Hessisches LSG, Urteil vom 30.05.2008 - L 5 R 186/06 KN
Fundstelle
openJur 2012, 30100
  • Rkr:

1. Wird gegen monatliche Einzelansprüche auf eine Altersrente die Verrechnung mit Gegenforderungen eines dritten Sozialleistungsträgers erklärt, liegt mangels Regelung kein Verwaltungsakt vor, weil dadurch keine subjektiven Rechte des Betroffenen aufgehoben oder abgeändert werden. Durch die Erklärung der Verrechnung wird lediglich ein Gestaltungsrecht ausgeübt, indem der Zahlungsanspruch in Form der Erklärung eines Erfüllungssurrogates zum Erlöschen gebracht wird.

2. Gibt die Behörde einer solchen Verrechnungserklärung den Anschein eines Verwaltungsakts, handelt es sich um einen (nur) formalen Verwaltungsakt, der rechtswidrig ist.

3. Eine Verrechnungserklärung muss Art und Umfang der Forderung eindeutig bezeichnen. Hierzu gehört die Angabe von Rechtsgrund, Fälligkeit sowie Bestands- bzw. Rechtskraft der Gegenforderung. Ansonsten ist sie unwirksam (Anschluss an und Fortführung von BSG, Urteil vom 24. Juli 2003, Az.: B 4 RA 60/02 R).

4. Existenzsicherne Leistungen sind unverzüglich zu erbringen und dürfen nicht unbegrenzt zum Zweck der Verrechnung einbehalten werden. Dies ist bei erneuten Verrechnungen ebenso zu beachten wie das Prioritätsprinzip.

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil desSozialgerichts Gießen vom 23. Mai 2006 aufgehoben und der Bescheidvom 28. November 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.Februar 2004 sowie der Bescheid vom 25. Februar 2005 und derErgänzungsbescheid vom 14. April 2008 aufgehoben und die Bescheidevom 8. Dezember 2003 sowie 26. Februar 2004 abgeändert.

II. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die aufgrund dieserVerrechnungserklärungen von seinem mit Bescheiden vom 15. Mai 2001,8. Dezember 2003, 26. Februar 2004, 13. Oktober 2004 und 22. April2005 bewilligten monatlichen Rentenanspruch von Februar 2004 bisApril 2007 einbehaltenen Beträge i.H.v. 13.724,53 Euroauszuzahlen.

III. Die Beklagte hat dem Kläger die ihm entstandenenaußergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im Übrigen haben dieBeteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Verrechnung von Ansprüchen der Beigeladenen auf Winterbau-Umlage sowie Säumniszuschläge mit einem Anspruch des Klägers auf Regelaltersrente streitig.

Der Kläger, der 1939 geboren ist, war vom 1. April 1974 bis zum 31. Dezember 1983 Inhaber der Firma A. Spezial Tiefbau. Auf Antrag des Klägers vom 5. Februar 2001 wurde ihm durch Bescheid vom 15. Mai 2001 eine monatliche Rente in Höhe von 1.709,95 DM bewilligt, wobei die Höhe des monatlichen Rentenanspruchs 1.876,90 DM betrug, abzüglich des Beitragsanteils des Rentners zur Krankenversicherung in Höhe von 129,50 DM sowie eines Beitragsanteils des Rentners zur Pflegeversicherung in Höhe von 15,95 DM. Ferner wurden laut diesen Bescheides monatlich an die AOK 21,50 DM gezahlt, woraus sich der auszuzahlende Betrag in Höhe von 1.709,95 DM errechnete, der 874,28 € entspricht.

Mit Schreiben vom 12. September 1991 ermächtigte die Beigeladene die Beklagte, gegenüber dem Rentenanspruch des Klägers mit einer einziehbaren und nicht verjährten Forderung i.H.v. 15.469,07 DM aufzurechnen. Als Art der Forderung wurde „Winterbau-Umlage“ angegeben für den Zeitraum vom 1. März 1983 bis zum 31. Dezember 1983. Der Gesamtbetrag enthalte auch Mahngebühren sowie Säumniszuschläge und Schuldzinsen. Mit weiterem Schreiben vom 20. März 2001 erfolgte eine weitere „Ermächtigung zur Verrechnung nach § 52 SGB I“ (Bl. 312 Verw.-A.), in welcher als „Erhöhung des Verrechnungsersuchens vom 12. September 1991“ als nunmehrige Höhe der Forderung 21.760,17 DM einschließlich 13.384,98 DM Säumniszuschläge und Zinsen genannt wurden. Als Anlage (Bl. 311 Verw.-A.) wurden die Beträge im Einzelnen spezifiziert. Mit Schreiben vom 18. Oktober 2002 erfolgte eine weitere „Ermächtigung zur Verrechnung nach § 52 SGB I“, laut welcher die Forderung noch in Höhe von 47.396,55 € existiere, bestehend aus einer Forderung in Höhe von 43.063,26 €, mit der nach § 52 iVm § 51 Abs. 1 SGB I verrechnet werden sollte, sowie einer Forderung in Höhe von 4.333,29 €, mit der die Verrechnung nach § 52 iVm § 51 Abs. 2 SGB I erfolgen solle. Da das gesamte Familieneinkommen ausweislich eines Vermögensverzeichnisses vom 20. September 2000 ca. 1.891,00 € monatlich betrage, werde um nochmalige Prüfung einer Verrechnung nach § 51 Abs. 2 SGB I über die Forderung in Höhe von 4.333,29 € gebeten.

Mit Schreiben vom 5. September 2003 hörte die Beklagte den Kläger zum Verrechnungsersuchen des Landesarbeitsamtes Bayern in Höhe von 4.333,29 € dergestalt an, dass beabsichtigt sei, diesen Betrag in Raten von monatlich 453,44 € von der laufenden Rente einzubehalten. Ausgehend von einem zu berücksichtigenden Einkommen in Höhe von 1.897,92 € ergebe sich bei einem unterhaltsberechtigten Angehörigen ein für die Verrechnung zu verwendender Betrag in Höhe von monatlich 952,92 €. Die Verrechnung der Hälfte der derzeitigen monatlichen Rentenleistung in Höhe von 453,44 € liege innerhalb des festgelegten Rahmens und erfolge unter angemessener Berücksichtigung des monatlichen Einkommens sowie der haushaltsrechtlichen Vorgaben. Sollte wegen eines erhöhten eigenen Bedarfs der individuelle Sozialhilfebedarf den zugrunde gelegten pauschalen Grenzbetrag übersteigen, könne der Kläger diesen durch Vorlage einer Bescheinigung des für ihn zuständigen Sozialamtes gegenüber der Beklagten jedenfalls nachweisen.

Mit einem als „Verfügung“ überschriebenen Schriftsatz vom 15. Oktober 2003 erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger unter Bezugnahme auf das Anhörungsschreiben vom 5. September 2003, dass folgende Entscheidung ergehe:

„Der sich aus dem Verrechnungsersuchen des Landesarbeitsamtes Bayern ergebende Betrag in Höhe von 4.333,29 € wird in Raten von monatlich 453,44 € von ihrer laufenden Rente ab Februar 2004 einbehalten.“

Das Schreiben enthielt im Wesentlichen die Begründung des Anhörungsschreibens und war mit einer Rechtshilfebelehrung versehen, der zufolge gegen diesen „Bescheid“ innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden könne.

Mit weiterem als „Verfügung“ bezeichneten Schriftsatz vom 28. November 2003 nahm die Beklagte den „Verrechnungsbescheid“ vom 15. Oktober 2003 zurück und ließ ebenfalls unter Bezugnahme auf das Anhörungsschreiben vom 5. September 2003 folgende Entscheidung verlauten:

„Der sich aus dem Verrechnungsersuchen des Landesarbeitsamtes Bayern ergebende Betrag in Höhe von 4.333,29 € wird in Raten von monatlich 415,43 € von ihrer laufenden Rente ab Februar 2004 einbehalten.“

Mit Bescheid vom 8. Dezember 2003 (Anpassungsbescheid) wurde der monatliche Einzelanspruch ab 1. Februar 2004 auf 990,58 € festgesetzt, abzüglich eines Beitragsanteils des Rentners zur Krankenversicherung in Höhe von 75,28 €, sowie eines Beitragsanteils des Rentners zur Pflegeversicherung in Höhe von 8,42 €, woraus sich ein monatlicher Zahlbetrag in Höhe von 906,88 € ergebe. Der Verfügungssatz lautete:

„…Ab 1.02.2004 werden monatlich 491,45 € gezahlt….“

Im folgenden Text enthielt der Bescheid den Hinweis, dass monatlich 415,43 € von der Rente iHv 990,58 € einbehalten würden, woraus sich ein auszuzahlender Betrag von 491,45 € ergäbe.

Der hiergegen eingelegte Widerspruch vom 23. Dezember 2003 wurde seitens der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2004 zurückgewiesen.

Mit Bescheid vom 26. Februar 2004 wurde der monatliche Einzelanspruch auf Regelaltersrente auf monatlich 495,66 € festgesetzt.

Der Kläger erhob am 22. März 2004 Klage vor dem Sozialgericht Gießen, die er im Wesentlichen damit begründete, dass die pfändungsfreien Grenzen des § 850 c Abs. 4 Zivilprozessordnung (ZPO) nicht beachtet worden seien.

Mit Schreiben vom 14. Januar 2005 teilte die Beigeladene der Beklagten mit, dass irrtümlich entstandene Säumniszuschläge für die Winterbau-Umlage in Höhe von 4.025,78 € nicht mitgeteilt worden seien. Nachdem die Hauptforderung bereits verrechnet worden sei, werde unter erneuter Prüfung der Verrechnung der Säumniszuschläge in Höhe von 9.288,97 € gebeten.

Mit weiterem als „Verfügung“ bezeichneten Schriftsatz der Beklagten vom 25. Februar 2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass unter Bezugnahme auf das Anhörungsschreiben vom 3. Februar 2005 folgende Entscheidung ergehe:

„Der sich aus dem Verrechnungsersuchen Bundesagentur für Arbeit – Regionaldirektion Bayern – ergebende Betrag in Höhe von 9.288,97 € wird in Raten von monatlich 406,51 € ab Juni 2005 an ihrer laufenden Rente einbehalten.“

Auch dieses Schreiben war mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen, der zufolge gegen diesen „Bescheid“ Widerspruch bei der Bundesknappschaft LR. innerhalb eines Monats eingereicht werden könne.

Auf eine entsprechende Verfügung des Sozialgerichts hat die Beigeladene mit Schriftsatz vom 18. August 2005 die Grundlage sowie Höhe der zu verrechnenden Forderung gegenüber dem Sozialgericht dargelegt (Bl. 59 GA).

Mit Urteil vom 23. Mai 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die Verrechnung der streitgegenständlichen Beträge zu Recht erfolgt sei. Bei einem Renteneinkommen in Höhe von 919,58 € des Klägers sowie seiner Ehefrau in Höhe von 495,41 € trete mit einer Verrechnung nach § 52 iVm § 51 Abs. 2 SGB I keine Sozialhilfebedürftigkeit des Klägers ein. Die Pfändungsfreigrenzen seien nach § 850 c ZPO bei der Ermittlung von verrechnungsfähigen Beitragsansprüchen nicht zu berücksichtigen.

Gegen das am 8. Juni 2006 dem Kläger zugestellte Urteil richtet sich die am 22. Juni 2006 beim Sozialgericht Kassel eingegangene Berufung an das Hessische Landessozialgericht (HLSG).

Der Kläger vertritt im Wesentlichen die Auffassung, dass die zur Verrechnung gestellten Beträge inzwischen verjährt seien und daher nicht verrechnet werden dürften.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 23. Mai 2006 sowie die Bescheide vom 28. November 2003, den Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2004, 25. Februar 2005 und 14. April 2008 aufzuheben sowie die Bescheide vom 8. Dezember 2003 und 26. Februar 2004 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die ab Februar 2004 bis einschließlich April 2007 mit seinem monatlichen Rentenanspruch verrechneten Beträge iHv 13.724,53 € auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie schließt sich dem erstinstanzlichen Urteil an und sieht für das Berufen des Klägers auf den Ablauf von Verjährungsfristen keine rechtliche Grundlage. Die Verrechnung sei aufgrund von bindend festgestellten Beitragsforderungen erfolgt.

Auf Veranlassung des Senates hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2007 mitgeteilt, dass bis zum 31. Mai 1983 der Kläger die Winterbau-Umlage gemeldet und gezahlt habe. Nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Klägers habe die Beigeladene am 22. März 1984 die offene Umlageforderung für den Zeitraum vom 1. Juni 1983 bis 27. August 1983 einschließlich Nebenkosten in Höhe von 3.499,73 DM als bevorrechtigte Forderung gemäß § 61 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe e Konkursordnung (KO) angemeldet. Masseschuldansprüche für den Zeitraum vom 28. August 1983 bis zum 31. Dezember 1983 seien gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 3 Konkursordnung in Höhe von 5.730,94 DM ebenfalls am 22. März 1984 beim Konkursverwalter geltend gemacht worden, zuzüglich Säumniszuschlägen in Höhe von 3.673,50 DM sowie Mahngebühren in Höhe von 61,50 DM. Nach Zahlung von 706,60 DM sei eine Restforderung von 12.259,07 DM verblieben. Hinzu kämen weitere Säumniszuschläge (§ 24 SGB IV), die mit Bescheiden der Beigeladenen vom 28. Februar 1991, 5. Juli 1993, 31. Juli 1996 sowie 1. Dezember 1998 als auch 25. September 2001 in Höhe von 12.118,00 DM sowie zusätzlich Mahngebühren in Höhe von 137,10 DM festgesetzt worden seien. Nach Darstellung der Beigeladenen betrug die Forderung am 31. Dezember 2001 insgesamt 24.514,17 DM (= 12.533,90 €). Mit einem weiteren Bescheid habe die Beigeladene am 10. November 2003 Säumniszuschläge in Höhe von 1.037,24 € unter Zugrundelegung des Verzugsmonats 16. Oktober 2003 geltend gemacht sowie weitere Mahngebühren in Höhe von 153,39 €. Damit betrug nach Aussage der Beigeladenen die Forderung vom 7. Dezember 2004 30.724,53 €. Der Betrag in Höhe von 4.435,55 € sei mittels Verrechnung einbehalten und an die Beigeladene ausgezahlt worden. Der Betrag von 9.288,97 € werde aufgrund des anhängigen Rechtsstreites zur Zeit von der Beklagten einbehalten. Ein weiteres Verrechnungsersuchen des LAA Bayern vom 20. Mai 2001 in Höhe von 44.102,98 € sei vorgemerkt, werde aber mangels pfändbarer Beträge beim Kläger derzeit nicht verrechnet.

Mit am 15. April 2008 beim HLSG eingegangenen Schriftsatz übersandte die Beklagte eine weitere „Ermächtigung zur Verrechnung nach § 52 SGB I – Ergänzung/Nachtrag“ als „Ergänzung zum Verrechnungsersuchen vom 12. September 1991“ der Beigeladenen datierend vom 11. April 2008, samt einer Forderungsaufstellung der zu verrechnenden Summen. Des Weiteren erließ die Beklagte einen „Ergänzungsbescheid zu den Bescheiden vom 28. November 2003 und 25. Februar 2005 über die Verrechnung gemäß § 52 in Verbindung mit § 51 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I)“ mit Datum vom 14. April 2008.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem sich die Beteiligten mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das mit der kombinierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) und der allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) verfolgte Begehren des Klägers, den Bescheid vom 28. November 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2004 sowie die im Laufe des Klageverfahrens ergangenen Bescheide vom 25. Februar 2005 und 14. April 2008 aufzuheben, die Rentenbescheide vom 8. Dezember 2003 und 26. Februar 2004 abzuändern sowie die Beklagte zur Zahlung des Differenzbetrages zwischen dem ihr bewilligten monatlichen Einzelanspruch auf Rente für den Zeitraum ab Februar 2004 bis zur Einstellung der Verrechnung mit Ablauf des Monats April 2007 in Höhe von monatlich 415,43 € (Gesamtbetrag 13.724,53 €) auszuzahlen.

Dieses sinngemäße Begehren des Klägers hat Erfolg, da ihm gemäß dem Bescheid vom 15. Mai 2001 im Hinblick auf den monatlichen Einzelanspruch modifiziert durch Bescheid vom 8. Dezember 2003 in Höhe von 906,88 € monatlich die Auszahlung in Höhe des noch streitigen Differenzbetrages zusteht.

Die mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) angegriffenen Bescheide vom 28. November 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2004 sowie die Bescheide vom 25. Februar 2005 und zuletzt vom 14. April 2008 sind aufzuheben und die Bescheide vom 8. November 2003 und 26. Februar 2004 abzuändern. Die Verrechnungserklärung selbst ist zwar kein Verwaltungsakt, da damit keine Regelung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen wurde. Durch diese Erklärungen sind die im Bescheid vom 15. Mai 2001 festgestellten subjektiven Rechte des Klägers auf die Gewährung einer Altersrente und die hieraus resultierenden monatlichen Einzelansprüche erkennbar nicht aufgehoben oder abgeändert worden (s. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2001 - B 4 RA 50/01 R; s. auch BSG, Urteil vom 24. Juli 2003 - B 4 RA 60/02 R, SozR 4-1300 § 31 Nr. 2). Die insoweit enthaltenen Regelungen im Hinblick auf den monatlichen Einzelanspruch sind nach wie vor existent und bilden die Rechtsgrundlage für den Zahlungsanspruch des Klägers. Die Beklagte hat durch die Verrechnung lediglich den Zahlungsanspruch der Klägers in Form der Erklärung eines Erfüllungssurrogates zum Erlöschen bringen wollen, nicht jedoch das in dem bindenden Verwaltungsakt festgestellte Recht auf die monatliche Rente aufgehoben oder abgeändert. Die Wirkungen der Verrechnung ebenso wie die der Aufrechnung beurteilen sich, soweit die §§ 51, 52, 57 Abs. 2 SGB I nichts anderes vorgeben, nach den zivilrechtlichen Vorschriften der §§ 387 ff. BGB, die in diesem Rahmen auf dieser Grundlage lückenfüllend entsprechend anwendbar sind (vgl. BSG SozR 3-1200 § 52 Nr. 1 S. 5 mwN, 15, 17; BSG SozR 3-1200 § 52 Nr. 3 S. 32; s. auch BSG SozR 1200 § 51 Nr. 5 S. 9; sowie BSG SozR 1200 § 51 Nr. 8 S. 17). Bei wirksamer Ausübung eines öffentlich-rechtlichen Gestaltungsrechts bzw. einer verwaltungsrechtlichen Willenserklärung treten die Rechtsfolgen aus § 389 BGB direkt kraft Gesetzes ein, während das Recht als Rechtsgrund der Leistung solange bestehen bleibt, bis der Verwaltungsakt aufgehoben oder geändert wird oder sich auf andere Weise erledigt hat. Daher führt eine wirksame Verrechnung allein zum Erlöschen von Ansprüchen, ohne dass das im Verwaltungsakt festgesetzte Recht verändert oder sonst geregelt wird (s. BSG, Urteil vom 24. Juli 2003 - B 4 RA 60/02 R, veröffentlicht in juris, Rdnr. 17 mwN).

Auch der Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2004 ersetzt zwar den Ausgangsbescheid vom 28. November 2003, jedoch enthält dieser über die Zurückweisung des Widerspruchs hinaus keinen eigenen Regelungsinhalt, weshalb daraus alleine keine Verwaltungsaktqualität erwächst (vgl. BVerwGE 57, 158, 161). (Wie hier Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, § 35 Rdnr. 77; BVerwGE 66, 218, 221; BVerwG, Beschluss vom 11. August 2005 - B 2 B 2/05, veröffentlicht in juris; BFHE 149, 482, 483; 178, 306, 308; 182, 276).

Die in der Beklagtenakte des Weiteren befindlichen Rentenbescheide vom 8. Dezember 2003 bzw. vom 26. Februar 2004 sowie der Bescheid vom 22. April 2005 enthalten eigenständige Regelungen der Gestalt, dass durch diese Anpassungen des monatlichen Einzelanspruchs auf Rente vorgenommen wurden, gegen die sich der Kläger erkennbar nicht wehrt. Allerdings wird durch die beiden erstgenannten Bescheide ebenfalls der Eindruck erweckt, dass die um den im Rahmen der Verrechnung monatlich einbehaltenen Betrag in Höhe von 406,52 € der monatliche Rentenanspruch insgesamt reduziert werden solle.

Der Kläger wird durch den Bescheid vom 28. November 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2004 sowie den Bescheid vom 25. Februar 2005 sowie zum Teil durch die Bescheide vom 8. Dezember 2003 sowie 26. Februar 2004 beschwert, da die Beklagte mit der gewählten Überschrift „Verfügung“ bzw der Bezeichnung als „Bescheid“ sowie mit ihrem Hinweis in der Rechtsmittelbelehrung, der Bescheid könne mit dem Widerspruch angefochten werden, den Anschein vermittelte, sie treffe auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts verbindlich eine Regelung. Damit hat sie sich zwar nicht dem Inhalt, jedoch der äußeren Form nach eines sog. formellen Verwaltungsaktes bedient, durch dessen Existenz alleine der Kläger mit dem Risiko behaftet ist, dass ihm in Zukunft unter Umständen ein insoweit bestandskräftiger Verwaltungsakt entgegengehalten werden könnte, der unabhängig von der materiellen Rechtslage das Erlöschen seiner Forderung feststellt (s. BSG, Urteil vom 24. Juli 2003 - B 4 RA 60/02 R, veröffentlicht in juris, Rdnr. 23; s. auch BSG, Urteil vom 20. Dezember 2001 - B 4 RA 50/01 R, veröffentlicht in juris, Rdnr. 16; s. auch Keller in Meyer-Ladewig-Keller-Leitherer, SGG, 8. Aufl., Anhang § 54 Rdnr. 4).

Gleiches gilt für den „Ergänzungsbescheid“ der Beklagten vom 14. April 2008. Zwar enthält dieser, dem HLSG am 15. April 2008 zugegangene Schriftsatz keine Rechtsmittelbelehrung, jedoch wird auch hierdurch aufgrund der Bezeichnung als „Bescheid“ sowie der Bezugnahme der bereits genannten Formalverwaltungsakte erneut der bloße Rechtsschein eines Verwaltungsaktes ohne eigenen Regelungsgehalt gesetzt. Unter Anwendung des sinngemäß auch für bloße Formverwaltungsakte geltenden § 96 SGG ist auch dieser „Bescheid“ aus den genannten Gründen aufzuheben (BSG NZS 1998, 191; BSGE 47, 168, 170; BSGE 24, 236, 237).

Die vom Kläger sinngemäß mit der allgemeinen Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG begehrte Zahlung in Höhe von 4.435,55 € sowie 9.288,97 € hat ebenfalls Erfolg.

Insoweit kann es dahinstehen, ob die Beklagte die Pfändungsfreigrenzen nach § 52 iVm § 51 Abs. 2 SGB I rechtmäßig beachtet hat. Die Verrechnungserklärungen vom 28. November 2003 bzw. vom 25. Februar 2005 waren unwirksam, da die zur Verrechnung gestellte Forderung der Beigeladenen nicht hinreichend bestimmt bezeichnet war. So ist der Erklärung zwar die Höhe der Gegenforderung, mit der der Anspruch des Klägers verrechnet werden soll, zu entnehmen, nicht jedoch der Rechtsgrund der Forderung, ob die Forderung bestands- oder rechtskräftig festgestellt worden ist sowie für welchen Zeitraum diese entstanden ist. Nach dem objektiven Erklärungswert der Verrechnungserklärungen ist mithin nicht erkennbar, ob sich die Forderungen überhaupt deckungsgleich gegenüber gestanden haben.

Nach § 52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Die Verrechnung steht somit der Aufrechnung gleich; während jedoch bei der Aufrechnung der Leistungsträger Gläubiger der Geldforderung ist, mit der aufgerechnet wird, besteht bei der Verrechnung keine Identität von Gläubiger und Schuldner. Eine wirksame Verrechnung setzt mit Ausnahme des Erfordernisses der Gegenseitigkeit den Tatbestand der Aufrechnung voraus sowie eine Ermächtigung für den ermächtigten Leistungsträger, die Verrechnung vorzunehmen.

Im vorliegenden Fall ist bereits das Bestehen einer hinreichend substantiierten Ermächtigungserklärung fraglich, in der Art und Umfang der Forderung, mit welcher die Beklagte aufrechnen sollte, so genau bezeichnet war, dass die Beklagte als Empfängerin dieser Willenserklärung ohne Weiteres korrespondierend zu der Ermächtigung eine substantiierte Verrechnungserklärung mit der Folge abgeben konnte, dass sich gegenüberstehende Forderungen erlöschen. Zwar entsprachen noch die Ermächtigungserklärungen vom 12. September 1991 sowie 20. März 2001 diesen Anforderungen; im Schreiben vom 18. Oktober 2002 teilte die Beigeladene jedoch lediglich die Höhe der bestehenden Gegenforderung, sowie die Höhe des aktuellen Rentenbezugs des Klägers sowie seiner Ehegattin mit. Wie sich der dort genannte Forderungsbetrag iHv 43.063,26 € bzw. 4.333,29 € errechnet, wird daraus nicht ersichtlich. Voraussetzung für eine wirksame Ermächtigung ist die Mitteilung von Rechtsgrund und Entstehungszeitpunkt sowie der Fälligkeit des Anspruchs. Würde man auch mit einer nicht bestands- oder rechtskräftig festgestellten Forderung verrechnen können, wäre der Leistungsberechtigte gezwungen, sich erstmals im Verrechnungsverfahren mit einem weiteren Anspruch auseinanderzusetzen, der noch nicht feststeht und in einem anderen Sozialleistungsverhältnis begründet ist, was der Rechtsstellung des Leistungsberechtigten im Verhältnis zur Verrechnung widerspräche (BSG, Urteil vom 24. Juli 2003 - B 4 RA 60/02 R, veröffentlicht in juris, Rdnr. 27). Dass die Ermächtigung der Beigeladenen zur Verrechnung diesen Anforderungen bisher kaum genügte, zeigt der Umstand, dass diese mit Datum vom 11. April 2008 eine erneute Ermächtigung als Nachtrag und einer Forderungsaufstellung an die Beklagte sandte.

Darüber hinaus ist auch die Verrechnungserklärung der Beklagten gegenüber dem Kläger unwirksam, da nach objektiven Auslegungskriterien (vgl. § 133 BGB) für diesen nicht erkennbar war, mit welcher Forderung der Beigeladenen seine Forderung gegen die Beklagte verrechnet werden sollte. Dies hatte zur Folge, dass die noch bestehende Differenzforderung des Klägers gegen die Beklagte nicht erloschen und die Beklagte zur Zahlung dieses Betrages verpflichtet ist. Zwar ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, welchen Inhalt eine wirksame Aufrechnungs- bzw. Verrechnungserklärung haben muss, da die zur Verrechnung gestellten Forderungen jedoch nur soweit erlöschen, als sie sich decken, damit das Tilgen der jeweiligen Forderung auch im Hinblick auf die Rechtskraft (§ 141 Abs. 2 SGG) festgestellt werden kann, müssen Art und Umfang der Forderung in Erklärung eindeutig bezeichnet werden. Die Beklagte hatte jedoch mit dem streitgegenständlichen „Bescheid“ vom 28. November 2003 erklärt: Der sich aus dem Verrechnungsersuchen des Landesarbeitsamtes Bayern ergebende Betrag in Höhe von 4.333,29 € wird in Raten von monatlich 415,43 € an Ihrer laufenden Rente ab Februar 2004 einbehalten. Damit hat die Beklagte die Forderung der Beigeladenen jedoch nicht ordnungsgemäß bestimmt genug bezeichnet, so fehlen Angaben über den Rechtsgrund, die Bezugszeiten und die Fälligkeit der Forderung, ferner ist nicht angegeben, ob die Forderung bestands- bzw. rechtskräftig festgestellt worden ist (BSG, aaO, Rdnr. 30). Gleiches gilt für den „Widerspruchsbescheid“ vom 18. Februar 2004 sowie den „Bescheid“ vom 25. Februar 2005.

Entgegen der Auffassung der Beigeladenen konnte dieser Mangel der Verrechnungserklärungen auch nicht durch den nachgeschobenen „Ergänzungsbescheid“ vom 14. April 2008 geheilt werden. Es kann insofern dahinstehen, ob dieser „Bescheid“ den Anforderungen einer wirksamen Verrechnungserklärung entspricht, da jedenfalls eine rückwirkende Heilung nicht in Betracht kommt. § 41 Abs. 1 SGB X bezieht sich nur auf Verfahrens- und Formfehler nicht nichtiger Verwaltungsakte, eine analoge Anwendung bei der Nachholung konstitutiver Elemente gestaltender Willenserklärungen, die unwirksam sind, kommt nicht in Betracht. Abgesehen von den gesetzlich ausdrücklich angeordneten Fällen der schwebenden Unwirksamkeit, die hier nicht vorliegt, ist die Bestätigung eines bisher nichtigen Rechtsgeschäfts als erneute Vornahme zu beurteilen (s. § 141 Abs. 1 BGB). Eine unwirksame Aufrechnungserklärung muss nachgeholt werden, sie wird nicht nach Wegfall des Hindernisses automatisch wirksam (vgl. BGH NJW 84, 357; Grüneberg in Palandt, BGB, § 388 Rdnr. 1). Erfolgt eine wirksame Erklärung der Aufrechnung bzw. Verrechnung, erlöschen die Forderungen zwar rückwirkend mit dem Zeitpunkt, in dem sie sich aufrechenbar gegenüber standen (vgl. § 389 BGB; Seewald in KassKomm, SGB I, § 51 Rdnr. 23). Als Besonderheit des Sozialleistungsverhältnisses ist jedoch zu beachten, dass der Leistungsträger die Ansprüche des Leistungsberechtigten in angemessener Zeit zu erbringen hat (vgl. §§ 1 Abs. 2, 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I). Insbesondere Leistungen, die der Existenzsicherung dienen, sind grundsätzlich unverzüglich zu erbringen und dürfen nicht beliebig und solange „einbehalten“ werden, bis sämtliche möglichen Verrechnungsersuchen geprüft und ggf. – auf Hinweis – noch vervollständigt worden sind, sondern es sind nur solche bei Abschluss eines Rentenfeststellungsverfahrens vorliegenden substantiierten Ersuchen zu berücksichtigen und auszuführen, in denen bestehende, fällige und bestands- bzw rechtskräftige Forderungen zu Lasten des Versicherten nachgewiesen sind (BSG, Urteil vom 24. Juli 2003 - B 4 RA 60/02 R, veröffentlicht in juris, Rdnr. 33). Angesichts des Umstands, dass mit Rentenansprüchen bereits ab Februar 2004 verrechnet wurde, kann eine Verrechnungserklärung im April 2008 auf Grundlage einer Ermächtigung ebenfalls von April 2008 diesen Anforderungen nicht genügen. Die Beklagte wie die Beigeladene waren nämlich nicht gehindert, bereits zu einem früheren Zeitpunkt den Anforderungen genügende Erklärungen abzugeben; das jetzige Nachschieben einer ergänzenden Ermächtigung bzw. Verrechnungserklärung geschah demgegenüber nicht ohne schuldhaftes Zögern.

Dies gilt auch dann, wenn man die Ermächtigung zur Verrechnung vom 11. April 2008 sowie den daraufhin ergangenen „Verrechnungsbescheid“ der Beklagten nicht als Ergänzung der bis dahin streitgegenständlichen Erklärungen, sondern als neue Verrechnung ansieht. Zum einen könnte sich eine solche nur auf die künftigen Rentenansprüche des Klägers beziehen und insofern fehlt es erkennbar bereits an einer Prüfung der Pfändungsfreigrenzen gem. § 52 iVm § 51 SGB I, zum andern dürfte eine solche Verrechnung angesichts der zwischenzeitlich seitens des Krankenversicherungsträgers an die Beklagte gerichteten Verrechnungsersuchen nach dem Prioritätsprinzip erst mit erheblicher Zeitverzögerung berücksichtigt werden können (vgl. BSG SozR 3-1200 § 52 Nr. 1 S. 13; Nr. 2 S. 27 f.). Eine Abweisung der Leistungsklage wegen des Einwands eines Verstoßes gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) kommt daher nicht in Betracht, da unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung nur Leistungen, die sofort (!) zurückgegeben werden müssten, versagt werden können (dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est; vgl. dazu BGH Z 110, 33; BGH Z 94, 246; BGH Z 79, 204).

Auf die Berufung war daher das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben sowie die formellen Verwaltungsakte vom 28. November 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2004 sowie der formelle Verwaltungsakt vom 25. Februar 2005 und 14. April 2008 aufzuheben und die Bescheide vom 8. Dezember 2003 und 26. Februar 2004 abzuändern sowie die Beklagte zu verurteilen, die zwecks Verrechnung einbehaltenen Beträge an den Kläger auszuzahlen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.