VG Darmstadt, Urteil vom 08.02.2006 - 4 E 428/04
Fundstelle
openJur 2012, 27216
  • Rkr:

Ist ein Hundeführer der Bundespolizei dienstrechtlich verpflichtet, den Hund ständig zu betreuen, darf eine kommunale Satzung diesen Diensthund nicht der Hundesteuerpflicht unterwerfen. Dass dieser Hund außerhalb des Polizeidienstes von dem Hundeführer privat, etwa als sog. "Familienhund", untergebracht und versorgt wird, tritt hinter der dienstrechtlichen Betreuungspflicht völlig zurück.

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 18. Juli 2002 und derWiderspruchsbescheid der Beklagten vom 11. August werdenaufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung inHöhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der Klägervor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zur Hundesteuer für einen Diensthund.

Der Kläger ist Polizeiobermeister bei der Bundespolizei (vormals Bundesgrenzschutz) und als Diensthundeführer beim Bundespolizeiamt Frankfurt am Main tätig. Nach dem einschlägigen Erlass des Bundesministeriums des Innern vom 17. November 1997 („BRAS 171 – Das Diensthundewesen des Bundesgrenzschutzes“) stehen Diensthunde des Bundesgrenzschutzes im Eigentum des Bundes. Sie werden dem Diensthundeführer zur artgerechten Haltung und Pflege übergeben. Außerhalb der Dienstzeiten hält der Diensthundeführer den Diensthund bei sich zu Hause. Für den besonderen Aufwand, der dem Diensthundeführer durch die Betreuung des Hundes entsteht, werden Diensthundeführern 45 Minuten pro Wochentag auf die Arbeitszeit angerechnet. Außerdem erhält der Diensthundeführer eine Diensthundeführeraufwandsentschädigung in Höhe von 86,92 Euro im Monat, die der Abgeltung der mit der Haltung des Hundes im eigenen Haushalt verbundenen Aufwendungen (Futter, Pflegemittel, Tierarzt, Impfungen etc.) dient.

Die Beklagte erhebt aufgrund der Satzung über die Erhebung von Hundesteuer im Gebiet der Gemeinde  Riedstadt vom 4. Dezember 1998, geändert durch Satzung vom 31. August 2000, in ihrem Gemeindegebiet für die Haltung von Hunden Hundesteuer. Mit Bescheid vom 18. Juli 2002 erhob die Beklagte von dem Kläger erstmals Hundesteuer für den ersten Hund in Höhe von 30 Euro für den Zeitraum Juli bis Dezember 2002. Der Kläger legte mit Schreiben vom 21. Juli 2002, bei der Beklagten eingegangen am 23. Juli 2002, Widerspruch gegen diesen Bescheid ein. Mit Schreiben vom 2. August 2002 begründete die Dienststelle des Klägers den Widerspruch näher. Nachdem der Hessische Verwaltungsgerichtshof am 25. Juni 2003 eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Heranziehung eines Forstbeamten zur Hundesteuer für einen Jagdhund getroffen hatte, teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 11. August 2003 folgendes mit: „Der von Ihnen mit Schreiben vom 21.07.2002 gegen die Bescheide vom 01.07.02 und vom 18.07.02 wir (!) hiermit zurückgewiesen. Die gegen Sie ergangenen Bescheide werden aufrecht erhalten.“

Der Kläger hat am 25. Februar 2004 Klage erhoben.

Der Kläger ist der Ansicht, die Klage sei fristgerecht erhoben, da dem Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 11. August 2003 keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt gewesen sei. Die Klage sei auch begründet, da sich die Beklagte für die Heranziehung zur Hundesteuer nicht auf einen wirksamen Steuertatbestand berufen könne. Die Hundesteuer zähle zu den Aufwandsteuern i. S. d. Art. 105 Abs. 2a GG. Eine Aufwandsteuer erfasse den Konsum über den allgemeinen Lebensbedarf hinaus. Dieser liege nicht vor, da er nicht eigenes Einkommen oder Vermögen für den Diensthund aufbringe. Der vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof entschiedene Fall sei nicht vergleichbar. Dort sei ein Forstamtsleiter verpflichtet worden, für den in seinem Eigentum stehenden Hund die Hundesteuer zu zahlen. Zudem habe der Forstamtsleiter sämtliche Aufwendungen für den Hund aus seinem Vermögen bezahlt. § 2 Abs. 2 Satz 1 der Hundesteuersatzung der Beklagten sei auf den Kläger nicht anwendbar, da er den Hund nicht im geforderten „eigenen Interesse“ halte. Auch Satz 2 des § 2 Abs. 2 der Hundesteuersatzung sei nicht anwendbar, da auch hier ein eigenes Interesse in den Steuertatbestand „reinzulesen“ sei. Der Kläger weist auch darauf hin, dass das Verwaltungsgericht Kassel mit Urteil vom 27. April 2005 die Heranziehung eines Polizeivollzugsbeamten im Bundesgrenzschutz zur Zahlung von Hundesteuer für einen Diensthund für rechtswidrig gehalten habe.

Der Kläger beantragt,

den Hundesteuerbescheid vom 18. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 11. August 2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält die Klage für zulässig. Sie ist der Ansicht, dass die angefochtenen Bescheide rechtmäßig seien. Der Kläger sei Halter i. S. d. § 2 Abs. 2 Satz 2 der Hundesteuersatzung. Diese Vorschrift knüpfe allein an die Unterbringung eines Hundes für mehr als zwei Monate im Haushalt des Klägers an. Diese Voraussetzung erfülle der Kläger. Auch widerspreche die Heranziehung zur Hundesteuer für einen Diensthund nicht dem Begriff einer Aufwandsteuer i. S. d. Art. 105 Abs. 2a GG. Ausschlaggebendes Merkmal sei dabei der Konsum in Form eines äußerlich erkennbaren Zustandes, für den finanzielle Mittel aufgewendet werden. Schon in vorkonstitutioneller Zeit habe die Definition der Hundehaltereigenschaft nicht zwischen beruflicher und privater Veranlassung unterschieden. Nach dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. Juni 2003 sei es allein maßgeblich, dass die Hundehaltung Teil der persönlichen Lebensführung des Steuerpflichtigen sei, unabhängig davon, ob sie nun privat oder beruflich veranlasst sei. Zudem zeigten die Darstellungen des Klägers, dass dieser im Wesentlichen den Kosten- und Zeitaufwand trägt. Gerade die Aufwandsentschädigung belege, dass die Hundehaltung aus Sicht des Dienstherren zu Lasten der privaten Leistungsfähigkeit des Diensthundeführers gehe. Zudem könne eine interne Dienstvorschrift nicht die ordnungsgemäß erlassene Satzung einer Gemeinde einschränken oder den verfassungsrechtlichen Begriff der Aufwandsteuer ausfüllen. Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main habe mit Urteil vom 19. Mai 2005 die Heranziehung eines Zollhundeführers zur Hundesteuer für einen Diensthund für rechtmäßig erachtet.

Die Beteiligten haben auf eine mündliche Verhandlung verzichtet. Gegenstand der Entscheidungsfindung ist auch ein Heft Verwaltungsvorgänge der Beklagten gewesen.

Gründe

Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten auf eine mündliche Verhandlung verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die Klage ist zulässig. Die an sich für Anfechtungsklagen geltende Monatsfrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO für die Erhebung der Klage brauchte nicht eingehalten zu werden. Bei dem Schreiben vom 11. August 2003 handelt es sich zwar um einen Widerspruchsbescheid, da der Wille der Beklagten mitgeteilt wird, den Widerspruch des Beklagten zurückzuweisen. Weil dem Schreiben aber keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt war, war die Klage nicht innerhalb der Monatsfrist, sondern innerhalb eines Jahres zu erheben (§ 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO).

Die Klage ist auch begründet. Der Abgabenbescheid vom 18. Juli 2002 und der Widerspruchsbescheid vom 11. August 2003 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Es besteht keine wirksame Rechtsgrundlage für die Erhebung der Hundesteuer für den Diensthund.

Nachdem in Hessen das Hundesteuergesetz vom 13. März 1957 (GVBl. S. 28), das in seinem bis zur Aufhebung des Gesetzes unveränderten § 9 Nr. 1 vorsah, dass für Diensthunde von Polizei- und Zollbeamten, wenn ihre Unterhaltskosten im Wesentlichen aus öffentlichen Mitteln bestritten werden, auf Antrag Steuerbefreiung zu gewähren war, durch das Gesetz zur Aufhebung des Hundesteuergesetzes und zur Änderung des Gesetzes über kommunale Abgaben vom 3. November 1998 (GVBl. I S. 405) aufgehoben wurde, besteht in Hessen keine gesetzliche Regelung mehr für die Erhebung der Hundesteuer und damit auch keine gesetzliche Regelung der Frage, ob Diensthundeführer von Polizei- und Zollhunden zur Hundesteuer herangezogen werden können.

Nach Auffassung der Kammer ist die Heranziehung des Klägers zur Hundesteuer rechtswidrig, da die Hundesteuersatzung der Beklagten keine ausreichende Ermächtigungsgrundlagen darstellt, von dem Kläger als Diensthundeführer der Bundespolizei Hundesteuer für die Haltung eines Diensthundes zu erheben.

Nach Art. 105 Abs. 2a GG haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauchs- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Der hessische Landesgesetzgeber hat in Ausfüllung der ihm durch Art. 105 Abs. 2a GG gegebenen Kompetenz die Gemeinden durch § 7 Abs. 2 KAG ermächtigt, örtliche Verbrauchs- und Aufwandsteuern zu erheben, soweit Gesetze, die den Steuertatbestand erfassen, nicht bestehen. Nach Aufhebung des Hundesteuergesetz im November 1998 war die Beklage mithin berechtigt, eine Satzung über die Erhebung der Hundesteuer zu erlassen. Bei der Anwendung ihrer Hundesteuersatzung musste die Beklagte aber die Beschränkungen der Ermächtigungsgrundlage des § 7 Abs. 2 KAG beachten.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. grundlegend Beschluss vom 6. Dezember 1983, Az. 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, 325, 345 und jüngst Beschluss vom 11. Oktober 2005, Az. 1 BvR 1232/00 u. a., NJW 2005, 3556), der sich das Bundesverwaltungsgericht angeschlossen hat (vgl. etwa Urteil vom 6. Dezember 1996, Az. 8 C 49/95, NVwZ 1998, 178 sowie Urteil vom 12. April 2000, Az. 11 C 12/99, NVwZ 2001, 440), wird der Begriff der Aufwandsteuer im Grundgesetz nicht bestimmt, sondern vorausgesetzt. Aufwandssteuern sind Steuern auf die Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf, in der die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck kommt. Der Aufwand als ein äußerlich erkennbarer Zustand, für den finanzielle Mittel verwendet werden, ist typischerweise Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, ohne dass es darauf ankäme, von wem und mit welchen Mitteln dieser finanziert wird und welchen Zwecke er des Näheren dient. Nur der konsumtive Aufwand für den persönlichen Lebensbedarf darf Gegenstand der Besteuerung nach Art. 105 Abs. 2 a GG sein. Steuern auf einen Aufwand, der nicht der persönlichen Lebensführung dient, können auf der Grundlage des Art. 105 Abs. 2 a GG nicht erhoben werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. April 2000, a. a. O. [für eine Zweitwohnungssteuer]).

Nach § 2 Abs. 1 der Satzung über die Erhebung der Hundesteuer der Beklagten vom 4. Dezember 1998 i. d. F. der Änderungssatzung vom 31. August 2000 (HStS) ist Steuerschuldner der Halter des Hundes. Hundehalter ist nach § 2 Abs. 2 Satz 1 HStS, wer einen Hund im eigenen Interesse oder im Interesse eines Hausangehörigen im eigenen Haushalt aufnimmt. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 HStS ist auch Halter, wer einen Hund länger als zwei Monate gepflegt, untergebracht oder auf Probe oder zum Anlernen gehalten hat. Der Steuertatbestand des § 2 Abs. 2 Satz 1 HStS entspricht ohne weiteres der Ermächtigungsgrundlage, da nur eine Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf besteuert wird. Der Kläger erfüllt diesen Steuertatbestand jedoch nicht, da er den Hund nicht im eigenen Interesse oder im Interesse seiner Familie in seinen Haushalt aufgenommen hat, sondern dienstlich verpflichtet ist, den ihm anvertrauten Diensthund, der im Eigentum seines Dienstherrn, der Bundesrepublik Deutschland, steht, außerhalb der Dienstzeiten selbst zu betreuen. Soweit der Hund auch „Familienhund“ sein sollte, tritt dieser Aspekt gegen über dem Umstand, dass der Kläger dienstlich verpflichtet ist, den Diensthund den ganzen Tag zu betreuen, völlig zurück.

Demgegenüber lässt sich der Steuertatbestand des § 2 Abs. 2 Satz 2 HStS bei einer rein am Wortlaut orientierten Auslegung als erfüllt ansehen. Der Kläger hatte nämlich zum Zeitpunkt des Erlasses des Steuerbescheids den Diensthund schon länger als zwei Monate bei sich „untergebracht“. Einer solchen Auslegung des Begriffs der Unterbringung steht aber entgegen, dass die Erhebung der Hundesteuer für die Unterbringung des Diensthundes dann nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 7 Abs. 2 KAG gedeckt wäre. Es würde kein Aufwand, der typischerweise Ausdruck und Indikator einer eigenen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist, die in einer Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommt, besteuert, sondern ein durch den Dienstherrn des Klägers veranlasster Aufwand. Der Kläger ist aufgrund dienstlicher Vorschriften verpflichtet, den Diensthund außerhalb der Dienstzeiten in seinem Haus zu halten. Sein Dienstherr verlangt, dass er sich den ganzen Tag um den Diensthund kümmert. Es entspricht somit nicht einer eigenen Entscheidung des Klägers, den Diensthund in seinem Haus aufzunehmen. Der Kläger wendet für die Haltung des Diensthundes nach den ihn bindenden dienstlichen Vorschriften auch im Wesentlichen kein eigenes Vermögen auf, sondern er erhält für die Haltung des Diensthundes in seinem Haushalt eine pauschale Entschädigung. Es liegt somit kein durch eine persönliche, private Lebensführung veranlasster Aufwand vor, der Ausdruck einer eigenen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist, sondern ein dienstlich veranlasster Aufwand. Ein solcher Aufwand kann aber nicht Gegenstand einer Besteuerung mit einer Aufwandsteuer i. S. d. Art. 105 Abs. 2a GG i. V. m. § 7 Abs. 2 KAG sein.

Nach allem war der Steuertatbestand des Unterbringens in § 2 Abs. 2 Satz 2 HStS verfassungskonform dahin auszulegen, dass er nicht die Haltung von Hunden, die rein dienstlich veranlasst ist, erfassen soll, sondern nur die privatnützige. H’Hkk

Aus dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichthofs vom 25. Juni 2003 (Az. 5 UE 1174/01, NVwZ-RR 2004, 213), auf das sich die Beklagte beruft, ergibt sich nichts anderes. Dieses Urteil ist nämlich nicht einschlägig, da es sich mit der Besteuerung eines von einem stellvertretenden Forstamtsleiter, für den eine verbindliche dienstliche Verpflichtung zur Haltung eines Jagdhundes nicht bestand, selbst angeschafften Jagdhundes beschäftigt. Die Kammer folgt auch nicht dem Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt vom 19. Mai 2005 (Az. 10 E 7283/03 (V)), nach dem die Besteuerung eines Diensthundes des Zolls rechtmäßig ist. Dieses Urteil beachtet nämlich nach Auffassung der Kammer nicht hinreichend den auf die Besteuerung eines privaten Aufwands eingeschränkten Anwendungsbereich einer Aufwandssteuer.

Die Hundesteuerfestsetzung war nach alledem aufzuheben.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil sie unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO i. V. m. § 167 VwGO.

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