OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 17.06.2010 - 20 W 194/10
Fundstelle
openJur 2012, 33200
  • Rkr:

Im Anwendungsbereich des § 20 GBO müssen dem Grundbuchamt neben der Vertretungsberechtigung der für sie Handelnden auch die Existenz und Identität einer Grundeigentum erwerbenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts in grundbuchmäßiger Form nachgewiesen sein. Für die Eintragung einer Grundeigentum erwerbenden - bereits existierenden - Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Grundbuch bedarf es mithin eindeutig die Gesellschaft als unverwechselbares Rechtsubjekt identifizierende Angaben.

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Beschwerdewert: 13.505,60 EUR.

Gründe

Der Notar hat am 18.12.2009 seine Kaufvertragsurkunde vom 23.11.2009, UR-Nr. .../2009 K, beim Grundbuchamt eingereicht mit dem Antrag auf Wahrung im Grundbuch. Ausweislich Ziffer II. dieser Urkunde haben die Beteiligten zu 1. bis 4. als Gesellschafter des bürgerlichen Rechts der „Nachname A u. a. Grundstücks-GbR“ das sich aus dem betroffenen Grundbuch ergebende Grundstück an die Beteiligten zu 2. bis 4. als Gesellschafter bürgerlichen Rechts verkauft. Unter Ziffer VI. haben die Beteiligten die Auflassung erklärt. Danach soll das Eigentum einzutragen sein auf die Beteiligten zu 2. bis 4. als Gesellschafter des bürgerlichen Rechts. Durch Zwischenverfügung vom 23.02.2010 (Bl. 6/5 f. d. A.) hat das Grundbuchamt die Vorlage des Gesellschaftsvertrages in der Form des § 29 GBO verlangt sowie eine eidesstattliche Versicherung, dass die GbR wie angegeben unverändert existiere, die Vertretungsverhältnisse unverändert bestünden, die Beteiligungen der Gesellschafter nicht an Dritte übertragen, nicht verpfändet, nicht mit Rechten Dritter belastet seien, es sich bei der im Gesellschaftsvertrag genannten Gesellschaft um die Gesellschaft handele, welche in der bezeichneten Urkunde als Erwerberin auftrete. In Erfüllung dieser Zwischenverfügung hat der Notar unter dem 29.03.2010 eine notariell beglaubigte Kopie eines Gesellschaftsvertrages vom 22.07.1999 (Bl. 6/9 ff. d. A.) überreicht, sowie eine eidesstattliche Versicherung der Beteiligten zu 2. bis 4. vom 19.03.2010 (Bl. 6/8 d. A.). Daraufhin hat das Grundbuchamt durch weitere Verfügung vom 30.03.2010 (Bl. 6/10 d. A.) darauf hingewiesen, dass ein Vergleich zwischen Auflassungsurkunde und eingereichtem Gesellschaftsvertrag ergebe, dass die Bezeichnung der Gesellschaft nicht identisch sei, was aber erforderlich sei. Überdies müssten sich aus der Auflassungsurkunde hinreichende Merkmal zur Identität der Gesellschaft ergeben, um die Gesellschaft als unverwechselbares Rechtsubjekt zu identifizieren. Ferner seien auch in der Auflassungsurkunde der Sitz der Gesellschaft und die Vertretungsverhältnisse anzugeben. Überdies sei die eidesstattliche Versicherung nicht in der Form des § 29 GBO eingereicht. Innerhalb der hierfür gesetzten Frist hat der Notar nicht reagiert.

Durch den angefochtenen Beschluss (Bl. 6/12 ff. d. A.), auf den Bezug genommen wird, hat der Rechtspfleger beim Grundbuchamt den Antrag auf Eintragung der Eigentumsumschreibung zurückgewiesen.

Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Grundstückserwerb einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nur dann möglich sei, wenn explizit eine Neugründung im Erwerbsvertrag erfolge, da der aktuelle Gesellschafterbestand einer bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht in der Form des § 29 GBO nachgewiesen werden könne. Der Meinung, dass es zum Nachweis der Vertretungsmacht ausreiche, wenn zusätzlich zu dem vorliegenden formgerechten Gesellschaftsvertrag noch von allen Gesellschaftern eine strafbewehrte notarielle eidesstattliche Versicherung abgegeben werde, wonach sich am ursprünglichen Gesellschafterbestand nichts geändert habe und sie deshalb unverändert die einzigen Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts seien, könne nicht gefolgt werden. Gegen diesen Beschluss haben die Vertragsbeteiligten mit Schriftsatz vom 14.05.2010, auf dessen Einzelheiten verwiesen wird, Beschwerde eingelegt. Der Rechtspfleger beim Grundbuchamt hat der Beschwerde ausweislich seines Beschlusses vom 19.05.2010 nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Die Beschwerde, über die nach Art. 111 Abs. 1 FGG-RG i. V. m. § 72 GBO nach der hier erfolgten Nichtabhilfeentscheidung nach § 75 GBO das Oberlandesgericht zu entscheiden hat, ist zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Der angefochtene Beschluss ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Dabei kommt es hier nicht auf die Frage an, ob der Auffassung des Grundbuchamts zu folgen wäre, wonach ein Grundstückserwerb einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nur dann möglich wäre, wenn explizit eine Neugründung im Erwerbsvertrag erfolge (vgl. dazu die Erwägungen des Senats im Beschluss vom heutigen Tage im Verfahren 20 W 195/10). Die Antragszurückweisung des Grundbuchamts stellt sich nämlich aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar. Wird ein Eintragungsantrag vom Grundbuchamt zurückgewiesen, hat sich der Senat im Beschwerdeverfahren nicht darauf zu beschränken, die Gründe des Grundbuchamts und des Beschwerdeführers nachzuprüfen. Er hat den Antrag in vollem Umfang selber zu prüfen und zu bescheiden. Ist die Begründung des Grundbuchamts unrichtig, so hat das Beschwerdegericht zu prüfen, ob dem Eintragungsantrag andere Hindernisse entgegenstehen und je nachdem zur Eintragung oder zum Erlass einer Zwischenverfügung anzuweisen oder die Beschwerde zurückzuweisen (vgl. die Nachweise bei Demharter, GBO, 27. Aufl., § 77 Rz. 17; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 14. Aufl., Rz. 509; Senat, Beschluss vom 18.05.2010, 20 W 85/10).

Letzteres ist hier der Fall. Auf die in Literatur und Rechtsprechung umstrittene Frage, ob und wie der grundbuchtaugliche Nachweis für Identität, Existenz und Vertretung der erwerbenden Gesellschaft zu erbringen ist – auf die das Grundbuchamt abgestellt hat -, kommt es hier deshalb nicht an, weil bereits die vorgelegte Urkunde ungeeignet ist, mit der für Grundbucheintragungen notwendigen Bestimmtheit die Identität der Gesellschaft, an die das Grundstück aufgelassen wird und die als Eigentümerin eingetragen werden soll, festzustellen. Dabei kann wiederum offen bleiben, ob es für die Wirksamkeit der Auflassung hier von Bedeutung ist, dass sie trotz Geltung neuen Rechts (vgl. das Gesetz zur Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Akte im Grundbuchverfahren sowie zur Änderung weiterer grundbuch-, register- und kostenrechtlicher Vorschriften - ERVGBG) in traditioneller Weise an die Gesellschafter – an Herrn Vorname B Nachname A, Frau Vorname C Nachname A und Herrn Vorname D Nachname A (= die Beteiligten zu 2. bis 4.) als Gesellschafter bürgerlichen Rechts - erklärt worden ist (vgl. dazu Lautner DNotZ 2009, 650, 657; Böhringer RPfleger 2009, 537, 540). Maßgeblich ist nämlich, dass der Zweck des Grundbuchs, auf sicherer Grundlage bestimmte und sichere Rechtsverhältnisse für unbewegliche Sachen zu schaffen, klare und eindeutige Eintragungen erfordert. Dementsprechend haben die Beteiligten auf klare und eindeutige Erklärungen auch über die Person des Berechtigten, sei es eine natürliche Person, sei es eine juristische Person oder ein rechtsfähiger Personenverband wie die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, zu achten. Im Anwendungsbereich des § 20 GBO müssen dem Grundbuchamt neben der Vertretungsberechtigung der für sie Handelnden auch die Existenz und Identität der Gesellschaft in grundbuchmäßiger Form nachgewiesen sein (vgl. die Nachweise bei OLG München DNotZ 2010, 299, zitiert nach juris). Hieran fehlt es. Das Grundstück wurde – wollte man dies so auslegen (s. o.) - aufgelassen an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, von der lediglich bekannt ist, dass sie aus den Beteiligten zu 2. bis 4. als Gesellschaftern bestehen soll. Angesichts der vorliegend konkret bestehenden Möglichkeit, dass dieselben Gesellschafter mehrere Gesellschaften bürgerlichen Rechts halten – so besteht auch die Verkäuferin (u. a.) aus den Beteiligten zu 2. bis 4. als Gesellschaftern -, reichen diese Angaben nicht aus. Notwendig wären eindeutig die Gesellschaft als unverwechselbares Rechtsubjekt identifizierende Angaben, wozu etwa Erklärungen zum Gründungsort und zum Gründungszeitpunkt, aber auch Name und Sitz gehören können. Entbehrlich mag dies sein, wenn gleichzeitig ein notarieller Gesellschaftsvertrag abgeschlossen wird. So liegt der Fall hier aber nicht. Die Beschwerde trägt ausdrücklich vor, dass eine Neugründung den Interessen der Vertragsbeteiligten widersprechen würde. Eine diesbezügliche Umdeutung scheidet mithin aus. Auch die nachträgliche Vorlage eines in der Form des § 29 GBO geschlossenen Gesellschaftsvertrages kann hieran schon grundsätzlich nichts ändern, da nicht sichergestellt werden kann, dass er die zunächst nicht näher bezeichnete Gesellschaft betrifft. Damit kann es vorliegend nicht darauf ankommen, dass die Vertragsbeteiligten nachträglich einen Gesellschaftsvertrag vom 22.07.1999 vorgelegt haben. Allerdings hat das Grundbuchamt nicht zu Unrecht darauf hingewiesen, dass die Vorlage dieses Vertrages die Identität der erwerbenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts eher erschwert, denn erleichtert. Zu Recht hat das Grundbuchamt in der Verfügung vom 30.03.2010 darauf verwiesen, dass sich in dem Gesellschaftsvertrag ein konkreter Name der erwerbenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts befindet mit Bezeichnung ihres Sitzes. Diese Angaben fehlen in der Auflassungsurkunde, auf die es aber ankommt, vollständig. Es kann mithin nicht ausgeschlossen werden, dass es sich um eine andere Gesellschaft bürgerlichen Rechts handelt; dies insbesondere vor dem Hintergrund, da – wie gesagt - auch die veräußernde Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine solche ist, die (unter anderem) aus den Beteiligten zu 2. bis 4. besteht. Auch der Verweis auf die Eintragung der Beteiligten zu 2. bis 4. im Grundbuch von O1, Blatt ----, Abt. I., ist im gegebenen Zusammenhang unzureichend; eine Vermutung nach § 899a BGB würde allenfalls für eine veräußernde Gesellschaft bürgerlichen Rechts Geltung entfalten, nicht für eine erwerbende Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die anderweitig Grundbesitz hält („…in Ansehung des eingetragenen Rechts…“; vgl. dazu auch OLG Schleswig DNotZ 2010, 296, zitiert nach juris). Dass den Beteiligten die Identität der erwerbenden Gesellschaft bekannt ist, ändert am Ergebnis nichts, da bei der Auslegung von Grundbucherklärungen außerhalb der Eintragungsbewilligung liegende Umstände nur insoweit herangezogen werden dürfen, als sie für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (vgl. im Einzelnen dazu OLG München DNotZ 2010, 299, zitiert nach juris).

Angesichts der hier nicht ganz widerspruchsfreien Angaben in Gesellschaftsvertrag und Auflassung, sowie des weiteren Umstands, dass identifizierende Angaben, wie etwa Erklärungen zum Gründungsort und zum Gründungszeitpunkt, aber auch Name und Sitz der erwerbenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts – sollte es denn diejenige des vorgelegten Gesellschaftsvertrages sein - ohne weiteres möglich gewesen wären, vermag sich der Senat der von der oben dargelegten grundsätzlich abweichenden Auffassung (vgl. etwa Weimer NZG 2010, 335; zweifelnd auch Cranshaw jurisPR-HaGesR 4/2010 Anm. 4 zu OLG München DNotZ 2010, 299) für den vorliegenden Fall nicht anzuschließen.

Da es sich hierbei um ein unbehebbares Eintragungshindernis handelt, ist der Antrag sofort zurückzuweisen (vgl. OLG München NotZ 2010, 299, zitiert nach juris, in DNotZ 2010, 299 nicht abgedruckt). Eines (nochmaligen) ausdrücklichen Hinweises auf die genannten Gesichtspunkte durch den Senat bedurfte es schon deshalb nicht, weil sich dieser bereits in der Zwischenverfügung des Grundbuchamts vom 30.03.2010 befand, auf den die Beteiligten nicht reagiert haben.

Die Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren folgt den §§ 131 Abs. 4, 30 KostO.

Gemäß § 78 GBO ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 1 dieser Vorschrift liegen vor. Die vom Senat als entscheidungserheblich erachtete Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung, wie die umfassende Diskussion im Schrifttum im Zusammenhang mit der Eintragungsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach Inkrafttreten des ERVGBG zeigt. Sie wird in Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich abgehandelt, so dass auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.