LG Frankfurt am Main, Urteil vom 26.07.2007 - 2-24 S 223/06, 2-24 S 223/06
Fundstelle
openJur 2012, 28827
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 23.08.2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bad Homburg v.d.H., Az.: 2 C 452/06 (23), wie folgt teilweise abgeändert:

Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 368,40 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.12.2005 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Klägerin macht Ansprüche aus einem Reisevertrag wegen mangelhafter Reiseleistungen geltend.

Die Klägerin buchte für sich und ihr Tochter bei der Beklagten eine Pauschalreise nach Fuerteventura für die Zeit vom 31.10. bis 08.11.2005 zu einem Gesamtreisepreis in Höhe von 1.842,– Euro ohne Reiserücktrittsversicherung gemäß Reisebestätigung.

Die Buchung erfolgte im Reisebüro ... wo die Klägerin eine Reiseanmeldung unterschrieb. In der Reiseanmeldung heißt es unter anderem: "Die Reise- und Zahlungsbedingungen des Reiseveranstalters bzw. Leistungsträgers habe ich zur Kenntnis genommen." Auf die Reiseanmeldung (Bl. 31 d.A.) wird Bezug genommen. Dieser eben genannte Satz wurde von der Klägerin unterzeichnet.

Der Abflug in Bremen am Anreisetag verschob sich um über eine Stunde, hinzu kam ein Zwischenstopp in ... so dass die Ankunft in Fuerteventura erst um 13.00 Uhr war und nicht, wie vorgesehen und in dem Schreiben der Beklagten vom 16.10.2005 angekündigt, um 9.45 Uhr (Bl. 7 d.A.).

Die Klägerin macht geltend, die Reise sei mangelbehaftet gewesen. Die von ihr behaupteten Reisemängel rügte die Klägerin jedoch nicht vor Ort bei der Reiseleitung. Vielmehr wendete sich die Klägerin lediglich an die Hotelrezeption. Diesbezüglich hat die Klägerin unwidersprochen vorgetragen, dass ihr nicht bekannt gewesen sei, dass die Reisemängel der Reiseleitung mitzuteilen seien.

Die Klägerin hat behauptet, die von der Beklagten veranstaltete Reise sei mit erheblichen Mängeln behaftet gewesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Klageschrift vom 09.02.2006 nebst Anlagen (Bl. 1ff. d.A.) und den Schriftsatz vom 25.04.2006 (Bl. 26ff. d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat insbesondere die Auffassung vertreten, dass vorliegend eine Mängelrüge gem. § 651d II BGB entbehrlich gewesen sei, da in der Reisebestätigung der Beklagten entgegen § 6 II Nr. 7, IV BGB-InfoV nicht auf die Rügeobliegenheit hingewiesen worden sei. Außerdem seien auch die AGB der Beklagten nicht Vertragsinhalt geworden.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass ein Minderungsanspruch in Höhe von 30% des Reisepreises wegen des Zimmerzustands und in Höhe von 10% wegen der Flugverspätung angemessen sei.

Erstinstanzlich hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 736,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 17.12.2005 sowie an Nebenforderung einen Betrag in Höhe von 68,61 Euro Rechtsverfolgungskosten zu zahlen.

Erstinstanzlich hat die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung gewesen, dass die Klägerin mit Minderungsansprüchen mangels Mängelrüge gem. § 651d II BGB ausgeschlossen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Amtsgerichts Bad Homburg v.d.H. vom 23.08.2006 (Bl. 48 - 49 d.A.) gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Durch dieses Urteil hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen.

Das Amtsgericht hat ausgeführt, dass eine Mängelrüge bei der Reiseleitung während der Reise nicht erfolgt sei und damit Minderungsansprüche gem. § 651d II BGB ausgeschlossen seien.

Ein Verstoß gegen die BGB-InfoV habe nicht vorgelegen. Vielmehr sei der Hinweis in den AGB der Beklagten, welche Vertragsinhalt geworden seien, ausreichend.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Amtsgerichts Bad Homburg v.d.H. vom 23.08.2006 (Bl. 49 - 51 d.A.) Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin die erstinstanzlichen Klageanträge vollständig weiter.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Insbesondere ist sie weiterhin der Auffassung, dass infolge des Verstoßes gegen die BGB-InfoV eine Mängelrüge entbehrlich gewesen sei.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte und Berufungsbeklagte unter Abänderung des am 23.08.2006 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Bad Homburg v.d.H., Az. 2 C 452/06 (23) zu verurteilen, an die Klägerin 736,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 17.12.2005 sowie an Nebenforderung einen Betrag in Höhe von 68,61 Euro Rechtsverfolgungskosten zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das amtsgerichtliche Urteil.

Die Beklagte behauptet, sowohl die vollständige Reisebestätigung vom 27.09.2005 als auch die vollständige Reisebestätigung vom 29.09.2005 seien der Klägerin zugegangen. In diesen Reisebestätigungen befindet sich folgender Satz: "Die Reise- und Zahlungsbedingungen wurden anerkannt. Sie sind Vertragsinhalt."

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Reisebestätigungen der Beklagten den Anforderungen der BGB-InfoV genügten. Insbesondere reiche der eben zitierte Satz aus, um der Hinweisverpflichtung nach § 6 II Nr. 7, IV BGB-InfoV zu genügen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.

1.

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf teilweise Rückzahlung des Reisepreises in Höhe von 368,40 Euro entweder gem. §§ 651c I, 651d I, 638 III und IV BGB oder gem. § 280 I BGB

a.

Die Reise der Klägerin war mit Reisemängel im Sinne von § 651c I BGB behaftet.

aa.

Hinsichtlich des Zustands des Zimmers 215 war die Reise im Sinne von § 651c I BGB mangelhaft.

Die Klägerin hat die Mängel im Zimmer 215 ausreichend substanziiert, insbesondere unter Vorlage von aussagekräftigen Lichtbildern, dargetan. Die Beklagte hat diese Mängel jedenfalls nicht substanziiert bestritten. Angesichts des substanziierten Vortrags der Klägerin ist die bloße Behauptung der Beklagten, ein Umzug sei nicht erforderlich gewesen, unzureichend und damit unerheblich.

Danach ist davon auszugehen, dass Teile des Mobiliars zerschlissen waren bzw. aufgerissene Polster aufwiesen. Die Gardine war nicht vollständig befestigt. Die Tagesdecke war löchrig. Die Zimmerwände waren fleckig. Es waren Schimmelflecken im Bad im Bereich der Decke und der Seitenwand vorhanden. Der Duschschlauch war teilweise defekt. Aus den Geruchsverschlüssen im Bad kam unangenehmer Chlorgeruch. Das Zimmer war insgesamt verwohnt und renovierungsbedürftig. Zweimal wurde das Zimmer nicht gereinigt.

Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände hält die Kammer im Hinblick auf diese Mängel eine Gesamtminderungsquote von 20% für angemessen und ausreichend.

Bei einem bereinigten Gesamtreisepreis von 1.842,– Euro ergibt sich bei einer 20%igen Minderungsquote für die gesamte Reisezeit ein Betrag von 368,40 Euro.

bb.

Hinsichtlich der Flugverspätung liegt kein Reisemangel im Sinne von § 651c I BGB vor.

Die Ankunft per Flugzeug am Urlaubsort verspätete sich um 3 Std. 15 Min..

Die Klägerin ist der Auffassung, dass diese Verspätung in Anlehnung an die Verordnung (EG) Nummer 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.02.2004 einen Reisemangel darstellt.

Diese Auffassung wird auch teilweise vom Amtsgericht Bad Homburg v.d.H. vertreten.

Nach der bisherigen Rechtsprechung der Kammer ist die "Karenzzeit" für Verspätungen mit 4 Stunden berechnet worden. Erst ab Verspätungen von über 4 Stunden ist ein Reisemangel bejahrt worden.

Führich (vgl. RRa 2007, 58, 60) und Schmid (vgl. RRa 2005, 151, 156/157) befürworten nunmehr auf der Grundlage der Verordnung 261/2004 unter Berücksichtigung der dortigen Wertungen, diese Wertungen auch für das Vorliegen eines Reisemangels wegen einer Flugverspätung zu übernehmen.

Es wird vorgeschlagen, für den Reisemangel der Abflugverspätung in entsprechender Anwendung des Art. 6 VO, die Grenze der hinzunehmenden Wartezeit bei Kurzstrecken bis 1.500 km mit zwei Stunden, Mittelstrecken bis 3.500 km mit drei Stunden und bei Langstrecken über 3.500 km mit vier Stunden zu ziehen.

Auch unter Berücksichtigung der Verordnung 261/2004 und der oben genannten Literaturstimmen hält die Kammer an ihrer Rechtsprechung bzgl. einer Reisepreisminderung bei Flugverspätungen fest.

Nach Auffassung der Kammer gebietet es die Verordnung 261/2004, die auf Luftfahrtunternehmen zugeschnitten ist, nicht zwingend, diese als Maßstab zur Bemessung der "Karenzzeit" im Pauschalreiserecht bzgl. einer Reisepreisminderung wegen Flugverspätungen heranzuziehen. Die Verordnung betrifft vorrangig das Verhältnis zwischen Reisenden und der jeweiligen Luftfahrtunternehmen.

Ein entscheidender Gesichtspunkt ist, dass die Verordnung 261/2004 in Art. 6, der die Flugverspätungen regelt, gerade keinen finanziellen Ausgleichsanspruch gem. Art. 7 VO gewährt. Vielmehr erhält der Fluggast je nach Verspätung und Strecke "nur" entsprechende Unterstützungsleistungen. Die Differenzierung in Art. 6 VO steht in direktem Zusammenhang mit der Verzögerung. Die Unterstützungsleistungen sollen die eingetretene Verzögerung und die damit einhergehenden Beeinträchtigungen abmildern. Die Frage, ob auch der Reisepreis zu mindern ist, wird aber nicht geregelt. Dies gilt insbesondere angesichts des Umstands, dass für Verzögerungen Ausgleichszahlungen nach Art. 7 VO nicht zu gewähren sind, das Luftfahrtunternehmen nach der Verordnung insoweit die volle Vergütung behalten darf.

Dagegen stellt die Reisepreisminderung einen finanziellen Ausgleich für die Flugverspätung dar. Insofern ist es nicht ausgeschlossen, bei Unterstützungsleistungen andere Maßstäbe anzulegen als bei einer Minderung.

Im Flugverkehr, insbesondere im Charterflugbereich, ist immer mit Verspätungen zu rechnen, was Reisenden auch allgemein bekannt ist. Für die Frage der Minderung ist zu berücksichtigen, dass der erste und der letzte Tag der Reise insbesondere für die Beförderung gedacht sind und deswegen die Reise durch Verzögerungen bis zu vier Stunden noch nicht im Sinne eines Reisemangels gem. § 651c I BGB beeinträchtigt wird. Nach Auffassung der Kammer werden die Reisenden dadurch auch noch nicht unangemessen benachteiligt, wenn sie eine Flugverspätung von vier Stunden entschädigungslos als Unannehmlichkeit hinnehmen müssen.

Insoweit ist die Kammer der Auffassung, dass im Pauschalreiserecht, nicht zuletzt auch aus Gründen der Vereinfachung, an der pauschalen "4-Stunden-Regelung" festgehalten werden kann.

Danach kommt im vorliegenden Fall eine Minderung nicht in Betracht, da die Flugverspätung unter 4 Stunden betragen hat und dies noch als Unannehmlichkeit zu werten ist.

b.

Fraglich ist, ob vorliegend eine Minderung nicht eingetreten ist, da die Klägerin unstreitig die Mängel hinsichtlich des Zimmers 215 nicht bei der Reiseleitung im Sinne von § 651d II BGB gerügt hat.

Vorliegend könnte jedoch ein Verschulden der Klägerin an der unterlassenen Mängelrüge gem. § 651d II BGB fehlen.

Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände ist die Kammer der Auffassung, dass die Beklagte gegen ihre Hinweispflichten aus der Verordnung über die Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht (BGB-InfoV) verstoßen hat.

Gem. § 6 II Nr. 7 BGB-InfoV muss die Reisebestätigung u.a. Angaben über die Obliegenheit des Reisenden, dem Reiseveranstalter einen aufgetretenen Mangel anzuzeigen, enthalten.

Der Reisende soll also schon vor Reisebeginn darauf hingewiesen werden, was von ihm im Falle des Auftretens eines Reisemangels verlangt wird.

Gem. § 6 IV BGB-InfoV besteht die Möglichkeit, dass der Reiseveranstalter in der Reisebestätigung auf die in einem von ihm herausgegebenen und dem Reisenden zur Verfügung gestellten Prospekt enthaltenen Angaben, die den Anforderungen des § 6 II u. III BGB-InfoV entsprechen müssen, verweist.

Welche Anforderungen an eine solche Verweisung im Sinne von § 6 IV BGB-InfoV zu stellen sind, wird in der BGB-InfoV selbst nicht geregelt (vgl. zum Meinungsstand Helmich, Rechtsfolgen einer unterlassenen Mängelanzeige nach § 651d Abs. 2 BGB, RRa 2006, 250, 251/252 m.w.N.).

Jedenfalls genügt die Verweisung in den Reisebestätigungen der Beklagten nicht den Anforderungen des § 6 IV BGB-InfoV.

In den Reisebestätigungen der Beklagten heißt es lapidar:

"Die Reise- und Zahlungsbedingungen wurden anerkannt. Sie sind Vertragsinhalt."

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Bad Homburg v.d.H. ist dieser von der Beklagte auf ihren Reisebestätigungen benutzte Hinweis auf deren Reise- und Zahlungsbedingungen im Hinblick auf die Anforderungen gem. § 6 II Nr. 7, IV BGB-InfoV nicht ausreichend.

Dieser Hinweis erfüllt noch nicht einmal die Mindestanforderungen an eine ausreichende Information des Reisenden.

Besagter Hinweis ist eine bloße Förmlichkeit. Ihm wohnt kein irgendwie gearteter Informationscharakter inne. Der Reisende wird durch diesen Passus nicht einmal darüber informiert, in welcher Quelle (Prospekt) die Reise- und Zahlungsbedingungen zu finden sind. Mit der Pauschalreise-Richtlinie sollte es aber gerade zu einer Erhöhung des Informationsniveaus des Verbrauchers kommen. Durch den bloßen Hinweis auf Reise- und Zahlungsbedingungen wird dieses Ziel nicht ansatzweise verwirklicht (vgl. auch Helmich, Rechtsfolgen einer unterlassenen Mängelanzeige nach § 651d Abs. 2 BGB, RRa 2006, 250, 251/252 m.w.N.).

Entscheidend ist, dass dieser Hinweis auf der Reisebestätigung noch nicht einmal den von § 6 IV BGB-InfoV geforderten Hinweis auf einen Prospekt enthält. Noch nicht einmal eine pauschale Bezugnahme auf einen Prospekt liegt vor.

Fest steht aber, dass auf der Reisebestätigung zumindest die Quelle eindeutig genannt werden muss, in der der Reisende die von § 6 II BGB-InfoV geforderten Informationen findet, also der konkrete Prospekt.

Nach all dem liegt ein Verstoß der Beklagten gegen die BGB-InfoV vor, da die Beklagte ihrer Hinweispflicht bzgl. der Mängelrügeobliegenheit gem. § 6 II Nr. 7, IV BGB-InfoV nicht hinreichend nachgekommen ist.

Die BGB-InfoV selbst sieht keine besonderen Sanktionen für die Verletzung der Informationspflichten durch den Reiseveranstalter vor.

Hinsichtlich der Rechtsfolgen einer unterlassenen bzw. unzureichenden Belehrung werden in der Literatur verschiedene Ansichten vertreten.

Insbesondere wird zum einen vertreten, dass als Rechtsfolge das Verschulden im Sinne von § 651d II BGB entfällt und zum anderen, dass dem Reisenden wegen der Pflichtverletzung des Reiseveranstalters ein Schadenersatzanspruch gem. § 280 I BGB zusteht (vgl. zum Meinungsstand Helmich, Rechtsfolgen einer unterlassenen Mängelanzeige nach § 651d Abs. 2 BGB, RRa 2006, 250, 252/253 m.w.N.).

Nach der ersten Auffassung ist vorliegend davon auszugehen, dass die Klägerin an der unterlassenen Mängelrüge kein Verschulden gem. § 651d II BGB trifft.

Die Klägerin ist von der Beklagten nicht ausreichend auf ihre Rügeobliegenheit informiert worden.

Die Klägerin hat auch insbesondere unwidersprochen vorgetragen, dass ihr nicht bekannt gewesen sei, dass die Reisemängel der Reiseleitung mitzuteilen seien.

In diesem Zusammenhang kann sich die Beklagte auch nicht erfolgreich auf die Reiseanmeldung berufen. Aus der Reiseanmeldung lässt sich nämlich nicht auf eine tatsächliche Kenntnis der Klägerin von der Mängelrügeobliegenheit schließen.

Zwar heißt es in der Reiseanmeldung (Bl. 31 d.A.):

"Die Reise- und Zahlungsbedingungen des Reiseveranstalters bzw. Leistungsträgers habe ich zur Kenntnis genommen."

Diese Klausel in der Reiseanmeldung bzgl. der Kenntnisnahme der Reise- und Zahlungsbedingungen des Reiseveranstalters verstößt nämlich als unzulässige Beweislastklausel gegen § 309 Nr. 12b BGB (vgl. BGH, NJW 1996, 1819, 1819).

Weiterhin spricht vorliegend der Umstand, dass die Klägerin das mangelhafte Zimmer gegenüber der Hotelrezeption gerügt hat, nicht zwingend für eine Kenntnis über das Erfordernis einer Mängelrüge, insbesondere gegenüber der Reiseleitung. Die Klägerin hat nämlich vorgetragen, dass sie ein anderes Zimmer haben wollte. Um dies zu erreichen, musste sie sich zwangsläufig an einen Ansprechpartner wenden. Diesbezüglich hat sich die Klägerin an die Hotelrezeption gewandt.

Auch führt der Vortrag der Klägerin, dass die Reiseleitung auch nicht vor Ort gewesen sei, nicht zu einem Verschulden der Klägerin. Dieser Vortrag stellt nur eine weitere "Verteidigung" dar. Aus dem Vortrag ist aber ebenfalls nicht zwingend zu entnehmen, dass ihr das Erfordernis einer Mängelrüge gegenüber der Reiseleitung bekannt gewesen ist.

Nach all dem ist nicht davon auszugehen, dass der Klägerin das Erfordernis einer Mängelrüge gegenüber der Reiseleitung bekannt gewesen ist.

Danach ist nach all dem nach der ersten Auffassung davon auszugehen, dass die Klägerin an der unterlassenen Mängelanzeige kein Verschulden trifft.

Die Klägerin hat danach einen Anspruch auf teilweise Rückzahlung des Reisepreises aufgrund einer eingetretenen Reisepreisminderung wegen Reisemängeln gemäß §§ 651c Abs. 1, 651d Abs. 1, 638 Abs. 3 und 4 BGB in Höhe von 368,40 Euro.

Folgt man der zweiten Auffassung, wonach dem Reisenden ein Schadenersatzanspruch nach § 280 I BGB wegen Verstoßes gegen die BGB-InfoV zusteht, ergibt sich im Ergebnis zur ersten Auffassung vorliegend kein Unterschied.

Zwar liegt nach dieser Auffassung grundsätzlich ein Verschulden des Reisenden an der unterlassenen Mängelrüge vor, so dass eine Minderung gem. § 651d II BGB nicht eingetreten ist.

Jedoch steht dem Reisenden ein Schadenersatzanspruch gem. § 280 I BGB zu, da aufgrund des Verstoßes des Reiseveranstalters gegen die Hinweispflicht nach der BGB-InfoV der Reisende eine Mängelrüge unterlassen hat und somit den Minderungsanspruch gem. § 651d II BGB verloren hat. Als Rechtsfolge ist der Reisende so zu stellen, als ob die Minderung gem. §§ 651c I, 651d I, 638 III und IV BGB doch eingetreten ist.

Ein Verschulden des Reiseveranstalters wird gem. § 280 I 2 BGB vermutet.

Da die Klägerin nach den obigen Ausführungen keine Kenntnis von ihrer Rügeobliegenheit gegenüber der Reiseleitung hatte, ist die Pflichtverletzung der Klägerin auch kausal für den Schaden.

Die Klägerin hat danach einen Anspruch auf Schadenersatz gem. § 280 I BGB in Höhe von 368,40 Euro.

Da nach beiden Auffassungen der Klägerin ein Zahlungsanspruch in Höhe von 368,40 Euro zusteht, kann vorliegend dahinstehen, welcher der oben genannten Auffassungen zu folgen ist.

Nach all dem hat die Klägerin einen Rückzahlungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 368,40 Euro.

2.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 I, 288 I, 247 BGB.

3.

Die Klägerin kann von der Beklagten die geltend gemachten Anwaltskosten nicht verlangen.

Die Beklagte hat die Anwaltskosten bestritten. Die Klägerin hat die Einforderbarkeit der Anwaltskosten im Sinne von § 10 I RVG weder erstinstanzlich noch zweitinstanzlich schlüssig dargelegt. Insbesondere hat sie keine vom Anwalt unterzeichnete und ihr mitgeteilte Berechnung ausreichend dargelegt. Dies ist nach Auffassung der Kammer jedoch notwendig.

Da es sich bei den eingeklagten Anwaltskosten um eine Nebenforderung handelt, bedarf es auch grundsätzlich keines weitergehenden Hinweises des Gerichts (vgl. § 139 II ZPO).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 I, 97 I ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, da die Voraussetzung des § 543 II 1 Nr. 1 ZPO gegeben ist, da die vorliegende Rechtssache aufgrund der Vielzahl der vergleichbaren Fälle grundsätzliche Bedeutung hat.

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