LG Hamburg, Urteil vom 28.04.2009 - 307 O 361/08
Fundstelle
openJur 2009, 347
  • Rkr:
Tenor

I. Der Beklagte wird verurteilt,

1. bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, in Bezug auf den Kläger zu behaupten:

„Fragen Sie Herrn ....., ob er sich schon mal psychisch hat behandeln lassen!"

2. an den Kläger EUR 91,12 (in Worten: einundneunzig 12/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29. Dezember 2008 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 5/6 und der Beklagte 1/6.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 1.500,00.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten wegen der Kosten abzuwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist Rechtsanwalt in Hamburg und insbesondere im Bereich des Presse- und Medienrechts tätig. Der Beklagte ist Betreiber und Domaininhaber der Internetseite www.buskeismus.de (vgl. Anlagenkonvolut K 1). Unter dem Aktenzeichen 324 O zz/08 rührte der Kläger vor dem Landgericht Hamburg ein Verfahren für eine Mandantin in einer äußerungsrechtlichen Angelegenheit. Am Freitag, dem 20. Juni 2008, fand hierzu eine mündliche Verhandlung vor der Zivilkammer 24 des Landgerichts Hamburg statt. Hierüber berichtete der Beklagte im Internet unter namentlicher Nennung der Mandantin des Klägers. Mit anwaltlicher vorprozessualer Unterlassungsaufforderung wendete sich der Kläger für seine Mandantin gegen diese namentliche Nennung auf der Internetseite des Beklagten. Nachdem dieser keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hatte, erwirkte der Kläger für seine Mandantin vor der Zivilkammer 25 des Landgerichts Hamburg eine einstweilige Verfugung (vgl. Anl. K 2). Der Beklagte seinerseits wandte sich mit Schreiben vom 16. September 2008 an den Vorsitzenden Richter der Zivilkammer 25 (vgl. Anl. K 3). Auf den Inhalt dieses Schreibens gemäß Anlage K 3 wird hinsichtlich der näheren Einzelheiten Bezug genommen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 30. September 2008 (Anl. K 4) wurde der Beklagte daraufhin zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert. Daraufhin erging auf Antrag des Klägers eine einstweilige Verfügung (vgl. Anl. K 6). Im vorliegenden Rechtsstreit betreibt der Kläger nunmehr im Anschluss an dieses einstweilige Verfugungsverfahren die Hauptsachenklage gegen den Beklagten.

Der Kläger trägt vor:

Ihm stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V. mit §§ 185ff. StGB, 1004 BGB analog i.V. mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu. Der Kläger müsse es nicht hinnehmen, als „krank" bzw. „lügenhaft" bezeichnet zu werden. Es handele sich hierbei um eine auf Herabwürdigung des Klägers zielende Schmähkritik.

Darüber hinaus stehe dem Kläger ein Kostenerstattungsanspruch in Höhe von EUR 546,69 zu im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme rechtsanwaltlicher Hilfe für die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs.

Der Kläger stellt folgende Anträge:

1. Der Beklagte wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EURO, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, untersagt, in Bezug auf den Kläger zu behaupten:

a. „(...) welches von kranken und lügenden Anwälten (...) missbraucht wird."

b. „(...), dass Herr Anwalt .... meines Erachtens nach psychisch krank und ein Lügner ist. (...) Das weiß er noch besser als ich."

c. „Fragen Sie Herrn ...., ob er sich schon mal psychisch hat behandeln lassen!"

d. „Er wird lügen (...)."

e. „(...). welche von einem solchen kranken und lügenhaften Anwalt vertreten wird, eine Unterlassungserklärung abgeben? Ihr Anwalt wird diese Tatsachen dann krankhaft und lügnerisch weiter nutzen."

f. „(...), als die Handlungen solcher Kranker und Lügner (...)."

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 546,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 29. Dezember 2008 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte macht geltend:

Die Klage sei unzulässig, weil die beanstandeten Äußerungen des Beklagten in einem rechtsstaatlich geregelten Verfahren zwecks Durchsetzung der von dem Beklagten verfolgten Rechte vorgetragen worden seien. Entgegen der Ansicht des Klägers nehme der Beklagte mit den angegriffenen Äußerungen in seiner Stellung als Antragsgegner auch seine berechtigten Interessen wahr. Eine unzulässige Schmähkritik liege nicht vor.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat lediglich teilweise Erfolg.

Nach ständiger Rechtsprechung fehlt einer Ehrenschutzklage grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis. wenn es sich um Äußerungen handelt, die der Rechtsverfolgung in einem Gerichtsverfahren dienen. Denn die Parteien müssen in einem Gerichtsverfahren alles vortragen dürfen. was sie - aus ihrer Sicht - für erforderlich halten. Ausnahmsweise gilt dies nur dann nicht, wenn ein Bezug der Äußerungen zum Ausgangsrechtsstreit nicht erkennbar ist, diese auf der Hand falsch liegend sind oder sie sich als eine unzulässige Schmähkritik darstellen (vgl. BGH, NJW 2008, Seite 996, 997).

Auch bei den streitgegenständlichen Äußerungen des Beklagten im Schreiben vom 16. September 2008 (Anl. K 3) besteht ein gewisser inhaltlicher Zusammenhang zu einem gerichtlichen Verfahren. Dies ergibt sich bereits aus dem einleitenden Satz des Schreibens vom 16. September 2008, wo der Beklagte mitteilt, dass er nicht gewillt sei, eine Abschlusserklärung abzugeben. Mit der Abgabe dieser Abschlusserklärung hätte der Beklagte auf das Recht zur Fristsetzung gemäß § 926 ZPO verzichtet. Hierzu war der Beklagte ausweislich des Schreibens vom 16. September 2008 nicht bereit.

Soweit die streitgegenständlichen Behauptungen des Beklagten mit dem Vorwurf der „Lüge" zusammenhängen, lassen sie sich nach Auffassung der Kammer nicht als unzulässige Schmähkritik einordnen. Mit Rücksicht auf seinen den Schutz, der Meinungsfreiheit verdrängenden Effekt ist der Begriff der Schmähung eng auszulegen. Eine Äußerung nimmt erst dann den Charakter der Schmähung an, wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache. sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Selbst eine polemische oder verletzende Formulierung entzieht sich nicht dem Schutzbereich des Grundrechts aus Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt dies insbesondere auch für den Vorwurf der Lüge, wenn dieser - ungeachtet überzogener Formulierungen - mit Tatsachen unterlegt wird (vgl. BVerfG, NJW 2003, Seite 3760 f.).

Im Streitfall hat der Beklagte auf Seite 2 des Schreibens vom 16. September 2008 im dritten Absatz den von ihm aufgestellten Vorwurf der Lüge mit gewissen tatsächlichen Behauptungen unterlegt, aus denen der Beklagte seinen Vorwurf meint ableiten zu können. Es handelt sich daher insoweit um eine zwar sehr polemische Meinungsäußerung, indes noch nicht um eine Schmähkritik, die allein darauf abzielt, den Kläger herabzusetzen.

Völlig pauschal und unüberprütbar ist dagegen die Behauptung des Beklagten, der Kläger sei psychisch krank und habe sich psychisch behandeln lassen. Insoweit steht dem Kläger gegen den Beklagten in entsprechender Anwendung der §§ 1004, 823ff. BGB ein Unterlassungsanspruch zu. Zu berücksichtigen ist hierbei indes, dass die vom Kläger gestellten Anträge sich an der sogenannten konkreten Verletzungsform orientieren. Nur wenn zulässige und unzulässige Teile der gesamten Darstellung so miteinander verbunden sind, dass sie ohne Veränderung des Sinnzusammenhangs nicht voneinander getrennt werden können, wäre ein Gesamtverbot möglich (vgl. etwa Damm/Rehbock/Smid, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien, 3. Aufl. Rd. 817). Die von dem Kläger in den Klaganträgen a., b., d., e. und f. verquickten Vorwürfe der Lüge bzw. der psychischen Erkrankung lassen sich nach Auffassung der Kammer ohne Veränderung des Sinnzusammenhangs nicht voneinander trennen. Ein Verbot dieser konkreten Verletzungsformen ist daher nicht möglich. Der Unterlassungsanspruch des Klägers beschränkt sich daher allein auf den Antrag c, wo der Beklagte dem Kläger unzulässigere eise unterstellt hat, er habe sich psychisch behandeln lassen.

Hinsichtlich des Zahlungsanspruchs hat sich die Kammer daran orientiert, dass die Unterlassungsklage von den insgesamt sechs abgemahnten Behauptungen lediglich hinsichtlich einer Erfolg gehabt hat. Da auch nicht ersichtlich ist, dass sich die einzelnen Behauptungen von ihrem Gewicht her unterscheiden, war dem Kläger 1/6 der Abmahnkosten zuzusprechen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in den §§ 709 Satz 1, 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.