OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 30.03.2006 - 26 Sch 12/05
Fundstelle
openJur 2012, 27317
  • Rkr:
Tenor

Der von dem Schiedsgericht in Wiesbaden, bestehend aus dem Vorsitzenden Richter am Landgericht … als Obmann, dem Rechtsanwalt und Notar … und dem Rechtsanwalt … am 29.4.2005 im schriftlichen Verfahren erlassene Schiedsspruch wird insoweit für vollstreckbar erklärt, als der Antragsgegner verurteilt worden ist, an den Antragsteller 4.666,82 EUR zu zahlen.

Im Übrigen wird der Schiedsspruch aufgehoben und der Antrag auf Vollstreckbarerklärung wird zurückgewiesen.

Der Kostenschiedsspruch des vorgenannten Schiedsgerichts vom 20.4.2005 wird aufgehoben und der Antrag auf Vollstreckbarerklärung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens haben der Antragsteller 95,5 % und der Antragsgegner 4,5 % zu tragen.

Das Urteil ist für den Antragsteller vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung einer Rechtsanwaltssozietät.

Die Parteien betrieben in der Form einer BGB-Gesellschaft eine Rechtsanwaltssozietät. Mit Datum vom 30.3.2000 schlossen sie eine Schiedsgerichtsvereinbarung, nach deren Nr. 2 ein Schiedsgericht über alle Streitigkeiten im unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit der Auflösung der Sozietät unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges entscheiden soll.

Aufgrund einer Schiedsklage des Antragsgegners sowie einer Widerklage des Antragstellers fand ein erstes Schiedsverfahren statt, in dem am 24.5.2002 ein Schiedsspruch erging. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 159 – 184 d.A. Bezug genommen.

Über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung dieses Schiedsspruchs durch den Antragsteller erging ein Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 26.6.2003 in Verbindung mit dem Berichtigungsbeschluss vom 6.11.2003 (Az.: 1 Sch 1/02), mit dem über die Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs zu den Punkten B. II. – IV entschieden wurde. Insoweit wird auf Bl. 103 –110 der Akte verwiesen.

Aufgrund des Schiedsspruchs vom 24.5.2002 erließ das Schiedsgericht ferner einen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20.4.2005, nach dem der Antragsgegner an den Antragsteller 2.664,56 EUR nebst Zinsen zu erstatten habe (Bl. 255 – 256 d. A. 26 Sch 15/05).

Durch eine weitere Schiedsklage des Antragstellers vom 22.12.2003 wurde ein neues Schiedsverfahren zwischen den Parteien eingeleitet. In diesem Schiedsverfahren lehnte der Antragsgegner das Schiedsgericht wegen Befangenheit ab.

Durch undatierten Beschluss wies das Schiedsgericht den Befangenheitsantrag zurück (Bl. 48 – 50 d.A.). Auf Beschwerde des Antragsgegners hob das Oberlandesgericht Frankfurt am Main durch Beschluss vom 14.7.2004 (Az.: 2 Sch 1/04) den zurückweisenden Beschluss des Schiedsgerichts auf (Bl. 51 – 54 d.A.) und erklärte durch weiteren Beschluss vom 22.10.2004 das Ablehnungsgesuch des Antragsgegners gegen die Schiedsrichter für unbegründet (Bl. 111 – 115 d.A.).

Durch Schreiben vom 30.12.2003 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass er die schiedsgerichtliche Auseinandersetzung als endgültig abgeschlossen betrachte und die erledigte Schiedsvereinbarung vorsorglich kündige (Bl. 88 d.A.). In den mündlichen Verhandlungen vor dem Schiedsgericht rügte er dessen Unzuständigkeit.

In der Sitzung vom 23.4.2004 wies das Schiedsgericht die Parteien darauf hin, „dass eine Verurteilung zur Zahlung derzeit wohl nicht in Betracht kommt, weil sich nicht überblicken lässt, welche einzelnen Positionen in eine Auseinandersetzungsbilanz noch eingestellt werden müssen“ (Bl. 45 – 47 d.A.). In der mündlichen Verhandlung vom 22.12.2004 ordnete das Schiedsgericht das schriftliche Verfahren an und setzte den Termin, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, auf den 28.2.2005 fest. Mit Schriftsatz vom 24.2.2005 erhöhte der Antragsteller seinen Zahlungsantrag auf 106.596,72 EUR (Bl. 245 – 255 d.A.).

Das Schiedsgericht erließ sodann am 29.04.2005 einen weiteren Schiedsspruch. Mit diesem verurteilte es zum einen den Antragsgegner zur Zahlung von 4.666,82 EUR Zinsen auf den im Schiedsspruch vom 24.5.2002 dem Antragsteller zuerkannten Zahlungsanspruch; weiter verurteilte es den Antragsgegner zur Zahlung von 106.596,72 EUR nebst Zinsen. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 2 – 14 d.A. Bezug genommen.

Der Antragsteller begehrt die Vollstreckbarerklärung des Kostenschiedsspruchs sowie des Schiedsspruchs vom 29.04.2005.

Der Antragsteller beantragt,

1. den Kostenfestsetzungsbeschluss des Schiedsgerichts vom 20.4.2005 für vollstreckbar zu erklären;

2. den im schriftlichen Verfahren ergangenen Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären.

Der Antragsgegner beantragt,

die Anträge des Antragstellers zurückzuweisen;

Der Antragsgegner meint, der Kostenschiedsspruch sei inhaltlich nicht nachvollziehbar. Er sei zudem unzulässigerweise ergangen, weil das Schiedsgericht zumindest mittelbar in eigener Sache entschieden habe, indem es die eigenen Gebühren der Schiedsrichter berücksichtigt habe. Der Antragsgegner rügt ferner, dass das Schiedsgericht außergerichtliche Kosten der Parteien als erstattungsfähig angesehen habe, obwohl von den Parteien bei Abschluss der Schiedsgerichtsvereinbarung als selbstverständlich unterstellt worden sei, dass sie sich als Rechtsanwälte in dem Schiedsverfahren selbst vertreten.

Hinsichtlich des Schiedsspruchs vom 29.4.2005 beruft sich der Antragsgegner darauf, dass er die Schiedsgerichtsvereinbarung gekündigt habe. Dass das Schiedsgericht es trotz seiner Rüge abgelehnt habe, einen Zwischenentscheid i.S.v. § 1040 Abs. 3 S. 1 ZPO zu erlassen, erkläre sich nur aus der Befangenheit des Schiedsgerichts.

Bezüglich der Verpflichtung zur Zahlung von 4.666,82 EUR Zinsen wendet sich der Antragsgegner dagegen, dass nach dem nunmehrigen Schiedsspruch feststehe, dass zumindest bei Erlass des Schiedsspruchs vom 26.2.2002 noch keine Auseinandersetzungsreife bestanden habe und daher Zahlungsansprüche noch nicht fällig gewesen seien.

Ferner ist der Antragsgegner der Auffassung, dass der Schiedsspruch gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d und Abs. 2 Nr. 2 b ZPO aufzuheben sei, da verfahrensrechtliche Bestimmungen nicht beachtet worden seien.

Der Antragsgegner behauptet hierzu, der Schriftsatz vom 24.2.2005, mit dem der Antragsteller die von ihm geltend gemachten Zahlungsansprüche unter erheblicher Erweiterung der bisher erhobenen Zahlungsklage über 67.567,92 EUR nebst Zinsen geltend gemacht habe, sei ihm erst nach dem analog § 128 Abs. 2 S. 2 ZPO festgesetzten Termin vom 28.2.2005 am 2.3.2005 zugeleitet worden sei. Der Antragsgegner vertritt die Ansicht, diese Klageerweiterung habe nicht Grundlage des Schiedsspruches sein dürfen, da ihm hierzu rechtliches Gehör hätte gewährt werden müssen.

Ein weiterer Verfahrensverstoß des Schiedsgerichts bestehe darin, dass dieses sowohl im Rahmen mehrerer mündlicher Verhandlungen als auch im Rahmen der zu dem Ablehnungsgesuch abgegebenen Stellungnahmen (Bl. 55 – 62 d.A.) zunächst in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen habe, dass eine Verurteilung zur Zahlung nicht erfolgen und daher allenfalls auf Feststellung geklagt werden könne. Der Antragsgegner meint, das Schiedsgericht hätte darauf hinweisen müssen, dass es seine wiederholt geäußerte Rechtsauffassung zur fehlenden Fälligkeit der geltend gemachten Zahlungsansprüche aufgegeben habe. Die Voraussetzungen für einen unmittelbaren Zahlungsanspruch des Antragstellers lägen auch noch nicht vor, insbesondere müsste zuvor eine steuerrechtliche Aufgabebilanz erstellt werden.

Ferner macht der Antragsgegner geltend, dass das Schiedsgericht die Zahlungsansprüche des Antragstellers fehlerhaft berechnet habe. Sein Vortrag hierzu ergibt sich aus seinen Schriftsätzen vom 24.05.2005 (Bl. 27 – 32 d.A.), vom 29.09.2005 (Bl. 133 – 138 d.A.) und vom 08.11.2005 (Bl. 148 – 158 d.A., insbesondere Bl. 154 ff. d.A.).

Der Antragsteller erwidert, dass er von Anfang an im zweiten Teil des schiedsrichterlichen Verfahrens einen unbedingten Zahlungsantrag verfolgt und nur auf richterliche Hinweise hilfsweise Feststellungsanträge formuliert habe. Sein Schriftsatz vom 24.02.2005 sei dem Antragsgegner am 25.02.2005 in dessen Gerichtsfach gelegt worden.

Der Antragsteller meint, das Schiedsgericht habe auch nicht fehlerhaft gehandelt, indem es Zahlungsansprüche tenoriert habe. Zwar seien im Regelfall die jeweiligen Forderungen der Gesellschafter als unselbständige Rechnungsposten in eine Auseinandersetzungsbilanz einzustellen, so dass ein Zahlungsanspruch nur hinsichtlich des abschließenden Saldos bestehe. Aber auch wenn eine abschließende Auseinandersetzung noch nicht stattgefunden habe, könne der einzelne Gesellschafter Ansprüche ebenfalls dann isoliert geltend machen, wenn die Gefahr von Hin- und Herzahlungen während des Auseinandersetzungsverfahrens nicht bestehe. Das sei u.a. der Fall, wenn bereits vor Abschluss der Auseinandersetzung feststehe, dass einem Gesellschafter ein bestimmter Betrag in jedem Fall zustehe, oder wenn es nur noch um die Verteilung des letzten Aktivpostens gehe. Der Antragsteller meint, dass das Schiedsgericht die von dem Antragsgegner gegen die Höhe der Zahlungsforderung vorgebrachten Einwendungen im Einzelnen behandelt habe.

Der Antragsgegner hat Anträge auf Aufhebung der Schiedssprüche im Hinblick auf die Anträge auf deren Vollstreckbarerklärung zurückgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Anträge auf Vollstreckbarerklärung sind zulässig, jedoch nur zum geringen Teil begründet; soweit sie unbegründet sind, sind sie zugleich aufzuheben.

1. Vollstreckbarerklärung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 20.4.2005:

Dieser Schiedsspruch über die Kostenerstattung ist gemäß § 1060 Abs. 2 ZPO unter Zurückweisung des Antrages auf Vollstreckbarerklärung aufzuheben, da er einer Bestimmung des 10. Buches der ZPO nicht entspricht und sich dieser Verfahrensfehler auf den Schiedsspruch ausgewirkt hat (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 d) ZPO). Der Kostenschiedsspruch ist nämlich entgegen dem Verbot, als Richter in eigener Sache zu entscheiden (BGHZ 94, 92, 94), ergangen. Nach diesem Grundsatz dürfen die Schiedsrichter ihre Gebühren nicht selbst festlegen, auch nicht mittelbar über die Festsetzung des Streitwertes oder durch einen bezifferten Kostenschiedsspruch, der die Schiedsrichterhonorare mit umfasst. Ein solcher Schiedsspruch kann regelmäßig nicht für vollstreckbar erklärt werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Kosten bereits vorher feststehen, d.h. wenn sie im Schiedsrichtervertrag oder einem späteren Abkommen mit beiden Parteien der Höhe nach festgelegt sind (vgl. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Auflage, Kapitel 33, Rn. 15; Zöller/Geimer, ZPO, 25. Aufl., § 1057 Rn. 4, 5; a. A. Kröll NJW 2005, 194, 198 unter Verweis auf OLG Dresden SchiedsVZ 2004, 44). Den Schiedsrichtern darf also bezüglich der Höhe ihrer eigenen Vergütung kein Spielraum mehr verbleiben.

Gegen dieses Verbot wurde hier jedoch durch die Schiedsrichter verstoßen. Der Kostenfestsetzungsbeschluss verteilt auch sog. Gerichtskosten, d.h. die Vergütungen der Schiedsrichter in Höhe von 36.993,61 EUR. Es ist nicht ersichtlich und wird auch vom Antragsteller nicht dargelegt, dass die Schiedsrichter bei der Ermittlung ihrer Vergütung keinen Spielraum mehr hatten. Weder lag der Gegenstandswert des Schiedsverfahrens von vornherein zahlenmäßig fest, noch beruht er auf einer bindenden Einigung der Schiedsparteien. Desgleichen ist nicht ersichtlich, wie die Schiedsrichter aufgrund des Gegenstandswertes ihre Vergütung ermittelt haben.

2. Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vom 29.4.2005:

a) Zinsen von 4.666,82 EUR

Der Schiedsspruch ist nicht wegen Wegfalls der Schiedsvereinbarung aufzuheben. Die Ansicht des Antragsgegners, dass der Schiedsvertrag durch den Schiedsspruch vom 24.5.2002 „verbraucht" sei, trifft nicht zu. Ausweislich der Nr. 2 der Schiedsgerichtsvereinbarung soll das Schiedsgericht über alle Streitigkeiten im unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit der Auflösung der Sozietät entscheiden. Damit beschränkt sich die Zuständigkeit des Schiedsgerichts nicht auf die erste aufgekommene Streitigkeit (so auch OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 22.10.2004 – 2 Sch 1/04, Seite 3).

Der Schiedsvertrag ist ferner nicht durch die Kündigung des Antragsgegners vom 30.12.2003 weggefallen. Zwar kann ein Schiedsvertrag grundsätzlich aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden. Das Schiedsgericht hat jedoch zutreffend das Vorliegen wichtiger Gründe verneint.

Der Senat ist zur Nachprüfung der Zuständigkeit des Schiedsgerichts befugt.

Wenn das Schiedsgericht nicht gemäß § 1040 Abs. 3 ZPO über seine Zuständigkeit durch Zwischenentscheid befindet, kann die Überprüfung durch das staatliche Gericht noch im Vollstreckbarerklärungsverfahren nachgeholt werden (Schwab/Walter Kap. 16 Rdn. 12).

Der jetzt geltend gemachte außerordentliche Kündigungsgrund der Armut liegt vor, wenn eine Partei wegen nachträglicher Verschlechterung ihrer finanziellen Situation die Vorschüsse für die Schiedsrichter oder für eine erforderliche anwaltliche Vertretung nicht mehr zu leisten vermag (BGHZ 102, 199, 202; BGH NJW-RR 1994, 1214; Schwab/Walter Kap. 8 Rdn. 11). Wenn aber die Tätigkeit der Schiedsrichter oder eines anwaltlichen Vertreters von diesem wirtschaftlichen Unvermögen nicht abhängt, z. B. weil die Gegenpartei die Vorschüsse aufbringt, ist eine Kündigung nicht möglich (BGHZ a.a.O.; BGHR § 1025 ZPO Kündigung 1; Schwab/Walter a.a.O.). Dass die Kosten des Schiedsverfahrens die finanziellen Möglichkeiten einer Partei überschreiten, reicht nicht aus. Im Streitfall hat zwar der Antragsgegner die Schiedsrichtervorschüsse nicht erbracht, dies hat jedoch die Durchführung des Schiedsverfahrens nicht verhindert. Rechtsanwaltlicher Vertretung bedurfte der Antragsgegner nicht, da er selbst Rechtsanwalt ist und er nicht mit der Führung des Schiedsverfahrens überfordert war. Es kann deshalb dahin stehen, ob sich der Antragsgegner überhaupt auf diesen Grund berufen kann, da er ihn in der Kündigungserklärung (Bl. 88 d. A.) nicht aufgeführt, sondern später nachgeschoben hat.

Als Kündigungsgrund hat der Antragsgegner dagegen angeführt, dass der Antragsteller den Schiedsspruch vom 24.5.2002 in einem Rechtsstreit gegen die Ehefrau des Antragsgegners dem Landgericht Wiesbaden vorgelegt hatte. Dies kann jedoch eine außerordentliche Kündigung des Schiedsvertrages nicht rechtfertigen. Zum einen war schon eine Geheimhaltung des Schiedsverfahrens oder seines Ergebnisses offenbar nicht vereinbart worden. Zum anderen würde die Verwendung dieser Umstände in einem Gerichtsverfahren gegen die Ehefrau der gegnerischen Schiedspartei keinen so schwerwiegenden Verstoß gegen eine Geheimhaltungspflicht darstellen, dass dem Gegner das Festhalten an der Schiedsvereinbarung unzumutbar wird (zu diesen Voraussetzungen siehe BGH NJW 1986, 2765, 2766).

Der Antragsgegner rügt ferner, dass das Schiedsgericht die Verzinsungspflicht angenommen habe, obwohl nach dem nunmehrigen Schiedsspruch feststehe, dass zumindest bei Erlass des Schiedsspruchs vom 26.2.2002 noch keine Auseinandersetzungsreife bestanden habe und daher die Zahlungsansprüche nicht fällig gewesen seien. Damit widerspricht die Vollstreckung des Schiedsspruch jedoch nicht der öffentlichen Ordnung (ordre public) im Sinne des § 1059 Abs. 2 Nr. 2b) ZPO. Ein Verstoß gegen den ordre public liegt nur dann vor, wenn die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs eine Norm verletzt, die aufgrund bestimmter staatspolitischer oder wirtschaftlicher Anschauungen und nicht nur aus Zweckmäßigkeitsgründen die Grundlage des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens regelt, oder wenn er zu deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht. Dazu genügt nicht, dass das Schiedsgericht aus materiell-rechtlichen oder verfahrensrechtlichen Gründen falsch entschieden hat (z. B. Schwab/Walter Kap. 24 Rdn. 37 ff.; Zöller/Geimer, § 1059 Rdn. 64). Allenfalls ein solcher einfacher Fehler in der Anwendung des Rechts läge hier jedoch vor (ebenso OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 26.06.2003 – 1 Sch 1/02, Seite 4). Die Regelung, dass vor der endgültigen Saldierung aller gegenseitigen Forderungen kein Anspruch eines Gesellschafters besteht, beruht lediglich auf Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten, es sollen nämlich lediglich Hin- und Herzahlungen zwischen den Gesellschaftern vermieden werden (so z. B. BGH NJW 1999, 3557; Staudinger/Habermeier, BGB, 13. Bearb. 2003, § 730 Rn. 21).

b) Zahlung von 106.596,72 EUR nebst Zinsen

Der Schiedsspruch ist jedoch gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d) ZPO insoweit aufzuheben, weil das Schiedsgericht zunächst den Eindruck erweckt hat, als sei eine Zuerkennung einzelner Forderungen zu Gunsten des Antragstellers vor der endgültigen Auseinandersetzungsrechnung nicht möglich, dann aber im Schiedsspruch doch dem Antragsteller einen Zahlungsanspruch zuerkannt hat. Das Schiedsgericht hat dabei eine Hinweispflicht entsprechend § 139 ZPO verletzt. Die Außerachtlassung der Hinweispflicht verletzt zwar nicht grundsätzlich den Anspruch auf rechtliches Gehör. Anders verhält es sich aber, wenn das Schiedsgericht von einer vorher mitgeteilten Rechtsansicht stillschweigend abweicht und die Parteien dadurch am Vorbringen von Angriffs- und Verteidigungsmitteln gehindert werden (BGH NJW 1983, 867, 868; OLG Frankfurt am Main Betrieb 1977, 584; Schwab/Walter Kap.15 Rdn. 3; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 1998, Rdn. 356). So liegt der Fall jedoch hier: Das Schiedsgericht hatte durch seinen Hinweis in der Sitzung vom 23.4.2004 den Parteien mitgeteilt, dass eine Verurteilung zur Zahlung „derzeit wohl nicht in Betracht“ komme, weil sich nicht überblicken lasse, welche der einzelnen Positionen in eine Auseinandersetzungsbilanz noch eingestellt werden können; deswegen könne allenfalls der Hilfsantrag – auf Feststellung – Erfolg haben. Ein erneuter Hinweis, dass das Schiedsgericht nunmehr doch einen Zahlungsanspruch für begründet halte, ist nicht mehr ergangen.

Ferner muss anzunehmen sein, dass sich der Fehler im schiedsrichterlichen Verfahren auf den Schiedsspruch ausgewirkt hat. Dazu muss das staatliche Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Prozessstoffes des Aufhebungsverfahrens eine Prognose treffen, wobei die von dem Verfahrensverstoß betroffene Partei konkret darzulegen hat, was sie ohne Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör noch vorgetragen hätte (OLG Celle OLGR 2004, 396; Zöller/Geimer, § 1059 Rdn. 44).

Der Antragsgegner bringt zu der Saldierung durch das Schiedsgericht unter anderem die Einwendung, dass die Honoraraußenstände der Sozietät bezogen auf die Dezernate der angestellten Rechtsanwälte RA1 und Dr. RA2 im Schiedsspruch (Seite 12 oben) berücksichtigt wurden, obwohl die Beträge streitig und aufzuklären gewesen seien (Bl. 31 d.A.). Dies berührt die endgültige Abrechenbarkeit der Forderungen, denn der Antragsgegner hätte auf die noch erforderliche Aufklärung dieser Position hinweisen können, so dass das Schiedsgericht dem hätte nachkommen müssen. Der Schiedsspruch (Seite 11) folgt der Berechnung des Antragstellers in seinem Schriftsatz vom 24.2.2005 und legt die Honoraraußenstände bezüglich Rechtsanwalt RA1 mit 26.320,61 EUR und bezüglich Rechtsanwalt Dr. RA2 mit 9.984,22 EUR sowie die auf den Sozietätskonten eingegangenen Zahlungen zugrunde.

Diese Zahlen hatte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 24.2.2005 erstmals bzw. bezüglich der eingegangenen Zahlungen abweichend von der früheren Darstellung (Schriftsatz vom 30.3.2004) vorgetragen. Der Antragsgegner konnte darauf nicht mehr vor dem Termin, bis zu dem Schriftsätze gewechselt werden konnten, erwidern.

Im Hinblick auf Umsatzsteuer der Sozietät behauptet der Antragsgegner, dass bezüglich der Verwertungserlöse aus der Veräußerung von Anlagevermögen (Bl. 289 d.A.), der Honorareingänge nach dem 1.6.2000 (Bl. 289/290 d.A.) und der Mandantenstämme (Bl. 135, 291 d.A.) noch Umsatzsteuerpflichten zu Lasten der Sozietät bestünden und diese noch nicht ermittelt seien (Bl. 135 d.A.). Ferner führt er an, dass noch Vorsteuern zu berücksichtigen seien, die die Sozietät nach dem 1.6.2000 für Bürounkosten gezahlt habe (Bl. 290 d.A.). Der Antragsteller hat im Schiedsverfahren dazu vorgebracht, dass die Umsätze in seiner neuen Sozietät verbucht worden seien (Bl. 243/244) und dass nach einer Mitteilung des Finanzamts ... vom 26.1.2004 (Bl. 204/205 d.A.) noch ein Umsatzsteuerguthaben bestehe. Danach konnte das Schiedsgericht an sich davon ausgehen, dass zu Lasten der Sozietät keine Umsatzsteuer mehr anfällt. Ob diese Bewertung letztlich zutreffend war, ist im Verfahren wegen Vollstreckbarerklärung oder Aufhebung des Schiedsspruchs zwar nicht zu klären, da diese eventuell unrichtige Anwendung des einfachen Rechts grundsätzlich nicht gegen den ordre public verstößt. Es ist allerdings möglich, dass sich durch Anrechnung von Vorsteuer ein Guthaben der Sozietät ergab, das das Gesamtergebnis der Gesellschaft verbesserte und die Zahlungspflicht des Antragsgegners verringerte.

Der Antragsgegner hat die Aufhebungsgründe rechtzeitig im Sinne der §§ 1059 Abs. 3, 1060 Abs. 2 Satz 3 ZPO geltend gemacht. Der Schiedsspruch vom 29.4.2005 ist ihm am 2.5.2005 zugestellt worden. Der Aufhebungsantrag ist am 30.5.2005 und damit innerhalb der Dreimonatsfrist bei Gericht eingegangen. Dies gilt gleichermaßen für den Kostenschiedsspruch vom 20.40.2005, dessen Aufhebung der Antragsgegner am 18.7.2005 beantragt hat. Dass der Antragsgegner die Aufhebungsanträge wieder zurückgenommen hat, hindert die Berücksichtigung der Aufhebungsgründe nicht. Zwar hat die Rücknahme einer Klage zur Folge, dass der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen ist (§ 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Diese Wirkung spielt jedoch im Rahmen des § 1060 Abs. 2 Satz 3 ZPO keine Rolle. Der Fortdauer des Aufhebungsantrages bedarf es nicht. Der Schiedsspruch ist im Rahmen eines Antrages auf Vollstreckbarerklärung nämlich nicht aufzuheben, weil ein Aufhebungsantrag gestellt ist, sondern weil Aufhebungsgründe vorliegen. Dies wird daran deutlich, dass es für die Aufhebungsgründe des § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO eines Aufhebungsantrages nicht bedarf und ein Aufhebungsantrag wegen Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses seine Zulässigkeit verliert, sobald die Vollstreckbarerklärung beantragt wird (Zöller/Gummer § 1059 Rn. 4). Für § 1060 Abs. 2 Satz 3 ZPO kommt es allein darauf an, dass die nicht von Amts wegen zu berücksichtigenden Aufhebungsgründe fristgemäß im Wege eines Aufhebungsantrages geltend gemacht worden sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 1064 Abs. 2 ZPO.