LG Frankfurt am Main, Urteil vom 02.01.2008 - 3-08 O 143/07, 3-8 O 143/07, 3-8 O 143/07, 3-08 O 143/07
Fundstelle
openJur 2012, 29497
  • Rkr:
Tenor

Die einstweilige Verfügung vom 5.10.2007 wird bestätigt.

Die Antragsgegnerin hat die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Antragsteller ist ein Interessenverband des Video- und Medienfachhandels, dem mehr als 1.400 Videothekare angeschlossen sind.

Der Antragsteller stellte am 06.08.2007 fest, dass die Antragsgegnerin auf der Website ... Werbung für die von ihr vertriebene DSL-Flatrate mittels eines Werbebanners schaltete. Bei der Website handelte es sich um eine sog. illegale Tauschbörse, auf der nahezu ausschließlich Raubkopien sowie jugendgefährdende Medien zum Herunterladen angeboten wurden. Mit Schreiben vom 10.08.2007 (Bl. 31 – 33 d.A.) forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin auf,

"a) sämtliche Ihr Unternehmen betreffende Werbung – insbesondere die Einblendung von Fly-in Layer-Ads – auf der Website ... sowie auf Websites, die ein entsprechendes oder ähnliches Angebot zur Verfügung stellen, einzustellen bzw. sicherzustellen, dass ihr Unternehmen betreffende Werbung dort nicht mehr erscheint,

b) es zukünftig zu unterlassen, auf der Website ... oder auf Websites, die ein entsprechendes oder ähnliches Angebot zur Verfügung stellen, Werbung jedweden Inhaltes und in jedweder Form für Ihr Unternehmen zu schalten bzw. dort einbinden zu lassen."

Mit Schreiben vom 22.08.2007 bedankte die Antragsgegnerin für den Hinweis und teilte mit, dass sie die Werbung unverzüglich unterbunden habe. Außerdem heißt es in diesem Schreiben wörtlich:

"Darüber hinaus ist das System unserer Internetwerbung in der vertraglichen Ausgestaltung und Umsetzung darauf ausgelegt, dass Werbung auf einer Seite wie ... nicht erscheint."

Der Antragsteller stellte am 19.09.2007 fest, dass die Antragsgegnerin auf einer anderen illegalen Tauschbörse ... über einen Werbebanner Reklame für sich und ihre Produkte veröffentlichte (Bl. 34 – 39 d.A.).

Die Website "..." ermöglichte das Herunterladen von tausenden von Kinofilmen, TV-Serien und sonstigen Video- und Medieninhalten. Die auf der Website ... erhältlichen Video-Inhalte sind fast ausnahmslos Raubkopien, d.h. solche Filmversionen, an denen der Betreiber der Website keine Rechte hat.

Darüber hinaus werden für jedermann zugänglich auf der Website Filme angeboten, die von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert wurden und solche die kraft Gesetzes als indiziert gelten (§ 15 Abs. 2 JuSchG) oder bei denen der freie Zugang strafbar ist (§§ 130, 130a, 131, 184 StGB).

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 20.09.2007 (B. 85 - 90 d.A.) forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Die Antragsgegnerin antwortete mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 27.09.2007 (Bl. 145 - 149 d.A.) und stellte die Werbung auf der Website ... ein.

Die Kammer erließ am 05.10.2007 eine einstweilige Verfügung, wegen deren Inhalts auf Bl. 93/94 d.A. verwiesen wird.

Der Antragsteller trägt vor, dass der Betreiber der Website ... nach §§ 3, 4 Nr. 11 in Verbindung mit §§ 15 Abs. 2 JuSchG, 130, 130a, 131 StGB wettbewerbswidrig handele, weil er entgegen den gesetzlichen Bestimmungen zum Jugendschutz jedermann – also auch Minderjährigen – ohne weiteres Filme zum Download anbiete, die von der BPJM indiziert seien oder kraft Gesetzes als indiziert gelten würden.

Außerdem handele der Betreiber der Website auch deshalb wettbewerbswidrig, weil er Raubkopien und Filme und TV-Serien zugänglich mache, und dadurch fremde Urheberrechte verletze.

Indem die Antragsgegnerin auf der Website ... Werbung für ihre Produkte schalte, unterstütze sie die Betreiber der Website. Die Werbung verschaffe dem Betreiber erhebliche Einnahmen, so dass der Betreiber in die Lage versetzt werde, von ihren Besuchern und Nutzern kein Entgelt zu verlangen. Sie würden Einnahmen allein aus der platzierten Werbung erzielen. Die Werbung der Antragsgegnerin sei deshalb mit ursächlich für die Existenz der Website.

Die Antragsgegnerin sei Mittäterin oder zumindest Mitstörerin. Zumindest aufgrund des Hinweises im Schreiben vom 10.08.2007 sei die Antragsgegnerin verpflichtet gewesen, ihre Werbung im Internet zu überprüfen und sicherzustellen, dass sie wettbewerbswidrig handelnde Internetbetreiber nicht mehr weiter durch Platzierung von Werbung unterstütze und den finanziellen Rahmen für das rechtswidrige Handeln biete.

Der Antragsteller beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 05.10.2007 zu bestätigen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin rügt die Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen, weil der Antragsteller umfangreich zu angeblichen Urheberrechtsverletzungen vorgetragen habe.

Der Antrag sei zu weit gefasst, weil er auch Handlungen einbeziehe, die nicht zu beanstanden seien. Denn ein Verbot von Werbung könne nur solange bestehen, als auf der Website ... Rechtsverletzungen begangen würden.

Ferner könne der Antragsteller seinen Unterlassungsanspruch nicht auf eine Störerhaftung stützen, weil der Anspruch gegen den Störer auf § 1004 BGB beruhe und kein wettbewerbsrechtlicher sei. Nach § 8 Abs. 3 UWG bestehe eine Aktivlegitimation jedoch nur, soweit wettbewerbsrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden.

Die Antragsgegnerin sei weder Mittäterin noch Störerin eines Wettbewerbsverstoßes. Es fehle insbesondere an einem adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem beanstandeten Werbeverhalten der Antragsgegnerin und den angeblichen Rechtsverletzungen auf der Website ... (Seite 5 und 6 des Schriftsatzes vom 22.11.2007 in Bl. 129 und 130 d.A.).

Sie habe auch keine rechtliche Möglichkeit gehabt, die Rechtsverletzungen auf der Website ... zu verhindern.

Sie habe auch keine zumutbaren Prüfungspflichten verletzt. Denn der Antragsteller habe die Antragsgegnerin erstmals mit Schreiben vom 20.09.2007 vom rechtswidrigen Inhalt der Website informiert. Vor diesem Zeitpunkt sei ihr der rechtswidrige Inhalt der Website nicht bekannt gewesen. Deshalb habe erst mit Schreiben vom 20.09.2007 eine Prüfungspflicht begründet werden können. Dieser sei sie umgehend nachgekommen, indem sie innerhalb der im Abmahnschreiben gesetzten Frist die Werbung eingestellt habe. Einen Verletzungsfall nach dem 27.09.2007 gebe es nicht.

Es bestehe deshalb auch keine Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig.

Insbesondere ist die Kammer für Handelssachen nach §§ 13 Abs. 1 Satz 2 UWG, 95 Abs. 1 Nr. 5 GVG zuständig.

Denn der Antragsteller stützt seinen Verfügungsanspruch nur auf § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit Vorschriften aus dem StGB und dem JuSchG. Zwar weist der Antragsteller in seiner Antragsschrift auch auf Urheberrechtsverletzungen hin, die von den Betreibern der Website ... begangen würden. Aber darauf stützt der Antragsteller seinen Unterlassungsanspruch nicht, so dass keine Urheberrechtsstreitsache (§ 104 UrhG) vorliegt, für die nur die Zivilkammer zuständig wäre.

Der Antrag ist auch nicht zu weit gefasst. Zwar ist es zutreffend, dass der Antragsgegnerin nur insoweit die Schaltung von Werbung auf der Website ... verboten werden kann, als die Website selbst wettbewerbswidrig ist, weil anderenfalls die Schaltung von Werbung auf der Website ... nicht unlauter sein kann, und dass sich diese Einschränkung nicht aus dem Antrag bzw. dem Beschlusstenor ergibt. Aber aus der Antragsschrift selbst ist zu entnehmen, dass das Unterlassungsbegehren des Antragstellers entsprechend beschränkt – solange Raubkopien und jugendgefährdende Schriften ohne Zugangsbeschränkungen herunter geladen werden können – zu verstehen ist. Dies genügt, um auf diese Weise für das Vollstreckungsverfahren klarzustellen, dass ein Verstoß gegen das Unterlassungsgebot nur gegeben ist, solange Raubkopien und jugendgefährdende Schriften ohne Zugangsbeschränkungen herunter geladen werden können (BGH NJW 2007, 2636, 2640).

Schließlich ist der Antragsteller auch nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimiert, Unterlassungsansprüche aus dem UWG geltend zu machen, soweit sich die Passivlegitimation aus § 1004 BGB ergibt. Denn die sich aus § 1004 BGB ergebende Störerhaftung führt nicht dazu, dass keine Ansprüche aus § 8 ABs. 1 UWG geltend gemacht werden. Vielmehr handelt es sich auch dann um Ansprüche aus dem UWG, wenn der Inanspruchgenommene nicht Täter, Gehilfe oder Anstifter ist, sondern nur Störer. Anderenfalls würden solche Ansprüche aus dem UWG in Verbindung mit § 1004 BGB auch nicht vor die Kammer für Handelssachen gehören, was jedoch niemand vertritt.

Der Antrag ist auch nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit §§ 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 24 Abs. 3, 27 Abs. 1 Nr. 1 JuSchG und § 1004 BGB begründet.

Denn das Zugänglichmachen indizierter jugendgefährdender, volksverhetzender und gewaltverherrlichender Filme im Wege des Herunterladens aus dem Internet ist nach dem Jugendschutzgesetz verboten und strafbar (§§ 27 Abs. 1 Nr. 1 , 15 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 JuSchG).

Indem der Betreiber der Website ... auf seiner Internetseite das Herunterladen solcher Filme ohne Altersverifikationssystem ermöglichte, handelte er zugleich unlauter im Sinne von §§ 3, 4 Nr. 11 UWG. Denn die Vorschriften aus dem Jugendschutzgesetz haben die Qualität als Marktverhaltensregelung gemäß § 4 Nr. 11 UWG, weil das Jugendschutzgesetz auch die wettbewerblichen Interessen der Verbraucher schützt (BGH Urteil vom 12.07.2007 I ZR 18/04 Tz. 35).

Die Antragsgegnerin hat diesen Wettbewerbsverstoß der Betreiber der Internetseite ... ausgenutzt, indem sie auf deren Website Werbung für ihre Angebote schaltete, und haftet deshalb als Störerin wegen des vom Betreiber der Internetseite begangenen Wettbewerbsverstoßes.

Als Störer haftet auch derjenige auf Unterlassung, der – ohne Täter oder Teilnehmer eines Wettbewerbsverstoßes zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes (hier: Jugendschutz) beigetragen hat (BGH NJW 2004, 3102, 3105 und 2007, 2636, 2639). Als Mitwirkungshandlung genügt bereits die Unterstützung oder Ausnutzung der wettbewerbswidrigen Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten. Indem die Antragsgegnerin auf der wettbewerbswidrigen Internetseite ... Werbung für ihre Angebote schalten ließ, nutzte sie die Internetseite aus. Denn der Erfolg der Werbung der Antragsgegnerin hing maßgeblich davon ab, dass auf der wettbewerbswidrigen Internetseite eine Vielzahl von Filmen herunter geladen werden konnte mit der Folge, dass viele Internetnutzer die Internetseite aufsuchten, um Filme herunter zu laden und dabei mit der Werbung der Antragsgegnerin konfrontiert wurden.

Ob die Antragsgegnerin darüber hinaus die wettbewerbswidrige Internetseite auch unterstützte, indem sie die Internetseite durch ihre bezahlte Werbung mit finanzierte, kann offen bleiben. Denn für die Störerhaftung genügt bereits das Ausnutzen einer wettbewerbswidrigen Handlung.

Allerdings erfordert die Haftung als Störer die Verletzung von Prüfungspflichten, weil vom Störer nichts Unzumutbares verlangt werden kann. Der Umfang der Prüfungspflicht richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles, wobei die Funktion und die Aufgabenstellung des als Störer in Anspruchgenommenen sowie die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat oder vornimmt, zu berücksichtigen sind (BGH NJW 2004, 2158, 2159; 3102, 3105 und 2007, 2636, 2639).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Antragsgegnerin die ihr obgelegene Prüfungspflicht verletzt, weil sie auch nach Zugang der Abmahnung vom 10.08.2007 die Werbung auf der Internetseite ... weiter aufrechterhielt.

Denn auch dann, wenn die Antragsgegnerin beim erstmaligen Schalten der Werbung keine Prüfungspflicht verletzt haben sollte, kann eine Störerhaftung dennoch begründet sein, wenn eine Werbung aufrechterhalten bleibt, obwohl eine nunmehr zumutbare Prüfung, insbesondere nach einer Abmahnung ergeben hätte, dass sie mit ihrer Werbung im Internet wettbewerbswidriges Verhalten ausnutzt (BGH NJW 2004, 2158, 2160).

Spätestens nach Zugang der Abmahnung vom 10.08.2007 bestand für die Antragsgegnerin Anlass zur Überprüfung, ob sie auf Internetseiten wirbt, von denen jugendgefährdende Filme kostenlos ohne Altersverifikationssystem herunter geladen werden können. Denn in der Abmahnung vom 10.08.2007 ging es um Wettbewerbsverstöße, die mit den vorliegenden identisch waren. Der einzige Unterschied besteht darin, dass eine andere Internetseite betroffen ist. Deshalb hätte die Antragsgegnerin überprüfen müssen, ob sie auf anderen wettbewerbswidrigen Internetseiten, auf denen jugendgefährdende Filme ohne Altersverifikationssystem frei zugänglich gemacht werden, Werbung platzierte. Eine solche Überprüfungspflicht räumte die Antragsgegnerin im Übrigen selbst im Schreiben vom 22.08.2007 ein, in dem es heißt, dass ihr System der Internetwerbung in der vertraglichen Ausgestaltung und Umsetzung darauf angelegt sei, dass Werbung auf einer Seite wie ... nicht erscheine.

Dass der Antragsgegnerin bei Erfüllung dieser zumutbaren Prüfungspflicht die Werbung auf der streitgegenständlichen Internetseite ... nicht hätte auffallen können, trägt die Antragsgegnerin selbst nicht vor.

Zwar obliegt dem Antragsteller die Darlegungslast dafür, dass die Antragsgegnerin als Störerin haftet. Da sich die Vorgänge, ob und inwieweit die Antragsgegnerin ihrer Prüfungspflicht nachgekommen ist, ausschließlich im Verantwortungsbereich der Antragsgegnerin abspielten, trifft sie die sog. sekundäre Darlegungslast. Diese Darlegungslast hat die Antragsgegnerin nicht erfüllt. Sie hat insbesondere nicht dargetan, welche Maßnahmen sie ergriffen hat, um nach Zugang der Abmahnung vom 10.08.2007 zu verhindern, dass Werbung der Antragsgegnerin auf Internetseiten, die mit der Internetseite ... vergleichbar sind, nicht mehr fortbesteht. Mangels entsprechenden Vortrags ist deshalb von einer Verletzung der Prüfungspflicht der Antragsgegnerin auszugehen.

Nichts anderes gilt im Ergebnis, soweit es um das Zugänglichmachen durch Herunterladen von Raubkopien im Internet geht. Denn insoweit liegt eine Unlauterkeit nach § 3 UWG vor, für die die Antragsgegnerin ebenfalls als Störerin haftet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

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