OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 02.10.2007 - 19 U 8/07
Fundstelle
openJur 2012, 29004
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 22.12.2006 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hanau abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 92.221,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.8.2002 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Dem Beklagten wird weiter nachgelassen, die Sicherheitsleistung auch durch selbstschuldnerische, unbedingte, unbefristete und unwiderrufliche Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts zu erbringen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche (Schmerzensgeld) aufgrund eines von dem Beklagten erstatteten anthropologischen Vergleichsgutachtens im Strafverfahren gegen den Kläger vor dem Landgericht Nürnberg/Fürth, in dem der Kläger u. a. wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde.

Am 19.12.1991 wurde die Filiale A der Stadtsparkasse O1 durch einen Bankräuber überfallen. Die im Schalterraum der Bank installierte automatische Überwachungskamera fertigte dabei mehrere Lichtbilder des Täters. Nachdem diese Lichtbilder in einer Fernsehsendung („XY- ungelöst“) gezeigt wurden und ein Kriminalbeamter in O1 der Auffassung war, den Kläger als möglichen Täter des Banküberfalls zu erkennen, wurde dieser festgenommen. Der (damals vorbestrafte) Kläger befand sich daraufhin in der Zeit vom 22.5.1992 bis zum 20.12.1994 in Untersuchungshaft. Im Rahmen des von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Nürnberg/Fürth durchgeführten Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger wurde der Beklagte als Sachverständiger beauftragt, ein anthropologisches Vergleichsgutachten, basierend auf den Originalbildern des Täters, aufgenommen von der automatischen Überwachungskamera der Bank, sowie von ihm angefertigten Vergleichsbildern des Klägers zu erstellen. In dem unter dem 12.11.1992 erstatteten schriftlichen Gutachten (Bl. 731 ff. d. A.) erläuterte der Beklagte zunächst seinen methodologischen Untersuchungsansatz und die anzuwendenden Bewertungsmaßstäbe. Dabei wird herausgestellt, dass „für den Nachweis der Personengleichheit je nach Aussagekraft der gutachterlich erfassbaren Merkmale bereits 10 – 15 diagnostisch bedeutsame Kriterien ausreichen“, während erfahrungsgemäß „einige wenige Merkmalsverschiedenheiten kein Argument gegen eine Personenverschiedenheit sind, zumal solche Diskrepanzen erfahrungsgemäß externen Faktoren unterliegen“. Sodann stellte der Beklagte anhand verschiedener Merkmalsvergleiche fest, dass der Kläger „mit sehr großer Wahrscheinlichkeit“ mit der Person auf den Täterbildern identisch sei.

Der Beklagte erstattete auf der Grundlage seines schriftlichen Gutachtens im Hauptverhandlungstermin vom 27.01.1994 vor der Strafkammer des Landgerichts Nürnberg/Fürth (Az.: 7 Kls 234 Js10997/92) ein anthropologisches Vergleichsgutachten.

Das Landgericht Nürnberg/Fürth verurteilte den Kläger mit Urteil vom 16.2.1994 wegen des Überfalls auf die Sparkasse sowie einer Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Jahren. Die Strafkammer führte in ihrer schriftlichen Urteilsbegründung u. a. aus:

„Die Kammer ist bereits aufgrund des Identitätsgutachtens des Sachverständigen für anthropologische Vergleichsgutachten, Dr. B, der den Angeklagten mit sehr großer Wahrscheinlichkeit als identisch mit dem Täter des Bankraubs bezeichnet hat, von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt …. Als Ergebnis seiner umfangreichen Untersuchungen hat der Sachverständige nach ausführlicher und überzeugender Darlegung seines Gutachtens ausgeführt, der Angeklagte sei mit `sehr großer Wahrscheinlichkeit` mit dem Täter des Überfalls identisch. In Prozent ausgedrückt bezeichnete der Sachverständige die Wahrscheinlichkeit als „weit oben im 90er Bereich angesiedelt, über 98 %. Allein aus formalen Gründen habe er keine 100%ige Wahrscheinlichkeit angenommen, für ihn bestehe an der Täterschaft des Angeklagten jedoch „keinerlei Zweifel“. Es sei nach seiner Berufserfahrung ´unvorstellbar`, dass eine andere Person als Täter in Betracht kommen könne. … Der Sachverständige konnte auch sonst keinerlei Abweichungen zwischen dem Täter und dem Angeklagten feststellen. …“.

Ergänzend hat sich die Strafkammer, der das Gutachten des Beklagten „bereits alleine zur Überzeugungsbildung ausgereicht hätte“, auf die Aussagen unmittelbarer Tatzeugen gestützt, die den „Angeklagten ebenfalls als Täter identifiziert haben …“, wobei die Kammer angesichts der Schwächen im Identifizierungsverfahren die Aussagen der Zeugen „besonders vorsichtig gewürdigt“ habe und zudem berücksichtigt habe, dass „der Beweiswert des wiederholten Wiedererkennens an sich nur gering zu veranschlagen ist“, u. a. weil im Ermittlungsverfahren keine Wahlgegenüberstellung durchgeführt worden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die Strafakten (Bl. 784 ff. d. BA.) verwiesen.

Die Revision des Klägers gegen seine Verurteilung wurde mit Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 20.12.1994 zurückgewiesen.

Der Kläger verbüßte die Freiheitsstrafe vom 21.12.1994 bis zum 14.2.2001, unterbrochen durch eine Strafrestvollstreckung aus einer anderen Verurteilung in der Zeit vom 17.5.1995 bis zum 14.2.1996. Aufgrund der Verurteilung wegen des Banküberfalls verbüßte der Kläger Freiheitsstrafe einschließlich Untersuchungshaft von insgesamt 2.186 Tagen. Am 14.2.2001 wurde der Kläger aus der Haft entlassen. Bald danach wurde die Tat durch eine andere Person gestanden, die mittlerweile rechtskräftig für die Tat verurteilt wurde. Der Kläger wurde im Wiederaufnahmeverfahren durch das Landgericht Ansbach mit Urteil vom 6.12.2001 (Bl. 613 ff. d. A.) hinsichtlich der räuberischen Erpressung freigesprochen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe grob fahrlässig gegen die Pflichten eines anthropologischen Gutachters verstoßen, da das Gutachten erhebliche Mängel aufweise. Zum einen sei die Qualität des zugrunde gelegten Bildmaterials für eine anthropologische Begutachtung nicht ausreichend gewesen. Zum anderen habe der Beklagte lediglich positive Identitätsmerkmale festgestellt, ohne Ausschlussmerkmale festzuhalten. Er habe insofern die wissenschaftlichen Grundregeln nicht beachtet. Zudem habe der Beklagte in der mündlichen Verhandlung über seine Feststellung einer sehr großen Wahrscheinlichkeit der Täteridentität hinausgehend keinen Zweifel daran gelassen, dass er den Kläger als Täter ansehe, so dass auch die Strafkammer hieran keinen Zweifel mehr gehabt habe. Der Beklagte habe sich zudem in der Hauptverhandlung vor dem Strafgericht zu dem Kläger herumgedreht und ihn zweifelsfrei als „den Täter“ bezeichnet. Der Kläger habe deshalb einen Anspruch auf Schmerzensgeld für 2.186 Tage erlittene Untersuchungs- und Strafhaft, wobei jeder Tag mit 300,00 DM zu vergüten sei, abzüglich der erhaltenen Entschädigungsleistung nach dem Strafrechtsentschädigungsgesetz in Höhe von 24.046,00 EUR.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 311.259,21 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 12.08.2002 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat darauf hingewiesen, dass es bei dem Wahrscheinlichkeitsprädikat „mit sehr großer Wahrscheinlichkeit“ noch verbleibende Restzweifel gäbe. Dieses Prädikat habe er auch bei seiner mündlichen Gutachtenerstattung in der Hauptverhandlung vor der Strafkammer nicht aufgegeben. Die getroffene Wahrscheinlichkeitsaussage sei im Übrigen auch nicht ursächlich für die Verurteilung gewesen, vielmehr habe das Gericht auch ohne das Gutachten aufgrund der Aussagen der Tatzeugen keine Zweifel an der Täterschaft des Klägers gehabt. Das Gutachten sei unter Beachtung der wissenschaftlichen Methodik fehlerfrei erstattet worden. Es hätten dafür 12 Fotos mit ausreichender Qualität zur Verfügung gestanden, erkennbare Ausschlussmerkmale hätten nicht vorgelegen. Ansprüche des Klägers seien überdies verjährt, da dieser bereits mit dem Gutachten vom 12.11.1992, spätestens aber in der Hauptverhandlung vom 27.01.1994 Kenntnis von der schädigenden Handlung und der Person des Schädigers gehabt habe. Außerdem treffe das Strafrechtsentschädigungsgesetz eine abschließende Regelung.

Das Landgericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 17.12.2002 durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dr. C sowie mit Beweisbeschlüssen vom 08.10.2004 und 24.8.2006 durch Einholung eines weiteren schriftlichen Sachverständigengutachtens sowie eines Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen Dr. D. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftlichen Gutachten des Sachverständigen C vom 25.02.2004 (Anlage zu Bl. 150 d. A. - in der Aktendecke Bd. 1) sowie die schriftlichen Gutachten des Sachverständigen D 24.05.2006 (Bl. 300 ff. d. A.) und 28.9.2006 (Bl. 431 ff. d. A.) sowie die jeweiligen mündlichen Erläuterungen der Gutachten in den Verhandlungsprotokollen vom 30.07.2004 (Bl. 179 ff. d. A.) sowie vom 6.10.2006 (Bl. 452 ff. d. A.) verwiesen. Das Landgericht hat außerdem aufgrund Beweisbeschlusses vom 30.07.2004 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Z1 und Z2. Wegen des Ergebnisses der Zeugenvernehmung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.09.2004 (Bl. 197 ff. d. A.) verwiesen.

Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von Schmerzensgeld an den Kläger in Höhe von 57.779,00 € gemäß §§ 823 Abs. 1, 847 BGB a. F. wegen grob pflichtwidriger Gutachtenerstattung des Beklagten verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat zunächst auf der Grundlage der Gutachten der Sachverständigen C und D festgestellt, dass das anthropologische Vergleichsgutachten des Beklagten vom 12.11.1992 fehlerhaft gewesen sei und sodann auch die erforderliche grobe Fahrlässigkeit des Beklagten bei der Gutachtenerstattung bejaht. Aufgrund seines fehlerhaften Gutachtens sei der Kläger zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Von den verbüßten 2186 Tagen Haft sei die auf die im Wege der Gesamtstrafenbildung mitverurteilte Urkundenfälschung entfallende Freiheitsstrafe von 3 Jahren (1095 Tage) abzuziehen. Angemessen und ausreichend sei ein Entschädigungsbetrag von 75,00 € pro Tag. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit ihren Berufungen, mit denen sie jeweils ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgen.

Der Kläger verteidigt das Urteil des Landgerichts hinsichtlich dessen Ausführungen zum Haftungsgrund, greift das Urteil aber wegen der Teilabweisung mit der Begründung an, das Landgericht habe zu Unrecht ein gegenüber seinem Antrag geringeres Schmerzensgeld zugesprochen. Die auf die Urkundenfälschung entfallende Haftzeit sei in der angegebenen Haftzeit von 2186 Tagen bereits herausgerechnet, die Höhe der Entschädigung pro Hafttag sei mit 75,00 € zu gering bemessen.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn 311.259,21 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 12.08.2002 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen und in Abänderung des Urteils des Landgerichts Hanau die Klage abzuweisen.

Der Beklagte greift das Urteil hinsichtlich des Vorwurfs der grob fahrlässigen Erstattung des anthropologischen Vergleichsgutachtens mit folgenden Erwägungen an: Das Landgericht habe den Fahrlässigkeitsmaßstab fehlerhaft ermittelt. Die Verwendung der Wahrscheinlichkeitsprädikate in seinem Gutachten sei nicht fehlerhaft, wie dies auch der Sachverständige C in seinem Gutachten ausgeführt habe. Die abweichende Beurteilung der Merkmale durch den Sachverständigen D begründe wegen des Beurteilungsermessens des Beklagten keine Fehlerhaftigkeit des Gutachtens und erst recht keine grobe Fahrlässigkeit. Zu dem subjektiven Fahrlässigkeitsvorwurf habe das Landgericht zudem keine Ausführungen gemacht, nämlich dazu, dass sich der Beklagte nahezu gewissenlos über Bedenken hinweggesetzt habe, dass er gleichgültig und leichtfertig das Gutachten erstattet habe. Überdies habe das Landgericht den Ursachenzusammenhang verkannt, da davon auszugehen sei, dass der Kläger auch ohne das von ihm erstattete Gutachten allein auf Grund der Zeugenaussagen verurteilt worden wäre. Schließlich vertritt er die Auffassung, dass die Klageforderung jedenfalls verjährt sei.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Im Übrigen wiederholen und vertiefen die Parteien ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Wegen des Sach- und Streitstandes in der Berufungsinstanz wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils sowie auf die zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze verwiesen. Die Strafakten des Landgerichts Nürnberg/Fürth (Az.: 7 Kls 234 Js 10997/92) waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die Berufungen der Parteien sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Die Berufung des Klägers hat zum Teil Erfolg, die Berufung des Beklagten bleibt hingegen erfolglos.

Das Landgericht hat den Beklagten dem Grunde nach zutreffend und mit im Wesentlichen überzeugender Begründung zur Zahlung von Schmerzensgeld verurteilt.

1. In der Rechtssprechung ist anerkannt, dass ein in einem gerichtlichen Verfahren tätiger Gutachter für eine Verletzung der in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechtsgüter dann – und nur dann - haftet, wenn die Verletzung auf einer Falschbegutachtung beruht und das Gutachten in grob fahrlässiger Weise oder vorsätzlich falsch erstellt wurde (BVerfG NJW 1979, 305; BGH NJW 1974, 312; OLG Schleswig NJW 1995, 791). Grobe Fahrlässigkeit ist etwa dann gegeben, wenn der Gutachter nahe liegende Überlegungen nicht beachtet und/oder bei der Begutachtung Umstände bei der Befunderhebung und –auswertung nicht berücksichtigt, deren Beachtung nach den wissenschaftlichen Regeln der Begutachtung erwartet werden konnten, dies insbesondere im Hinblick auf die weitreichende Bedeutung und die schwerwiegenden Folgen seines Gutachtens in einem Strafprozess für den Angeklagten.

Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil den Beurteilungsmaßstab des groben Verschuldens zutreffend herausgearbeitet und konkrete Umstände der Gutachtenerstattung des Beklagten diesem Maßstab zugeordnet. Die Feststellung dieser Umstände hat es rechtsfehlerfrei aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Rahmen der Beweiswürdigung abgeleitet. Der Senat schließt sich im Wesentlichen den tragenden Gründen der Entscheidung an und macht sich diese zu Eigen.

2. Der Senat sieht dabei allerdings eine grob fahrlässig verursachte Fehlerhaftigkeit der Gutachtenerstattung nicht bereits in dem schriftlichen Gutachten des Beklagten vom 12.11.1992 begründet. Insbesondere liegt eine Fehlerhaftigkeit dieses Gutachtens nicht bereits in dem von dem Beklagten verwendeten methodischen Ansatz, den der Beklagte bei seiner Gutachtenerstattung zu Grunde gelegt hat. Insoweit lässt sich auch nach dem Gutachten des Sachverständigen C feststellen, dass es zum Zeitpunkt der Gutachtenerstattung durch den Beklagten noch keine schriftlich fixierten Empfehlungen der Gesellschaft für Anthropologie oder anderer forensischer Wissenschaften gab, gegen die der Beklagte verstoßen haben könnte. Vielmehr wird dem Beklagten vom Sachverständigen C attestiert, dass sich der Beklagte prinzipiell an die Grundsätze und formalen und strukturellen Verfahrensweisen einer Identitätsbegutachtung gehalten hat und sich keine hinreichenden Hinweise dafür finden, dass das unzutreffende Ergebnis seiner Begutachtung auf grundlegende Methodenverstöße der Befunderhebung zurückzuführen ist (Gutachten S. 47). Daher kann auch offen bleiben, ob die von dem Sachverständigen D anhand des ihm zur Verfügung stehenden Lichtbildmaterials herausgearbeiteten Ausschlusskriterien gegen eine Täterschaft des Klägers zutreffen und diese dementsprechend von dem Beklagten verkannt wurden. Eine Fehlerhaftigkeit des schriftlichen Gutachtens ist den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen C folgend, jedoch darin zu sehen, dass der Beklagte das als Ergebnis seiner anthropologischen Vergleichsbegutachtung verwendete Prädikat der Übereinstimmung der Tätermerkmale mit denen des Klägers als „mit sehr großer Wahrscheinlichkeit … ein und dieselbe Person“ nicht näher erläutert hat, insbesondere die in dem Prädikat nach den wissenschaftlichen Standards enthaltenen Unsicherheitsintervalle nicht kenntlich gemacht hat, sondern eine gleichsam mathematische Sicherheit der Beurteilung vorgeben hat. Ferner ist das schriftliche Gutachten auch deshalb fehlerhaft, weil der Beklagte den auch zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung bestehenden wissenschaftlichen Standard in der Anthropologie insofern nicht beachtet hat, als er – den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen D zufolge – im vorliegenden Falle einer sog. Vorselektion, nämlich einer Auswahl des vermeintlichen Täters allein auf Grund seiner auffallenden optischen Ähnlichkeit, wie dies im Falle des Klägers auf Grund seiner außergewöhnlichen körperlichen Statur der Fall war, nicht die Frage der möglichen Ausschlusskriterien in den Vordergrund der anthropologischen Vergleichsbegutachtung gestellt, sondern sein Augenmerk auf die Ähnlichkeitsmerkmale gelegt und dass er vor allem auch nicht auf die aus dieser besonderen Situation resultierenden Unsicherheitsfaktoren für eine positive Ähnlichkeitsfeststellung hingewiesen hat. In seinem schriftlichen Gutachten vom 12.11.1992 hat der Beklagte ausgeführt, dass „sich bei gegebener Personenverschiedenheit erfahrungsgemäß der Täter und der Tatverdächtige nicht nur in einigen wenigen Kriterien, sondern grundsätzlich in der überwiegenden Mehrzahl der erfassbaren Merkmale eindeutig unterscheiden. Das heißt aber auch gleichsam, dass einige wenige Merkmalsverschiedenheiten kein Argument gegen eine Personenverschiedenheit sind, zumal solche Diskrepanzen erfahrungsgemäß externen Faktoren unterliegen“. Ohne nähere Begründung wird dann nach einer Feststellung der diversen Merkmalsübereinstimmungen festgestellt, „dass keine Merkmalsverschiedenheiten … festzustellen sind. Das heißt, vornehmlich die Tatsache, dass sich beide (Tatverdächtiger und Täter) in keinem einzigen diagnostisch bedeutsamen Merkmal unterscheiden, weist schon mehr als deutlich darauf hin, dass es sich bei dem Täter und dem Beschuldigten sehr wahrscheinlich um ein und dieselbe Person handelt.“

Er durfte sich jedoch unter Beachtung der wissenschaftlichen Standards, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht mit der Feststellung begnügen, dass nicht übereinstimmende Merkmale keine Ausschlusskriterien darstellten, weil diese durch mimische oder haltungstechnische Unterschiede bedingt sein könnten. Immerhin hat der Sachverständige D auf der Grundlage dieses methodischen Ansatzes vier Ausschlusskriterien erkannt. Die damit gegebene Fehlerhaftigkeit des schriftlichen Gutachtens ist nach Auffassung des Senats allerdings noch nicht so schwerwiegend, dass sie eine grob fahrlässige Falschbegutachtung zu begründen vermögen.

3. Die grobe fahrlässige Fehlerhaftigkeit der anthropologischen Vergleichsbegutachtung des Beklagten folgt jedoch daraus, dass er in der Hauptverhandlung vor der Strafkammer des Landgerichts Nürnberg/Fürth – abweichend von seiner vorsichtigeren Bewertung in seinem schriftlichen Gutachten und zusätzlich zu den bereits aufgezeigten Fehlern – nicht mehr nur eine „sehr hohe Wahrscheinlichkeit“ der Täterschaft des Klägers angenommen hat, sondern – wenn auch unter Beibehaltung der im schriftlichen Gutachten gewählten Formulierung des Ähnlichkeitsprädikats – der Strafkammer das Bild einer von Restzweifeln befreiten Sicherheit vermittelte, indem er eine quasi 100%ige Sicherheit für eine Täterschaft des Klägers bejahte.. Davon, dass der Beklagte sich in dieser Weise im Rahmen seiner mündlichen Gutachtenerstattung in der Hauptverhandlung vor der Strafkammer geäußert hat, ist der Senat überzeugt. Dies folgt zum einen bereits aus der – vom Beklagten auch nicht als fehlerhafte Darstellung gerügten - Begründung des Strafurteils durch die erkennende Strafkammer und zum anderen aus den Aussagen der Zeugen Z1 und Z2.

a) Die Ausführungen in der Urteilsbegründung lassen zunächst deutlich erkennen, dass der Beklagte in seiner mündlichen Gutachtenerstattung das zur Identitätsbeurteilung verwendete Prädikat „mit sehr großer Wahrscheinlichkeit“ mit nicht näher erläuterten Prozentzahlen verknüpft hat, ohne deren Stellenwert deutlich zu machen, insbesondere deutlich zu machen, dass es sich dabei nicht um mathematische Wahrscheinlichkeiten handelt. Der Senat folgt insoweit den Ausführungen des Sachverständigen C, der überzeugend ausgeführt hat, dass die Wahrscheinlichkeitsprädikate in einem anthropologischen Vergleichsgutachten keine mathematische Wahrscheinlichkeit begründen können und dass dieser für die Überzeugungsbildung eines Strafrichters wesentliche Umstand offen gelegt und auf die unabänderlichen Grenzen der angewendeten Methode hingewiesen werden muss. Der Beklagte hat dabei nicht nur die Wahrscheinlichkeit im Bereich von über 98% angesiedelt, sondern darüber hinaus eine quasi 100%ige Sicherheit angenommen und lediglich aus rein formalen Gründen von der Vergabe dieses Prädikats abgesehen. Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte expressis verbis das ursprüngliche Wahrscheinlichkeitsprädikat nicht aufgegeben hat, wie dies auch die Formulierung der Strafkammer auf Seite 35 des Strafurteils zeigt. Entsprechend ist darüber, dass der Beklagte ausdrücklich das Prädikat „Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ nicht vergeben hat, kein Beweis zu erheben. Grob fehlerhaft bleibt jedoch die aus den Urteilsgründen und den Zeugenaussagen sich ergebende Darstellung des Gutachtens, dass dieses Prädikat nur aus rein formalen Gründen nicht vergeben werden könne. Die von dem Sachverständigen D eingehend erläuterten Unsicherheitsfaktoren, die gerade im Falle einer Vorselektion zu beachten sind, finden bei dieser Darstellung keine Beachtung, obwohl dem Beklagten klar sein musste, dass bei der Darstellung einer rein formalen geringfügigen Unsicherheit ein entscheidender Einfluss auf die richterliche Würdigung des Beweisergebnisses nicht auszuschließen ist, ein solcher vielmehr eher nahe liegt. Die Aufgabe der im schriftlichen Gutachten noch erkennbaren vorsichtigeren Beurteilung der Identitätswahrscheinlichkeit durch den Beklagten spiegelt sich vielmehr gerade auch darin wider, dass er der Kammer gegenüber geäußert hat, dass für ihn an der Täterschaft des Klägers keinerlei Zweifel bestünden, obwohl ihm bewusst gewesen sein musste, dass Identitätsgutachten immer nur eine Schätzung zur Frage der Identität einer Person darstellen, die auf einer sehr subjektiven Interpretation und damit auf einem schwer bestimmbaren Maß an Subjektivität gründen, wie dies der Sachverständige C in seinem Gutachten überzeugend ausgeführt hat. Zudem hat er der Strafkammer auch mit seiner weiteren Formulierung, es sei nach seiner Berufserfahrung unvorstellbar, dass eine andere Person in Betracht kommen könne, eine objektiv nicht vorhandene Täteridentität suggeriert, ohne vorhandene Zweifel, die einer morphologischen Vergleichsbegutachtung stets und insbesondere in Fällen einer Vorselektion innewohnen, deutlich zu machen. Dazu gehört auch, dass der Beklagte bekundete, keinerlei Merkmalsabweichungen zwischen dem Täter und dem Kläger feststellen zu können, ohne sich auch insoweit auf eine nähere Erläuterung einzulassen.

Die Darstellung seines Identifikationsergebnisses in der Hauptverhandlung lässt mithin die von den beiden Gutachtern C und D für erforderlich gehaltene Differenzierung und Erläuterung der Wahrscheinlichkeitsprädikate ebenso vermissen, wie die Darstellung gegebener Zweifel zu Merkmalen, die der Sachverständige D als Ausschlussmerkmale herausgearbeitet hat. Auch wenn offen bleiben kann, ob die positive Feststellung von Ausschlusskriterien durch den Sachverständigen D im Ergebnis zutreffend ist, so handelt es sich doch jedenfalls um Merkmale, hinsichtlich derer es bei der Erstattung eines anthropologischen Vergleichsgutachtens einer sehr differenzierten Darstellung bedurft hätte. Um eine fehlerhafte Gutachtenerstattung handelt es sich – auch und gerade weil es sich bei der anthropologischen Vergleichsbegutachtung um eine Wissenschaft handelt, die vornehmlich auf die Erfahrungen des Gutachters abstellt -, wenn ein Gutachter zu diesen von einem anderen Sachverständigen festgestellten eindeutigen Ausschlussmerkmalen keine – eventuell überwindbaren – Zweifel aufkommen lässt oder offenbart. Wenn aber durchaus Zweifel angezeigt sind, muss der Gutachter diese Zweifel auch deutlich machen, dies auch dann, wenn er letztlich kein Ausschlussmerkmal erkennt oder annimmt. Darin, dass er solche Zweifel nicht hatte oder diese jedenfalls bei seiner mündlichen Gutachtenerstattung in der Hauptverhandlung nicht dargelegt und nicht näher erläutert hat, ist ebenfalls eine Fehlerhaftigkeit des Gutachtens des Beklagten zu sehen. Dies ist vor allem begründet in der Abhängigkeit des Gerichts von dem eingeholten Sachverständigengutachten. Das Gericht kann auf die Plausibilität und Nachvollziehbarkeit des Gutachtens nur dann als Entscheidungsgrundlage abstellen, wenn dieses auch die im Prozess der Findung des Ergebnisses des Gutachtens aufgetretenen Erwägungen sowie die Grenzen der wissenschaftlichen Erkenntnismöglichkeiten deutlich macht. Stattdessen hat der Beklagte nach den Darlegungen im Urteil der Strafkammer offenbar jegliche Zurückhaltung aufgegeben und eine nahezu 100%ige Wahrscheinlichkeit der Täteridentität attestiert, die entsprechend auch, wie das Gutachten des Sachverständigen D hinsichtlich der Ausschlusskriterien nahe legt, Unsicherheiten hinsichtlich einzelner Merkmale unterdrückt. Dabei dürfte die Fehlerhaftigkeit des Gutachtens auch bereits in dem Ansatz des Beklagten liegen, dass eine Vielzahl von Übereinstimmungen bereits hinreichend sei zur Bestimmung der Identität. Das Hauptaugenmerk des Beklagten lag ersichtlich nicht in der Prüfung von Ausschlussmerkmalen, wie sie der Sachverständige D gerade im Hinblick auf die stattgefundene Vorselektion, die ihre Ursache in der außergewöhnlichen körperlichen Statur des Klägers hatte, vorgenommen hat. Für eine über das Prädikat „sehr wahrscheinlich identisch“ hinausgehende Vergleichsbegutachtung, wie sie der Beklagte faktisch in der Hauptverhandlung dargestellt hat, wäre im Übrigen das vorliegende Bildmaterial, wie der Sachverständige D ausgeführt hat (Bl. 355 d. A.), nicht geeignet gewesen.

b) Die Darstellung des Beweisergebnisses durch die Strafkammer, die die Vernachlässigung der nach den Regeln der Wissenschaft gebotenen Zurückhaltung bei der Identitätsfeststellung durch den Beklagten im Rahmen der mündlichen Erstattung seines Gutachtens in der Hauptverhandlung erkennen lässt, wird im Übrigen auch durch die Aussagen der Zeugen Z1 und Z2 gestützt und spricht mithin auch für die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Zeugen. Der Zeuge Z1, der mit dem Ermittlungsverfahren gegen den Kläger befasste Polizeibeamte der Kriminalpolizei in O1, hat, den Vortrag des Klägers bestätigend, ausgesagt, der Beklagte habe sich in der Hauptverhandlung anlässlich eines entstandenen Disputs mit dem Kläger zu diesem umgedreht und für alle vernehmlich gesagt, er solle die Tat zugeben, er sei der Täter gewesen.

Der Zeuge Z2, der damalige Verteidiger des Klägers, hatte zwar an diesen Disput keine Erinnerung mehr. Er hat jedoch sehr anschaulich ausgesagt, der Beklagte habe auf seine Nachfragen hin die Prozentzahlen für die Täteridentität des Klägers immer höher angesiedelt, bis er schließlich bei 98,5 % angekommen sei, woraufhin er, der Zeuge, aufgehört habe, weiter zu fragen, weil er Angst gehabt habe, dass der Beklagte noch 100% sage. 100% habe er auf Nachfragen eines anderen Verfahrensteilnehmers damit verneint, dass immer eine Restunsicherheit verbleibe, was rein mathematische Gründe habe, deshalb könne er nicht 100% sagen. Der Beklagte sei sich seiner Sache „sehr sehr sicher“ gewesen.

Insbesondere die Aussage des Zeugen Z2 ist glaubhaft. Dies ergibt sich zum einen aus der inhaltlichen Übereinstimmung mit den Ausführungen der Strafkammer in der Urteilsbegründung, zum anderen aber auch daraus, dass er eingeräumt hat, sich an den vom Zeugen Z1 geschilderten Disput nicht mehr erinnern zu können, er mithin keinerlei Belastungseifer erkennen lässt. Das von dem Zeugen Z2 geschilderte Szenario anlässlich der mündlichen Gutachtenerstattung durch den Beklagten bestätigt, dass der Beklagte die in seinem schriftlichen Gutachten trotz der aufgezeigten Fehlerhaftigkeit noch erkennbare Vorsicht und Zurückhaltung aufgegeben hat. Auf die Frage der Glaubhaftigkeit der diesen Befund noch verstärkenden Aussage des Zeugen Z1 kommt es nach alledem nicht mehr an, so dass diese Aussage bei der Würdigung außer Betracht bleiben kann. Begründete Zweifel an der auf Grund der Beweiswürdigung getroffenen Tatsachenfeststellungen des Landgerichts, wie sie der Beklagte geltend gemacht hat, sind nach alledem nicht angezeigt. Die damit zu Grunde zu legende Darstellung seiner gutachterlichen Feststellungen zur Täteridentität des Klägers durch den Beklagten in Hauptverhandlung vor der Strafkammer des Landgerichts Nürnberg/Fürth ist nach Auffassung des Senats in grober Weise fehlerhaft und erfüllt auch die Voraussetzungen einer grob fahrlässigen Gutachtenerstattung. Der Beklagte hat, wie zuvor ausgeführt, bei seiner Gutachtenerstattung in der Hauptverhandlung nahe liegende und von dem wissenschaftlichen Standard gebotene Überlegungen nicht beachtet. Dieser Fehlerhaftigkeit bei der Gutachtenerstattung kommt auch objektiv ein besonderes Gewicht zu, da, für den Beklagten erkennbar, vom Ergebnis seines morphologischen Vergleichsgutachtens entscheidend abhing, ob der Kläger eine mehrjährige Freiheitsstrafe zu verbüßen hatte. Die der morphologischen Vergleichsbegutachtung innewohnenden Grenzen, die die Sachverständigen C und D herausgestellt haben, sind für die Überzeugungsbildung eines Strafrichters von erheblicher Bedeutung. Es ist daher eine wichtige Aufgabe des Sachverständigen, die Grenzen der anthropologisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse deutlich zu machen, dies insbesondere, weil die Gefahr, in einem gerichtlichen Gutachten zu falschen Schlussfolgerungen zu gelangen, gerade in strafprozessualen Verfahren ernste Konsequenzen hat. Eben dies aber hat der Beklagte unterlassen. Daher sind nach Auffassung des Senats die subjektiven Voraussetzungen des Vorwurfs einer groben Fahrlässigkeit zu bejahen. Darauf, ob der Beklagte überdies besonders leichtfertig und rücksichtslos gehandelt hat, kommt für den in Rede stehenden Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB wegen Freiheitsentziehung und Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers nicht an.

3. Die weiteren Angriffe des Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil gemäß §§ 412, 404 ZPO sind nicht erheblich. Das vermeintliche Überschreiten des Gutachterauftrages durch den Sachverständigen D ist jedenfalls durch die Erweiterung des Beweisthemas im Beschluss vom 24.8.2006 (Bl. 419 f. d. A.) „geheilt“. Zur Frage der Sachkunde des Gutachters D ist in dem die Zurückweisung des Befangenheitsantrages betreffenden Beschluss des Landgerichts vom 4.10.2006 (Bl. 430e ff. d. A.) und im Beschluss des 21. Zivilsenats vom 13.12.2006 (Bl. 542 ff. d. A.) das Wesentliche bereits ausgeführt. Hierauf kann verwiesen werden.

4. Das Ergebnis des von dem Beklagten erstatteten Gutachtens war auch für die Verurteilung des Klägers ursächlich. Dass dies der Fall war, ergibt sich eindeutig aus den Gründen des Strafurteils des Landgerichts Nürnberg/Fürth. Die Kausalität wird auch nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass die Strafkammer die Verurteilung des Klägers zusätzlich darauf stützte, dass auch Zeugen den Kläger als den Täter identifizierten. Eine gerichtliche Entscheidung beruht auf dem unrichtigen Gutachten, wenn die Entscheidung dem Gutachten zumindest teilweise folgt und die Möglichkeit nicht auszuschließen ist, dass sie ohne das Gutachten oder bei anderem Inhalt und Ergebnis des Gutachtens weniger ungünstig für den betreffenden Verfahrensbeteiligten ausgefallen wäre (Palandt-Sprau, BGB, 66. Aufl. 2007, § 839a Rn. 4). Zur Begründung eines Ursachenzusammenhangs genügt mithin eine Mitursächlichkeit oder auch eine konkurrierende Kausalität (Palandt-Heinrichs, a. a. o., vor § 249 Rn. 86 m. w. N.).

Der Ursachenzusammenhang wäre vorliegend nur dann zu verneinen, wenn auch ohne das Gutachten des Beklagten die Täterschaft des Klägers von der Strafkammer bejaht worden wäre (sog. rechtmäßiges Alternativverhalten). Davon aber ist der Senat nicht überzeugt. Das Urteil der Strafkammer lässt deutlich erkennen, dass die gutachterliche Darstellung des Beklagten die Identitätsfeststellung der Strafkammer entscheidend geleitet hat und deren Würdigung der Täterschaft des Klägers auf den Ausführungen des Beklagten beruht. Die Kammer stützt ihre Überzeugung von der Täterschaft des Klägers zunächst und im Wesentlichen ausdrücklich auf die gutachterlichen Ausführungen des Beklagten. Die Zeugenaussagen werden lediglich als zusätzliche Unterstützung herangezogen. Entsprechend beginnt die Beweiswürdigung auch mit den Feststellungen des Gutachtens und führt die Zeugenaussagen (nur) als Bestätigung an. Eine hinreichende Identifizierung des Klägers als Täter allein durch die Zeugen war zumindest wenig wahrscheinlich, um als tragfähige Grundlage einer Verurteilung zu dienen. Dies folgt nicht nur aus dem Umstand, dass auch die Strafkammer in der Entscheidungsbegründung durchaus Bedenken an der Beweiskraft der Zeugenaussagen hat anklingen lassen, die darin begründet sind, dass die besondere Erscheinungsform des Klägers (Größe etwa 1,95 m und Körpergewicht von etwa 200 kg) maßgebliches Kriterium für die Identifizierung durch die Zeugen war und auch darin, dass es im Ermittlungsverfahren keine Gegenüberstellung mit mehreren (ähnlichen) Personen gab. Auf der Grundlage des eindeutigen Gutachtens des Beklagten fiel der Strafkammer sicherlich die positive Würdigung der Zeugenaussagen leichter.

Bei vom Beklagten in seinem Gutachten stärker hervorgehobenen Zweifeln oder gar bei einem Ausschluss der Identität kann mithin nicht davon ausgegangen werden, dass eine Verurteilung des Klägers allein auf Grund der Zeugenaussagen erfolgt wäre, sodass von der für die Kausalitätsannahme ausreichenden Möglichkeit auszugehen ist, dass sie nicht erfolgt wäre.

5. Die Ansprüche des Klägers sind auch nicht verjährt. Nach § 852 Abs. 1 BGB a. F. verjähren Ansprüche aus unerlaubter Handlung in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Verletzte Kenntnis vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat. Dabei muss die Kenntnis von dem schädigenden Verhalten so weit gehen, dass der Geschädigte in der Lage ist, eine Schadensersatzklage erfolgversprechend, wenn auch nicht risikolos, zu begründen (vgl. BGH NJW 1999, 2734, 2736). Mit Rücksicht auf die besonderen Voraussetzungen für eine Haftung eines gerichtlich beauftragten Sachverständigen ist es für die die Verjährungsfrist in Gang setzende Kenntnis des Geschädigten erforderlich, dass er auch die Umstände kennt, die für eine grobe Fahrlässigkeit des Sachverständigen sprechen. Dementsprechend ist auch für vergleichbare Arzthaftungsprozesse in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Verjährungsfrist für etwaige Ansprüche erst dann beginnt, wenn der Patient als medizinischer Laie die Tatsachen kennt, aus denen sich ein ärztliches Fehlverhalten im Sinne eines Abweichens des Arztes vom ärztlichen Standard ergibt (BGHZ 102, 246, 248; BGH a. a. O. m. w. N.). Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass es auf den Zeitpunkt der Kenntnis des Klägers vom Abweichen des anthropologischen Vergleichsgutachtens des Beklagten von dem hierfür maßgeblichen wissenschaftlichen Standard ankommt; dies dürfte selbst im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht der Fall gewesen sein, sondern erst nach Vorliegen des Gutachtens des Sachverständigen C.

Frühestens wäre zudem für den Beginn der Verjährungsfrist nach § 852 Abs. 1 BGB a. F. vorliegend auf den Zeitpunkt der Freilassung des Klägers abzustellen sein. Zwar hatte der Kläger bereits im Zeitpunkt seiner (rechtskräftigen) Verurteilung Kenntnis davon, dass das Gutachten, ohne fehlerhaft sein zu müssen, zu einem unrichtigen Ergebnis gekommen ist, jedoch fehlt es bis zu seiner Entlassung - neben der Kenntnis der wissenschaftlichen Fehlerhaftigkeit und der für eine grob fahrlässige Gutachtenerstattung sprechenden Umstände – auch an der Kenntnis des eingetretenen Schadens, da die unerlaubte Handlung des Beklagten bis zum Zeitpunkt seiner Entlassung aus der Haft noch nicht abgeschlossen und der (vollständige) Schaden noch nicht entstanden war (vgl. auch OLG Frankfurt VersR 1989, 260, 261 für den Fall einer Handlung, die freiheitsentziehende Maßnahmen zur Folge hatte; vgl. auch BGH VersR 1984, 982). Hinsichtlich der Freiheitsentziehung handelt es sich bei der hierfür maßgeblichen Gutachtertätigkeit gleichsam um eine bis zur Haftentlassung fortwirkende kausale schadensstiftende Handlung, die erst in dem Zeitpunkt endete, in dem der Kläger wieder in Freiheit kam.

6. Zur Höhe des Schmerzensgeldanspruchs:

Infolge der durch die grob fahrlässige Fehlbegutachtung durch den Beklagten erlittenen Freiheitsentziehung steht dem Kläger ein Schadensersatzanspruch zu, der nicht auf eine Entschädigung innerhalb der Grenzen des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) beschränkt ist (BGHZ 122, 268, 282). Der wegen der Entziehung der Freiheit entstandene Schadensersatzanspruch kann als immaterieller Schadensausgleich gemäß §§ 823 Abs. 1, 847 a. F. BGB verlangt werden (BGH a. a. O.).Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist die Freiheitsentziehung für die wegen der Verurteilung wegen des Banküberfalls erlittenen Strafhaft in der Zeit vom 21.12.1994 (Tag des Schlusses der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Nürnberg/Fürth) bis zum 16.5.1995 und vom 15.2.1996 bis zum 14.2.2001 (Tag der Haftentlassung des Klägers) zu Grunde zu legen. Rechnerisch befand sich der Kläger ohne Berücksichtigung der erlittenen Untersuchungshaft wegen der Verurteilung wegen des Banküberfalls mithin 1.973 Tage in Haft. Die Dauer der Untersuchungshaft bleibt bei der Bemessung des Schmerzensgeldes außer Betracht, da insoweit eine Verantwortlichkeit des Beklagten nicht festzustellen ist. Zum einen hat der Beklagte sein schriftliches Gutachten erst unter dem 12.11.1992 erstattet, zum anderen konnte der Senat, wie vorstehende Ausführungen zeigen, insoweit für das schriftliche Gutachten eine grob fahrlässige Fehlbegutachtung durch den Beklagten nicht annehmen. Allein der Umstand, dass das anthropologische Vergleichsgutachten eine sehr große Wahrscheinlichkeit der Täteridentität aufweist, obgleich der Kläger nicht der Täter war, führt nicht bereits zur Annahme einer Fehlerhaftigkeit der Gutachtenerstattung.

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes stellt der Senat nicht auf einen Tagessatz ab, sondern bemisst dieses auf Grund einer Gesamtbetrachtung. Es hält einen Betrag von insgesamt 150.000,00 € als billige Geldentschädigung wegen der erlittenen Freiheitsentziehung und der Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts für angemessen und ausreichend. Dabei berücksichtigt der Senat sowohl – soweit bekannt – die persönliche Lebenssituation des Klägers vor seiner Inhaftierung als auch die mit einer länger andauernden Inhaftierung einhergehenden psychischen und physischen Belastungen, insbesondere dass der Kläger aus seinem gewohnten sozialen Umfeld herausgerissen wurde, ferner, dass mit der Freiheitsentziehung eines hinsichtlich dieses Tatvorwurfs unschuldig Inhaftierten nachteilige Folgen für dessen seelische Verfassung verbunden sind und schließlich auch, dass die medizinische Versorgung des an einer Tumorerkrankung vorerkrankten Klägers in einer Justizvollzugsanstalt nicht in der Weise gewährleistet war, wie dies bei freier Arztwahl möglich gewesen wäre. Andererseits hat der Senat berücksichtigt, dass das Handeln des Beklagten auch unter Berücksichtigung der zur Annahme einer groben Fahrlässigkeit führenden Maßstäbe nicht als leichtfertig angesehen werden kann.

7. Nicht zu berücksichtigen war bei der Bemessung des Schmerzensgeldbetrages die Entschädigung, die der Kläger für die Haftzeit vom 22.5.1994 bis zum 16.5.1995 und vom 15.2.1996 bis zum 14.2.2001 nach § 7 StrEG erhalten hat. Bei dieser Entschädigung handelt es sich um einen besonderen Aufopferungsanspruch, mit dem nur die üblichen Unzuträglichkeiten, die die Haft mit sich bringt, ausgeglichen werden sollen und der nicht gleichrangig zu Schadensersatzansprüchen gegenüber Dritten ist. Deshalb besteht zwischen dem Schuldner des Anspruchs nach § 7 StrEG und einem Dritten, dem gegenüber ein kongruenter Schadensersatzanspruch besteht, grundsätzlich kein Gesamtschuldverhältnis. Der BGH sieht den Ausgleichsanspruch nach StrEG als im Verhältnis der verschiedenen Schuldner (nicht im Verhältnis des Schadensersatzgläubigers zu seinen Schuldnern) untereinander als subsidiär an und folgert daraus, dass es sich mit dem Zweck des besonderen Aufopferungsanspruchs weder vereinbaren lasse, dass der von einer Strafverfolgung Betroffene eine zusätzliche Bereicherung erlangt, indem er neben der Entschädigung nach § 7 StrEG noch von einem Dritten Schadensersatz verlangen kann, noch, dass der weitere Schädiger, der in rechtswidriger und schuldhafter Weise dem Betroffenen aus Anlass der Strafverfolgungsmaßnahme Schaden zugefügt hat, durch die Leistung des Staates von seiner Ersatzpflicht entlastet wird (BGHZ 106, 313 ff.). Diese Beurteilung, der sich der Senat anschließt, bedeutet für den vorliegenden Fall, sich der Beklagte nicht auf die geleistete Entschädigung nach § 7 StrEG zu seiner Entlastung berufen kann und der Kläger sich die erhaltene Entschädigung nicht auf seinen Schmerzensgeldanspruch anrechnen lassen muss.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO). Es handelt sich hinsichtlich der Anwendung der Anspruchsvoraussetzungen einer grob fahrlässigen Erstattung eines fehlerhaften gerichtlichen Gutachtens um eine Einzelfallbeurteilung, der keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Anwendung der Verjährungsvorschriften.