechtsprechung des Senats dahingehend verstanden worden, dass sie nicht nur die Grundlage für die Berücksichtigung der Bewerbung eines Bezirksschornsteinfegermeisters um seine Bestellung in einem anderen Kehrbezirk, sondern unmittelbar auch die Rechtsgrundlage für die endgültige Bestellung eines Bezirksschornsteinfegermeisters in einem anderen Kehrbezirk darstellt (vgl. Senatsbeschl. v. 10.2.2004 - 8 ME 1/04 -, NVwZ-RR 2004, 344). Hiervon gehen auch die Beteiligten aus.

Dem Wortlaut der Bestimmung lässt sich nicht entnehmen, unter welchen Voraussetzungen die zuständige Behörde den Kehrbezirkswechsel eines solchen Bewerbers zulassen kann. Diese Vorgaben lassen sich jedoch der Systematik sowie dem Sinn und Zweck des Schornsteinfegergesetzes (SchfG) und der Verordnung über das Schornsteinfegerwesen (VOSch) entnehmen. Aus § 6 Abs. 1 SchfG ergibt sich, dass über die Bestellung von Schornsteinfegermeistern, die auf der sog. Bewerberliste B eingetragen sind und um die erstmalige Übernahme der Tätigkeit als Bezirksschornsteinfegermeister konkurrieren, der Rang ihrer Eintragung in diese Bewerberliste B entscheidet. Dies gilt allerdings ausdrücklich nur für den hier nicht gegebenen Fall, dass die Bewerber jeweils noch nicht zum Bezirksschornsteinfegermeister bestellt sind. Will hingegen ein bereits zum Bezirksschornsteinfegermeister Ernannter - wie vorliegend der Antragsteller - innerhalb des Listenbezirks seinen Kehrbezirk wechseln, so muss er sich dazu grundsätzlich um die Eintragung in ein gesondertes Verzeichnis, die sog. Bewerberliste A, nach Maßgabe des § 12 Abs. 1 und 2 VOSch bemühen. Hat der Bezirksschornsteinfegermeister seinen bisherigen Kehrbezirk mindestens fünf Jahre ordnungsgemäß verwaltet, so steht ihm ein Anspruch auf Eintragung in diese Bewerberliste A zu. Eine frühere Aufnahme in die Bewerberliste A kann gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 VOSch ausnahmsweise zugelassen werden (vgl. dazu Senatsbeschl. v. 11.11.2004 - 8 LA 220/03 -). Ein solcher auf der Bewerberliste A eingetragener Bezirksschornsteinfeger ist nach § 12 Abs. 2 Satz 2 VOSch gegenüber einem lediglich auf der Bewerberliste B eingetragenen Schornsteinfegermeister bevorrechtigt. Sind auf der Bewerberliste A mehrere Kandidaten verzeichnet, so entscheidet unter ihnen gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 VOSch wiederum der Rangstichtag.

Aus der maßgeblichen Bedeutung, die danach dem Rangstichtag und dem Zeitpunkt der Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister auf Probe unter "gleichartigen" Bewerbungen zukommt, hat der Senat geschlossen, dass es nicht zu beanstanden ist, wenn bei der Bewerbung von Bezirksschornsteinfegermeistern, die nicht in die Bewerberliste A eingetragen sind, um einen anderen Kehrbezirk auf der Grundlage von § 12 Abs. 3 VOSch dem Rangstichtag und dem Zeitpunkt der jeweiligen Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister auf Probe besonderes Gewicht zukommt (vgl. Senatsbeschl. v. 10.2.2004, a. a. O.). Dieser Maßstab lässt sich allerdings auf das hier maßgebliche Konkurrenzverhältnis nicht übertragen, da es sich eben gerade nicht um "gleichartige" Bewerber handelt. Hier streiten ein nicht auf der Bewerberliste A erfasster Bezirksschornsteinfegermeister und der an erster Rangstelle der Bewerberliste B stehender Schornsteinfegermeister um einen Kehrbezirk. Da der Bezirksschornsteinfegermeister nämlich den besseren Rangstichtag hat, wäre seiner Bewerbung immer der Vorzug zu geben. Der Bezirksschornsteinfegermeister würde sich also gegenüber dem B-Bewerber stets durchsetzen. Dies entspricht zwar dem Regelungsgehalt von § 12 Abs. 2 Satz 2 VOSch. Voraussetzung für den sich danach ergebenen Vorrang eines Bezirksschornsteinfegermeisters vor einem Konkurrenten, der noch nicht zum Bezirksschornsteinfegermeister bestellt ist, ist allerdings die an besondere Voraussetzungen geknüpfte Eintragung in die Bewerberliste A. Wenn ein Bezirkschornsteinfegermeister indessen nicht in der Bewerberliste A eingetragen ist und auch - wie vorliegend - die Eintragungsvoraussetzungen (noch) nicht erfüllt, weil er seinen Kehrbezirk noch keine fünf Jahre lang verwaltet hat und eine ausnahmsweise vorzeitige Eintragung nach § 12 Abs. 1 Satz 2 VOSch nicht in Betracht kommt, dann können diese Voraussetzungen nicht dadurch unterlaufen werden, dass ungeachtet dieser Umstände die Bewerbung eines solchen Bezirksschornsteinfegermeisters auf der Grundlage des § 12 Abs. 3 VOSch immer Vorrang gegenüber B-Bewerbern genießt. Die hier vorgenommene Auslegung wird auch durch das öffentliche Interesse an einer - andernfalls wegen einer Vielzahl von vorzeitigen “Versetzungsgesuchen“ gefährdeten - kontinuierlichen Kehrbezirksbetreuung durch denselben Bezirksschornsteinfegermeister unterstrichen. Die Forderung nach mindestens fünfjähriger Kehrbezirksbetreuung durch einen Bezirksschornsteinfegermeister soll sicherstellen, dass dieser die erforderlichen Kenntnisse über die örtlichen Gegebenheiten zur ordnungsgemäßen Kehrbezirksverwaltung hat. Zudem soll den Grundstückseigentümern nicht ein wiederholter Wechsel der Kehrbezirksinhaber zugemutet werden (vgl. Senatsbeschl. v. 11.11.2004, a. a. O., m. w. N.). Schließlich ist zu beachten, dass es für den B-Bewerber um die erstmalige Übernahme einer selbständigen Tätigkeit als Bezirksschornsteinfegermeister geht. Dem steht das regelmäßig als geringer einzustufende Interesse des bereits ernannten Bezirksschornsteinfegermeisters an einer Tätigkeit in einem möglichst günstig gelegenen Kehrbezirk gegenüber. Auf der Grundlage dieser Überlegungen kann daher nach § 12 Abs. 3 VOSch der Bewerbung eines Bezirksschornsteinfegermeisters um einen Kehrbezirk, der zugleich von dem auf dem ersten Rangplatz der Bewerberliste B verzeichneten Schornsteinfegermeister erstrebt wird, nur dann stattgegeben werden, wenn für seine und nicht die Bestellung des Mitbewerbers die deutlich besseren Gründe sprechen.

Hiervon ist jedenfalls in seinem ergänzenden Bescheid vom 11. Mai 2005 sinngemäß auch der Antragsgegner ausgegangen. Darin wird nämlich ausgeführt, dass ein gegenüber den Interessen des Beigeladenen als Widerspruchsführer überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Aufrechterhaltung der Bestellung nicht festgestellt werden könne. Diese Feststellung ist nicht zu beanstanden.

Dies gilt zunächst, soweit sich der Antragsteller auf seine persönlichen Verhältnisse als Grund für die Übertragung des streitigen Kehrbezirks an ihn beruft. Seine Eltern und seine Schwester sind nach den vorgelegten Attesten nicht derart gesundheitlich beeinträchtigt, dass sie auf seine ständige Hilfeleistung angewiesen wären. Anderenfalls wäre er auch nicht aus dem zuvor gemeinsamen Wohnort in F. (Holtershausen) nach I. verzogen. Ein besonders gewichtiges Interesse des Antragstellers an der Übernahme des streitigen Kehrbezirks kann auch nicht aus seinem Immobilienerwerb in I. abgeleitet werden. Hiergegen spricht schon entscheidend, dass er diese Immobilie zu einem Zeitpunkt erworben hat, als er seinen Wohnsitz anderweitig hätte nehmen müssen. Als Bezirksschornsteinfegermeister mit einem Kehrbezirk, dessen Sitz in G. ist, unterliegt er nämlich dort der Residenzpflicht gemäß § 17 Satz 1 SchfG. Dieser Pflicht kommt der Bezirksschornsteinfegermeister regelmäßig nur dann nach, wenn der entfernteste Punkt im Kehrbezirk vom Wohnort des Bezirksschornsteinfegermeister binnen maximal 20 Minuten mit einem üblichen Verkehrsmittel zu erreichen ist (vgl. Senatsurt. v. 12.11.1988 - 8 L 5350/97 -, OVGE 48, 346 ff.). Von I. aus ist G. jedoch nicht in 20 Minuten zu erreichen. Der Antragsteller wusste also bei Erwerb des Grundstücks in I., dass er dort so lange nicht wohnen kann, wie er seinen Kehrbezirk in G. hat. Maßgeblich für den Antragsteller streitet somit letztlich allein die Tatsache, dass die vormals zuständige Bezirksregierung J. Wünschen von Bezirksschornsteinfegermeistern nach Übernahme eines möglichst "heimatnahen" Kehrbezirk offenbar bereits vor Ablauf von fünf Jahren großzügig entsprochen und auf der Grundlage dieser Verwaltungspraxis auch dem Antragsteller im Dezember 2003 mündlich in Aussicht gestellt hat, er werde - wenn möglich - den nächsten frei werdenden Kehrbezirk im Raum F. erhalten. Darin ist aber schon mangels der erforderlichen Schriftform keine wirksame Zusicherung gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG zu sehen. Im Übrigen ist die mit den Worten "soweit möglich" verbundene Einschränkung auch für den Antragsteller ersichtlich so zu verstehen gewesen, dass ihm der nächste frei werdende Kehrbezirk im Raum F. eben nur dann übertragen werden kann, wenn dem keine schutzwürdigen Belange von Mitbewerbern entgegen stehen. Derartige schutzwürdige Belange kann hier jedoch der Beigeladene als Inhaber des ersten Ranglistenplatzes und damit sein Interesse an einer baldigen Aufnahme seiner Selbständigkeit geltend machen. Dass mit der anderweitigen Vergabe des Kehrbezirks in F. die Hoffnungen des Antragstellers auf den von ihm gewünschten Wechsel in die Nähe von I. enttäuscht werden, reicht nicht aus, um sein persönliches Interesse gegenüber dem Interesse des Beigeladenen an dem Aufbau einer beruflichen Existenz als Bezirkschornsteinfegermeister höher zu bewerten.

Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass das öffentliche Interesse für die Vergabe des Kehrbezirks an den Antragsteller und nicht an den Beigeladenen spricht. Der Antragsgegner hat im öffentlichen Interesse auf eine ordnungsgemäße und kontinuierliche Verwaltung der Kehrbezirke hinzuwirken. Unterschiede zwischen dem Antragsteller und dem Beigeladenen sind insoweit nicht erkennbar. Zur Klarstellung ist für den Beigeladenen allerdings darauf hinzuweisen, dass auch er zur Erfüllung der Residenzpflicht gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 SchfG seinen derzeitigen Wohnsitz in K. grundsätzlich nicht beibehalten, sondern seinen Wohnsitz in den Nahbereich seines in F. gelegenen Kehrbezirks zu verlegen hat. Dort muss er sich auf einen mindestens fünfjährigen Verbleib einrichten.

War somit die Bestellung des Antragstellers zum Bezirksschornsteinfegermeister für den streitigen Kehrbezirk in F. rechtswidrig, weil sie Rechte des Beigeladenen verletzt, so ist der nunmehr streitige Bescheid des Antragsgegners vom 14. März 2005 in der Fassung des ergänzenden Bescheides vom 11. Mai 2005, mit dem auf den Widerspruch des Beigeladenen die Bestellung des Antragstellers aufgehoben worden ist, nicht zu beanstanden. Die aufschiebende Wirkung der von dem Antragsteller gegen den für sofort vollziehbar erklärten Aufhebungsbescheid gerichteten Anfechtungsklage kann daher nicht wiederhergestellt werden.

Als unterlegene Partei trägt der Antragsteller gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Da der Beigeladene im Beschwerdeverfahren ausdrücklich einen Antrag gestellt hat und dadurch ein Kostenrisiko eingegangen ist, waren gemäß § 162 Abs. 3 VwGO die ihm im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten für erstattungsfähig zu erklären.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 2 GKG i. V. m. §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG bestimmt sich im Rechtsmittelverfahren der Streitwert zwar grundsätzlich nach den Anträgen des Rechtsmittelführers, vorliegend also nach den Anträgen des Antragsgegners sowie des Beigeladenen. Das Interesse dieser Beschwerdeführer geht dahin, dass der Beigeladene (erstmals) zum Bezirksschornsteinfegermeister in dem streitigen Kehrbezirk bestellt wird. Dieses Interesse ist in entsprechender Anwendung von Ziffern 54.2.1 und 54.3.1 des sog. Streitwertkatalogs 2004 (DVBl. 2004, 1525 ff.) grundsätzlich mit 15.000,- EUR (in einem Hauptsacheverfahren) zu bemessen (vgl. Senatsbeschl. v. 19.1.2005 - 8 OA 327/04 -). Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG wird der Rechtsmittelstreitwert jedoch durch den Wert des Streitgegenstandes des ersten Rechtszuges begrenzt. Das bedeutet, dass im Regelfall bei unverändertem Streitgegenstand der Streitwert des ersten Rechtszuges mit dem des Rechtsmittelzuges identisch ist oder - anders ausgedrückt - dass sich der Wert des für die Streitwertfestsetzung maßgeblichen Antrages des Rechtsmittelführers grundsätzlich nach dem Streitwert der ersten Instanz richtet, der wiederum von der Bedeutung für den Antragsteller abhängt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 1.8.2001 - 3 C 19/00 -, Buchholz 360 § 14 GKG Nr. 6). Der Streitwert für das Begehren des Antragstellers ist jedoch geringer als 15.000 EUR und wirkt sich damit auch begrenzend auf den Streitwert für das Beschwerdeverfahren aus. Für den Antragsteller geht es vorliegend nämlich nicht um die erstmalige Übernahme der Tätigkeit eines Bezirksschornsteinfegermeisters, sondern "nur" um den Wechsel des Kehrbezirkes. Hierfür ist eine Halbierung des vorgenannten Wertes auf 7.500,- EUR gemäß §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG ermessensgerecht. Dieser Wert von 7.500,- EUR ist für das vorläufige Rechtsschutzverfahren nicht nochmals zu vermindern, da mit der gerichtlichen Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Hauptsache vorweggenommen wird. Der Streitwert für das Verfahren ist daher auf 7.500,-EUR festgesetzt worden.