Hessisches LAG, Beschluss vom 28.10.2010 - 5 TaBV 43/10
Fundstelle
openJur 2012, 33656
  • Rkr:

Eine Betriebsvereinbarung mit allgemeinen Regelungen über die Unterweisung zu Gefahren am Arbeitsplatz (§ 12 ArbSchG) ohne vorherige Gefährdungsanalyse (§ 5 ArbSchG) ist unwirksam.

Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss desArbeitsgerichts Darmstadt vom 28. Januar 2010 – 8 BV 23/09– wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

A.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Teilspruchs einer Einigungsstelle über die Unterweisung von Arbeitnehmern durch die Arbeitgeberin nach dem Arbeitsschutzgesetz sowie eine Regelung über die dafür notwendigen organisatorischen Vorkehrungen.

Die Beteiligte zu 1) (im Folgenden Arbeitgeberin) ist ein bundesweit tätiges Unternehmen, das sich mit der Herstellung, dem Vertrieb, der Installation und Wartung von Aufzügen, Fahrtreppen und anderen Transportsystemen befasst. Sie unterhält neben der Zentrale in A 39 Niederlassungen, unter anderem in B. Der dort gewählte örtliche Betriebsrat ist der Beteiligte zu 2) (im Folgenden Betriebsrat). Ferner ist ein Gesamtbetriebsrat gebildet.

Nach erfolglosen Verhandlungen zwischen der Arbeitgeberin und dem Gesamtbetriebsrat über Gefährdungsbeurteilungen und Unterweisungen nach dem Arbeitsschutzgesetz kam es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen. Am 23. März 2007 schlossen die Arbeitgeberin und der Gesamtbetriebsrat vor dem Landesarbeitsgericht Berlin – Brandenburg – in dem Beschlussverfahren 13 TaBV 281/07 einen Vergleich, in dem unter anderem Folgendes geregelt ist:

„....Zur unparteiischen Vorsitzenden einer Einigungsstelle zur Regelung der Gefährdungsbeurteilung, der Regelung von Unterweisungen sowie der erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen nach §§ 3 Abs. 2; 5 ArbSchG i. V. m. § 3 BildschirmarbeitsVO und § 12 ArbSchG wird die vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Berlin – Brandenburg Frau … bestellt, wobei die Bejahung der Zuständigkeit der Einigungsstelle nach § 50 Abs. 1 oder 50 Abs. 2 BetrVG der Einigungsstelle überlassen bleibt …“.

Durch Beschluss vom 05. Dezember 2007 wies das Arbeitsgericht Berlin den auf die Feststellung gerichteten Antrag, dass der Gesamtbetriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i. V. m. §§ 5, 12 ArbSchG i. V. m. § 50 Abs. 1 BetrVG zuständig ist, zurück. Das Landesarbeitsgericht Berlin – Brandenburg hat die Beschwerde vom 29. April 2008 – 12 TaBV 134/08 – zurückgewiesen. Der Betriebsrat beauftragte den Gesamtbetriebsrat die Angelegenheit für ihn zu verhandeln. In dem Beschluss ist nicht geregelt, dass der Gesamtbetriebsrat auch ein Beschlussverfahren durchführen soll.

Mit Teilspruch vom 17. Dezember 2008 traf die Einigungsstelle eine Regelung über die „Unterweisung gem. § 12 ArbSchG und erforderliche organisatorische Vorkehrungen“. Wegen des genauen Inhalts wird auf die Kopie Blatt 7 Rs bis 16 Rs der Akten verwiesen. Der Teilspruch wurde der Arbeitgeberin mit Begründung am 12. Januar 2009 zugestellt. Mit dem am 26. Januar 2009 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Antrag begehrte sie die Feststellung der Unwirksamkeit des Teilspruchs. Neben dem Gesamtbetriebsrat wurde weitere 28 örtliche Betriebsräte, darunter der Betriebsrat B, in dem Beschlussverfahren beteiligt. Mit Beschluss vom 15. Juli 2009 erklärte sich das Arbeitsgericht Berlin hinsichtlich der Betriebsräte für örtlich unzuständig, trennte die Verfahren ab und verwies sie an die nach dem jeweiligen Sitz der Betriebsräte zuständigen Arbeitsgerichte, so auch an das Arbeitsgericht Darmstadt. Eine Regelung über die Vornahme von Gefährdungsbeurteilungen hat die Einigungsstelle bislang nicht getroffen. Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Beteiligten im ersten Rechtszug sowie der dort gestellten Anträge wird im Übrigen entsprechend § 69 Abs. 2 ArbGG auf den tatbestandlichen Teil des angefochtenen Beschlusses – Bl. 561 – Bl. 563 d.A. - ergänzend Bezug genommen.

Durch Beschluss vom 28. Januar 2010 stellte das Arbeitsgericht fest, dass der Teilspruch der Einigungsstelle vom 17. Dezember 2008 unwirksam ist. Zur Begründung hat es – kurz zusammengefasst – ausgeführt: Der Teilspruch der Einigungsstelle sei unwirksam, da er gegen die gesetzlichen Regelungen der §§ 5, 12 ArbSchG verstoße. Der Betriebsrat habe ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG und § 3 BildschirmarbeitsVO und bei Unterweisungen nach § 12 ArbSchG. Die Einigungsstelle habe bei ihrer Entscheidung außer acht gelassen, dass eine „ausreichende und angemessene Unterweisung“, wie sie § 12 ArbSchG vorsehe, nur erfolgen könne, wenn ihr eine Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG und deren entsprechende Dokumentation nach § 6 ArbSchG vorangegangen seien. Ohne Gefährdungsbeurteilung sei die Auswahl der erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unmöglich, ohne diese Auswahl könnten die notwendigen Maßnahmen nicht getroffen werden und ohne deren Kenntnis sei wiederum eine umfassende Arbeitsplatz – aufgabenbezogene Unterweisung nicht in dem vom Gesetzgeber vorgesehenen Umfang möglich, da sie fehlerhaft, weil nicht umfassend sei. Wegen der weiteren Begründung im Einzelnen wird auf Seite 4 bis 6 – Blatt 563 bis Blatt 565 der Akten – des angefochtenen Beschlusses ergänzend Bezug genommen.

Gegen den am 08.02.2010 zugestellten Beschluss hat der Betriebsrat am 24.02.2010 Beschwerde eingelegt und diese – nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist auf rechtzeitigen Antrag hin bis 08.05.2010 - mit dem am 06.05.2010 beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Betriebsrat hält unter Wiederholung und Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens an seiner Rechtsansicht fest, dass der Teilspruch der Einigungsstelle nicht zu beanstanden sei. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts setze eine Unterweisung nicht zwingend eine Gefährdungsbeurteilung voraus. Die Rechtsauffassung finde weder im Gesetz noch aufgrund zwingender tatsächlicher Gegebenheiten eine Stütze. Die Unterweisungspflicht nach § 12 ArbSchG habe erst mit in Kraft treten des Gesetzes am 07. August 1996 die Arbeitgeber normativ verpflichtet. Bereits in der Zeit davor hätten Unterweisungspflichten auf der Grundlage des Arbeitssicherheitsgesetzes und der im Bereich Arbeitssicherheit und Unfallverhütung erlassenen Verordnungen und Unfallverhütungsvorschriften bestanden. Eine Verpflichtung zur Gefährdungsbeurteilung habe es nicht gegeben. Sie sei erst mit dem Arbeitsschutzgesetz vom 07. August 1996 eingeführt worden. Dies bedeute, dass auch ohne Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen Unterweisungen stattfinden könnten, da die Gefahren und Gefährdungen für die jeweiligen Arbeitsplätze hinlänglich bekannt seien. Sie seien ohne weiteres den jeweiligen die Gesundheit schützenden Regelungen zu den jeweiligen Tätigkeitsbereichen zu entnehmen. Dies gelte sogar für Büroarbeitsplätze. Sie müssten den Anforderungen des Anhangs für die Bildschirmarbeitsplatzverordnung entsprechend ausgestaltet sein. Wegen des weiteren Vorbringens des Betriebsrats im Beschwerdeverfahren wird auf den Schriftsatz vom 05. Mai 2010 – Blatt 585 bis Blatt 591 der Akten - ergänzend Bezug genommen.

Der Betriebsrat beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 28. Januar 2010 – 8 BV 23/09 – den Antrag zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und sie meint, dass eine Gefährdungsunterweisung zwingend eine vorausgehende Gefährdungsbeurteilung bedürfe. Der Arbeitgeber müsse zunächst klären, welche Informationen, Erläuterungen und Anweisungen erforderlich seien. Dies lasse sich erst aufgrund einer Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach § 5 ArbSchG erkennen und nicht – wie die Arbeitgeberin meine – anhand abstrakter Ordnungsregelungen wie der Bildschirmarbeitsplatzverordnung. Es sei erforderlich, dass eine Gefährdung als solche erkannt und hinsichtlich ihrer Schwere (Art und Umfang des möglichen Schadens) bewertet werde. Die Gefährdungsbeurteilung sei das zentrale Element des technischen Arbeitsschutzes. Mit ihr fange der Schutz der Gesundheit als der körperlichen und geistig- psychischen Integrität des Arbeitnehmers an. Je genauer und wirklichkeitsnäher die Gefährdungen im Betrieb ermittelt und beurteilt würden, desto zielsicherer seien konkrete Maßnahmen des Arbeitsschutzes einschließlich der Unterweisung, zu treffen. Ohne eine vorhergehende Gefährdungsbeurteilung sei eine ausreichende und angemessene Unterweisung nicht möglich. Wegen des weiteren Vorbringens der Arbeitgeberin im Beschwerdeverfahren wird auf den Schriftsatz vom 09. Juli 2010, Blatt 613 bis Blatt 624 der Akten ergänzend Bezug genommen.

B.

I.

Die Beschwerde des Betriebsrats ist zulässig.

1. Sie ist gem. § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft und gem. §§ 89 Abs. 1, 2, 87 Abs. 2, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG i. V. m. §§ 519 Abs. 4, 520 Abs. 4, 130 Nr. 6 ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden.

2. Der Gesamtbetriebsrat war in dem Beschlussverfahren nicht zu beteiligen.

a) Die Beteiligung gem. § 83 Abs. 3 ArbGG richtet sich danach, ob eine Stelle oder Person in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen ist. Erforderlich ist, dass eine Rechtsposition des jeweils anderen Gremiums als Inhaber des vom Antragsteller geltend gemachten Anspruchs oder Rechts materiell - rechtlich ernsthaft in Frage kommt (vgl. BAG 28. März 2006 – 1 ABR 59/04 – Rn. 11, 12, zitiert nach Juris).

b) Eine derartige Rechtsposition des Gesamtbetriebsrats wird im Streitfall nicht berührt. Aufgrund des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts Berlin – Brandenburg vom 29. April 2008 (12 TaBV 134/08) steht rechtskräftig fest, dass das Mitbestimmungsrecht in der streitigen Angelegenheit des Teilspruchs vom 17. Dezember 2008 den örtlichen Betriebsräten, also auch dem Betriebsrat B, und nicht dem Gesamtbetriebsrat zusteht.

aa) Beschlüsse im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach § 2 a Abs. 1 ArbGG sind der formellen und materiellen Rechtskraft fähig (vgl. z. B. BAG 06. Juni 2000 – 1 ABR 21/99 -, BAGE 95, 47, Rn. 13; BAG 15. Januar 2002 – 1 ABR 10/01 – in: DB 2002, 564 Rn. 11). Sie hat zur Folge, dass erneute abweichende Entscheidungen desselben oder eines anderen Gerichts innerhalb bestimmter objektiver, subjektiver und zeitlicher Grenzen ausgeschlossen sind (vgl. BAG 06. Juni 2000, a.a.O.). Die objektiven Wirkungen der materiellen Rechtskraft wiederum werden durch den Streitgegenstand des Prozesses bestimmt. Dafür sind im Beschlussverfahren ebenso wie im Urteilsverfahren der zur Entscheidung gestellte Antrag und der dazu gehörende Lebenssachverhalt maßgebend (vgl. BAG 15. Januar 2002, a.a.O. Rn. 23).

bb) In dem Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht Berlin – Brandenburg (Az. 12 TaBV 134/08) ist zwischen den Beteiligten dieses Beschlussverfahrens unter Beteiligung des Gesamtbetriebsrats am 29.04.2008 festgestellt worden, dass der Gesamtbetriebsrat nicht nach § 50 Abs. 1 BetrVG für die Ausübung des Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zur Regelung der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG i.V.m. § 3 BildschirmarbeitsVO, der Unterweisungen nach § 12 ArbSchG sowie der erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen nach § 3 Abs. 2 ArbSchG im Betrieb B originär zuständig ist. Streitgegenstand war ausdrücklich die originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats, die abgelehnt worden ist. Die gerichtliche Entscheidung hat die hier streitgegenständlichen Regelungen betroffen, da es gerade um die Zuständigkeit der Einigungsstelle ging, die den streitigen Teilspruch vom 17. Dezember 2008 erlassen hat.

c) Soweit der Gesamtbetriebsrat Rechte des Betriebsrats B kraft Auftrags wahrgenommen hat, hat er keine eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Rechte wahrgenommen.

aa) Im Anwendungsbereich des § 50 Abs. 2 BetrVG ist Rechtsinhaber stets der Einzelbetriebsrat, da er Träger des Mitbestimmungsrechts bleibt (vgl. BAG 27. Juni 2000 – 1 ABR 31/99 – Rn. 13, zitiert nach Juris, Hessisches LAG 14. Januar 2010 – 5 TaBV 121/09 – Seite 5 n.v.).

bb) Überträgt der Einzelbetriebsrat dem Gesamtbetriebsrat die Prozessführungsbefugnis, kann dieser im Sinne einer gewillkürten Prozessstandschaft die Rechte im eigenen Namen geltend machen. Deshalb ist er auch in einer eigenen Rechtsposition betroffen und daher zu beteiligen (vgl. BAG 27. Juni 2000 – 1 ABR 31/99 – Rn. 11, zitiert nach Juris). Im Streitfall fehlt es indessen an einer Übertragung der Prozessführungsbefugnis. Der Prozessbevollmächtigte des Gesamtbetriebsrats hat auf gerichtliche Nachfrage ausdrücklich bestätigt, dass der beauftragende Betriebsrat keinen entsprechenden Beschluss gefasst hat. Die Ermächtigung wird auch nicht von der Beauftragung zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung im Rahmen einer Einigungsstelle umfasst. Da der Gesamtbetriebsrat im Regelfall gehalten ist, im Namen des beauftragenden Betriebsrats zu handeln, müssen für die Annahme, dass er im Prozess ausnahmsweise im eigenen Namen auftreten darf, deutliche Anhaltspunkte vorliegen. Zudem handelt es sich bei der Prozessstandschaft um ein Institut des Prozessrechts. Eine Prozesshandlung wird aber von materiell- rechtlichen Willenserklärungen nicht ohne weiteres umfasst. Eine Ermächtigung lässt sich ferner nicht aus der Tatsache herleiten, dass der Einzelbetriebsrat dem gerichtlichen Auftreten des Gesamtbetriebsrats nicht widersprochen hat. Abgesehen davon, dass dem Schweigen regelmäßig kein Erklärungswert beizumessen ist, steht einer derartigen Annahme die Erforderlichkeit eines Beschlusses des Betriebsrats gem. § 50 Abs. 1 S. 1 BetrVG entgegen. Eine Beschlussfassung des Gremiums durch Unterlassen ist nicht möglich (vgl. zum vorstehenden Hessisches LAG 28. Januar 2010 – 5 TaBV 121/09 – Seite 7, 8 n.v.).

II.

In der Sache hat die Beschwerde des Betriebsrats keinen Erfolg. Der Beschluss des Arbeitsgerichts ist nicht abzuändern, da der Feststellungsantrag zulässig und begründet ist.

1. Durchgreifende prozessuale Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrages bestehen nicht.

a) Der Gesamtbetriebsrat der im Rahmen seiner Auftragszuständigkeit nach § 50 Abs. 2 BetrVG Betriebsvereinbarungen abschließt, handelt rechtlich als Vertreter der beauftragenden Einzelbetriebsräte und schließt (Einzel-) Betriebsvereinbarungen, die auch wie solche zu behandeln sind (vgl. GK – Kreutz BetrVG, § 50, Rn. 69). Vor diesem Hintergrund ergibt sich zwanglos, dass der Feststellungsantrag nur die Betriebsvereinbarung zwischen der Arbeitgeberin und dem Betriebsrats des Betriebes in B betrifft.

b) Der Betriebsrat hat zutreffend den - auch sonst zulässigen - Feststellungsantrag gestellt, dass der Teilspruch der Einigungsstelle vom 17. Dezember 2008 unwirksam ist. Der Antrag ist auf das Nichtbestehen eines betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsverhältnisses zwischen der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat gerichtet. Eine gerichtliche Entscheidung nach § 76 Abs. 5 S. 4 BetrVG hat nur feststellende und nicht rechtsgestaltende Wirkung (vgl. BAG 19. Februar 2002 – 1 ABR 20/01 - Rn. 37, zitiert nach Juris). Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse an der Feststellung besteht, soweit und solange ihm ein betriebsverfassungsrechtlicher Grund zugrunde liegt und fortbesteht (vgl. BAG 19. Februar 2002 – 1 ABR 20/01 - Rn. 38, zitiert nach Juris). Die Rechtsfrage, ob der Teilspruch der Einigungsstelle eine wirksame Regelung darstellt, ist für den Betriebsrat nach wie vor von Interesse, da der den Konflikt auslösende Vorgang nicht aufgrund veränderter tatsächlicher Umstände gegenstandslos geworden ist.

2. Der Feststellungsantrag ist begründet. Der Teilspruch der Einigungsstelle ist aus rechtlichen Gründen unwirksam. Das Beschwerdegericht macht sich die zutreffende Begründung des Arbeitsgerichts zu Eigen. Mit seiner Beschwerde hat der Betriebsrat keine Rechtsfehler aufzuzeigen vermocht, die eine andere Beurteilung rechtfertigenden. Im Einzelnen gilt Folgendes:

a) Die Einigungsstelle ist für die Ausgestaltung der Unterweisung nach § 12 ArbSchG zuständig, da der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG hat. Mitbestimmte Regelungsgegenstände sind die Festlegung der Unterweisungsinhalte und –methoden für die jeweiligen Arbeitsplätze und Aufgabenbereiche, die Anlässe für die Unterweisungen der Beschäftigten sowie die Festlegung der Zeiträume für Wiederholungsunterweisungen (vgl dazu BAG 08.06.2004 – 1 ABR 4/03 – Rn 56 zitiert nach Juris; BAG 08.06.2003 – 1 ABR 13/03 - Rn 52 zitiert nach Juris).

b) Die Betriebsvereinbarung über die Unterweisung nach § 12 Abs. 1 ArbSchG ist unwirksam, weil sie gegen die §§ 5, 12 ArbSchG verstößt. Die Einigungsstelle hat außer Acht gelassen, dass eine „ausreichende und angemessene Unterweisung“ nur erfolgen kann, wenn ihr eine Gefährdungsbeurteilung und deren Dokumentation vorausgegangen sind. Die dagegen gerichteten Einwände des Betriebsrats mögen allenfalls für die Grundunterweisung nach § 3.2. der Betriebsvereinbarung berechtigt sein. Mit der gesetzgeberischen Konzeption der aufgabenbezogenen Unterweisung sind sie aber keinesfalls in Einklang zu bringen. Für sie ist eine vorherige Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung unabdingbar (vgl. LAG Berlin – Brandenburg 19.02.2009 – 1 TaBV 1871/08 -; Hess LAG 17.06.2010 – 9 TaBV 247/09 -; LAG Düsseldorf 22.06.2010 – 16 TaBV 11/10 -). Dies ergibt sich insbesondere aus dem Zweck und der Systematik des Gesetzes. Der Zweck des § 5 ArbSchG liegt unter anderem darin, die Entscheidungsträger zu einem systematischen Vorgehen anzuhalten (so BAG 12.8.2008 – 9 AZR 1117/06 – Rn 26 zitiert nach Juris). Was im Sinne des § 3 Abs. 1 ArbSchG erforderlich ist, zeigt die Gefährdungsbeurteilung, deren Ziel es nach § 5 Abs. 1 ArbSchG ist zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes geboten sind. Darauf aufbauend erfolgt die aufgabenbezogene Unterweisung. Sie muss gemäß § 12 Abs. 1 Satz 4 ArbSchG an die Gefährdungsentwicklung angepasst sein, setzt also ebenfalls eine Gefährdungsbeurteilung voraus (so ausdrücklich BAG 12.08.2008 – 9 AZR 1117/06 – Rn 26, zitiert nach Juris). Die Gefährdungsermittlung ist mithin ein zentrales Element des technischen Arbeitsschutzes. Mit ihr fängt der Schutz der Gesundheit als der körperlichen und geistig-psychischen Integrität des Arbeitnehmers an. Je genauer und wirklichkeitsnäher die Gefährdungen im Betrieb ermittelt und beurteilt werden, desto zielsicherer können konkrete Maßnahmen des Arbeitsschutzes getroffen werden (vgl BAG 12.8.2008 – 9 AZR 1117/06 – Rn 23, zit. nach Juris). Infolge dessen sind die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung nach der gesetzgeberischen Konzeption des technischen Arbeitsschutzes Grundlage der Unterweisung. Ihr Inhalt hängt entscheidend von der konkreten Gefährdungssituation der Beschäftigten ab und ist Voraussetzung dafür, dass die Beschäftigten eine Gesundheitsgefährdung oder Unfallgefahren erkennen und entsprechend den vorgesehenen Maßnahmen auch handeln können. Die Unterweisung ist ein wichtiges Instrument und bezweckt, Beschäftigte in den Stand zu versetzen, Arbeitsschutzanordnungen richtig zu erfassen und sich sicherheitsgerecht zu verhalten (Bundestags-Drucksache 13/3540, Seite 19). Ohne die Ergebnisse einer Gefährdungsbeurteilung ist die Unterweisung sinnlos, verfehlt ihren Zweck und bürdet dem Arbeitgeber unnötige Kosten auf (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 19.02.2009 – 1 TaBV 1871/08 - ; Hess. LAG 17.06.2010 – 9 TaBV 247/09 - ).

Dem steht nicht – wie der Betriebsrat meint – entgegen, dass es auch vor der Einführung des Arbeitsschutzgesetzes Unterweisungspflichten gab, die erfüllt werden konnten, ohne dass eine Gefährdungsbeurteilung vorlag. Nach der Drucksache 13/3540 des Deutschen Bundestages dient das Arbeitsschutzgesetz der Umsetzung der sogenannten Rahmenrichtlinie 39/391 EWG des Rates über Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes des Arbeitnehmers bei der Arbeit und damit der Verbesserung des Gesundheitsschutzes (§ 1 ArbSchG). Dieses Ziel kann nur dann erreicht werden, wenn die neu geschaffenen Instrumente auch praktische Bedeutung erlangen und die Unterrichtung nicht in der gleichen Art und Weise durchgeführt wird wie vor der Schaffung des Gesetzes (ebenso LAG München 12.10.2010 – 9 TaBV 39/10 -).

c) Die Unwirksamkeit der Regelungen zur aufgabenbezogenen Unterweisung führen zur Gesamtunwirksamkeit des Teilspruchs, weil der verbleibende Teil ohne die unwirksamen Bestimmungen keine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung mehr enthält. Dies gilt auch für Betriebsvereinbarungen, die durch den Spruch einer Einigungsstelle zustande gekommen sind (vgl. BAG 08.06.2004 – 1 ABR 4/03 – Rn 60, zitiert nach Juris). Die Regelungen zur aufgabenbezogenen Unterweisung machen den wesentlichen Teil der Unterweisung nach § 12 ArbSchG aus. Eine Grundunterweisung ohne zeitnahe aufgabenbezogene Unterweisung macht keinen Sinn. Beide bauen aufeinander auf (vgl. Landesarbeitsgericht Berlin – Brandenburg 19.02.2009 - ; Hess. Landesarbeitsgericht 17.06.2010 – 9 TaBV 247/09 -).

C.

Die Rechtsbeschwerde ist gem. §§ 72 Abs. 2 Nr. 1, 92 Abs. 1 S. 2 ArbGG zuzulassen, weil die entscheidungserhebliche Rechtsfrage der Auslegung der §§ 5,12 ArbSchG der höchstrichterlichen Klärung bedarf.