LG Hamburg, Beschluss vom 21.05.2007 - 308 O 326/07
Fundstelle
openJur 2009, 848
  • Rkr:
Tenor

I. Im Wege einer einstweiligen Verfügung – der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung – wird der Antragsgegnerin bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,00; Ordnungshaft höchstens zwei Jahre) verboten,

die Musikaufnahmen

1. Titel A
2. Titel G u z b
3. Titel G T
4. Titel M n w
5. Titel N e W
6. Titel D

der Künstlergruppe „Künstlergruppe“ auf einem Computer zum Abruf durch andere Teilnehmer von Filesharing-Systemen bereitzustellen und damit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens nach einem Streitwert von € 19.500,00.

Gründe

Der auf Antrag der Antragstellerin ergangenen Entscheidung liegen prozessual die Regelungen der §§ 935 ff., 922 ZPO zugrunde, wobei die Zuständigkeit des Gerichts aus § 32 ZPO folgt. Die Verbots- bzw. Unterlassungsansprüche folgen aus den §§ 97, 85, 19a UrhG, die Androhung der Ordnungsmittel aus § 890 ZPO.

I.

Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist zulässig, insbesondere ist die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg gegeben. Gegenstand des Verfahrens ist ein widerrechtliches öffentliches Zugänglichmachen von urheberrechtlich geschützten Musikaufnahmen durch ein Filesharingsystem im Internet. Das ist eine unerlaubte Handlung, bei der neben dem allgemeinen Gerichtsstand auch der besondere Gerichtsstand gemäß § 32 ZPO eröffnet ist (Kefferpütz in Wandtke/Bullinger, UrhG, 2. Auflage 2006, § 105 Rn. 8), wobei der Antragstellerin zwischen beiden Gerichtsständen gemäß § 35 ZPO ein Wahlrecht zusteht. Nach § 32 ZPO ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die beanstandete Handlung begangen worden ist. Das ist jeder Ort, an dem auch nur eines der wesentlichen Tatbestandsmerkmale des Delikts verwirklicht worden ist, also nicht nur der Begehungsort, sondern auch der Erfolgsort (Kefferpütz a. a. O., Rn 13; Zöller-Vollkommer, Zivilprozessordnung, 25. Auflage 2005, § 32 Rn. 16). Da die ins Internet gestellten Musikaufnahmen auch in Hamburg haben aufgerufen werden können und auch aufgerufen worden sind, ist das Landgericht Hamburg gemäß § 32 ZPO örtlich zuständig (vgl. Kefferpütz a. a. O., Rn. 15).

II.

Die Antragstellerin hat das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der tenorierten, aus § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG folgenden Unterlassungsansprüche gegen die Antragsgegnerin dargelegt und glaubhaft gemacht.

1.

Durch eidesstattliche Versicherungen eines Manager Business Affairs der Antragstellerin ist glaubhaft gemacht worden, dass der Antragstellerin die ausschließlichen Nutzungsrechte der Tonträgerhersteller an den exemplarisch verfahrensgegenständlichen Musikaufnahmen, wie sie im Tenor zu Ziff. I. benannt sind, gemäß § 85 UrhG zustehen.

2.

Es ist weiter glaubhaft gemacht worden, und zwar durch eidesstattliche Versicherung einer Mitarbeiterin der ...Media Gesellschaft zum Schutz des geistigen Eigentums mbH und der Vorlage des Dateienausdrucks, dass unter der IP-Adresse 84.138.109.96 am 21. Februar 2007 insgesamt 148 Audiodateien über ein Filesharing-System im Internet der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind und haben heruntergeladen und angehört werden können. Darunter sind auch die hier verfahrensgegenständlichen Aufnahmen gewesen. Da diese Nutzung der öffentlichen Zugänglichmachung gemäß §§ 85 UrhG ausschließlich der Antragstellerin vorbehalten und ohne deren Einverständnis erfolgt ist, ist sie widerrechtlich gewesen.

3.

Die Antragsgegnerin hat für diese Rechtsverletzungen einzustehen. Die IP-Adresse ist aufgrund der von der Staatsanwaltschaft Kassel eingeholten Auskunft dem Internetanschluss der Antragsgegnerin zuzuordnen. Zwar kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie selbst die Rechtsverletzung begangen hat. Vielmehr hat sie über ihre Rechtsanwältin dem Antragstellerinvertreter mitgeteilt, dass insoweit nur ihre volljährige Tochter den Internetanschluss genutzt und die Rechtsverletzungen begangen haben kann. Die Antragsgegnerin haftet aber auch dafür nach den Grundsätzen der Störerhaftung.

a.

Im Rahmen des Unterlassungsanspruchs haftet in entsprechender Anwendung des § 1004 BGB jeder als Störer für eine Schutzrechtsverletzung, wer – ohne selbst Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat. Um eine solche Haftung nicht über Gebühr auf Dritte zu erstrecken, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (BGH GRUR 2004, S. 860 ff. (S. 864) – Störerhaftung des Internetauktionshauses bei Fremdversteigerungen – m. w. N.), wobei sich die Art und der Umfang der gebotenen Prüf- und Kontrollmaßnahmen nach Treu und Glauben bestimmen (von Wolff in Wandtke/Bullinger, a. a. O., § 97 Rn. 15). So hat sich auch die Verpflichtung, geeignete Vorkehrungen zu treffen, durch welche die Rechtsverletzungen soweit wie möglich verhindert werden, im Rahmen des Zumutbaren und Erforderlichen zu halten (BGH GRUR 1984, S. 54/55 – Kopierläden).

b.

Unter Anwendung dieser Grundsätze haftet die Antragsgegnerin jedenfalls als Störerin.

Wenn die Antragsgegnerin Dritten in ihrem Haushalt den Internetzugang ermöglicht hat, dann ist dies adäquat kausal für die Schutzrechtrechtsverletzung gewesen. Adäquat ist eine Bedingung dann, wenn das Ereignis im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg der fraglichen Art herbeizuführen (BGH NJW 2005, S. 1420 ff. (S. 1421 m. w. N.)). Davon ausgehend ist eine Adäquanz hier zu bejahen. Zunächst haben Rechtsverletzungen über das Internet allgemein zugenommen durch das Herunterladen und öffentliche Zugänglichmachen insbesondere urheberrechtlich, geschmacksmusterrechtlich und markenrechtlich geschützter Leistungen. Darunter fallen auch die Aneignung und das Bereitstellen von Musikaufnahmen im Internet über Peer-to-Peer-Dienste und mit Hilfe von Filesharing-Software, verharmlosend „Tauschbörsen“ genannt. Jedenfalls seit dem Auftreten der Filesharing-Software „N...“ im Herbst 1999 ist derartiges auch nicht mehr ungewöhnlich, sondern wird gerade von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen vielfältig in Anspruch genommen.

Das Überlassen eines Internetzuganges an einen Dritten birgt danach die keinesfalls unwahrscheinliche Möglichkeit, dass von dem Dritten solche Rechtsverletzungen begangen werden. Das löst Prüf- und gegebenenfalls Handlungspflichten aus, um der Möglichkeit solcher Rechtsverletzungen vorzubeugen. Das gilt im Zweifel bei einer Überlassung an jeden Dritten. Das gilt aber umso mehr, wenn die Überlassung an einen Jugendlichen oder ein Kind erfolgt, bei denen sich möglicherweise das Unrechtsbewusstsein für solche Verletzungen noch nicht in gebotenem Maße entwickelt hat.

Rechtlich und tatsächlich ist die Antragsgegnerin in die Lage versetzt gewesen, wirksame Maßnahmen zur Verhinderung der streitgegenständlichen Rechtsverletzung zu treffen. Zwar konnte die Antragsgegnerin ihre Familienangehörigen nicht permanent kontrollieren. Hier fehlt aber bereits jeder Vortrag dazu, dass die Antragsgegnerin sich, bevor sie ihren Familienangehörigen oder Dritten den Internetanschluss zur Verfügung gestellt hat, überhaupt über die dadurch bedingten Risiken informiert und ihre Familienangehörigen bzw. die Dritten entsprechend belehrt sowie anschließend jedenfalls stichprobenartig kontrolliert hat, was sie auf seinem Computer veranstalten. Zudem hätte sie technische Möglichkeiten in Anspruch nehmen können, um die streitgegenständlichen Rechtsverletzungen zu verhindern. Sie hätte z. B. verschiedene sog. Benutzerkonten einrichten können, bei denen jeder Benutzer eine eigene „Login“- Kennung samt Passwort erhält. Für die verschiedenen Nutzerkonten können die individuellen Nutzungsbefugnisse festgelegt und etwa ein Herunterladen der Filesharing-Software verhindert werden. Des Weiteren wäre auch die Einrichtung einer sog. „firewall“ möglich und zumutbar gewesen, durch die die Nutzung einer Filesharing-Software verhindert werden kann.

Die Durchführung der vorbeschriebenen Maßnahmen ist zumutbar. Das gilt auch für den Fall, dass die Antragsgegnerin selbst nicht in der Lage sein sollte, Benutzerkonten mit solchen Nutzungsbeschränkungen einzurichten und sie sich dazu entgeltlicher fachkundiger Hilfe bedienen müsste. Den dadurch bedingten Geldaufwand erachtet die Kammer als durchaus noch verhältnismäßig.

4.

Die danach der Antragsgegnerin zurechenbare widerrechtliche Nutzung begründet die Vermutung einer Wiederholungsgefahr. Zur Ausräumung dieser Vermutung wäre neben einer Einstellung der Nutzung die Abgabe einer ernsthaften, unbefristeten, vorbehaltlosen und – dies insbesondere – hinreichend strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung erforderlich gewesen (vgl. Möhring/Nicolini/Lütje, UrhG, 2. Aufl., § 97 Rn. 120, 125; Schricker/Wild, Urheberrecht, 2. Aufl., § 97 Rn. 42; Schulze/Dreier, UrhG, 2. Aufl., § 97 Rn. 41, 42; v. Wolff in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 2. Aufl., § 97 Rn. 34, 35), wie sie erfolglos verlangt worden ist.

III.

Es hat auch ein Verfügungsgrund bestanden. Dieser folgt grundsätzlich bereits aus der Wiederholungsgefahr, zu deren Beseitigung durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung die Antragsgegnerin sich zunächst nicht veranlasst gesehen hat. Im Übrigen hat die Antragstellerin die Sache selbst geboten zügig behandelt. Von dem Namen und der Anschrift der Antragsgegnerin hat sie erst mit Zugang des Einstellungsbescheids vom 20. April 2007 Kenntnis erlangt. Daraufhin sind Abmahnungen gefolgt.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Der Gegenstandswert ist nach den §§ 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, 3 ZPO geschätzt worden.

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