Wird die Zwangsvollstreckung gemäß § 890 ZPO aus einem Vollstreckungstitel (hier: Vergleich) betrieben, der in einem Wohnungseigentumsverfahren geschaffen worden ist, ist das besondere Berufungs- und Beschwerdegericht i.S.v. § 72 II GVG für das Beschwerdeverfahren örtlich zuständig. Dies gilt auch, wenn das Wohnugseigentumsverfahren vor dem 01.07.2007 anhängig geworden ist, solange das Vollstreckungsverfahren erst danach eingeleitet worden ist.
Das Landgericht Kassel ist örtlich unzuständig.
Das Verfahren wird an das Landgericht Frankfurt/Main als gemeinsames Berufungs-/Beschwerdegericht für Wohnungseigentumssachen abgegeben.
I. Die Beteiligten sind Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft „…“ in „…“. Mit Antragsschrift vom 27.12.2006 (Bl. 1 ff. I d.A.), die tags darauf bei Gericht eingegangen ist, strebte die Beschwerdeführerin – sinngemäß – die Verpflichtung der Beschwerdegegnerin an, zur Vermeidung von Schallübertragung den Trittschallschutz sach- und fachgerecht herzustellen und Lärmbeeinträchtigungen, die durch Trampeln, Lärmen, Toben und Schreien entstehen, zu unterlassen. Die Beteiligten legten ihren Streit durch den ihm Termin vom 04.11.2008 protokollierten Vergleich (Bl. 193 f. I d.A.) einvernehmlich bei. Die im vorliegenden Zusammenhang allein maßgebliche und unter Ziffer 2 des Vergleichs getroffene Regelung lautet wie folgt: „Die Parteien sind sich darüber einig, dass sowohl die Antragsgegnerin als auch die Antragstellerin Sorge dafür trägt, dass entsprechend der Hausordnung in der Zeit von 13.00 Uhr bis 15.00 Uhr und ab 22.00 Uhr störende Geräusche, wie Trampeln, an Heizkörper schlagen, Gegenstände mutwillig auf den Boden fallen lassen, Poltern, nicht mehr schuldhaft verursacht werden“.
Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 13.05.2009 (Bl. 1 ff. II d.A.) beantragte die Beschwerdeführerin die Androhung von Ordnungsmitteln und führte zur Begründung aus, die Beschwerdegegnerin habe mehrfach gegen die von ihr in dem Vergleich eingegangene Unterlassungsverpflichtung verstoßen. Diesem Begehren entsprach das Amtsgericht durch Beschluss vom 28.09.2009 (Bl. 87 f. d.A.).
Daraufhin hat die Beschwerdeführerin unter dem 24.09.2009 (Bl. 82 ff. II d.A.) die Festsetzung von „Zwangsgeld“ beantragt und zur Begründung auf zahlreiche in einem „Lärmprotokoll“ (Bl. 84 f. II d.A.) niedergelegte Beeinträchtigungen verwiesen. Nach persönlicher Anhörung der Beteiligten und Vernehmung mehrerer Zeugen hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 23.03.2010, auf den Bezug genommen wird (Bl. 139 ff. II d.A.), den Antrag zurückgewiesen. Gegen die ihren Verfahrensbevollmächtigten ausweislich Empfangsbekenntnis (Bl. 157 II d.A.) am 01.04.2010 zugestellte Entscheidung richtet sich das Rechtsmittel vom 15.04.2010 (Bl. 159 f. d.A.), das per Fax am selben Tag bei dem Amtsgericht eingegangen ist und mit dem die Beschwerdeführerin ihr ursprüngliches Begehren weiterverfolgt. Daraufhin hat das Amtsgericht die Verfahrensakten der Kammer vorgelegt.
Der zuständige Einzelrichter hat das Verfahren am 29.06.2010 der Kammer nach § 568 II ZPO zur Entscheidung übertragen.
II. Die Beschwerdekammer bei dem Landgericht Kassel ist für die Entscheidung über das erhobene Rechtsmittel örtlich nicht zuständig, vielmehr ist die Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt eröffnet. Dies folgt aus § 72 II GVG. Danach ist gemeinsames Berufungs- und Beschwerdegericht in Streitigkeiten nach § 43 Nr. 1 bis 4 und 6 des Wohnungseigentumsgesetzes das für den Sitz des Oberlandesgerichts zuständige Landgericht für den Bezirk des Oberlandesgerichts, in dem das Amtsgericht seinen Sitz hat.
Allerdings ist eine Streitigkeit i.S. der genannten Vorschriften nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens; denn durch den Vergleich vom 04.11.2008 hat das schon im Jahr 2006 anhängig gemachte Wohnungseigentumsverfahren sein Ende gefunden. Im hier gegebenen Zusammenhang streiten die Beteiligten vielmehr um die Zwangsvollstreckung nach § 890 ZPO; denn in dem damals geschaffenen Vollstreckungstitel hat sich die Beschwerdegegnerin verpflichtet, bestimmte Handlungen in Zukunft zu unterlassen. Maßgebend für dieses Verfahren ist - wie schon nach § 45 III WEG a. F. (dazu OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.11.2007 - 20 W 173/07 m.w.N.) - die Zivilprozessordnung. Dennoch führt dies nicht zur Zuständigkeit des Landgerichts Kassel.
Dies könnte nämlich nur dann der Fall sein, wenn dem Zwangsvollstreckungsverfahren eine besondere sachliche Nähe zu dem vorangegangenen Erkenntnisverfahren fehlte. Eine solche Sachnähe ist etwa dann zu verneinen, wenn streitbefangen die Zwangsvollstreckung durch einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ist. Selbst wenn der zugrundeliegende Vollstreckungstitel in einem Wohnungseigentumsverfahren erstritten worden ist, ist für das Rechtsmittel der Beschwerde in dieser Konstellation die Zuständigkeit des dem Amtsgericht nach § 72 I GVG übergeordneten Landgerichts eröffnet (so zutreffend OLG Karlsruhe, Beschluss vom 12.08.2008 – 15 AR 23/08).
Damit ist die hier vorliegende Fallgestaltung jedoch nicht vergleichbar. Anders als bei der Vollstreckung einer Geldforderung oder anderer vermögensrechte, die nach § 828 ZPO dem Amtsgericht als Vollstreckungsgericht zugewiesen ist, hat über die hier in Rede stehende Zwangsvollstreckung gemäß § 890 I ZPO das Prozessgericht zu entscheiden. Damit weist ein solches Vollstreckungsverfahren eine deutliche Nähe zum vorangegangenen Erkenntnisverfahren auf; denn die Zuweisung solcher Vollstreckungsverfahren an das Prozessgericht kann nur bezwecken, sich der im Vergleich zum Vollstreckungsgericht besseren Sachkunde des Prozessgerichts zu bedienen. Dies rechtfertigt es aber auch, in der hier gegebenen Fallgestaltung die Entscheidung über Beschwerden den Landgerichten zuzuweisen, denen der Gesetzgeber durch § 72 II GVG die Bearbeitung von Rechtsmitteln in wohnungseigentumsrechtlichen Erkenntnisverfahren übertragen hat (OLG Oldenburg, Beschluss vom 17.10.2008 – 5 AR 41/08 – für eine Vollstreckung nach § 827 ZPO; vgl. auch OLG Karlsruhe aaO.); denn in dem einen wie dem anderen Fall geht es darum, der durch die Konzentration der Verfahren u. a. beabsichtigten Qualitätssteigerung Geltung zu verschaffen. Damit ist für die vorliegende Fallgestaltung nicht die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Kassel sondern diejenige des Landgerichts Frankfurt eröffnet.
Dem steht letztlich nicht entgegen, dass das Wohnungseigentumsverfahren bereits im Dezember 2006 und mithin vor dem 01.07.2007 anhängig gemacht worden ist. Zwar hätte über ein Rechtsmittel im Rahmen des Erkenntnisverfahrens – noch – das Landgericht Kassel zu befinden gehabt (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.09.2007 – 20 W 325/07), das hier streitbefangene Zwangsvollstreckungsverfahren ist aber vom Erkenntnisverfahren unabhängig und stellt ein eigenständiges Verfahren dar. Maßgeblich ist deshalb nicht etwa der Zeitpunkt, zu dem das Erkenntnisverfahren anhängig gemacht worden ist, sondern der Antrag i.S. von § 890 ZPO. Dies ist hier der 25.09.2009 (vgl. Bl. 82 II d.A.) gewesen. Damit ist die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt am Main als gemeinsames Berufungs- und Beschwerdegericht i.S. von § 72 II GVG eröffnet. Daran änderte sich im Ergebnis nichts, wollte man auf den Antrag auf Androhung von Ordnungsmitteln abstellen; denn auch dieser ist nach dem 30.06.2007, nämlich am 14.05.2009, anhängig gemacht worden (Bl. 1 II d.a.).
Danach war das Verfahren an das Landgericht Frankfurt abzugeben.