Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 12.03.2004 - 5 ME 390/03
Fundstelle
openJur 2012, 41204
  • Rkr:

An die mit der Ausschreibung festgelegten Kriterien des Anforderungsprofils ist der Dienstherr für die Dauer des Auswahlverfahrens gebunden. Der Inhalt der sich daraus ergebenden Bindung ist unter Berücksichtigung der für Willenserklärungen maßgeblichen Kriterien (Erklärungswille und objektiver Erklärungsinhalt) zu ermitteln.

Gründe

I. Im Mai 2003 schrieb die Antragsgegnerin den Dienstposten der Leiterin/des Leiters der Abteilung Z "Zentrale Aufgaben" (BesGr. B 6 BBesO) zur Besetzung aus. Die mit diesem Dienstposten verbundenen Aufgaben werden in dieser Ausschreibung im Einzelnen beschrieben, und zum Abschluss heißt es: "Bei der Auswahlentscheidung kommt dem Nachweis der Europaqualifikation besondere Bedeutung zu. Ebenso erwartet werden Fremdsprachenkenntnisse in mindestens einer Sprache eines EU-Mitgliedlandes."Um diesen Dienstposten bewarben sich neben einem weiteren Bewerber der Antragsteller und der Beigeladene.

Der 1940 geborene Antragsteller wurde nach dem Studium der Volkswirtschaft und der Soziologie und der Promotion 1978 als Nachwuchskraft für den höheren Dienst bei dem Landesarbeitsamt C. eingestellt. Dort wurde er nach Wahrnehmung vielfältiger Aufgaben in der Arbeitsverwaltung im Januar 1990 zum Leitenden Verwaltungsdirektor ernannt. 1991 wurde er zu dem Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit (im Folgenden: Sozialministerium) versetzt und im Februar desselben Jahres zum Leitenden Ministerialrat ernannt. Im Juni 1998 ernannte die Niedersächsische Landesregierung den Antragsteller unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit für die Dauer von fünf Jahren zum Ministerialdirigenten. Als solcher war er in der Zeit von Juli 1999 bis März 2003 ständiger Vertreter der Staatssekretärin bzw. des Staatssekretärs im Sozialministerium. Die der hier umstrittenen Auswahlentscheidung zu Grunde gelegte dienstliche Beurteilung vom 9. Januar 2003 mit dem Gesamturteil "sehr gut" bezieht sich auf diese Tätigkeit als Ministerialdirigent. Mit Ablauf des 30. Juni 2003 endete die fünfjährige Amtszeit des Antragstellers als Ministerialdirigent. Seit dem 1. Juli 2003 bekleidet er wieder das Amt eines Leitenden Ministerialrats und nimmt die Leitung der Abteilung 5 des Sozialministeriums wahr.

Der 1946 geborene Beigeladene war nach Abschluss des Studiums der Rechtswissenschaften und Promotion zunächst im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als Angestellter tätig und wurde 1977 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Regierungsassessor beim Regierungspräsidenten in D. ernannt. Nach seiner Versetzung zum Sozialministerium im Jahre 1979 war er dort, unterbrochen von einer Tätigkeit in der Staatskanzlei in der Zeit von 1981 bis 1984, in verschiedenen Bereichen tätig und wurde 1986 zum Leitenden Ministerialrat unter gleichzeitiger Übertragung der Aufgaben des Stellvertretenden Abteilungsleiters 4 ernannt. Die ihm zuletzt erteilte dienstliche Beurteilung endet mit dem Gesamturteil "sehr gut". Mit Wirkung vom 11. März 2003 wurde der damals in der Abteilung 1 tätige Antragsteller von seinen Aufgaben entbunden und gleichzeitig ihm die Leitung der Referatsgruppe C übertragen und unter dem 30. April 2003 wurde er mit sofortiger Wirkung mit der Wahrnehmung der Geschäfte der Leitung der neuen Abteilung Z, also des im Mai 2003 ausgeschriebenen Dienstpostens, dessen Besetzung Gegenstand dieses Verfahrens ist, betraut.

Mit Bescheid vom 1. August 2003 teilte das Sozialministerium dem Antragsteller mit, dass die Landesregierung auf seinen – des Sozialministeriums – Vorschlag die Übertragung des Dienstpostens des Leiters der Abteilung Z an den Beigeladenen beschlossen habe. Bei der Auswahlentscheidung sei unter anderem berücksichtigt worden, dass der Beigeladene über die längste Erfahrung in einem Amt mit leitender Funktion im Sinne des § 194 a NBG verfüge. Darüber hinaus verfüge er über das größere Spektrum an einschlägiger beruflicher Erfahrung dadurch, dass er hier bereits in verschiedenen Bereichen in leitenden Positionen tätig gewesen sei und damit für die wichtige Aufgabe, die Leitung des Hauses zu beraten, hervorragend geeignet sei.

Dieser Auswahlentscheidung liegt der Auswahlvermerk vom 7. Juli 2003 zu Grunde. Nach diesem Auswahlvermerk sind folgende Kriterien berücksichtigt worden: Die den Bewerbern erteilten dienstlichen Beurteilungen, insbesondere die des Antragstellers vom 9. Januar 2003 und des Beigeladenen vom 19. Juni/7. Juli 2003 mit der Note "sehr gut", und denen entnommen wird, dass dem Antragsteller "eine ausgeprägte Führungs- und Sozialkompetenz" und dem Beigeladenen "eine herausragende Führungs- und Sozialkompetenz" bescheinigt wird. Außerdem wird auf die Berufserfahrung in leitenden Positionen hinsichtlich der Dauer und des Spektrums, auf die Fähigkeit zur fachlichen Beratung der Leitung des Ministeriums im Hinblick auf Erfahrung und Qualifikation sowie auf das zwischen dem Bewerber und der Leitung bestehende Vertrauensverhältnis abgestellt und hinsichtlich der in der Ausschreibung erwähnten Europaqualifikation davon ausgegangen, dass der Antragsteller diese und englische Sprachkenntnisse besitzt, der Beigeladene aber gute Englisch- und Französischkenntnisse. Insoweit heißt es in dem Auswahlvermerk: "Herr Dr. E. wird die Eu-Qualifikation in angemessener Zeit nachholen".

Über den gegen die Ablehnung seiner Bewerbung von dem Antragsteller erhobenen Widerspruch vom 7. August 2003 ist bisher nicht entschieden.

Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes entsprochen und die Antragsgegnerin durch den Beschluss vom 29. Oktober 2003, auf den zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, durch einstweilige Anordnung verpflichtet, den hausintern ausgeschriebenen Dienstposten des Leiters der Abteilung Z "Zentrale Aufgaben" bei dem Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit, bewertet nach Besoldungsgruppe B 6 BBesO, nicht vor Ablauf eines Monats nach Zustellung der Entscheidung über den Widerspruch des Antragstellers vom 7. August gegen die seine Bewerbung ablehnende Entscheidung vom 1. August 2003 mit dem Beigeladenen zu besetzen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Die umstrittene Auswahlentscheidung sei rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin das von ihr selbst mit der Ausschreibung festgelegte Anforderungsprofil, zu dem auch die Europaqualifikation gehöre, nicht beachtet habe. Sie habe den Beigeladenen ausgewählt, ohne dass er diese sich aus dem Anforderungsprofil ergebende Anforderung einer Europaqualifikation erfülle, und ohne zu prüfen, ob der Antragsteller, der in seiner Bewerbung eine Europaqualifikation nachgewiesen habe, den Anforderungen der Stellenausschreibung gerecht werde. Dadurch habe die Antragsgegnerin ihre Bindung an das von ihr entwickelte Anforderungsprofil missachtet. Außerdem stehe mit dem Anforderungsprofil auch der Hinweis im Auswahlvermerk nicht in Einklang, dass der Antragsteller im Hinblick auf die eingeleitete Neuausrichtung des Sozialministeriums allein deshalb als weniger geeignet anzusehen sei, weil er wegen Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze nur noch eine Dienstzeit von weniger als zwei Jahren zu leisten habe. Weitere Bedenken gegen die getroffene Auswahlentscheidung bestünden derzeit aber nicht. Das gelte für alle übrigen Auswahlkriterien, nämlich die Auswertung der zuletzt erteilten dienstlichen Beurteilungen, die Erfahrungen in einem Amt im Sinne des § 194 a NBG, das Spektrum einschlägiger Erfahrung im Bereich des Sozialministeriums (Verwendungsbreite) und das Vertrauensverhältnis zwischen dem Bewerber und der Leitung des Ministeriums.

Gegen diesen ihr am 3. November 2003 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 13. November 2003 Beschwerde eingelegt und diese am 1. Dezember 2003 begründet. Sie macht im Wesentlichen geltend: Es treffe nicht mehr zu, dass der Beigeladene dem Anforderungsprofil hinsichtlich der Europaqualifikation nicht entspreche. Denn er habe im November und Dezember 2003 diese Qualifikation durch den Besuch entsprechender Fortbildungsveranstaltungen erworben. Diese nachgeschobene Begründung für die umstrittene Auswahlentscheidung sei im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen. Ausdrücklich nicht aufrecht erhalten werde die in dem Auswahlvermerk vom 7. Juli 2003 erwähnte Berücksichtigung des Zeitpunktes des Eintritts des Antragstellers in den Ruhestand (30.06.2005). Der Umstand, dass der Antragsteller in seiner letzten dienstlichen Beurteilung als Ministerialdirigent, der Beigeladene aber als Leitender Ministerialrat beurteilt worden ist, sei zwar zu beachten, rechtfertige aber nicht die Auswahl des Antragstellers, weil sich aus den übrigen Auswahlkriterien ergebe, dass der Beigeladene für die Wahrnehmung des umstrittenen Dienstpostens nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung qualifizierter sei. Der Beigeladene habe über weitaus längere Zeiten als der Antragsteller Erfahrungen in einem Amt im Sinne des § 194 a NBG sammeln können, er habe im Bereich des Sozialministeriums ein größeres Spektrum einschlägiger Erfahrungen als der Beigeladene im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit in der Arbeitsverwaltung und im Sozialministerium erworben (größere Verwendungsbreite) und außerdem sei das Vertrauensverhältnis zwischen dem Beigeladenen und der Leitung des Ministeriums intensiver als das des Antragstellers.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den angefochtenen Beschluss zu ändern und den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er macht zur Begründung geltend: Das Nachholen der Europaqualifikation widerspreche dem in der Ausschreibung festgelegten Anforderungsprofil, nach dem diese Qualifikation bereits im Zeitpunkt der Bewerbung habe vorliegen müssen. Außerdem entspreche die in einem "Schnellverfahren" von dem Beigeladenen erworbene Europaqualifikation nicht der Qualifikation, die er erworben habe. Auch die übrigen Auswahlkriterien rechtfertigten die Auswahl des Beigeladenen nicht. Der Umstand, dass die ihm zuletzt erteilte dienstliche Beurteilung sich auf seinen Status als Ministerialdirigent bezieht, während der Beigeladene als Leitender Ministerialrat beurteilt wurde, sei nicht zutreffend berücksichtigt worden. Allein aus der unterschiedlichen Dauer der Zugehörigkeit zum Sozialministerium könne eine größere Verwendungsbreite nicht hergeleitet werden. Auf Grund seiner umfangreichen leitenden Tätigkeit in der Arbeitsverwaltung und seiner Erfahrungen als Ministerialdirigent seien seine beruflichen Erfahrungen zeitlich wie inhaltlich mindestens mit denen des Beigeladenen vergleichbar.

Der Beigeladene hat sich auch im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze sowie die Personalakten und Verwaltungsvorgänge (Beiakten A bis F) Bezug genommen.

II. Die zulässige, insbesondere statthafte Beschwerde ist begründet.

Die Möglichkeit eines Änderungsantrags im einstweiligen Anordnungsverfahren lässt die Statthaftigkeit eines Beschwerdeverfahrens unberührt.

Die Zulässigkeit der Beschwerde kann weder unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Statthaftigkeit noch der des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses mit der Begründung verneint werden, die Antragsgegnerin könne auf Grund der durch den Erwerb der Europaqualifikation durch den Beigeladenen bedingten Änderung der Umstände nach Ergehen des angefochtenen Beschlusses dessen Änderung durch eine erneute Entscheidung des Verwaltungsgerichts herbeiführen. Zwar kann nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO, der im Rahmen des einstweiligen Anordnungsverfahrens analog anzuwenden ist (vgl.: Kopp, VwGO-Kommentar, 13. Aufl., RdNr. 35 zu § 123), jeder Beteiligte die Änderung des im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts wegen veränderter Umstände beantragen, jedoch führt dies nicht dazu, dass die Beschwerde nicht statthaft ist oder für sie ein Rechtsschutzbedürfnis nicht besteht. Weder § 123 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO (analog) noch § 146 Abs. 4 VwGO kann entnommen werden, dass ein Änderungsantrag im Sinne des § 80 Abs. 7 VwGO (analog) die Möglichkeit einer Beschwerde im Sinne des § 146 Abs. 4 VwGO ausschließt und deshalb zur Unstatthaftigkeit der Beschwerde führt (vgl.: Kopp, VwGO-Kommentar, 13. Aufl., RdNr. 198 zu § 80). Diese Annahme ist auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil Gegenstand des Änderungsverfahrens lediglich die Frage ist, ob die veränderten Umstände eine Änderung der von dem Verwaltungsgericht getroffenen Entscheidung rechtfertigen, während Gegenstand des Beschwerdeverfahrens der gesamte Streitgegenstand des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes ist.

Im Hinblick auf die unterschiedlichen Streitgegenstände des Änderungsverfahrens (§ 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO analog) und des Beschwerdeverfahrens (§ 146 Abs. 4 VwGO) ist auch die Annahme eines Rechtsschutzbedürfnisses der Antragsgegnerin für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens gerechtfertigt.

Die auch im übrigen zulässige Beschwerde ist begründet.

Denn der Antragsteller hat nicht gemäß § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft gemacht, dass sein Anspruch auf eine verfahrens- und ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung verletzt ist.

Die Auswahlentscheidung des Dienstherrn unterliegt einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle hinsichtlich folgender Gesichtspunkte: Beachtung der anzuwendenden Begriffe und des gesetzlichen Rahmens sowie eines zutreffenden Sachverhalts, Berücksichtigung allgemeiner Wertmaßstäbe, Ausschluss sachfremder Erwägungen, Berücksichtigung von Verfahrens- und Verwaltungsvorschriften.

Die der Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens vorangehende Auswahlentscheidung ist ein Akt wertender Erkenntnis, der nur in eingeschränktem Maße einer gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung beschränkt sich darauf, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften oder mit höherrangigem Recht vereinbare Richtlinien (Verwaltungsvorschriften) verstoßen hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.08.2003 - 2 C 14.02 -, IÖD 2003, 170 = NVwZ 2003, 1397; OVG Lüneburg, Beschl. v. 08.12.2003 - 5 ME 360/03 -, jeweils m.w.N.).

Das Auswahlverfahren hat sich am Anforderungsprofil des Dienstherrn zu orientieren, was in vollem Umfang verwaltungsgerichtlich überprüfbar ist. Erfüllen mehrere Bewerber das Anforderungsprofil, kann der Dienstherr sein Auswahlermessen hinsichtlich der unterschiedlichen Qualifikationen ausüben.

Die nach diesen Grundsätzen durchzuführende Auswahl beruht auf der Bewertung der durch Art. 33 Abs. 2 GG und § 8 NBG vorgegebenen persönlichen Merkmale (Eignung, Befähigung und fachliche Leistung) im Hinblick auf das mit dem zu besetzenden Dienstposten verbundene Anforderungsprofil. An diesem Anforderungsprofil werden die Eigenschaften und Fähigkeiten der Bewerber um den Dienstposten gemessen, um eine optimale Besetzung zu gewährleisten. Im Auswahlverfahren ist der Dienstherr an das von ihm entwickelte Anforderungsprofil gebunden, da er andernfalls in Widerspruch zu dem selbst gesteckten Ziel bestmöglicher Aufgabenwahrnehmung geriete. Ob der Dienstherr die sich aus dem Anforderungsprofil ergebenden Auswahlkriterien beachtet hat, unterliegt in vollem Umfange gerichtlicher Kontrolle. Erst wenn mehrere Bewerber allen Kriterien des Anforderungsprofils gerecht werden, haben – in der Regel durch dienstliche Beurteilungen ausgewiesene – Abstufungen der Qualifikation Bedeutung. Unter diesen Voraussetzungen bleibt es der Entscheidung des Dienstherrn überlassen, welchen der zur Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu rechnenden Umstände er das größere Gewicht beimisst (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.08.2001 - 2 A 3.00 -, BVerwGE 115, 58 = DVBl. 2002, 131 = IÖD 2002, 50; OVG Lüneburg, Beschl. v. 13.05.2003 - 5 ME 146/03 -; Beschl. v. 15.05.1997 - 5 M 1134/97 -, jeweils m.w.N.).

Den sich hieraus für die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung ergebenden Voraussetzungen genügt die hier umstrittene Auswahlentscheidung vom 1. August 2003.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat die Antragsgegnerin das Gebot, die durch die Ausschreibung vom 2. Mai 2003 festgelegten Kriterien des Anforderungsprofils zu beachten, nicht verletzt.

Das ergibt sich aus den folgenden Gründen:

Eine Stellenausschreibung ist wie eine Willenserklärung nach dem objektiven Erklärungsgehalt und dem Willen des Erklärenden auszulegen.

Auf Grund des der Antragsgegnerin eingeräumten Organisations- und Auswahlermessens ist sie befugt, vor der Durchführung eines Auswahlverfahrens mit der Ausschreibung des zu besetzenden Dienstpostens ein Anforderungsprofil festzulegen. Das hier festgelegte Anforderungsprofil, dass bei der Auswahlentscheidung dem Nachweis der Europaqualifikation besondere Bedeutung zukommt, wäre ermessensfehlerfrei auch dann, wenn angenommen würde, dass dieser Formulierung auch die Festlegung eines bestimmten Zeitpunktes zu entnehmen ist und mit ihr verlangt wird, dass die Europaqualifikation bereits mit der Bewerbung, spätestens aber im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung vom 1. August 2003 oder der beabsichtigten endgültigen Übertragung des umstrittenen Dienstpostens (18.08.2003) vorliegen muss. Hätte die Antragsgegnerin eine solche Festlegung getroffen, könnte ihr mit dem späteren Erwerb der Europaqualifikation durch den Beigeladenen während des Beschwerdeverfahrens nicht mehr entsprochen werden. Diese Annahme ist aber nicht gerechtfertigt. Für eine solche Festlegung spricht zwar der Wortlaut der Ausschreibung, die wie eine Willenserklärung unter Berücksichtigung des objektiven Erklärungsgehalts und des Willens des Erklärenden auszulegen ist. Die Auslegung unter Berücksichtigung dieser beiden Gesichtspunkte ergibt aber, dass mit der Ausschreibung eine solche Festlegung nicht getroffen wurde. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, liegt dem Erfordernis der Europaqualifikation die zwischen der Antragsgegnerin und den Gewerkschaften am 22. Juni 2002 getroffene Vereinbarung gemäß § 81 NPersVG zu Grunde, die durch den Erlass vom 10. Juli 2002 bekannt gemacht wurde (Nds. MBl S. 592). Nach dieser Vereinbarung, die die Aufnahme der Europaqualifikation als zusätzliches Anforderungskriterium in die Ausschreibungstexte vorsieht (Nr. 8), wird diese Qualifikation durch den Besuch eines Seminars und praktische Arbeit an einer öffentlichen Einrichtung im europäischen Ausland nachgewiesen und können diese in angemessener Zeit nachgeholt werden, wenn sie aus Kapazitäts- oder Haushaltsgründen nicht bis zur Auswahlentscheidung erlangt werden können (Nr. 4.1, 4.2, 4.4). Zwar ist dem Ausschreibungstext nicht ausdrücklich zu entnehmen, dass diese Möglichkeit, den Nachweis in angemessener Zeit nachzuholen, besteht. Angesichts des Zusammenhangs dieses Kriteriums des Anforderungsprofils mit der genannten Vereinbarung – gemäß Nr. 8 der Vereinbarung war die Europakompetenz in den Ausschreibungstext als zusätzliches Anforderungsprofil "nach Maßgabe dieser Vereinbarung" aufzunehmen – und des mit den Formulierungen des Erlasses insoweit übereinstimmenden Wortlauts der Ausschreibung vom 2. Mai 2003 ist es aber gerechtfertigt anzunehmen, dass der Text der Ausschreibung erkennbar dazu diente, den sich aus der Vereinbarung ergebenden Anforderungen Rechnung zu tragen und nicht zu bestimmen, dass nur einer der möglichen Nachweise der Europaqualifikation gefordert wird, nämlich dessen Vorliegen bei der Auswahlentscheidung, die auf Grund der Vereinbarung aber ebenfalls mögliche zeitnahe Nachholung der Qualifikation nicht ausreichend ist. Für eine solche Auslegung des in der Ausschreibung vom 2. Mai 2003 enthaltenen Anforderungsprofils sprechen darüber hinaus zwei Gesichtspunkte, nämlich einmal der Umstand, dass die Vereinbarung vom 22. Juni 2002, auf Grund der die Europaqualifikation zu fordern ist, noch nicht lange besteht und deshalb einen Großteil der möglichen Bewerber ausschließt, und zum anderen der Umstand, dass – wie sich aus dem insoweit unwidersprochen gebliebenen Auswahlvermerk vom 7. Juli 2003 ergibt – der Beigeladene den Nachweis der Europaqualifikation noch nicht erbringen konnte, weil die dafür erforderlichen Haushaltsmittel nur für drei Qualifizierungsmaßnahmen pro Jahr zur Verfügung standen und diese von Mitarbeitern beansprucht wurden, über deren Auswahl bereits zu Beginn des Jahres 2003 zu entscheiden war. Insbesondere im Hinblick auf den zuletzt genannten Umstand und den weiteren Umstand, dass die Vereinbarung vom 22. Juni 2002 den potentiellen Bewerbern bekannt sein dürfte, ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Antragsgegnerin mit der Ausschreibung auch den Zeitpunkt für den Nachweis der erforderlichen Europaqualifikation festlegen wollte. Zwar wäre eine klarere Formulierung in der Ausschreibung wünschenswert gewesen, jedoch kann es nicht als eine rechtsfehlerhafte Ausübung des der Antragsgegnerin insoweit zustehenden Organisations- und Auswahlermessens angesehen werden, wenn sie die Formulierung wählt: "Bei der Auswahlentscheidung kommt dem Nachweis der Europaqualifikation besondere Bedeutung zu" und dies so verstanden wissen will, dass auch eine zeitnahe Nachholung dieses Nachweises ausreichend ist. Dieser Erklärungswille ist im Hinblick auf die der Ausschreibung zu Grunde liegende, veröffentlichte Vereinbarung vom 22. Juni 2002 in ausreichendem Maße für die Adressaten und der Ausschreibung objektiv erkennbar gewesen.

Die Berücksichtigung der Europaqualifikation im Rahmen der hier umstrittenen Auswahlentscheidung durch die Antragsgegnerin entspricht auch im Übrigen den sich aus den eingangs genannten Grundsätzen ergebenden Anforderungen an eine rechtmäßige Auswahlentscheidung.

Die Antragsgegnerin hat die von dem Beigeladenen erworbene Europaqualifikation als der des Antragstellers mindestens gleichwertig angesehen. Dass dies nicht zutreffend ist, hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Die dem Beigeladenen und dem Antragsteller von dem Europäischen Institut für öffentliche Verwaltung in F. erteilten Zertifikate vom 6. April 2001 und 7. November 2003 weisen hinsichtlich zeitlicher Dauer und inhaltlicher Gestaltung der Fortbildung keine gravierenden Unterschiede auf. Auch die Bescheinigungen über die Tätigkeiten des Antragstellers und des Beigeladenen bei der Landesvertretung in G. lassen nach den vorgelegten Bescheinigungen vom 9. November 2001 und 11. Dezember 2003 nicht erkennen, dass der Antragsteller, der dort in der Zeit vom 6. bis zum 9. November 2001 tätig war, höherwertigere Qualifikationen erworben hat als der Beigeladene, der in der Zeit vom 1. bis zum 12. Dezember 2003 in der Vertretung des Landes Niedersachsen bei der Europäischen Union in G. mitgearbeitet hat. Darüber hinaus ist von der Antragsgegnerin unwidersprochen vorgetragen worden, dass sich der Beigeladene intensiv mit Fragen der Auswirkungen des Prozesses der Europäischen Integration auf die freie Wohlfahrtspflege als Träger sozialer Dienstleistungen beschäftigt habe und auf diesem Gebiet zu einem Spezialisten geworden sei. Ebenso wird von dem Antragsteller nicht in Frage gestellt, dass der Beigeladene nicht nur wie der Antragsteller Sprachkenntnisse in einer der Sprachen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (Englisch), sondern in zwei dieser Sprachen (Englisch und Französisch) hat.

Auch die Berücksichtigung der übrigen Auswahlkriterien, insbesondere die der dienstlichen Beurteilungen durch die Antragsgegnerin, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Streitgegenstand im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine Auswahlentscheidung ist nicht teilbar, so dass vom Gericht nicht nur die vom Beschwerdeführer angeführten Gründe zu prüfen sind.

Diese Frage zu überprüfen, ist auch im Beschwerdeverfahren geboten, obgleich die Beschwerde der Antragsgegnerin sich ausschließlich gegen die von dem Verwaltungsgericht für rechtswidrig gehaltene Behandlung der Europaqualifikation durch die Antragsgegnerin im Rahmen des Auswahlverfahrens wendet und § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO bestimmt, dass das Oberverwaltungsgericht nur die mit der Beschwerde dargelegten Gründe prüft. Denn der die in diesem Verfahren umstrittene Auswahlentscheidung betreffende Streitgegenstand, über den das Verwaltungsgericht entschieden hat, lässt sich nicht teilen. Die Einwendungen, die der Antragsteller gegen die von ihm angegriffene Auswahl des Beigeladenen erhoben hat, kennzeichnen nur unterschiedliche und unterschiedlich weit reichende Gründe für die Geltendmachung eines und desselben Anspruchs auf fehlerfreie Ausübung des Auswahlermessens, nicht aber trennbare Teile eines Streitgegenstandes. Das schließt sowohl eine Teilaufhebung als auch die Verpflichtung zu einer auf Teile der Auswahlentscheidung beschränkten Neubescheidung aus (vgl.: BVerwG, Urt. v. 13.07.2000 - 2 C 34.99 -, ZBR 2001, 89, m.w.N., zum Streitgegenstand eines gegen eine dienstliche Beurteilung gerichteten Klage- und Berufungsverfahrens). Aus § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO ergibt sich nicht, dass sich das Beschwerdegericht lediglich mit einem Teil des Streitgegenstandes zu befassen hat.

Hinsichtlich der Berücksichtigung der dem Antragsteller und dem Beigeladenen im Jahre 2003 zuletzt erteilten dienstlichen Beurteilungen ist die Antragsgegnerin zutreffend davon ausgegangen, dass beiden Bewerbern das gleiche Gesamturteil "sehr gut" erteilt worden ist, und hat der Antragsteller die in dem Auswahlvermerk vom 7. Juli 2003 dargestellte Binnendifferenzierung zu Gunsten des Beigeladenen, nach der dieser über eine "herausragende", der Antragsteller aber über eine "ausgeprägte Führungs- und Sozialkompetenz" verfügt, nicht in Frage gestellt. Aus dem Auswahlvermerk ergibt sich auch, dass die Antragsgegnerin den zu berücksichtigenden Umstand, dass dem Antragsteller die dienstliche Beurteilung als Inhaber des ihm auf Zeit (§ 194 a NBG) verliehenen Amtes eines Ministerialdirigenten und damit in einem höheren Status als dem des Beigeladenen, der während des ihn betreffenden Beurteilungszeitraums als Leitender Ministerialrat tätig war, erteilt worden ist, in nicht zu beanstandender Weise beachtet hat. Im Übrigen wird insoweit Bezug genommen auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts in dem angefochtenen Beschluss. Die Antragsgegnerin hat demgegenüber die übrigen Auswahlkriterien, die bereits erwähnte Binnendifferenzierung sowie Dauer und Spektrum der Berufserfahrung in einer leitenden Position (Verwendungsbreite) und die Fähigkeit zu fachlicher Beratung der Leitung des Sozialministeriums als diesen Vorsprung ausgleichend und gewichtiger angesehen. Das ist gerichtlich nicht zu beanstanden. Denn bei diesen Auswahlkriterien handelt es sich um solche, die in ihrer Bedeutung für die Bestimmung von Befähigung, fachlicher Leistung und Eignung für den angestrebten Dienstposten der vorübergehenden Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes mindestens vergleichbar sind. Auch insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen.

Hinsichtlich der Berufserfahrung kann nicht in Frage gestellt werden, dass der Beigeladene, der dem Sozialministerium – abgesehen von seiner dreijährigen Tätigkeit in der Staatskanzlei (1981-1984) – seit 1979 angehört, seit 1986 Erfahrungen in Leitungsämtern im Sinne des § 194 a NBG gesammelt hat und dass sich diese Erfahrungen auf die verschiedensten Bereiche des Sozialministeriums bezogen haben, während der Antragsteller dem Ministerium erst seit 1991 angehört und zuvor seine beruflichen Erfahrungen auch in leitenden Funktionen in der Bundesarbeitsverwaltung gewonnen hat. Es kann – wie das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend näher ausgeführt hat - nicht als den eingangs genannten Grundsätzen widersprechend gewertet werden, wenn die Antragsgegnerin die von dem Beigeladenen gewonnenen Erfahrungen für den hier umstrittenen Dienstposten eines Leiters der Abteilung Z "Zentrale Aufgaben" als wichtiger als die des Antragstellers wertet und hieraus auch eine größere Fähigkeit zur fachlichen Beratung der Leitung des Sozialministeriums ableitet.

Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte und der bereits erwähnten Binnendifferenzierung sowie der inzwischen von dem Beigeladenen erworbenen Europaqualifikation kann deshalb die Annahme der Antragsgegnerin, der Beigeladene sei hinsichtlich Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung für die Wahrnehmung des umstrittenen Dienstpostens besser geeignet als der Antragsteller, gerichtlich nicht beanstandet werden.

Die Kosten des danach erfolglosen Verfahrens hat nach § 154 Abs. 1 VwGO der Antragsteller zu tragen. Die Entscheidung, dass die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nicht erstattungsfähig sind, ergibt sich aus § 162 Abs. 3 VwGO.

Hinsichtlich der Festsetzung des Streitwertes ist das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend von §§ 20 Abs. 3, 15, 13 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 b GKG ausgegangen. Nach diesen Vorschriften ist der dreizehnfache Betrag des Endgrundgehaltes (hier: der Besoldungsgruppe B 6) zuzüglich ruhegehaltfähiger Zulagen einmal zu halbieren, weil ein Amt auf Zeit im Sinne des § 194 a NBG betroffen ist (§ 13 Abs. 4 Satz 1 b GKG), und ein weiteres Mal zu halbieren, weil der Rechtsstreit die Verleihung eines anderen Amtes betrifft (§ 13 Abs. 4 Satz 2 GKG). Das hat das Verwaltungsgericht auch getan und diesen Betrag mit 22.959,70 € festgesetzt. Es hat aber die ebenfalls von ihm für zutreffend gehaltene weitere Halbierung im Hinblick auf dieses Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§ 20 Abs. 3 GKG) nicht vorgenommen. Zutreffend ist der Streitwert deshalb mit 11.479,85 € festzusetzen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).