Hessischer VGH, Beschluss vom 22.06.2011 - 1 B 499/11
Fundstelle
openJur 2012, 34727
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss desVerwaltungsgerichts Kassel vom 21. Februar 2011 - 1 L 1173/10.KS -wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zutragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für dasBeschwerdeverfahren auf 15.728,26 € festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

Der Senat wendet die Grundsätze seiner Rechtsprechung zum sog. Bewerbungsverfahrensrecht, wie er sie für beamtenrechtliche Beförderungen entwickelt hat, in ständiger Rechtsprechung auf die Ernennung von Bewerbern um ein Richteramt mit höherem Endgrundgehalt als dem eines Eingangsamtes an (vgl. Beschluss des Senats vom 2. Juli 1996 - 1 TG 1445/96 - NVwZ 1997, 615 m. w. N.; zuletzt Beschluss vom 3. Februar 2011 - 1 B 1914/10 -). Die Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen verletzt den Antragsteller nicht in seinem durch Art. 33 Abs. 2 GG und Art. 134 HV gewährleisteten grundrechtsgleichen Recht auf chancengleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Maßgabe von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung (vgl. zum Inhalt des Bewerbungsverfahrensrechts ausführlich: Beschluss des Senats vom 26. Oktober 1993 - 1 TG 1585/93 - DVBl. 1994, 593 m. w. N.). Zur Begründung nimmt der Senat gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers, mit dem er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft, rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat, leidet die Auswahlentscheidung nicht an einem formellen Mangel. Dem handschriftlichen Antrag des Antragstellers vom 23. August 2010 auf Gewährung von Akteneinsicht hat der Antragsgegner mit Verfügung vom 24. August 2010 zunächst dadurch entsprochen, dass er eine Kopie der den Antragsteller und den Beigeladenen betreffenden Teile des Besetzungsvorgangs übersandt hat. Im Übrigen hat der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren mit Verfügung vom 14. Oktober 2010 nochmals umfassende Akteneinsicht erhalten; im Beschwerderechtszug sind die Beurteilungsakten und die Beurteilungsbeiträge der Senatsvorsitzenden zur Vervollständigung des Verwaltungsvorgangs und zum Zweck der Akteneinsicht durch den Antragsteller beigezogen worden. Der Antragsteller hatte nach erfolgter Akteneinsicht Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen.

Entgegen der Ansicht des Antragstellers sind die Gründe der in der Abzeichnung durch den Minister vom 5. August 2010 verkörperten Auswahlentscheidung ausreichend dokumentiert worden. Zur Begründung wird auf den Besetzungsvorschlag vom 21. Juli 2010 verwiesen, in welchem wiederum auf den Bericht des Präsidenten des Hessischen Finanzgerichts vom 20. Januar 2010 Bezug genommen wird. Der Vorschlag vom 21. Juli 2010 enthält bereits einen knappen Vergleich von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung der Bewerber; der Besetzungsbericht besteht in einer vertieften Auseinandersetzung mit ihrem Leistungs- und Persönlichkeitsbild. Die Bezugnahme genügt dem Erfordernis einer schriftlichen Begründung der Auswahlentscheidung; dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschlüsse vom 4. September 2007 - 1 TG 1208/07 - und vom 2. September 2008 - 1 B 1382/08 - ).

Auch inhaltlich ist die Entscheidung des Antragsgegners zugunsten des Beigeladenen rechtsfehlerfrei; denn dieser verfügt in Anbetracht des um eine Notenstufe besseren Gesamturteils der aktuellen dienstlichen Beurteilung über einen Leistungsvorsprung gegenüber dem Antragsteller, den dieser nicht auszugleichen vermag.

Die Rüge des Antragstellers, die Auswahlbegründung beziehe sich wegen des späteren Ausscheidens eines Bewerbers auf ein fehlerhaft zusammengesetztes Bewerberfeld, trifft bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht zu und ist daher für den Senat nicht nachvollziehbar. Auf Seite 6 des Besetzungsberichts vom 20. Januar 2010 heißt es zu Ziffer II ausdrücklich, für den Fall der Übertragung einer Vorsitzendenstelle auf einen namentlich genannten Bewerber werde eine „weitere Auswahl unter den übrigen Bewerbern“ (Bl. 6 des Verwaltungsvorgangs) getroffen. So ist der Antragsgegner auch verfahren.

Die Auswahlentscheidung als solche beruht im Wesentlichen auf einer Auswertung der aktuellen dienstlichen Beurteilungen über den Antragsteller vom 14. Januar 2010 und den Beigeladenen vom 18. Januar 2010. Dabei ist es unerheblich, dass dem Antragsteller eine sog. Bestätigungsbeurteilung unter Bezugnahme auf die vorhergehende, dem Auswahlvorgang in Kopie beigefügte dienstliche Beurteilung vom 5. Februar 2009 erteilt worden ist. Dieses Verfahren ist in Nr. 3.2 Satz 1 der Beurteilungsrichtlinien vom 1. Dezember 2004 (JMBl. 2005, 50) ausdrücklich vorgesehen und gerichtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere bestand für den Antragsgegner keine Veranlassung, sämtliche Bewerber erneut dienstlich zu beurteilen; denn der jeweils zu Grunde liegende Beurteilungszeitraum lag im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung nicht länger als ein Jahr zurück (vgl. zu diesem Erfordernis Beschlüsse des Senats vom 19. September 2000 - 1 TG 2902/00 - ZBR 2001, 413 sowie vom 1. Februar 2001 - 1 TZ 2569/00 - HessVGRspr. 2002, 52). Die Einbeziehung bzw. Vorlage von Beurteilungsbeiträgen der jeweiligen Senatsvorsitzenden war rechtlich geboten und hat dementsprechend auch stattgefunden. Der Umstand, dass entsprechende Akteneinsicht erst im Beschwerdeverfahren gewährt worden ist, hat als solcher keinen Einfluss auf die Entscheidung.

Schließlich war der Antragsgegner nicht gehindert, seinen Auswahlerwägungen die dienstliche Beurteilung über den Beigeladenen vom 18. Januar 2010 zu Grunde zu legen. Zwar trifft es zu, dass das dem Beigeladenen erteilte Gesamturteil gegenüber der vorhergehenden Beurteilung vom 22. Januar 2009 um eine Stufe angehoben worden ist. Der Antragsgegner hat jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass zu jeder der drei fachlichen und persönlichen Merkmalsgruppen „Grundanforderungen“, Fachkompetenz“ und „Sozialkompetenz“ Feststellungen getroffen worden sind, die eine Steigerung erkennen lassen und die Vergabe der Gesamtnote „herausragend“ inhaltlich tragen, und dass der Beigeladene in Folge der personellen Situation in seinem Senat besonderen Belastungen ausgesetzt war, die er erfolgreich bewältigt hat. Das Verwaltungsgericht hat unter Einhaltung der Grenzen der richterlichen Überprüfbarkeit dienstlicher Beurteilungen festgestellt, dass die Leistungsbewertung für den Beigeladenen nachvollziehbar und frei von Ermessenfehlern ist. Der Senat macht sich dies zu eigen und sieht deshalb von einer ins Einzelne gehenden Begründung ab.

Der bestehende deutliche Leistungsvorsprung des Beigeladenen gegenüber dem Antragsteller trägt die angefochtene Auswahlentscheidung. Die Voraussetzungen eines Ausnahmefalles, in welchem eine günstigere Eignungsprognose am Maßstab des Anforderungsprofils des ausgeschriebenen Richteramts einen Leistungsvorsprung auszugleichen vermag (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 16. Juni 1998 - 1 TZ 45/98 - HessVGRspr. 1999, 33) sind vom Antragsteller nicht dargelegt worden und auch für den Senat nicht erkennbar.

Da die Beschwerde erfolglos bleibt, hat der Antragsteller gemäß § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Zu einer Billigkeitsentscheidung hinsichtlich außergerichtlicher Kosten des Beigeladenen (§ 162 Abs. 3 VwGO) besteht kein Anlass, da dieser keine Anträge gestellt und somit kein Kostenrisiko übernommen hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2, 53 Abs. 3 GKG. Der Senat bemisst den Streitwert ebenso wie das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).