VG Arnsberg, Urteil vom 30.01.2009 - 12 K 1088/08
Fundstelle
openJur 2009, 209
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger zu folgenden Fragen Auskunft zu geben:

1. Wie viele Aktien der RWE AG hält die Beklagte derzeit? Entweder in eigener Hand oder über Tochtergesellschaften?

2. Wie viele Aktien der RWE AG hat die Beklagte seit dem 1. Januar 2006 verkauft? Zu welchem genauen Zeitpunkt wurden die Aktien verkauft? Entweder aus eigener Hand oder aus Hand einer Tochtergesellschaft?

3. Plant die Beklagte Aktien der RWE AG zu verkaufen? Entweder aus eigener Hand oder aus Hand einer Tochtergesellschaft? Gibt es seit Januar 2006 entsprechende Kreistagsbeschlüsse?

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Tatbestand

Der Kläger ist freier Journalist und verfasst u. a. Artikel zu Energiethemen. Die Beklagte ist eine Gesellschaft, deren alleiniger Gesellschafter der Kreis T.-X. ist, und deren Gegenstand nach § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der Erwerb, der Betrieb und/oder die Verwaltung von Vermögensgegenständen, Einrichtungen sowie Unternehmen ist. Dazu gehören nach Satz 2 insbesondere der Versorgungs- und Verkehrsbereich sowie der Umweltschutz-, Technologie- und Dienstleistungsbereich. Die Beklagte war ausweislich des Beteiligungsberichtes des Kreises T.-X. im Jahr 2006 u. a. mit 0,807% in einer Höhe von 11.619.750 EUR an der RWE Aktiengesellschaft (RWE AG) beteiligt.

Der Kläger versuchte zunächst, vom Landrat des Kreises T.-X. Auskünfte über dessen Beteiligung an der RWE AG zu erhalten. Der Landrat teilte mit E-Mail vom 11. Dezember 2007 mit, dass er sich erlaube, die Anfrage des Klägers zuständigkeitshalber dem Geschäftsführer der Beklagten, Herrn E., zuzuleiten, da der Kreis nach geltender Rechtslage in dieser Sache keine weitergehenden Auskünfte geben könne. Nach weiterem E-Mail-Verkehr erhob der Kläger am 12. Januar 2008 die Klage 12 K 136/08 gegen den Landrat des Kreises T.-X. auf Erteilung von Auskünften.

Mit E-Mail vom 14. Februar 2008 wandte sich der Kläger an den Geschäftsführer der Beklagten und bat die Beklagte um Auskünfte u. a. zum aktuellen Bestand der gehaltenen RWE-Aktien und zu seit 2006 erfolgten Verkäufen und zu etwaigen Verkaufsabsichten.

Nachdem der Kläger hierauf keine Antwort erhalten hatte, hat er am 19. März 2008 die auf Auskunft nach dem Pressegesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (PresseG NRW) gerichtete Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, den die Kammer mit Beschluss vom 8. April 2008 - 12 L 227/08 - abgelehnt hat.

Zur Begründung seiner Klage macht der Kläger im wesentlichen geltend: Im Zuge einer umfassenden Recherche habe er seit mehreren Wochen versucht, die angefragten Auskünfte zu erhalten. Dazu habe er mehrfach den Geschäftsführer der Beklagten sowie die Pressestelle des Kreises T.-X. angeschrieben. Die Antwort sei wiederholt verweigert worden; auf seine Anfrage vom 12. Februar 2008 habe er nicht ein Mal mehr eine Antwort erhalten. Die Beklagte sei auskunftspflichtig. Bei ihr handele es sich um eine öffentlich-rechtliche Einrichtung, die von ihrer Aufgabe her zum Kreis der Behörden gerechnet werden müsse. Sie sei als kreiseigene Tochter eindeutig dem Kreis zuzuordnen und als Beteiligungsgesellschaft, die Anteile am Versorger RWE halte, sei sie ein Unternehmen, das der öffentlichen Daseinsvorsorge diene. Aus diesem Grund sei ein Auskunftsanspruch gegen die Beklagte als Behörde nach dem PresseG NRW gegeben, auch wenn sie sich selbst in Form einer privaten Gesellschaft formiere. Deshalb sei auch die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts gegeben und nicht, wie man aufgrund der privaten Gesellschaftsform annehmen könne, die des Amtsgerichts B. Die Beklagte und ihr Geschäftsführer gäben nicht ein Mal einen Grund für ein Auskunftsverweigerungsrecht an.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, ihm folgende Auskünfte zu geben:

1. Wie viele Aktien der RWE AG hält die Beklagte derzeit? Entweder in eigener Hand oder über Tochtergesellschaften?

2. Wie viele Aktien der RWE AG hat die Beklagte seit dem 1. Januar 2006 verkauft? Zu welchem genauen Zeitpunkt wurden die Aktien verkauft? Entweder aus eigener Hand oder aus Hand einer Tochtergesellschaft?

3. Plant die Beklagte Aktien der RWE AG zu verkaufen? Entweder aus eigener Hand oder aus Hand einer Tochtergesellschaft? Gibt es seit Januar 2006 entsprechende Kreistagsbeschlüsse?

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung macht sie im einstweiligen Rechtsschutzverfahren und im Klageverfahren geltend: Es liege bereits keine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor, so dass der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet sei. Wie sich

aus dem Gesellschaftsvertrag ergebe, handele sie rein privatrechtlich und sei nicht mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet. Ein öffentlich-rechtlicher Auskunftsanspruch scheide daher aus.

Die vom Kläger begehrte Auskunft könne nicht erteilt werden. Die Gesellschafter seien hinsichtlich der gewünschten Auskünfte zur Verschwiegenheit verpflichtet. Dies betreffe die Zahl der gehaltenen Aktien und die Planung für die Zukunft, die Bestandteil der jeweiligen Unternehmensstrategie seien. Die Beklagte sei eine private GmbH und dürfe nur im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Vorschriften Auskünfte erteilen. Der Geschäftsführer sei gemäß § 85 GmbH-Gesetz zur Verschwiegenheit verpflichtet und benötige zur Aussage einen Beschluss der Gesellschafterversammlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der Verfahrensakte 12 K 136/08 einschließlich der Beiakte Heft 1 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat Erfolg.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist insbesondere der Verwaltungsrechtsweg für die vorliegende Klage auf Erteilung einer presserechtlichen Auskunft eröffnet. Es handelt sich um eine der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte unterliegende öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne des § 40 Abs.1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), obwohl die Beklagte eine juristische Person des Privatrechts ist. Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird. Dabei kommt es regelmäßig darauf an, ob die Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen und sich der Träger der öffentlichen Gewalt der besonderen Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit kann aber auch auf einem Gleichordnungsverhältnis beruhen. Gleichordnungsverhältnisse sind öffentlich-rechtlich, wenn die das Rechtsverhältnis beherrschenden Rechtsnormen nicht für jedermann gelten, sondern Sonderrecht des Staates oder sonstiger Träger öffentlicher Aufgaben sind, das sich zumindest auf einer Seite nur an Hoheitsträger wendet.

Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 2. Mai 2007 - 6 B 10.07 -, Entscheidungen des BVerwG (BVerwGE) 129, 9 (11) und Beschluss vom 30. Mai 2006 - 3 B 78/05-, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2006,2568 jeweils mit weiteren Nachweisen.

Dies ist hier der Fall. Der Kläger stützt sein Auskunftsbegehren auf § 4 PresseG NRW. Gemäß § 4 Abs.1 PresseG NRW sind die Behörden verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben dienenden Auskünfte zu erteilen. Diese Auskunftspflicht besteht nur für Behörden, d.h. es handelt sich um ein Sonderrecht des Staates oder sonstiger Träger öffentlicher Aufgaben. § 4 Abs.1 PresseG NRW konkretisiert - wie noch auszuführen sein wird - die in Art.5 Abs.1 Satz 2 GG gewährleistete Pressefreiheit. Das Grundrecht der Pressefreiheit ist ausschließlich staatsgerichtet und Art.5 Abs.1 Satz 2 GG gewährt der Presse nur Ansprüche gegen über dem Staat.

Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 20. Juli 1988 - 1 BvR 155/85 u.a.-, NJW 1989, 382.

Ist die streitentscheidende Norm des § 4 Abs.1 PresseG NRW somit Sonderrecht des Staates, so ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.

Vgl. VG Saarland, Urteil vom 19. Juli 1996 - 1 K 86/95-, Leitsatz abrufbar in Juris und Helmut Köhler „Auskunftsanspruch der Presse gegenüber Unternehmen der öffentlichen Hand" in: NJW 2005, 2337 (2341); a.A. VG Hannover, Beschluss vom 5. Juni 2003 - 6 A 4856/02, abrufbar in Juris.

Die Frage, ob die Beklagte Behörde im Sinne des § 4 Abs.1 PresseG NRW und als solche auskunftspflichtig ist, ist insoweit eine Frage der Begründetheit des Anspruches und für die Rechtswegzuweisung unerheblich.

Ist somit der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, so ist die Klage als allgemeine Leistungsklage statthaft. Mit seinem Auskunftsbegehren erstrebt der Kläger ein schlicht-hoheitliches Handeln und nicht etwa den - mit einer Verpflichtungsklage zu erstreitenden - Erlass eines Verwaltungsaktes. Die behördliche Weitergabe von Informationen an die Presse, sei es durch die Beantwortung konkreter Fragen oder durch die Aushändigung von Unterlagen, geschieht in der Regel weder in Form noch auf der Grundlage des Verwaltungsaktes.

Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) Urteil vom 23. Mai 1995 - 5 A 2875/92 -, NJW 1995, 2741, auch abrufbar in Juris.

Die Klage ist auch begründet. Gemäß § 4 Abs.1 PresseG NRW sind die Behörden verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben dienenden Auskünfte zu erteilen. Der Informationsanspruch soll der Presse die Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Rahmen der demokratischen Meinungs- und Willensbildung dadurch ermöglichen, dass sie umfassend und wahrheitsgetreu Informationen über Geschehnisse von öffentlichem Interesse erhält und dadurch in die Lage versetzt wird, die Öffentlichkeit entsprechend zu unterrichten.

vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 10. Februar 2005, III ZR 294/7, NJW 2005, 1720, auch abrufbar in Juris.

Zu der in Art.5 Abs.1 Satz 2 GG verbürgten Pressefreiheit gehört auch die Beschaffung von Informationen. Erst der ungehinderte Zugang zur Information versetzt die Presse in den Stand, die ihr in der freiheitlichen Demokratie eröffnete Rolle wirksam wahrzunehmen. Die Gerichte müssen bei der Auslegung einfachrechtlicher Normen und ihrer konkreten Anwendung im Einzelfall diese grundgesetzliche Wertentscheidung berücksichtigen.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. August 2000 - 1 BvR 1307/91 -, NJW 2001, 503.

Aus der Gewährleistung der Pressefreiheit folgt die Pflicht des Staates, diese Aufgabe der Presse zu respektieren. Hierzu gehört auch die Pflicht zur Erteilung von Auskünften. Einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung entspricht ein Verhalten der Behörden, das in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse von Offenheit geprägt ist. Es erfordert die Bereitschaft, dem Bürger diese Angelegenheiten dadurch durchsichtig zu machen, dass der Presse durch eine großzügige Informationspolitik eine genaue und gründliche Berichterstattung ermöglicht wird. Eine Behörde, die der Presse eine Auskunft verweigert, obwohl der Erteilung ein durchgreifender Grund nicht entgegensteht, wird der ihr vom Grundgesetz auferlegten Pflicht nicht gerecht.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1984 - 7 C 139.81 -, BVerwGE 70. 310 (314).

Bei Anwendung dieser Maßstäbe hat der Kläger als Vertreter der Presse einen Auskunftsanspruch. Die Beklagte ist eine Behörde im Sinne des § 4 Abs.1 PresseG NRW. Insoweit ist den Landespressegesetzen ein eigenständiger Behördenbegriff zu eigen, der auch juristische Personen des Privatrechts erfasst, deren sich die öffentliche Hand zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben bedient, wobei es ausreicht, dass die GmbH von der öffentlichen Hand beherrscht wird.

Vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2005, a.a.O..

Die Berichterstattung der Presse über Vorgänge im staatlichen Bereich beschränkt sich nicht lediglich auf die staatliche Eingriffsverwaltung, die typische Form staatlichen Handelns. Vielmehr nimmt die Verwaltung eine Fülle sonstiger Aufgaben gerade im Bereich der Leistungsverwaltung wahr. Überall dort, wo zur Wahrnehmung staatlicher Aufgaben öffentliche Mittel eingesetzt werden, von deren konkreter Verwendung Kenntnis zu erlangen ein berechtigtes öffentliches Interesse besteht, wird auch ein Informationsbedürfnis der Presse und der Bevölkerung begründet. Auf dieses Bedürfnis hat es keinen Einfluss, ob sich die Exekutive zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben im Einzelfall einer privatrechtlichen Organisationsform bedient.

Vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2005, a.a.O..

Der funktional-teleologische Behördenbegriff des Presserechts erfasst somit auch juristische Personen des Privatrechts, deren sich die öffentliche Hand zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben bedient und die von dieser beherrscht werden.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Oktober 2008 - 5 B 1183/08 -, abrufbar in Juris und OVG Saarland, Urteil vom 1. April 1998 - 8 R 27/96 -, abrufbar in Juris.

Der Kreis T. -X. betätigt sich durch die Beklagte, deren Alleingesellschafter er ist, wirtschaftlich. Dies darf er nach den §§ 107 Abs.1 Nr.1 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) i. V. m. § 53 Abs.1 der Kreisordnung für das Land Nordhrein-Westfalen (KrO NRW) nur zur Erfüllung eines öffentlichen Zwecks, so dass schon insoweit eine - allerdings widerlegbare - Vermutung für die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben spricht. Er übt diese aber auch tatsächlich, nämlich im Bereich der Daseinsvorsorge aus. Die Daseinsvorsorge ist Gegenstand der Leistungsverwaltung zur Schaffung und Unterhaltung öffentlicher Einrichtungen und stellt einen Schwerpunkt der kommunalen Tätigkeit zum Wohle der Gemeindebewohner dar, wobei die Gemeinde das Recht hat, im örtlichen Bereich Aufgaben der Daseinsvorsorge eigenverantwortlich aufzunehmen und niederzulegen. Unter dem Begriff der Daseinsvorsorge sind alle zur Befriedigung der Grundbedürfnisse der Bürger erforderlichen Leistungen der Verwaltung zu fassen.

Vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2005, a.a.O..

Gegenstand der Beklagten ist ausweislich des § 2 des Gesellschaftsvertrages im Rahmen der hierfür bestehenden kommunalrechtlichen Vorschriften der Erwerb, der Betrieb und/oder die Verwaltung von Vermögensgegenständen, Einrichtungen sowie Unternehmen. Hierzu gehören insbesondere der Versorgungs- und Verkehrsbereich, sowie Umweltschutz-, Technologie- und Dienstleistungsbereiche. Damit ist die Beklagte ein Unternehmen der Daseinsvorsorge, denn insbesondere der Erwerb, der Betrieb und/oder die Verwaltung von Einrichtungen und Unternehmen des Versorgungs- und Verkehrsbereichs dienen der Befriedigung der Grundbedürfnisse der Bürger. Auch dieser Teil der öffentlichen Verwaltung muss wegen des bestehenden erheblichen Informationsbedürfnisses der Presse und der Allgemeinheit für einen presserechtlichen Auskunftsanspruch erreichbar sein.

Es handelt sich bei den vom Kläger als Vertreter der Presse begehrten Auskünften auch um solche Informationen, die der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Presse dienen.

Der Kläger hat dargelegt, dass die nachgefragten Informationen u. U. entscheidend sein könnten, wenn es um den kommunalen Einfluss auf den Energieerzeuger RWE AG geht. Derzeit halten nach Angaben des Klägers die kommunalen Anteilseigner evtl. noch eine Sperrminorität an der RWE AG. Sollte die Beklagte für den Kreis T. -X. aber mehr als 1 Mio. Aktien verkauft haben oder verkaufen wollen, so könnte diese Sperrminorität weggefallen sein. In diesem Fall wäre der Konzern nicht mehr durch die Allgemeinheit vor feindlichen Übernahmen aus dem Ausland geschützt. Insoweit hat der Kläger dargelegt, dass die Erteilung der begehrten Auskünfte der Erfüllung der öffentlichen Aufgaben der Presse dient.

Dass es sich bei den Fragen nach den Beteiligungen des Beklagten an der RWE AG auch um ein für die Öffentlichkeit wichtiges Thema handelt, ergibt sich im Übrigen zum Einen aus der (gerichtsbekannten) umfangreichen Berichterstattung über die Veräußerung der RWE-Aktien durch nordrhein-westfälische Kommunen in der jüngsten Vergangenheit und zum Anderen unmittelbar aus der auch für die Kreise nach § 53 Abs.1 KrO NRW anwendbaren Vorschrift des § 112 Abs.3 GO NRW. Denn weil die Öffentlichkeit ein besonderes Interesse an der Offenlegung und Transparenz der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen hat, müssen diese einen Beteiligungsbericht erstellen, den jedermann einsehen kann. Im Übrigen besteht überall dort, wo zur Wahrnehmung staatlicher Aufgaben öffentliche Mittel eingesetzt werden, ein berechtigtes öffentliches Interesse daran von der konkreten Verwendung öffentlicher Mittel Kenntnis zu erlangen.

Vgl. BGH, a.a.O., Juris Rdnr. 13.

Die öffentliche Hand kann sich insoweit ihrer presserechtlichen Auskunftspflicht nicht daurch entziehen, dass sie von ihren privatrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch macht.

Vgl. Köhler, a.a.O., S. 2338 mit weiteren Nachweisen in der Fussnote 9.

Es gibt auch keine Gründe im Sinne von § 4 Abs.2 PresseG NRW die Auskunft zu verweigern. Danach besteht ein Anspruch auf Auskunft nicht, soweit Vorschriften über die Geheimhaltung entgegenstehen. Diese Vorschrift ist unter Abwägung der betroffenen Rechtsgüter auszulegen, denn nicht jede Geheimhaltungsvorschrift führt zugleich zu einem Auskunftsverweigerungsrecht. Der Auskunftsanspruch ist - wie ausgeführt - Ausfluss der verfassungsrechtlich in Art.5 Abs.1 Satz 2 GG verankerten Freiheit der Presse. Die Gerichte müssen ihrerseits bei der Auslegung einfachrechtlicher Normen - wie hier des § 4 Abs.2 PresseG NRW - diese grundsätzliche Wertentscheidung berücksichtigen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Februar 2004 - 5 A 640/02 -, abrufbar in Juris.

Danach ist die Beklagte zur Beantwortung der Fragen verpflichtet. Die Beklagte verweist insoweit auf die Verschwiegenheitspflicht ihres Geschäftsführers aus § 85 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG). Nach § 85 Abs.1 GmbHG wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer ein Geheimnis der Gesellschaft, namentlich ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis, das ihm in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer, Mitglied des Aufsichtsrates oder Liquidator bekannt geworden ist, unbefugt offenbart. Die Presse kann somit grundsätzlich nicht - auch nicht über den Umweg über ein Auskunftsersuchen an die Trägerkörperschaft in deren Eigenschaft als Allein- oder Mehrheitsgesellschafter - Informationen begehren, die Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse einer von der öffentlichen Hand beherrschten GmbH oder AG darstellen.

Ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis ist durch die Fragen aber nicht berührt. Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinne; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen. Zu derartigen Geheimnissen werden etwa Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanmeldungen und sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte gezählt, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebs maßgeblich bestimmt werden können.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03 u.a., Entscheidungen des BVerfG (BVerfGE) 115, 205.

Ein derartiges berechtigtes wirtschaftliches Interesse an der Geheimhaltung besteht u. a. dann, wenn die Tatsache für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens von Bedeutung ist, ihr Bekanntwerden also fremden Wettbewerb fördern oder eigenen Wettbewerb schwächen und damit dem Unternehmen einen materiellen oder immateriellen Schaden zufügen kann.

vgl. Köhler a.a.O. mit weiteren Nachweisen.

Dies ist auch für Unternehmen der öffentlichen Hand, die im Wettbewerb mit privaten Unternehmen stehen, von Bedeutung.

Die Nichtbekanntgabe der vom Kläger mit den Fragen begehrten Daten dient ersichtlich nicht der Wahrung eines Betriebsgeheimnisses. Die Zahl der von der Beklagten selbst oder in Tochtergesellschaften gehaltenen Aktien ist ebenso wie die Zahl der vormals verkauften Aktien und die Frage nach etwaigen Verkaufsabsichten auch kein Geschäftsgeheimnis. Dies zeigt bereits die Tatsache, dass nach den unbestrittenen Angaben des Klägers, der dies durch Vorlage einzelner Auskünfte auch nachgewiesen hat, eine Vielzahl von Kommunen die Anfrage des Klägers beantwortet hat. Insoweit ist auch von der Beklagten nicht konkret dargelegt worden, dass durch die Auskunft ein solches Geheimnis verletzt würde. Es ist auch nicht ersichtlich, geschweige denn dargelegt, welches berechtigte wirtschaftliche Interesse der Beklagten der Bekanntgabe dieser Daten entgegen stehen soll. Soweit nach dem vorhandenen Aktienbestand und den Verkäufen seit 2006 gefragt wird, dürfte sich bereits aus den Beteiligungsberichten, zu dessen Erstellung der Kreis T. - X. rechtlich verpflichtet ist, ergeben, dass Aktien verkauft worden sind. Insbesondere ermöglicht auch ein Vergleich der in den Beteiligungsberichten jeweils veröffentlichten prozentualen Beteiligung an der RWE auch einen Rückschluss auf den Umfang der Verkäufe. Warum die konkreten Zahlen der Aktienbestände bzw. -verkäufe im Unterschied zu den veröffentlichen prozentualen Beteiligungen ein Geschäftsgeheimnis darstellen sollte, ist insoweit nicht nachvollziehbar. Dies gilt auch im Hinblick auf die Frage nach den geplanten Verkäufen. Insoweit wird nur Auskunft zu der Frage erbeten, ob ein Verkauf von Aktien beabsichtigt ist und ob es einen entsprechenden Kreistagsbeschluss gibt. Diese Fragen können schlicht mit „Ja" oder „Nein" beantwortet werden. Da weder nach dem konkreten Zeitpunkt oder den Bedingungen für einen etwaigen Verkauf noch nach der Zahl etwaig zu veräußernder Aktien gefragt wird, ist auch nicht ersichtlich, dass die Beantwortung der Frage eine gegebenenfalls als Geschäftsgeheimnis geschützte Marktstrategie der BBG offenbaren würde.

Entgegen der nicht weiter begründeten Auffassung der Beklagten entfällt hinsichtlich der Frage zu 2) auch nicht nach § 4 Abs.2 Nr.1 PresseG NRW die Auskunftspflicht. Danach besteht ein Anspruch auf Auskunft nicht, soweit durch sie die sachgemäße Durchführung eines schwebenden Verfahrens vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet werden könnte. Es ist bereits zweifelhaft, ob es sich bei etwaigen Veräußerungsplänen um ein schwebendes Verfahren in diesem Sinne handelt. Der Begriff des Verfahrens ist nicht auf förmliche Verfahren beschränkt und umfasst alle geregelten Vorgänge in der Legislative, Exekutive und Judikative.

Vgl. zum weiten Begriff des Presserechts: OVG NRW, Beschluss vom 21. August 2008 - 8 B 913/08 -, Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (NWVBl.) 2009, 760 mit weiteren Nachweisen.

Insoweit ist bisher nicht dargelegt und auch nicht ersichtlich, dass etwaige Verkaufsüberlegungen des Kreises, seiner Organe oder der Beklagten bereits einen solchen geregelten Vorgang darstellen. Unabhängig davon ist von der darlegungspflichtigen Beklagten auch nicht ansatzweise dargelegt worden, dass bei Beantwortung der Frage insoweit eine sachgemäße Durchführung nicht mehr möglich sei.

Wird mit der Beantwortung der gestellten Fragen somit kein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart, so kann es dahinstehen, ob die Fragen selbst bei Offenbarung eines Geheimnisses nicht gleichwohl zu beantworten wären, weil dem Interesse an der grundgesetzlich geschützten Freiheit der Presse der Vorrang vor dem Interesse am Schutz eines Geschäftsgeheimnisses vor Offenbarung einzuräumen ist. Insoweit dürfte aber viel dafür sprechen, dass ein Vorrang jedenfalls dann in der Regel anzunehmen ist, wenn es sich - wie hier bei der Beklagten - um ein Unternehmen in Privatrechtsform handelt, dessen sich die öffentliche Hand zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben bedient und das von dieser beherrscht wird. Denn ein bei der Erfüllung einer öffentlichen Aufgaben unter richtungsweisendem Einfluss der öffentlichen Hand stehendes Unternehmen ist nicht in jeder Hinsicht mit einem Unternehmen in privater Hand zu vergleichen. Deswegen ist es gerechtfertigt, ein solches Unternehmen Auskunftspflichten zu unterwerfen, denen ein etwaig privat beherrschter Mitbewerber nicht unterliegt.

Vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2005, a.a.O., Juris Rdnr. 18.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1 VwGO.

Die Voraussetzungen des § 124a Abs.1 VwGO liegen nicht vor.