OLG Hamm, Beschluss vom 13.10.2008 - 31 W 38/08
Fundstelle
openJur 2009, 166
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 1 O 251/08
Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Landgerichts Bielefeld vom 25.07.2008 abgeändert.

Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens sowie die Kosten des Beschwerdefahrens trägt die Antragstellerin.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis 2.500,- € festgesetzt.

Gründe

Die gemäß § 91a Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet. Die Antragstellerin hat gemäß § 91a Abs. 1 ZPO die Kosten des Verfügungsverfahrens zu tragen, da der zulässige Widerspruch der Antragsgegnerin gegen die einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Bielefeld vom 25.02.2008 Erfolg gehabt hätte.

1. Die von der Antragstellerin auf Erfüllung gerichtete einstweilige Verfügung setzte einen Verfügungsanspruch sowie einen Verfügungsgrund nach Maßgabe der §§ 935, 940 ZPO voraus. Bereits ein Verfügungsgrund ist von der Antragstellerin weder hinreichend dargelegt noch glaubhaft gemacht worden.

Die Antragstellerin hat mehrfach vorgetragen, nicht Betreiberin der Internetseiten "movie-tester.com" und "das-tvquiz.com" zu sein; sie könne – so ihre eidesstattliche Versicherung – lediglich "nicht völlig ausschließen, dass Zahlungen von Kunden" (Bl. 19 GA) dieser Internetseiten auf ihr Konto eingegangen seien. In welchem Verhältnis die Antragstellerin zu den Betreibern der streitgegenständlichen Seiten steht, legt sie nicht dar. Insoweit ist schon nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin selbst an der Fortsetzung des Girokontovertrages dringend angewiesen war. Denn dass die Antragstellerin das Konto für die Abwicklung eigener Geschäfte nutzte, mithin im Rahmen einer eigenen Geschäftstätigkeit auf die Kontoverbindung angewiesen gewesen ist, ist – entgegen der Annahme des Landgerichts – nicht ersichtlich. So ist insbesondere nicht vorgetragen, in welchem Bereich die Antragstellerin überhaupt geschäftlich tätig sein will.

2. Darüber hinaus bestand auch kein Verfügungsanspruch, da die fristlose Kündigung der Antragsgegnerin rechtmäßig war. Ein wichtiger Grund im Sinne der Nr. 26 AGB-Sparkassen ist dann gegeben, wenn bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles und einer Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien die Fortsetzung der Geschäftsbeziehung dem Kündigenden nicht zugemutet werden kann. Letzteres ist jedenfalls dann der Fall, wenn das Girokonto für strafbare oder verbotene Aktivitäten genutzt wird (vgl. BGHZ 154, 146 ff.). Solche Aktivitäten sind bereits in Zusammenhang mit der Webseite "movie-tester.com" festzustellen; auf die Bewertung der weiteren Seite "das-tvquiz.com" kommt es nicht mehr an.

Der Verfasser der Webseite "movie-tester.com" hat mittels Aufmachung und Formulierung seines Vertragsangebotes gezielt eine Gestaltung gewählt, die objektiv geeignet und – nach Überzeugung des Senats – auch subjektiv bestimmt ist, den Adressaten über die Folgen seiner Anmeldung zu täuschen.

Zunächst fällt auf, dass die Webseite in Großlettern mit den Sätzen "Ihre Meinung ist uns eine TOP-DVD wert" sowie "Jetzt TOP-DVD bewerten und behalten" wirbt. Bereits aus diesen Überschriften schließt der unbefangene Leser, dass es bei dem Angebot allein um eine Meinungsumfrage geht und der Nutzer für die Beteiligung hieran die von diesem zu bewertende DVD behalten darf. Dieser – erste – Eindruck wird durch die weiteren mit 1. bis 4. bezifferten Punkte bestätigt. Auch diese Punkte suggerieren, dass die Anmeldung des Nutzers mit seinen Daten lediglich dazu dient, ihm den Fragebogen sowie die versprochene DVD zuzusenden und ihm zusätzlich die Teilnahme an einem Gewinnspiel zu ermöglichen, ohne dass damit Kosten verbunden sind. Diese Fehlvorstellung wird noch dadurch verstärkt, dass das Anmeldefeld mit "DVD-abholen" bezeichnet ist; auch dies lässt den Leser in dem Glauben, die Dateneingabe sei lediglich erforderlich, um gleichzeitig mit dem Fragebogen die versprochene DVD zu erhalten. Auf einen deutlichen Hinweis auf eine kostenpflichtige Mitgliedschaft – welcher beispielsweise als gesonderter Punkt 5 hätte aufgenommen werden können – ist verzichtet worden, obwohl es außer Frage steht, dass dieser Umstand für die Entscheidung des Nutzers, ob eine Anmeldung mit seinen Daten erfolgt, maßgeblich ist.

Die Fehlvorstellung des Lesers, eine kostenlose Leistung in Anspruch zu nehmen, wird nicht dadurch beseitigt, dass der Leser vor Anmeldung bestätigen muss, die AGB und Kunden-Infos zur Kenntnis genommen zu haben. Angesichts der beschriebenen Gestaltung der Webseite musste der Nutzer schon nicht damit rechnen, dass in den AGB zusätzlich eine kostenpflichtige Mitgliedschaft vereinbart wird. Dies gilt umso mehr, als AGB grundsätzlich lediglich Regelungen zu bereits eingegangenen Vertragsverhältnissen enthalten, diese aber nicht ohne jeglichen vorangegangenen Hinweis im eigentlichen Haupttext begründen. Zum anderen war der Aufruf der AGB für die Anmeldung nicht erforderlich, so dass auch keinesfalls davon ausgegangen werden konnte, dass die AGB – insgesamt mehrere dicht beschriebene Seiten – von den Nutzern tatsächlich gelesen werden. Darüber hinaus wird in den AGB über die Kosten der Mitgliedschaft auch nicht sogleich am Anfang des Textes aufgeklärt, sondern der monatliche Beitrag von 19,90 € erscheint erstmals unter Punkt 6; der Verbraucher hätte insoweit zudem zunächst eine Vielzahl von Informationen lesen müssen, bevor er auf die für ihn wichtige Preisangabe stößt.

Soweit nach dem Feld "DVD-abholen", mit dessen Anklicken die vermeintliche Mitgliedschaft begründet wird, ein Text folgt, in dem die kostenpflichtige Mitgliedschaft erwähnt ist, ist dieser Text aufgrund seiner Farbgestaltung (weiß bis hellblau auf hellblau) und der geringen Schriftgröße schon objektiv nicht geeignet, den Nutzer auf die Folgen seiner Anmeldung aufmerksam zu machen; der Text ist weder deutlich lesbar noch sonst gut wahrnehmbar. Hinzu kommt, dass der Text sich außerhalb der eigentlichen, auf blauem Hintergrund hell gestalteten Werbeseite befindet und der Hinweis auf die Mitgliedschaft und den Mitgliedsbeitrag erst im vierten Satz – nach für den Leser unbedeutenden Ausführungen zu seiner Identifizierbarkeit im Falle von Missbrauch und wissentlichen Falschangaben sowie zum Gewinnspiel – erscheint; der Hinweis ist damit keinesfalls ohne weiteres auffindbar. Schließlich wird der Text bei normaler Bildschirmeinstellung nur sichtbar, wenn der Nutzer die Seite bis ganz nach unten durchscrollt. Im Hinblick auf diese Umstände sowie im Hinblick darauf, dass die Kenntnisnahme des Textes für die Anmeldung nicht erforderlich ist, die Anmeldung zudem bereits vor Beginn des Textes abgeschlossen werden kann, ist es nicht wahrscheinlich, dass dieser Text vom Nutzer vor seiner Anmeldung – zudem noch vollständig – gelesen wird.

Zweifel bestehen nach Ansicht des Senats auch nicht daran, dass die Verantwortlichen der Webseite die Fehlvorstellung des Nutzers über die Folgen der Anmeldung vorsätzlich herbeiführten bzw. noch herbeiführen, und zwar in der Absicht, unter Berufung auf die Anmeldung anschließend die vermeintlich geschuldeten Mitgliedschaftsbeiträge vom Nutzer einzutreiben. Vorliegend lassen bereits der gewählte Text, der Aufbau und die gewählte konkrete Gestaltung der Webseite nur diesen Schluss zu; es drängt sich – wie oben ausgeführt – bei Betrachtung der Seite für jeden auf, dass ein Großteil der Leser aufgrund der nur versteckten Hinweise hierauf nicht bemerken wird, dass durch Dateneingabe und Anklicken des Feldes "DVD-abholen" eine kostenpflichtige Mitgliedschaft begründet werden soll. Die Gestaltung der Webseite zielt erkennbar darauf ab, dem Leser den falschen Eindruck zu vermitteln, dass er mit Anmeldung als Gegenleistung für die Teilnahme an einer Befragung eine kostenlose DVD erhält sowie zusätzlich an einem Gewinnspiel teilnimmt. Abgesehen davon ist unbestritten, dass die für die Webseite Verantwortlichen zuvor bereits ähnlich gestaltete Seiten – u.a. "movie-tester.de" – betrieben haben, die untersagt worden sind; auf die einschlägigen Internethinweise zum Geschäftsgebaren der Verantwortlichen sowie auf den Rat verschiedener Institutionen, Rechnungen für diese Webseite nicht zu bezahlen, weist die Antragsgegnerin zutreffend hin. Fest steht auch, dass gegen die Verantwortlichen der Seite "movie-tester.com" Strafanzeigen wegen Betruges gestellt worden sind. Dass die Verantwortlichen trotz erfolgter Abmahnungen und Strafanzeigen die Webseite nicht aufgegeben haben, sondern sie in der ihnen bekannten irreführenden Form weiter betreiben – nach unbestrittenen Vortrag der Antragsgegnerin sogar mittels Änderung der web-Adresse "movie-tester.de" in "movie-tester.com", um bereits zugestellte Abmahnungen zu umgehen – zeigt ebenfalls, dass den Verantwortlichen allein daran gelegen ist, den Verbraucher (weiter) zu täuschen, um sich finanzielle Vorteile zu verschaffen. Es hätte ansonsten nichts näher gelegen, nach Erhalt der Abmahnungen und nach Kenntnis von den Strafanzeigen deutlich darauf hinzuweisen, dass der Nutzer aufgrund seiner Anmeldung nicht nur eine "TOP-DVD" erhält und an einem Gewinnspiel teilnimmt, sondern auch eine "Premium-Mitgliedschaft" für 19,90 € monatlich eingeht.

Da das Girokonto der Antragstellerin von den Verantwortlichen der Webseite als Zahlungskonto genutzt wurde und das Konto damit der Begehung von Straftaten diente, war es für die Antragsgegnerin unzumutbar, das Vertragsverhältnis mit der Antragsstellerin fortzusetzen. Die fristlose Kündigung ist zu Recht ausgesprochen worden; berechtigte Belange der Antragstellerin standen nicht entgegen.

Dahin stehen kann insoweit, ob eine fristlose Kündigung der Antragsgegnerin auch deswegen gerechtfertigt war, weil die Verantwortlichen der Webseite – wie die Antragsgegnerin behauptet – zudem von Anfang an nicht leistungsbereit waren, mithin die in Aussicht gestellten zwei DVD monatlich tatsächlich nicht an die vermeintlichen Mitglieder versenden wollten und auch insoweit betrügerisch handelten. Gleichfalls kann dahin stehen, ob schon ein wettbewerbswidriges Verhalten der Betreiber der Webseite eine fristlose Kündigung des Girovertrages gerechtfertigt hätte. In Betracht kommen hier Verstöße u.a. nach §§ 3, 5 UWG wegen Irreführung, nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und 6 PAngV wegen unzureichender Erkennbarkeit der Preisangabe, nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1, 614 BGB wegen unzulässiger Vorleistungsklausel sowie nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, 312 c Abs. 1 S. 1, 312 d Abs. 2 BGB, § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV wegen inhaltlich unzureichender Widerrufsbelehrung.

3. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 91 Abs. 1 BGB. Der Wert für das Beschwerdeverfahren war im Hinblick auf den für das einstweilige Verfügungsverfahren festgesetzten Wert von 10.000,- € auf bis 2.500,- € festzusetzen.