FG Kassel, Urteil vom 23.03.2011 - 4 K 419/10
Fundstelle
openJur 2012, 34406
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Aufforderung des Finanzamtes an die Klägerin, Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) vorzulegen, rechtmäßig war.

Die Klägerin wurde durch Vertrag vom 02.01.2008 gegründet. Mit Vertrag vom 12.02.2008 erwarb die X- AG sämtliche Anteile an der Klägerin und mit Vertrag vom 20.03.2008 verkaufte sie diese Anteile weiter an die X-S.A. Sämtliche Anteile der X-S.A. und X-AG wurden von der X-Holding in Luxemburg gehalten.

Die X-S.A. hielt ihre Anteile an der Klägerin treuhänderisch für den X-Fonds. Bei dem X-Fonds handelt es sich um einen Fonds „commun de placement“ nach luxemburgischen Recht, der ein ungeteiltes Vermögen hält, welches für Rechnung der Gemeinschaft seiner Eigentümer, den Fondsinvestoren, von einer Verwaltungsgesellschaft, im vorliegenden Falle von der X-S.A., verwaltet wird. Es handele sich um einen Investmentfond des Vertragstyps (im Gegensatz zu einem Investmentfonds des Kapitalgesellschaftstyps). Der X-Fonds besitzt keine Rechtspersönlichkeit, die Anlagegegenstände des Fonds stehen im Eigentum der Verwaltungsgesellschaft, die das Vermögen treuhänderisch für die Anleger verwaltet. Die Geschäftspolitik der X-S.A. kann nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Anteilsinhaber des X-Fonds geändert werden.

Nach dem Fonds-Prospekt („Memorandum“) des X-Fonds vom März 2008 und den „Management Regulations“ des X-Fonds vom 17.03.2008 sind die Fondsinvestoren nur passive Kapitalanleger, die auf die Anlageentscheidung und die sonstigen geschäftlichen Entscheidungen des Fonds keinen Einfluss nehmen. Sämtliche Anlage- und sonstige den X-Fonds betreffenden geschäftlichen Entscheidungen werden von der X-S.A. getroffen. Die X-S.A. bedurfte für die von ihr ausgeübte Tätigkeit in Luxemburg einer aufsichtsrechtlichen Genehmigung durch die luxemburgische Aufsichtsbehörde CSSF, die auch die aufsichtsrechtlichen Vorgaben überwacht und die bei Pflichtverletzungen die X-S.A. als Verwaltungsgesellschaft auch auswechseln kann.

Im streitrelevanten Zeitraum wurde die Klägerin von drei Geschäftsführern vertreten. Herr A wurde am 12.03.2008, Herr B am 20.03.2008 und Herr C am 15.04.2008 zum Geschäftsführer bestellt. Herr C war in der Zeit vom 01.04.2008 bis 15.07.2009 auch Angestellter bei der X-AG und dort im Bereich des Risk Management tätig, darüber hinaus war er auch Mitglied des Board of Directors der X-AG und der X-S.A..

Nach dem Erwerb der Anteile an der Klägerin durch die X-S.A. hat die Klägerin ihre Geschäftstätigkeit, die Verwaltung eigener Vermögenswerte, insbesondere den Handel mit Finanzinstrumenten auf eigene Rechnung, aufgenommen und in der Zeit vom 17.04.2008 bis 30.07.2008 Aktien von deutschen Aktiengesellschaften (überwiegend DAX-Unternehmen) an- und verkauft. Nach den Feststellungen des Finanzamtes wurden die Aktien einen Bankarbeitstag vor dem Dividendenzahlungszeitpunkt gekauft und am Tag der Dividendenzahlung wieder verkauft. Darüber hinaus tätigte die Klägerin Kurssicherungsgeschäfte mit Futures.

Die Klägerin hatte am 11.04.2008, vertreten durch die Geschäftsführer B und A, mit der X-AG ein sogenanntes „Service Agreement“ abgeschlossen. Auf der Grundlage dieser Vereinbarung begleitete die X-AG umfassend die Vertragsverhandlungen bzw. die Identifikation von Vertragspartnern im Rahmen der von der Klägerin vorgenommenen Finanztransaktionen. Insbesondere hat die X-AG nach dem Vortrag der Klägerin folgende Dienstleistungen erbracht:

- Identifikationen von Anbietern von Prime Brokerage Dienstleistungen,

- Identifikationen von Handelsplattformen,

- Identifikationen von Brokern und

- Vorbereitung eines Projektplanes.

Neben dem Service Agreement war eine Gebührenvereinbarung abgeschlossen worden. Danach ist die X-AG berechtigt, für die von ihr erbrachten Leistungen Gebühren zu vereinnahmen. Diese Gebühren berechnen sich auf der Basis der von der Klägerin erzielten Erträge aus der Ausnutzung der Geschäftsmöglichkeiten. Die X-AG stellte der Klägerin mit Rechnung vom 30.06.2008 Gebühren in Höhe von 4.653.275,75 Euro und mit Rechnung vom 30.09.2008 Gebühren in Höhe von 22.800,-- Euro in Rechnung.

Im Rahmen einer das Jahr 2008 betreffenden Außenprüfung bei der Klägerin beabsichtigt der Prüfer die Rechtsbeziehung zwischen der Klägerin und der X-AG daraufhin zu überprüfen, ob die an sie geleisteten Zahlungen als verdeckte Gewinnausschüttungen zu qualifizieren bzw. ob die Einkünfte der Klägerin nach § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (AStG) zu korrigieren sind. Der Prüfer vertrat die Ansicht im Rahmen der Geschäftsbeziehungen zwischen der Klägerin und der X-AG seien Bedingungen zugrunde gelegt worden, die nicht dem entsprächen, was zwischen fremden Dritten vereinbart worden wäre. Da es sich bei der X-AG um eine der Klägerin nahestehende Person im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3 1. Alternative AStG handle, sei eine sogenannte Verrechnungspreisdokumentation nach § 90 Abs. 3 AO vorzulegen. Dementsprechend forderte das Finanzamt mit Schreiben vom 30.10.2009 die Klägerin auf, eine Verrechnungspreisdokumentation für die im Rahmen des Service Agreement vom 11.04.2008 bestehende Geschäftsbeziehung zwischen der Klägerin und der X-AG vorzulegen. Das Finanzamt wies darauf hin, dass die Angemessenheitsdokumentation von besonderer Bedeutung sei und dass die Frist zur Vorlage der Verrechnungspreisdokumentation 60 Tage betrage. Den dagegen eingelegten Einspruch wies das Finanzamt durch Einspruchsentscheidung vom 18.01.2010 als unbegründet zurück, den gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wies es mit Schreiben vom 18.01.2010 zurück. Mit Schreiben vom 19.02.2010 hat die Klägerin Klage erhoben und mit gleichem Schreiben unter dem Aktenzeichen 4 V 417/10 die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes beantragt. Diese hat das Finanzamt zwischenzeitlich gewährt, woraufhin beide Beteiligte den Rechtsstreit 4 V 417/10 für erledigt erklärt haben.

Vor Klageerhebung war bei dem Finanzamt am 17.02.2010 eine von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft … erstellte „Dokumentation der Geschäftsbeziehungen“ der Klägerin zur X-AG für das Wirtschaftsjahr 02.01.2008 bis 31.12.2008 eingegangen. In dieser Dokumentation wird ausgeführt, dass die X-AG potentielle Prime-Broker und Broker identifiziert und die Verhandlung mit diesen angebahnt habe. Sowohl die Geschäftsbeziehungen der Klägerin zu dem Prime Broker …, London, als auch die Geschäftsbeziehung zu dem Broker … in London, sei durch die X-AG angebahnt worden. In der Dokumentation ist keine Angemessenheitsdokumentation enthalten. Zur Begründung dafür wird die Ansicht vertreten, dass die vereinbarten und gezahlten Entgelte an die X-AG dem entsprächen, was fremde Dritte unter vergleichbaren Bedingungen vereinbart hätten. Dies ergebe sich aus dem bestehenden Interessengegensatz zwischen der Klägerin und der X-AG. Die Gesellschaften seien nicht miteinander verbunden oder nahestehend, sodass eine Dokumentationsverpflichtung zur Angemessenheit entfalle.

Zur Begründung ihrer Klage vertritt die Klägerin die Ansicht, § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG sei restriktiv auszulegen. Diese Auffassung werde nicht nur vereinzelt in der Literatur vertreten sondern sei herrschende Meinung (unter Hinweis auf Wassermeyer in Flick/Wassermeyer Baumhoff AStG, § 1 AStG, Rz. 854 und Hofacker in Haase AStG 2009, § 1 AStG Rz. 108). Unter Einflussnahmemöglichkeiten im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3 1. Alternative AStG sei, wie bereits aus einem Vergleich mit anderen Tatbestandsalternativen des § 1 AStG hervorgehe, lediglich eine unmittelbare Einflussnahmemöglichkeit zu verstehen. Mittelbare Verhältnisse oder die Einflussnahmemöglichkeiten Dritter auf den Steuerpflichtigen und die potentiellen nahestehenden Personen seien innerhalb des § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG ohne Bedeutung. Daher könne es keine Rolle spielen, inwiefern die X-S.A. als Verwaltungsgesellschaft des X-Fonds einen Einfluss auf die Klägerin hätte ausüben können. Entscheidend sei ausschließlich die unmittelbare Einflussnahmemöglichkeit der X-AG. Eine solche bestehe jedoch nicht. Sie lasse sich auch nicht über ein Anstellungsverhältnis von Herrn B bei anderen Gesellschaften der X Gruppe konstruieren. Herr B sei nur mit Herrn A zum Abschluss des Service Agreements vertretungsberechtigt gewesen und Herr A sei zu keinem anderen Zeitpunkt Angestellter einer Gesellschaft der X Gruppe gewesen. Herr C sei erst nach Abschluss des Service Agreements als Geschäftsführer bestellt worden. Es habe im Zeitpunkt des Abschlusses des Service Agreements keine Identität der Gruppe der für die Klägerin gemeinsam zeichnungsberechtigten Personen mit Organen von Gesellschaften der X Gruppe vorgelegen.

Die Annahme einer „als eine Person anzusehenden X-Holding, X-AG und X-S.A.“ sei schlicht unrichtig. Personen seien bei der Beurteilung außensteuerlicher Sachverhalt entweder nahestehend oder nicht. Falls gesellschaftsrechtliche Verbindungen bestünden, erlaube § 1 Abs. 2 AStG unter bestimmten Voraussetzungen die Annahme eines Nahestehens. An keiner Stelle im Außensteuerrecht würden jedoch rechtlich selbstständige Einheiten für Besteuerungszwecke zusammengefasst. Ebenfalls könne eine geltend gemachte Personalunion bei der X-AG und der X-S.A. nicht hierzu führen.

Aber selbst wenn man eine Einflussnahme durch Dritte wie z.B. durch die X-S.A., als ausreichend ansehen wolle, sei zu beachten, dass die X-S.A. die Beteiligung an der Klägerin lediglich treuhänderisch für die Fondsanleger des X-Fonds verwalte. Die Verwaltung habe gemäß Art. 13 Abs. 1 des Luxemburger Gesetzes vom 13.02.2007 über Spezialfonds entsprechend den Verwaltungsrichtlinien und im ausschließlichen Interesse der Anteilsinhaber zu erfolgen. Auch gemäß Tz. 2.1. der Management Regulations vom 17.03.2008 werde der Fonds im ausschließlichen Interesse der Anteilsscheininhaber verwaltet. Die X-S.A. sei daher nicht darin frei, wie sie über die Beteiligungen an der Klägerin für Rechnung der Anleger verfüge. Ebenfalls sei sie nicht darin frei, wie sie die Gesellschafterrechte an der Klägerin ausübe. Dies habe stets und ausschließlich im Interesse der Anleger des X-Fonds zu erfolgen. Es sei daher unzulässig zu argumentieren, dass die Geschäftsführer der X-S.A. in rechtswidriger und vertragsbrüchiger Weise Gesellschaftsrecht an der Klägerin hätten ausüben können, die nur im Interesse der Gesellschaften der X Gruppe gelegen hätten und nicht im Interesse der Anleger des X-Fonds. Der durch die X-S.A. beeinflusste Abschluss eines Vertrages mit einer unangemessen hohen Vergütung für die X-AG würde die vermögensrechtliche Position der Anleger des X-Fonds verschlechtern. Die rechtlichen Verpflichtungen der X-S.A. als Verwaltungsgesellschaft des X-Fonds gegenüber den Anlegern überlagerten die gesellschaftsrechtliche Verbundenheit der X-S.A. mit der X-AG. Die Annahme eines Nahestehens aufgrund einer denkbaren rechtswidrigen Handlung der Klägerin sei schlicht absurd. Im Rechtsverkehr könne nicht pauschal unterstellt werden, dass zum Schadensersatz verpflichtete Handlungen begangen würden.

Ein Einfluss gesellschaftsrechtlich mit der X-S.A. verbundener Unternehmen auf die Klägerin sei ausgeschlossen. Der X-Fonds sei entsprechend dem deutschen Sondervermögen nach § 31 Abs. 2 InvG insolvenzrechtlich von dem Vermögen der Verwaltungsgesellschaft (hier: der X-S.A.) separiert. Schließlich unterliege der Fonds in Luxemburg der Investmentaufsicht. Der X-Fonds sei daher kein großes Kapitalsammelbecken. Die Aufsetzung des Fonds diene dem Anlegerschutz und gerade der Trennung von dem eigenen Vermögen der Verwaltungsgesellschaft. Die X-S.A. würde sich als Verwaltungsgesellschaft des Fonds schadensersatzpflichtig machen, wenn sie gegen diese Vorgaben verstoße.

Durch Schriftsätze vom 04.10.2010 hat die Klägerin ausgeführt, dass ihrer Ansicht nach aufgrund der zwischen dem X-Fonds und der X-S.A. geltenden Regelungen keine Vollrechtstreuhand vorliege mit der Folge, dass auch kein steuerlich relevantes Treuhandverhältnis anzunehmen sei. Insoweit fehle es an einem eigenständigen Herausgaberecht der Anleger als Treugeber.

Die Ausführungen des Finanzamtes zu § 137 BGB seien falsch. Die Aussage des § 137 BGB sei lediglich, dass Verträge, die ein Veräußerungsverbot enthielten, keine dingliche Wirkung entfalten würden. Im vorliegenden Falle stelle die Ausübung der Gesellschafterrechte in der Gesellschafterversammlung der Klägerin aber gerade keine dingliche Verfügung dar. Die Gesellschaftsanteile würden weder belastet noch übertragen. Darüber hinaus sei § 137 BGB nicht anwendbar, da sich die Rechtsverhältnisse der Anleger zu der X-S.A. nach luxemburgischen Recht beurteilen würden.

Letztlich sei festzuhalten, dass eine Berechtigung von Einkünften der Klägerin nach § 1 AStG europarechtswidrig wäre (unter Hinweis auf EuGH-Urteil vom 21.01.2010, Az.: C-311/08, ISTR 2010, S. 144 ff. und Englisch, IStR 2010, S. 139 ff.). Nach § 90 Abs. 3 S.6 AO stehe dem Finanzamt ein Ermessensspielraum hinsichtlich der Frage zu, ob es die Vorlage einer Verrechnungspreisdokumentation verlange. Bei der Ermessensausübung seien alle einschlägigen Rechtsnormen zu berücksichtigen, ansonsten liege ein Ermessensfehlgebrauch vor. Im vorliegenden Falle fordere das Finanzamt eine Verrechnungspreisdokumentation, um eine gegebenenfalls europarechtswidrige Berechtigung von Einkünften nach § 1 AStG vorzunehmen. Dies stelle einen Ermessensfehlgebrauch dar.

Die Klägerin beantragt,

die Anforderung einer Verrechnungspreisdokumentation nach § 90 Abs. 3 AO vom 30.10.2009 zur Geschäftsbeziehung der Klägerin mit der X-A.G. auf der Grundlage des zwischen der Klägerin und der X-A.G. abgeschlossenen Service Agreements vom 11.04.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.01.2010 aufzuheben, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Finanzamt vertritt die Ansicht, die Anforderung der Verrechnungspreisdokumentation sei rechtmäßig, weil es sich bei der X-AG um eine der Klägerin nahestehende Person im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3 1. Alternative AStG handle. Der Tatbestand stelle lediglich auf Einflussnahmemöglichkeiten nicht auf eine tatsächliche Einflussnahme ab. Es müsse sich auch nicht um eine beherrschende Einflussnahmemöglichkeit handeln, sondern bereits ein faktisch bestehender Einfluss reiche aus. Die Einflussnahmemöglichkeit müsse in ihrer Wirkung die Geschäftsbeziehung betreffen, die Gegenstand des Fremdvergleichs sei. Sie müsse ihren Entstehungsgrund außerhalb dieser Geschäftsbeziehung haben. Bei Abschluss des Service Agreements sei die X-AG im Stande gewesen, auf die Klägerin einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben. Die Möglichkeit dieser Einflussnahme ergebe sich durch die über die X-Holding bestehende gesellschaftsrechtliche Verbindung der X-AG zur X-S.A., die faktisch alle geschäftlichen Entscheidungen der Klägerin treffe und daraus, dass die Holding und die X-S.A. ihre Tätigkeit in Personalunion mit der X-AG ausübten. Die Einflussnahmemöglichkeit der X-AG sei von besonderem Gewicht und reiche aus, um ein Nahestehen der X-AG zur Klägerin zu begründen. Anders als von der Klägerin dargestellt, fordere § 1 Abs. 2 Nr. 3 1. Alternative AStG keine unmittelbare Einflussnahmemöglichkeit.

Die X-S.A. beherrsche faktisch die Klägerin, weil der X-Fonds bzw. die Fondsinvestoren keinerlei geschäftlichen oder gesellschaftlichen Entscheidungen für die Klägerin treffen würden. Die X-S.A. habe die Möglichkeit gehabt, beim Abschluss des Service Agrements vom 11.04.2008 mit der Klägerin Bedingungen zu vereinbaren, die möglicherweise dazu geführt hätten, Besteuerungspotenzial von Deutschland nach Luxemburg zu verlagern. Ob dies tatsächlich der Fall sei, werde im Rahmen der Außenprüfung überprüft. Hierzu diene u.a. die angefochtene Anforderung der Verrechnungspreisdokumentation.

Entgegen den Ausführungen der Klägerin finde sich in der einschlägigen Kommentar- und Fachliteratur keine Aussage dahingehend, dass es im Rahmen des § 1 Abs. 2 Nr. 3 1. Alternative AStG ausschließlich auf eine unmittelbare Möglichkeit der Einflussnahme ankäme. Zutreffend sei allenfalls, dass in der Fachliteratur vereinzelt die Meinung vertreten werde, dass die Tatbestandsmerkmale dieser Norm –wegen bestehender Unklarheiten des Gesetzeswortlauts- restriktiv auszulegen sein. Nach dem Gesetzeswortlaut genüge eine bestehende Einflussmöglichkeit. Wie diese Möglichkeit der Einflussnahme letztlich zustande gekommen sei, habe für die Anwendung des Tatbestands keine Relevanz.

Darüber hinaus würde durch die Annahme eines Unmittelbarkeitserfordernisses der Tatbestand in unzulässiger Weise verkürzt. Es sei dann auf solche Sachverhalte beschränkt, bei denen die Person selbst weder wesentlich an dem Steuerpflichtigen beteiligt sei, noch einen beherrschenden Einfluss ausüben könne. Es würden insbesondere solche Sachverhalte tatbestandlich ausgenommen, bei denen -wie im vorliegenden Falle- eine Gesellschaft mit einer Tochtergesellschaft oder ihrer Schwestergesellschaft Geschäftsbeziehungen unterhalte. In der Konsequenz könnte die Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 3 AO durch die Konstruktion einer Holding Gesellschaft (Muttergesellschaft) mit zwei Tochtergesellschaften und einer Enkelgesellschaft stets umgangen werden, indem die Geschäftsbeziehung zwischen der Tochtergesellschaft und der Enkelgesellschaft (in der Seitenlinie) stattfinde.

Unabhängig davon, wer zum Zeitpunkt des Abschlusses des Service Agrements Geschäftsführer der Klägerin gewesen sei, habe die X-S.A., die zu 100 % an der Klägerin beteiligt gewesen sei, ihren Willen über die Gesellschafterversammlung durchsetzen können. Die X-S.A. unterliege ihrerseits wiederum den Weisungen ihrer Muttergesellschaft, der X-Holding, die zugleich auch zu 100 % an der X-AG beteiligt sei.

Soweit sich die Klägerin darauf berufe, dass ihre Anteile lediglich treuhänderisch für die Fondsanleger des X-Fonds verwaltet würden und dass jegliche Einflussnahme der X-S.A. auf die Klägerin ausschließlich im Interesse der Anleger des X-Fonds erfolgen könne, sei darauf hinzuweisen, dass die X-S.A. hinsichtlich ihrer Verfügungsfreiheit gerade nicht eingeschränkt gewesen sei. Wesentliches Merkmal der Treuhandschaft sei gerade die Vollrechtsinhaberschaft des Treuhänders, die zivilrechtlich uneinschränkbar sei. Gleichwohl sei der Klägerin zuzugestehen, dass der Treuhänder im Innenverhältnis gegenüber dem Treugeber schuldrechtlich an bestimmte Bedingungen gebunden sei (§ 137 S. 2 BGB). Gleichwohl dürfe nicht verkannt werden, dass die X-S.A. Vollrechtsinhaberin der Gesellschaftsanteile an der Klägerin sei. Demnach könne die X-S.A. ihren Willen unbeschadet der treuhänderischen Bindung gegenüber dem X-Fonds grundsätzlich durchsetzen. Auch wenn die X-S.A. im Innenverhältnis gegenüber dem X-Fonds alles zu unterlassen habe, was den Anlegern schaden könne, so könne sie im Außenverhältnis eine diametral entgegenstehende Handlung vornehmen. Ein weiterer Gesichtspunkt, der dieses Ergebnis stütze sei die Eigenschaft der Kapitalanleger als passive Investoren. Der X-Fonds, der durch die X-S.A. verwaltet werde, sei lediglich ein Kapitalsammelbecken ohne Verwaltungsbefugnisse.

Soweit die Klägerin auf die Europarechtswidrigkeit des § 1 AStG hinweise, sei festzustellen, dass die EU-Kommission bisher keinen Anlass gesehen habe, gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren wegen einer nicht gegebenen Vereinbarkeit mit der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit einzuleiten. Wenn man das von der Klägerin aufgeführte EuGH-Urteil in der Rechtssache SGI auf § 1 AStG übertrage, könne man durchaus davon ausgehen, dass der EuGH auch die Vorschrift des § 1 AStG als eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit ansehe. Diese wäre jedoch als gerechtfertigt anzusehen. Die Verrechnungspreiskorrektur im Rahmen des § 1 AStG sei auch verhältnismäßig, da dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt werde, den Beweis für etwaige wirtschaftliche Gründe für den Abschluss des Geschäfts beizubringen und sich die steuerliche Berichtigung auf den Teil beschränke, der über das hinaus gehe, was ohne die gegenseitige Verflechtung der am Geschäft beteiligten Gesellschaften vereinbart worden wäre. Aber selbst wenn § 1 AStG als europarechtswidrig einzuordnen sei, würde dies nicht dazu führen, dass die Klägerin von ihrer Verpflichtung zur Vorlage einer Verrechnungspreisdokumentation befreit wäre. Die Rechtsgrundlage für diese Verpflichtung ergebe sich aus § 90 Abs. 3 AO und nicht aus § 1 AStG. Aus § 90 Abs. 3 S. 1 AO ergebe sich die Pflicht, Aufzeichnungen zu erstellen. Insofern bestünde kein Spielraum für eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde. Darüber hinaus besage § 90 Abs. 3 S. 6 AO lediglich, dass die Vorlage von Aufzeichnungen in der Regel nur für die Durchführung einer Außenprüfung und nicht für das Veranlagungsverfahren verlangt werden solle.

Gründe

1. Die Klage ist unbegründet.

a) Das Finanzamt konnte im Rahmen der bei der Klägerin stattfindenden Außenprüfung auf der Grundlage des § 90 Abs. 3 S. 6 AO verlangen, dass eine Verrechnungspreisdokumentation nach § 90 Abs. 3 AO zur Geschäftsbeziehung zwischen der Klägerin und der X-AG vorgelegt wird.

Nach § 90 Abs. 3 S. 1 AO hat ein Steuerpflichtiger bei Sachverhalten, die Vorgänge mit Auslandsbezug betreffen, über die Art und den Inhalt seiner Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen i.S.d. des § 1 Abs. 2 AStG Aufzeichnungen zu erstellen. Diese Aufzeichnungspflicht umfasst nach § 90 Abs. 3 S. 2 AO auch die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen für eine den Grundsatz des Fremdvergleichs beachtende Vereinbarung von Preisen und anderen Geschäftsbedingungen mit den Nahestehenden. Der weitere Inhalt der Aufzeichnungspflicht ergibt sich aus § 90 Abs. 3 S. 5 AO i.V.m. der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung (GAufzV) vom 13.11.2003 (Bundesgesetzblatt I 2003, 2296) zuletzt geändert durch Art. 9 des Gesetzes vom 14.08.2007 (Bundesgesetzblatt I 2007, 1912). Nach § 90 Abs. 3 S. 6 AO soll die Finanzbehörde die Vorlage von Aufzeichnungen in der Regel nur für die Durchführung einer Außenprüfung verlangen. Einzelheiten zur Vorlagepflicht sind in den § 90 Abs. 3 S. 7-10 AO geregelt.

Nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 AStG steht dem Steuerpflichtigen eine Person nahe, wenn eine dritte Person sowohl an der Person (im vorliegenden Fall der X-AG) als auch an dem Steuerpflichtigen wesentlich beteiligt ist oder auf beide unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Darüber hinaus steht eine Person dem Steuerpflichtigen nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 1. Alternative AStG nahe, wenn die Person oder der Steuerpflichtige im Stande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den Steuerpflichtigen oder die Person einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben oder wenn einer von ihnen ein eigenes Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat.

aa) Nach den vorliegenden vertraglichen Gestaltungen und dem zugrundeliegenden gesellschaftsrechtlichen Beziehungsgeflecht waren die Klägerin auf der einen Seite und die X-AG auf der anderen Seite vor und nach Abschluss des Service Agreements in der Lage, wechselseitig auf die Entscheidungen des anderen zumindest mittelbar Einfluss zu nehmen. Die Möglichkeit einer solchen mittelbaren Einflussnahme reicht aus, damit der Tatbestand des Nahestehens i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 3 1. Alternative AStG erfüllt wird - unabhängig davon, ob trotz der Besonderheiten des vorliegenden Falles gegebenenfalls auch die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Nr. 2 AStG vorliegen, dazu unten unter bb).

Eine Einflussnahmemöglichkeit ergibt sich zur Überzeugung des Senats bereits daraus, dass die X-Holding zu je 100 % an der X-S.A. und an der X-AG beteiligt war und dass darüber hinaus die X-S.A. ihrerseits zu 100 % an der Klägerin beteiligt war. Damit konnte die X-AG über die X-Holding auf Entscheidungen der Klägerin und die Klägerin erforderlichenfalls auch ihrerseits auf Entscheidungen der X-AG, wiederum über die X-Holding, Einfluss nehmen. Dass die Beteiligung an der Klägerin „für Rechnung“ des X-Fonds gehalten wurde, führt zu keinem anderen Ergebnis, weil die Möglichkeit der Einflussnahme nicht ausgeschlossen wird. Darüber hinaus handelt es sich bei dem zwischen der X-S.A. und der Klägerin bestehenden investmentrechtlichen Treuhandverhältnis auch nach Meinung der Klägerin nicht um ein „steuerlich relevantes Treuhandverhältnis“.

Das Schrifttum zu § 1 AStG bietet hinsichtlich der hier streitigen Rechtsfrage, welche Qualität eine Einflussnahmemöglichkeit haben muss, damit der Tatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 3 1. Alternative AStG erfüllt wird, -wie von beiden Beteiligten aufgezeigt- kein einheitliches Bild. Einigkeit besteht insoweit lediglich darin, dass es sich um eine Einflussnahmemöglichkeit außerhalb der konkreten Geschäftsbeziehung handeln muss, darüber hinaus scheint ein vager Grundkonsens dahingehend zu bestehen, dass die fragliche Tatbestandsalternativ wegen ihrer weitgefassten Formulierung einer eingrenzenden Auslegung in dem Sinne bedarf, dass nicht jede Art der Einflussnahmemöglichkeit ausreicht („sie muss von einigem Gewicht sein“, vgl. nur Hofacker in Haase, Außensteuergesetz, DBA Portugal/Deutschland Rz. 107 ff. zu § 1 AStG; Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuergesetz, Rz. 854 zu § 1 AStG und Kaminski in Strunk/Kaminski/Köhler, Außensteuergesetz, Doppelbesteuerungsabkommen, Rz. 656 zu § 1 AStG). Zu der Frage ob eine mittelbare Einflussnahme ausreicht äußert sich lediglich Jansen, ablehnend (Internationale Wirtschaftsbriefe Gruppe 4 S. 375), ohne dies allerdings weiter auszuführen, und zustimmend die Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 14.05.2004 BStBl. I 2004 Sondernr. 1, S. 3 Tz. 1.0.1 und BMF-Schreiben vom 23.02.1983, BStBl. I 1983 S. 218).

Dass die Möglichkeit einer mittelbaren Einflussnahme im Rahmen des § 1 Abs. 2 Nr. 3 1. Alternative AStG ausreichen kann, ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes. Danach müssen die (potentiell nahestehende) Person oder die Klägerin lediglich imstande sein, Einfluss auszuüben. Der Gesetzestext lässt also die Möglichkeit der Einflussnahme ausreichen und begrenzt diesen weit gefassten Tatbestand lediglich dadurch, dass die Einflussnahmemöglichkeit ihren Grund nicht (allein) in der zu beurteilenden Geschäftsbeziehung haben darf. Nach dem Gesetzestext kommt es nicht darauf an, dass tatsächlich eine Einflussnahme stattgefunden hat. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Einflussnahme unmittelbar oder über andere Personen mittelbar möglich ist oder ob es sich um einen beherrschenden Einfluss handelt (vgl nur Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuergesetz, Rz. 854 zu § 1 AStG). Diese Auslegung wird durch eine systematische Betrachtungsweise der Tatbestände das § 1 Abs. 2 AStG bestätigt. Sowohl bei § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG als auch bei § 1 Abs. 2 Nr. 2 AStG handelt es sich um typisierende Tatbestände. Sie haben zum Regelungsinhalt, dass bei Vorliegen einer bestimmten Beteiligungskonstellation oder bei Vorliegen einer bestimmten (unmittelbaren oder mittelbaren) Beherrschungsmöglichkeit von einem Nahestehen auszugehen ist – unabhängig von weiteren gegebenenfalls vorliegenden Besonderheiten des Einzelfalls. Dass im Rahmen des Auffangtatbestandes § 1 Abs. 2 Nr. 3 1. Alt. AStG nicht zwischen unmittelbarer und mittelbarer Einflussnahme unterschieden wird, hat auch damit zu tun, dass Möglichkeiten der Einflussnahme auch unabhängig von einer gegebenenfalls vorliegenden wechselseitigen Beteiligung unter dem Aspekt des Nahestehens erfasst werden sollen.

Für eine Möglichkeit der Einflussnahme der X-AG auf Entscheidungsprozesse der Klägerin spricht, über die gesellschaftsrechtliche Verbundenheit hinaus, dass die X-AG selbst in der Zeit vom 12.02.2008 bis 20.03.2008 die Alleingesellschafterin der Klägerin war. Am 20.03.2008 veräußerte sie die Anteile an die X-S.A., die die Anteile laut Vertrag vom 20.03.2008 für Rechnung des X-Fonds abgeschlossen hatte. Und bereits am 11.04.2008 wurde dann das Service Agreement mit Klägerin vereinbart. Das „Memorandum“ hinsichtlich des X-Fonds war bereits im März 2008 und die Management Regulations des X-Fonds waren bereits am 17.03.2008 verfasst worden, also bevor die Anteile an der Klägerin von der X-AG veräußert worden waren. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass eine personelle Verbundenheit zwischen den Beteiligten zumindest insoweit besteht, als Herr C Mitglied des Board of Directors der X-AG und der X-S.A. war, für die X-AG in der Zeit vom 01.04.2008 bis 15.07.2009 als Angestellter tätig war und am 15.04.2008, also vier Tage nach Abschluss des Vertrages mit der X-AG, als (weiterer) Geschäftsführer der Kläger bestellt worden ist.

Das zwischen der X S.A und dem X-Fonds bestehende Vertragverhältnis ist auch nach Ansicht der Klägerin lediglich ein „besonderes investmentrechtliches Treuhandverhältnis“ und führt auch nach Meinung der Klägerin nicht zu einem steuerrechtlich anzuerkennenden Treuhandverhältnis mit der Konsequenz, dass die Anteile der Klägerin auch nicht dem X-Fonds sondern der X-S.A. zuzurechnen sind. Diese Sichtweise entspricht auch der Rechtsprechung des BFH zur Frage des wirtschaftlichen Eigentums bei Treuhandverhältnissen (vgl. nur BFH-Urteil vom 24.11.2009 I R 12/09, BStBl II 2010, 590). Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Fonds und der X-S.A. sind nicht durch einen so bezeichneten besonderen „Treuhandvertrag“ geregelt sondern beruhen ausschließlich auf den sehr allgemein gehaltenen Regelungen des „Memorandum“ (März 2008), mit dem wohl um Anleger geworben wurde, der Management Regulations vom 17.03.2008 und des luxemburgischen Gesetzes vom 13.02.2007. Danach haben die Anleger des Fonds eine lediglich passive Stellung inne und können nur in grundsätzlichen Fragen und dann auch nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit auf die Geschäftspolitik der X-S.A. Einfluss nehmen. Die Anleger haben darüber hinaus insbesondere keine eigenes Herausgaberecht hinsichtlich des überlassenen Vermögens und keinen eigenen Anspruch auf Sachausschüttungen.

Soweit die Klägerin die Ansicht vertritt, dass gleichwohl aufgrund der Besonderheiten des investmentrechtlichen Treuhandverhältnisses nicht davon ausgegangen werden könne, dass eine Einflussnahmemöglichkeit i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 3 1. Alternative AStG gegeben sei, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zur Begründung beruft sich die Klägerin darauf, dass die Gegenstände des X-Fonds separat von denen der X-S.A. verwaltet würden, dass die Verwaltung des X-Fonds in Luxemburg der Investmentaufsicht unterliege und dass das verwaltete Vermögen nach den einschlägigen Regelungen im Interesse der Fondsanleger zu verwalten sei. Insofern würde sich die X-S.A. nach Meinung der Klägerin bei Vereinbarung von unangemessenen hohen Vergütungen gegenüber dem Fondsanlegern schadensersatzpflichtig machen. Der Ansicht der Klägerin ist bereits deswegen nicht zu folgen, weil die aufgezeigten Umstände für sich genommen nicht geeignet sind, die Möglichkeit einer Einflussnahme auszuschließen. Darüber hinaus ist unklar, wer gegebenenfalls überhaupt auf Seiten der Anleger feststellen könnte, dass die X-S.A. mit der X-AG erhöhte oder unangemessene Preise vereinbart hat und von wem die entsprechenden Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden könnten. Nach Sachvortrag der Klägerin und auch nach den Ausführungen des Finanzamtes handelt es sich bei den Fondsinvestoren des X-Fonds lediglich um passive Anleger, die nach dem letztlich maßgeblichen luxemburgischen Recht lediglich auf Informationsrechte beschränkt sind und lediglich mit Zwei-Drittel-Mehrheit auf die Geschäftspolitik der X-S.A. Einfluss nehmen könnten. Insoweit ist auch unklar, ob und wie die luxemburgische Investmentaufsicht überhaupt feststellen könnte, dass seitens der Klägerin (und nicht seitens der X-S.A.) gegebenenfalls unangemessene Entgeltvereinbarungen getroffen worden sind. Darüber hinaus ist unklar, ob und wann sich die X-S.A. dadurch, dass die Klägerin bestimmte Entgeltvereinbarungen trifft, gegenüber dem X-Fonds bzw. den Fondsanlegern schadensersatzpflichtig machen könnte. Denkbar wäre z.B., dass die mit der X-AG vereinbarten Entgelte schon in die den Fonds-Anlegern mitgeteilten Kosten im Rahmen der Werbung für den X-Fonds einbezogen wurden. Insoweit würde die Unangemessenheit einer Preisgestaltung i.S.d. § 1 AStG oder i.S.d. § 8 Abs. 3 S. 2 des Körperschaftsteuergesetzes in der für das Streitjahr (2008) geltenden Fassung (KStG) nicht zwangsläufig zu einer Schadensersatzpflicht der X-S.A. gegenüber den Anlegern führen. Vor diesem Hintergrund kann allein die hypothetische Möglichkeit einer möglichen Schadensersatzpflicht nicht dazu führen, dass die Möglichkeit einer Einflussnahme i.S.d. § 1 Abs 2 Nr. 3 AStG ausgeschlossen ist, zumal gerade die von den Anlegern eingeräumte Einflussnahme das gegebenenfalls schädigende Verhalten ermöglichen würde.

bb) Das Gericht kann es dahingestellt bleiben lassen, ob die X-AG der Klägerin auch bereits deswegen nahe steht, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Nr. 2 AStG verwirklicht sein könnten. Dafür spricht, dass die X-Holding als „dritte Person“ sowohl an der X-AG (unmittelbar) als auch an der Klägerin (mittelbar) wesentlich beteiligt ist i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 2 AStG bzw. i.S.d. der gesetzlichen Definition des § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG und dass die X-Holding auf die Klägerin (über die X-S.A.) mittelbar und auf die X-AG unmittelbar jeweils beherrschenden Einfluss nehmen kann. Insofern stellt sich jedoch die Frage, ob die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Nr. 2 AStG trotz des zwischen der X-S.A. („Treuhänder“) und des X-Fonds („Treugeber“) bestehenden investmentrechtlichen Treuhandverhältnisses erfüllt werden können.

b) Soweit sich die Klägerin auf eine mögliche Europarechtswidrigkeit des § 1 AStG (im Anschluss an das EuGH-Urteil vom 21.01.2010, C-311/08 SGI IStR 2010 S. 144 ff. und die danach einsetzende Diskussion im Schrifttum) beruft, führt dieser Einwand nach Auffassung des Senats nicht zur Rechts- oder Europarechtswidrigkeit der Aufzeichnungspflichten gem. § 90 Abs. 3 S. 1 AO bzw. zur Rechtswidrigkeit der Aufforderung zur Vorlage dieser Aufzeichnungen nach § 90 Abs. 3 S. 6 AO. § 90 Abs. 3 S. 1 AO verweist nur hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals „nahestehenden Personen“ auf § 1 Abs. 2 AStG. Er knüpft jedoch nicht an die Rechtsfolgen dieser Vorschrift an. Darüber hinaus sind die erweiterten Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 3 AO nicht ausschließlich im Hinblick auf den Tatbestand des § 1 AStG in das Gesetz eingefügt worden, sondern die fraglichen Aufzeichnungen können auch für die Prüfung einer verdeckten Gewinnausschüttung i.S.d. § 8 Abs. 3 S. 2 KStG von Bedeutung sein. Dass § 8 Abs. 3 S. 2 KStG ggf. neben oder anstatt einer Berichtigung von Einkünften nach § 1 AStG anwendbar ist, folgt sowohl aus dem in § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG enthaltenen Passus „unbeschadet anderer Vorschriften“ als auch (mittelbar) aus § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG, wonach die ggf. weitergehenden Berichtigungen nach § 1 Abs. 1 AStG neben den Rechtsfolgen „der anderen Vorschriften“ durchzuführen sind.

c) Die Regelung des § 90 Abs. 3 AO selbst ist mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht vereinbar. Die Dokumentationspflicht berührt zwar bei grenzüberschreitend tätigen Steuerpflichtigen das Diskriminierungsverbot und die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 und 48 EGV), diese Beeinträchtigungen sind aber zur Gewährleistung einer wirksamen Steueraufsicht gerechtfertigt (so auch Brockmeyer in Koch, AO, Rz. 12 zu § 90 AO; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler; Abgabenordnung Finanzgerichtsordnung, Rz. 191 zu § 90 AO; Hahn/Suhrbier-Hahn IStR 2003, 84; wohl auch Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung Finanzgerichtsordnung, Rz. 57 zu § 90 AO m.w.N. für die Körperschaftsteuer und für die Einkommensteuer; a.A. u.a. Joeks/Kaminski IStR 2004, 65 und Schnorberger DB 2003, 1241 jeweils m.w.N.).

Der EuGH hat insoweit wiederholt entschieden, dass die Wirksamkeit der Steueraufsicht ein zwingender Grund des Allgemeininteresses ist, der eine Beschränkung der von dem EG-Vertrag gewährleisteten Grundfreiheiten rechtfertigen kann. Die zur steuerlichen Beurteilung von Verrechnungspreisen erforderliche Sachverhaltsermittlung gestaltet sich bei grenzüberschreitenden Konzernverhältnissen erheblich schwieriger als bei Entgeltvereinbarungen zwischen zwei inländischen Konzerngesellschaften. Die im Inland bestehenden Ermittlungsmöglichkeiten ermöglichen es bei beiden beteiligten Unternehmen Ermittlungen durchzuführen (insbesondere durch Anordnung einer Außenprüfung) und darüber hinaus ggf. auch die Entwicklung des inländischen Marktes bzw. die Entwicklung inländischer Preise zu verfolgen. Diese Möglichkeiten bestehen für die inländische Finanzverwaltung bei grenzüberschreitenden Preisvereinbarungen nicht in vergleichbarem Maße, weil lediglich Ermittlungsmöglichkeiten für den Bereich der beteiligten inländischen Konzerngesellschaft bestehen. Auch die Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19.12.1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern und der Mehrwertsteuer (Abl. EG Nr. L 336 S. 15) zuletzt geändert durch die Richtlinie 2006/98/EG des Rates vom 20.11.2006 (Abl. EU Nr. L 363 S. 129) gewährleistet hinsichtlich der beteiligten ausländischen Konzerngesellschaft und hinsichtlich des ggf. im Ausland bestehenden Preisniveaus keine vergleichbare Ermittlungsmöglichkeit, weil sie nur auf die Erteilung von Einzelauskünften gerichtet ist. Die EG-Amtshilfe-Möglichkeiten beschränken sich auf einen lediglich passiven Informationsaustausch (vgl. auch Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung Finanzgerichtsordnung, Rz. 37 zu § 90 AO m.w.N.). Darüber hinaus unterliegt die Amtshilfe nach Art. 2 Abs. 1 Satz 2 der EG-Amtshilferichtlinie dem Subsidiaritätsgrundsatz. Dafür, dass ein Bedürfnis für eine Dokumentationspflicht i.S.d. § 90 Abs. 3 AO besteht, spricht auch , dass die Bundesrepublik Deutschland mit der Einführung des § 90 Abs. 3 AO einer internationalen Entwicklung folgte und eine Vielzahl anderer OECD- und EU-Staaten entsprechende gesetzliche Dokumentationspflichten eingeführt haben (vgl. Bundesrats-Drucksache 866/02 S. 83 und Roser in Beermann/Gosch, Abgabenordnung Finanzgerichtsordnung, Rz. 82ff. zu § 90 AO sowie Uterhark in Schwarz, Abgabenordnung, Rz. 30 zu § 90 AO).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

3. Die Revision war auf der Grundlage des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen