SG Marburg, Beschluss vom 26.03.2008 - S 12 KA 1429/05
Fundstelle
openJur 2012, 29716
  • Rkr:

Für das Merkmal „schwierig“ i. S. d. Ziffer 2400 RVG-VV mit der Folge, dass eine Gebühr von mehr als 1,3 gefordert werden kann, kommt es nicht darauf an, welche Vorkenntnisse ein Rechtsanwalt mitbringt und ob er sich schwerpunktmäßig mit der Rechtsmaterie befasst. Es ist auf die Schwierigkeiten abzustellen, die typischerweise mit der Rechtsmaterie verbunden sind. Probleme des Vertragsarztrechtes und hier insbesondere der Ermächtigung sind als schwierige Rechtsmaterien einzustufen (Anschluss an LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 13.12.2006 – L 5 KA 5567/05 –).

Tenor

Die Erinnerung der Klägerin gegen denKostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des SozialgerichtsMarburg vom 31.07.2007 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Klägerin ist eine Kassenärztliche Vereinigung nach § 77 Abs. 1 SGB V. Der Beigeladene zu 8) ist Internist mit dem Schwerpunkt Gastroenterologie. Er ist Chefarzt der Inneren Abteilung am H-Krankenhaus, S Krankenhaus in X. Der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen hatte ihn zuletzt mit Beschluss vom 24.06.2003 befristet bis zum 30.06.2005 für verschiedene Leistungen ermächtigt. Den Widerspruch der Klägerin hatte der Beklagte mit Beschluss vom 06.04.2005 zurückgewiesen.

Am 24.02.2005 beantragte der Beigeladene zu 8) die Verlängerung seiner Ermächtigung. Die Klägerin empfahl eine Ablehnung des Antrags, da zwischenzeitlich weitere fachärztliche Internisten auch mit dem Schwerpunkt Gastroenterologie niedergelassen seien. Ein Teil der Leistungen sei in der Vergangenheit kaum erbracht worden. Die niedergelassenen Ärzte müssten endoskopische Leistungen auch in einem Mindestumfang nach den Qualitätsrichtlinien erbringen.

Der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen lehnte mit Beschluss vom 31.05.2005 den Antrag unter Hinweis auf die Stellungnahme der Klägerin ab.

Hiergegen legte der Beigeladene zu 8) am 30.06.2005 Widerspruch ein. Er trug vor, er sei der einzige Gastroenterologe im Planungsbereich mit 250.000 Einwohnern. Angesichts der Häufigkeit von Darmkrebs seien pro 100.000 Einwohner mindestens zwei Gastroenterologen erforderlich. Seit 2004 bestehe ab dem 55. Lebensjahr ein Anspruch auf Vorsorgekoloskopien. Es gebe auch keinen Vertragsarzt, der ambulante Chemotherapien durchführe. Der „Qualitätszirkel Wetterauer Internisten“ habe mit insgesamt 10 Schreiben nachdrücklich auf die Notwendigkeit seiner Ermächtigung für Endoskopie-Leistungen hingewiesen. Unabhängig davon lägen ihm über 55 Schreiben niedergelassener Kollegen vor, die sich nachdrücklich für seine weitere Ermächtigung ausgesprochen hätten. Exemplarisch reiche er fünf Schreiben ein. Ferner nahm er zum Leistungskatalog nach dem neuen EBM Stellung.

Die Klägerin trug im Widerspruchsverfahren vor, sie halte nunmehr eine Teilabhilfe hinsichtlich der chemotherapeutischen Behandlung von onkologischen Patienten für erforderlich. Für diese Patienten müsse ferner die konsiliarische Beratung und die Ganzkörperuntersuchung möglich sein.

Mit Beschluss vom 05.10.2005, ausgefertigt am 15.11. und dem Beigeladenen zu 8) zugestellt am 16.11.2005, gab der Beklagte dem Widerspruch statt. Er ermächtigte den Beigeladenen zu 8) nunmehr zu folgenden Leistungen befristet bis zum 31.12.2006:

I. 1. Konsilarische Beratung eines Vertragsarztes in der Behandlung, abzurechnen nach den EBM-Nrn. 01310 bis 01312, 01600 bis 01602, 13215, 40120 und 40122.2. Durchführung besonderer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, eingeschränkt auf die Leistungen nach den EBM-Nrn. 13400 bis 13402, 13410, 13421 bis 13423, 13430, 13431, 13662, 13663, 32112,32113 und 32122.3. Ambulante Nachbehandlung nach einer stationären Krankenhausbehandlung im Einvernehmen mit dem behandelnden Vertragsarzt, innerhalb eines Zeitraums bis zu vier Wochen nach Entlassung des Patienten.II. 1. Konsiliarische Beratung ggf. einschließlich einer Ganzkörperuntersuchung onkologischer Patienten.2. Chemotherapeutische Behandlung von onkologischen Patienten auf Überweisung niedergelassener Internisten, abzurechnen nach den EBM-Nrn. 01310 bis 01312, 02101, 02110, 02111, 02120, 02342 und 02343, sowie Laborleistungen , sofern sie im Rahmen des Überweisungsauftrages erforderlich sind.

Ferner ordnete er den Sofortvollzug der Entscheidung an. Zur Begründung führte er aus, er habe einen quantitativen wie einen qualitativen Bedarf in dem Umfang der tenorierten Entscheidung bejaht. Der Beigeladene zu 8) sei unwidersprochen der einzige Internist im Planungsgebiet, der den Schwerpunkt Gastroenterologie führe. Aus diesem Grunde habe auch der Zulassungsausschuss ihm eine bis zum Juni 2005 befristete Ermächtigung erteilt, die im Wesentlichen bereits der jetzt erteilten Ermächtigung entspreche. Der Beigeladene zu 8) habe vorgetragen, dass sich die Versorgungsverhältnisse im Planungsgebiet nicht verändert hätten. Zwar habe die Klägerin vorgetragen, es hätten sich weitere fachärztliche Internisten auch mit dem Schwerpunkt Gastroenterologie zwischenzeitlich niedergelassen, die die vom Beigeladenen zu 8) begehrten Leistungen erbringen würden, jedoch sei im Widerspruchsverfahren eine diesbezügliche Anfrage betreffend Anzahl und Leistungen niedergelassener Internisten mit dem Schwerpunkt Gastroenterologie nicht beantwortet worden, so dass dem Vortrag des Beigeladenen zu 8) zu folgen sei, dass er nach wie vor der einzige Gastroenterologe im Planungsgebiet sei. Auch habe der Beigeladene zu 8) unwidersprochen darauf hingewiesen, dass insbesondere Leistungen betreffend die ERCP mit Papillotomie, die Ösophagusvarizeneradikation (Sklerosierung und Gummibandligatur), die Argonplasmakoagulationen, die Ösophagusdilatationsbehandlung, Ösophagusstentimplantationen, die perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) und die transnasale Gastroskopie mit ultradünnen Endoskopen von niedergelassenen Vertragsärzten überhaupt nicht erbracht werden würden. Der Qualitätszirkel der Wetterauer Internisten habe mit verschiedenen Eingaben auf die Notwendigkeit der Erbringung der endoskopischen Leistungen hingewiesen und schließlich hätten 55 niedergelassene Kollegen sich für die Weiterführung der Leistungen ausgesprochen. Zu berücksichtigen sei auch, dass bei einer ausbleibenden Ermächtigung Wartezeiten über sechs bis acht Wochen sich im niedergelassenen Bereich ergeben würden. Schließlich sei auch dem Vortrag des Beigeladenen zu 8) nicht widersprochen worden, dass niedergelassene Vertragsärzte im Planungsgebiet chemotherapeutische Behandlungen von onkologischen Patienten nicht vornähmen. Daher habe die Klägerin auch diesem Teil des Antrags zugestimmt. Wegen der fehlenden Angaben seitens der Klägerin sei er jedoch abgewichen von der Übung, die Ermächtigung auf zwei Jahre auszusprechen und habe die Ermächtigungsfrist auf ein Jahr begrenzt im Einvernehmen mit dem Beigeladenen zu 8). Im Hinblick auf die vom Beigeladenen zu 8) zu erbringenden Leistungen im Rahmen seiner Ermächtigung und den damit im Zusammenhang stehenden Erkrankungen, die unter Umständen einer raschen Diagnose und Therapie zugeführt werden müssten, sowie unter Berücksichtigung dessen Vortrags, dass bei Wegfall seiner Ermächtigung Wartezeiten von mehr als sechs bis acht Wochen für die entsprechenden Untersuchungen bei den niedergelassenen Vertragsärzten zu erwarten seien, was auch von niedergelassenen Vertragsärzten bestätigt worden sei, habe der Berufungsausschuss den Sofortvollzug der Entscheidung angeordnet.

Gegen die Ermächtigung unter I. hat die Klägerin am 15.12.2005 die Klage erhoben.

Am 10.02.2006 stellte die Klägerin den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Zur Begründung trug sie vor, der Anordnung der sofortigen Vollziehung fehle die erforderliche Begründung. Es werde lediglich ein Satz angefügt, was nicht ausreiche. Eine Interessenabwägung sei nicht erkennbar. Die Belange der niedergelassenen Vertragsärzte z. B. seien in keiner Weise berücksichtigt worden. Diesen werde es erschwert, die erforderlichen Untersuchungszahlen zu erbringen. Die Versorgungssituation habe sich in den letzten zwei Jahren verändert. Es hätten sich weitere fachärztliche Internisten auch mit dem Schwerpunkt Gastroenterologie niedergelassen. Bei dem „Qualitätszirkel Wetterauer Internisten“ handele es sich überwiegend um Hausärzte, die die strittigen Leistungen nicht selbst erbringen würden. Längere Wartezeiten bestünden nach Rückfrage bei den endoskopierenden Ärzten nicht. Der Bedarf werde jeweils durch eine Praxis in FX-Stadt, NX-Stadt und BX-Stadt sichergestellt. Die Gemeinschaftspraxis in BX-Stadt habe freie Kapazitäten von ca. 120 Koloskopien im Quartal gemeldet, die Gemeinschaftspraxis in NX-Stadt von ca. 1.000 bis 1.500 Gastroskopien und 500 bis 800 Koloskopien im Quartal. Auch die Praxis in FX Stadt verfüge noch über Kapazitäten. Diese Anzahlen könnten von den genannten Praxen noch zusätzlich erbracht werden. Die weiteren Leistungen würden nur selten erbracht werden. Es handele sich um Ausnahmen, weshalb hierfür kein Bedarf bestehe.

Die Kammer wies mit Beschluss vom 31.03.2006, Az.: S 12 KA 341/06 ER den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zurück. LSG Hessen, Beschl. v. 22.06.2006, Az.: L 4 KA 42/06 ER, gab der Beschwerde der Klägerin statt und ordnete die aufschiebende Wirkung der Klage an.

Zur Begründung ihrer Klage trug die Klägerin ergänzend zu ihrem Vorbringen im einstweiligen Anordnungsverfahren vor, für die Ermächtigung unter Nr. I. bestehe weder ein quantitativer noch qualitativer Bedarf. Sämtliche Leistungen könnten von den im Planungsbereich Wetteraukreis niedergelassenen Ärzten erbracht werden. Es seien 20 fachärztlich tätige Internisten niedergelassen, davon sechs in AD. selbst. Die übrigen befänden sich z. B. in FX-Stadt, OX-Stadt, BX-Stadt und GX-Stadt und damit in zumutbarer Entfernung (4 – 16 km). Zwei fachärztlich tätige Internisten in BY-Stadt und FX-Stadt seien für die gleichen Leistungen wie der Kläger ermächtigt worden. Auf die Ermächtigungen komme es aber nicht an. Der gastroenterologische Bereich werde hauptsächlich durch die Praxen Dr. C in F, Dres. C in N und Dres. D in B sichergestellt. Sie reiche eine Tabelle ein, der entnommen werden könne, welche Praxen die übrigen Leistungen erbrächten. Die Praxis Dres. D habe freie Kapazitäten für ca. 120 Koloskopien im Quartal gemeldet, die Praxis Dres. C für 1.000 bis 1.5000 Gastroskopien und 500 bis 800 Koloskopien pro Jahr. Der Beigeladene zu 8) erbringe im Jahr ca. 777 Gastroskopien und 696 Koloskopien. Die übrigen Leistungen würden von den anderen Ärzten, aber auch von dem Beigeladenen zu 8) nur selten abgerechnet werden. Aufgrund der Seltenheit der Leistungen sei ihre Erbringung durch niedergelassene Ärzte ausreichend. Bei den Leistungen nach Nrn. 13401, 13402, 13410, 13412, 13424, 13430 und 13431 EBM 2000 plus handele es sich nicht um die Hauptleistungen, sondern um Zusatzleistungen oder nur sehr selten abgerechnete Leistungen. Der Internist Dr. E mit dem Schwerpunkt Gastroenterologie habe seine Tätigkeit zum 31.12.2005 beendet. Die Praxis Dres. F, in der Dr. E tätig gewesen sei, habe ihr mitgeteilt, dass sie in gleicher Zahl Gastroskopien und Koloskopien erbringe. Es bestehe für fachärztlich tätige Internisten bei einem Versorgungsgrad von 215 % eine Versorgungssperre. Maßgeblich komme es auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung an. Die von ihr geschilderte Versorgungssituation habe aber auch schon zuvor so bestanden. Sie habe eine Analyse der Abrechnungszahlen sowie der örtlichen Erreichbarkeit vorgenommen.

Der Beklagte verwies auf seinen angefochtenen Beschluss und den Beschluss des SG Marburg. Ergänzend führte er aus, für Anfechtungsklagen komme es auf den Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung an. Die jetzt vorgetragenen Fakten seien ihm trotz Anfrage von der Klägerin seinerzeit nicht mitgeteilt worden. Das Nachschieben von Gründen sei unzulässig. Aus den Unterlagen ließe sich nicht erkennen, dass er die Versorgungslage unzutreffend dargestellt habe. Das Votum von drei Praxen, die die strittigen Leistungen erbrächten, müsse mit größerer Zurückhaltung gewertet werden als die Auffassung der großen Zahl der niedergelassenen Ärzte.

Der Beigeladene zu 8) trug vor, keiner der sechs genannten Internisten in AD. führe Koloskopien durch. Drei von ihnen seien Kardiologen, einer Nephrologe und einer Pneumologe. Weitere Ermächtigungen seien nicht zu berücksichtigen. Die Ermittlung des Sachverhalts dürfe sich nicht auf die Befragung der niedergelassenen Ärzte beschränken. Die Praxis Dres. F befinde sich im 43 km entfernten G-Stadt. Sie betreue eine größere Belegabteilung Für Dr. E fehle es noch an einem Nachfolger. Die Praxis G befinde sich im 23 km entfernten M-Stadt. Der Beigeladene zu 8) habe festgestellt, dass die Leistungen nach Nrn. 13401, 13402, 13410, 13412, 13424, 13430 und 13431 EBM 2000 plus von den niedergelassenen Ärzten nicht erbracht werden. Die Nr. 13424 entspreche der alten Nr. 775, die nicht im Ermächtigungskatalog enthalten sei. Die Nr. 13412 sei neu. Deshalb seien diese Leistungen nicht aufgenommen worden, obwohl sie vom Beigeladenen zu 8) erbracht werden. Bronchoskopien (Nr. 13662) seien zwar selten, erbringe er aber. Der Lungenfacharzt Dr. SW. in der AD.er Gemeinschaftspraxis habe mehrfach darauf hingewiesen, dass er Patienten, bei denen eine Bronchoskopie durchzuführen wäre, nach FX-Stadt überweise. Die Nrn. 13401 ff. EBM 2000 plus seien medizinisch von Bedeutung. Es sei bedenklich, die Nr. 13400 EBM 2000 plus zu erbringen ohne die Zuschlagsnummern und die Nr. für die Bougierung und für die PEG. Er habe die als selten gerügten Leistungen auch häufiger erbracht, nicht jedoch abgerechnet. Wegen des verspäten Vorbringens seien der Klägerin in jedem Fall die Verfahrenskosten aufzuerlegen.

Die übrigen Beigeladenen äußerten sich schriftsätzlich zum Verfahren nicht.

In der mündlichen Verhandlung am 11.10.2006 schlossen die Beteiligten vor der Kammer folgenden Vergleich:

1. Der Beigeladene zu 8) ist berechtigt, insgesamt 120 Fälle aufgrund der Ermächtigung unter I. des angefochtenen Beschlusses vom 05.10.2005 von heute an bis Ende Dezember 2006 abzurechnen.2. Die Klägerin verpflichtet sich, die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 8) für das Widerspruchsverfahren zu erstatten. Der Beklagte trägt ¼ der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 8) für das Klageverfahren. 3. Die Beteiligten erklären den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt.4. Der Beklagte und die Klägerin tragen jeweils die Hälfte der Gerichtskosten.

Mit Beschluss vom 11.10.2006 setzte die Kammer den Streitwert auf 56.000,00 € fest.

Mit Beschluss vom 31.07.2007 setzte der Urkundsbeamte des Sozialgerichts Marburg die von der Klägerin dem Beilgeladenen zu 8) zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf 1.225,31 € fest. Der Beschluss geht für die Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG von einer Erhöhung des Faktors von 1,3 auf 1,8 aus und verweist insofern auf die Begründung des Bevollmächtigten des Beigeladenen zu 8) im Antrag vom 15.11.2006. Darin hat dieser auf den Umfang des Widerspruchverfahrens und insbesondere darauf, dass eine Verhandlung am 27.09.2005 in FA. stattgefunden habe, hingewiesen, weshalb ein Gebührensatz von 1,8 angemessen sei. Im Beschluss heißt es weiter, mit der Gebühr werde die Wahrnehmung der Verhandlung vor dem Berufungsausschuss am 27.09.2005 in FA. abgegolten und keine besondere Terminsgebühr – wie in einem Klageverfahren – in Anspruch genommen. Sie sei auch nicht als unbillig anzusehen, da eine mündliche Verhandlung im Widerspruchsverfahren in der Regel nicht abgehalten und somit nicht als Kriterium einer „umfangreichen“ anwaltlichen Tätigkeit nach § 14 RVG herangezogen werden könne. Auf Berichtigungsantrag des Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen zu 8 setzte der Urkundsbeamte den Erstattungsbetrag auf 1.255,31 € fest mit Berichtigungsbeschluss vom 17.10.2007.

Die Klägerin legte gegen den Beschluss vom 31.07.2007 am 14.09.2007 Erinnerung ein, mit der sie sich gegen eine 1,8 Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG wandte. Zur Begründung führte sie aus, sie vertrete in Übereinstimmung mit dem Beklagten die Auffassung, dass die Tätigkeit des Rechtsanwalts in diesem Verfahren im Vergleich zu gleich gelagerten, anderen Verfahren vor den Zulassungsgremien weder umfangreich noch schwierig gewesen sei. Zu Unrecht unterstelle die angefochtene Entscheidung, dass eine mündliche Verhandlung im Widerspruchsverfahren in der Regel nicht abgehalten werde. Das Gegenteil sei in Verfahren vor dem Berufungsausschuss der Fall. Nahezu alle Widersprüche würden in mündlicher Verhandlung vor dem Berufungsausschuss verhandelt werden. Es sei daher unzulässig, diesen Umstand als Kriterium für eine „umfangreiche“ anwaltliche Tätigkeit heranzuziehen. Eine gesonderte Terminsgebühr sehe Nr. 2400 VV RVG anders als die Vorgängerregelung in § 18 BRAGO gerade nicht mehr vor. Für eine Festsetzung einer den 1,3-fachen Satz übersteigenden Geschäftsgebühr lägen auch deshalb keinerlei Anhaltspunkte vor, weil Gegenstand des Verfahrens die Erneuerung einer Ermächtigung für einen Krankhausarzt gewesen sei. Da eine Ermächtigung neben der hauptamtlichen, stationären Tätigkeit des Krankenhausarztes ausgeübt werde, mit der dieser üblicherweise seinen Lebensunterhalt bestreite, sei beim Streitgegenstand auch nicht von einer besonders hohen wirtschaftlichen Bedeutung der Angelegenheit des Widerspruchsführers auszugehen. Das Verfahren selbst unterschiede sich nicht von vergleichbaren Fällen dieser Art. Vor dem Berufungsausschuss gebe es eine Vielzahl solcher Fälle. Es handele sich um eine Routineangelegenheit. Es seien nur die notwendigen Aufwendungen zu erstatten nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X. In Anbetracht der zunehmenden Spezialisierung der Anwaltschaft müsse die entsprechende Qualifikation bei der Bewertung des Schwierigkeitsgrades der Angelegenheit angemessen berücksichtigt werden. In einer Mehrzahl der bei dem Beklagten mandatierten Rechtsanwälte handele es sich um Rechtsanwälte, die sich auf das Vertragsarztrecht spezialisiert hätten. Insofern könne nicht unterstellt werden, dass ein dieses Rechtsgebiet betreffendes Verwaltungsverfahren per se als schwierig einzustufen sei. Das Verwaltungsgericht PI. habe entschieden, dass baurechtliche Angelegenheiten nicht in jeden Fall als „schwierig“ anzusehen seien. Dies müsse auch für das Vertragsarztrecht gelten. Auch das Sozialgericht Marburg habe mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16.10.2007 –S 12 KA 32/06- die Geschäftsgebühr von 2,0 auf 1,3 reduziert. Außerdem werde auf § 14 Abs. 1 verwiesen, der nicht nur bei der Bemessung von Rahmengebühren unter anderem auf die Bedeutung der Angelegenheiten abstelle, sondern auch regele, dass Erstattungspflichtige Dritte durchaus die Möglichkeit hätten, den Gebührenansatz des Rechtsanwalt kritisch zu hinterfragen.

Die Klägerin und Erinnerungsführerin beantragt,

den Beschluss des Urkundsbeamten des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 31.07.2007 insoweit abzuändern, als darin eine 1,8-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV/ RVG als Erstattungsfähig festgesetzt wird, und diese Geschäftsgebühr auf den 1,3-fachen Satz festzusetzen.

Der Beigeladene zu 8) und Erinnerungsgegner beantragt,

die Erinnerung zurückzuweisen.

Er trägt vor, die Geschäftsgebühr bemesse sich in einem Rahmen von 0,5 bis 2,5. Eine Gebühr von mehr als 1,3-fach könne gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig gewesen sei oder die Angelegenheit eine besondere Bedeutung für den Auftraggeber habe. Davon könne ausgegangen werden. Die Angelegenheit sei für den Beigeladenen zu 8) von besonderer Bedeutung gewesen. Selbst wenn die zu erzielenden Einkünfte nicht von einer „besonderen wirtschaftlichen Bedeutung“ seien, dürfe nicht verkannt werden, dass über eine Ambulanz Kontakt zu Patienten geknüpft werde, die als potentielle stationäre Patienten in Frage kämen. Es handele sich nicht um eine Routineangelegenheit. Jeder Verlängerungsantrag begründe eine neue Bedürfnisprüfung. Auch der Umstand, dass eine Verhandlung stattgefunden habe, erhöhe die Geschäftsgebühr. Die Vorbereitung der Verhandlung und der Termin, was mehrere Stunden in Anspruch genommen habe, und der Terminsbericht seien zusätzliche Arbeiten. Nach der BRAGO hätte der Rechtsanwalt im vorliegenden Fall mindestens eine 10/10 Geschäftsgebühr und eine 7,5/10 Besprechungsgebühr erhalten. Der Rechtsanwalt solle nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nicht schlechter gestellt werden als nach der BRAGO. Spezialkenntnisse könnten sich durchaus auf die Höhe einer Rahmengebühr auswirken. Er weise weiter auf eine Entscheidung des Sozialgerichts Aachen, MedR 2007, 626 hin, in der in einem vertragsarztzulassungsrechtlichen Neubescheidungsverfahren eine 2,0 Geschäftsgebühr anerkannt werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen.

II.

Streitig ist zwischen den Beteiligten lediglich die Frage, welche Geschäftsgebühr anzusetzen ist.

Die Höhe der Vergütung bestimmt sich gem. § 2 Abs. 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz. Nach Ziffer 2400 RVG-VV entsteht die Geschäftsgebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information und die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags. Sie ist im Rahmen von 0,5 bis 2,5 anzusetzen. Eine Gebühr von mehr als 1,3 kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.

Wie der Gebrauch des Ausdrucks "oder" nahe legt, müssen diese Voraussetzungen nicht kumulativ vorliegen, es reicht, wenn sie alternativ gegeben sind, d. h. wenn eine Sache entweder umfangreich oder schwierig war. Ob die Sache hier als umfangreich bezeichnet werden kann, kann dahingestellt bleiben. Denn die Sache ist in jedem Fall als schwierig einzustufen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann aber auch hinsichtlich des Umfangs der Tätigkeit nicht darauf abgestellt werden, wie die Verwaltungspraxis des Berufungsausschusses ist. Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz gilt insofern für jegliche Art von Verwaltungsverfahren, insbesondere Widerspruchsverfahren. Maßstab für den Umfang ist daher die Summe aller Verwaltungsverfahren. In Verwaltungsverfahren ist es aber nicht üblich, auch nicht in Widerspruchsverfahren, dass eine mündliche Verhandlung vor der Behörde stattfindet. Bereits von daher war das Widerspruchsverfahren eher als umfangreich anzusehen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es für die Bewertung als schwierig nicht darauf an, welche Vorkenntnisse ein Rechtsanwalt mitbringt und ob er sich schwerpunktmäßig mit der Rechtsmaterie befasst. Für einen hoch spezialisierten Rechtsanwalt werden regelmäßig Probleme aus dem Rechtsgebiet, auf das er sich spezialisiert hat, innerhalb kürzerer Zeit und unter gezieltem Zugriff auf die heranzuziehenden Rechtsquellen zu lösen sein als für einen Anwalt, der sich mit der Materie bisher noch nicht eingehend beschäftigt hat. Der vom Beklagten geforderten konkreten Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der diesbezüglich relevanten Umstände vermag die Kammer nicht zu folgen. Diese Auffassung hätte zur Folge, dass stets im Einzelfall geprüft werden müsste, welche Rechtskenntnisse ein Anwalt hat, eine Aufgabe, die im Gerichts- und Verwaltungsalltag nicht zu leisten wäre. Eine weitere nicht akzeptable Konsequenz wäre, dass ein Rechtsanwalt mit nur geringen Kenntnissen regelmäßig einen höheren Vergütungsanspruch hätte als ein Anwalt mit sehr guten Rechtskenntnissen, der unbedarfte Anwalt also eine höhere Vergütung erhielte als der qualifizierte. Es ist deshalb nicht auf die konkreten Vorkenntnisse des Anwaltes abzustellen, sondern auf die Schwierigkeiten, die typischerweise mit der Rechtsmaterie verbunden sind. Rechtsgebiete, die eine lange Einarbeitungszeit und eine Auseinandersetzung mit komplexen, vom Gesetzgeber in verschiedenen Rechtsvorschriften geregelten Materien verlangen, sind somit als schwerer einzustufen, als die Rechtsstreitigkeiten, deren Kenntnis der Jurist bereits in der Ausbildung erworben hat (so LSG Baden-Württemberg vom 13.12.2006, Az.: L 5 KA 5567/05, juris; s. a. SG Aachen v. 15.12.2005, Az.: S 7 KA 9/05, MedR 2007, 626, zitiert nach juris, Rdnr. 17; Hartmann, Kostengesetze, 36. Auflage, 2300 VV, Rdnr. 29 und 36).

Bei Anwendung dieser Maßstäbe ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Probleme des Vertragsarztrechts als schwierige Rechtsmaterien einzustufen sind. Dies gilt auch für Zulassungsstreitigkeiten und Fragen einer Ermächtigung. Ein Rechtsanwalt muss nicht nur die Systematik des § 116 SGB V bzw. der §§ 31 und 31a Ärzte-ZV im Verhältnis zum vertragsärztlichen Zulassungssystem nach § 95 SGB V, sondern er muss auch die hierzu z. T. im Detail ergangene Rechtssprechung des Bundessozialgerichts und der Sozialgerichte kennen, da aus dem Normtext allein die Voraussetzungen nicht ohne weiters ersichtlich sind. Hinzu kommt, dass die Bedürfnisprüfung im Regelfall eine umfangreiche Tatsachenwürdigung voraussetzt. Die Schwierigkeit des Falles zeigt nicht zuletzt der Verfahrensablauf. Nach Ablehnung einer Ermächtigung in Abweichung von der vorangehenden Verwaltungspraxis hat die Klägerin selbst auf Widerspruch des Beigeladenen zu 8) eine Teilabhilfe angeregt. Der Beklagte hat daraufhin eine Ermächtigung für verschiedene Einzelleistungen ausgesprochen, wogegen wiederum die Klägerin die Klage erhoben hat. Erst vor der Kammer wiederum wurde ein Vergleich geschlossen, der von den Ausgangsbescheiden abweicht.

Soweit das BSG mit Urteil vom 17.10.2007, Az.: B 6 KA 4/07 R, die Revision gegen die genannte Entscheidung des LSG Baden-Württemberg zurückgewiesen hat, war im Revisionsverfahren die vom LSG entschiedene Frage der Anwaltsvergütung hinsichtlich der Nr. 2400 VV RVG nicht Verfahrensgegenstand. Aus verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zu Fragen des Baurechts vermochte die Kammer keine Rechtserkenntnis für das vorliegende Verfahren zu ziehen. Bei dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Marburg vom 16.10.2007 – S 12 KA 32/06- handelt es sich um eine Festsetzung des Urkundsbeamten, an die die Kammer nicht gebunden ist.

Nach allem war die Erinnerung zurückzuweisen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 197 Abs. 2 SGG).