VG Frankfurt am Main, Urteil vom 26.01.2006 - 9 E 2233/04
Fundstelle
openJur 2012, 27006
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die ihm bewilligte Altersteilzeit. Der Kläger ist Beamter und als Regierungsoberrat beim Beklagten als Leiter der Abteilung Weiterbildung der Fachhochschule Frankfurt am Main beschäftigt. Er beantragte mit Schreiben vom 31.03.2003 (Bl. 4 der Verwaltungsvorgänge, Band 2) beim Beklagten, ihm ab dem 1.05.2003 bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand am 30.04.2009 Teilzeitbeschäftigung nach § 85b HBG (Altersteilzeit im Blockmodell) zu gewähren. Mit Schreiben vom 15.05.2003 bewilligte der Beklagte dem Kläger antragsgemäß Alterzeit im Blockmodell, nachdem das Präsidium der Fachhochschule dies am 14.04.2003 beschlossen hatte (Bl. 5 der Verwaltungsvorgänge, Band 2). In dem genannten Schreiben legte der Beklagte fest, dass die Arbeitsphase von 1.05.2003 bis zum 30.04.2006 dauere und er den Kläger vom 1.05.2006 bis zum 30.04.2009 vom Dienst frei stelle (Bl. 6 der Verwaltungsvorgänge, Band 2). Mit Schreiben vom 20.07.2003 (Bl. 9 der Verwaltungsvorgänge, Band 2) teilte der Kläger dem Beklagten mit, unvorhergesehene und von ihm nicht beeinflussbare Ereignisse hätten Änderungen in seiner Lebensplanung bewirkt, so dass er nunmehr seinen Antrag auf Bewilligung von Altersteilzeit zurücknehme und Wiedereinsetzung in das reguläre ungekürzte Dienstverhältnis beantrage. Am 10.11.2003 beschloss das Präsidium der Fachhochschule den Antrag des Klägers auf Rücknahme der Bewilligung von Altersteilzeit abzulehnen (Bl. 12 der Verwaltungsvorgänge, Band 2), was der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 20.11.2003 mitteilte (Bl. 13 der Verwaltungsvorgänge, Band 2). Gegen den Beschluss legte der Kläger mit Schreiben vom 27.11.2003 (Bl. 1 der Verwaltungsvorgänge, Band 1) Widerspruch ein, den er im Wesentlichen wie folgt begründete (Bl. 3 ff. der Verwaltungsvorgänge, Band 1): Er habe Altersteilzeit in Anspruch genommen, um in der Türkei ehrenamtlich beim Aufbau einer türkisch-kurdischen Universität in Adana mitzuwirken. Wegen einer Änderung der politischen Rahmenbedingungen hätten sich diese Absichten zerschlagen. Der Bescheid zur Bewilligung von Altersteilzeit sei zum Zeitpunkt des Schreibens des Klägers vom 20.07.2003, das als Widerspruch zu werten sei, mangels Rechtsbehelfsbelehrung noch nicht bestandskräftig gewesen. Mit dem Widerspruch sei eine Anfechtung der Willenserklärung des Klägers einhergegangen, weshalb der Bewilligung der Altersteilzeit die Grundlage entzogen sei. Am 19.04.2004 beschloss das Präsidium, die Anträge bzw. Widersprüche des Klägers ablehnend zu bescheiden (Bl. 17 der Verwaltungsvorgänge, Band 1). Der Beklagte, vertreten durch den Präsidenten der Fachhochschule, wies den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 29.04.2004 (Bl. 59 ff. der Gerichtsakte), dem Kläger am 3.5.2004 zugestellt (Bl. 26R der Verwaltungsvorgänge, Band 1), zurück. Die Rücknahme des Antrags auf Bewilligung von Altersteilzeit sei zum Zeitpunkt der Erklärung durch den Kläger nicht mehr möglich gewesen. Nach Abwägung aller Umstände, insbesondere unter Berücksichtigung der Planung der Fachhochschule habe das Präsidium zudem festgestellt, dass dienstliche Belange der Rücknahme der Bewilligung von Altersteilzeit entgegenstünden. Ein Härtefall sei ebenso wenig ersichtlich. Der Kläger hat am 15.4.2004 Klage erhoben. Er könne seinen Antrag ohne Angabe von Gründen zurücknehmen, solange der Bewilligungsbescheid noch nicht bestandskräftig geworden sei. Sollte eine Rücknahme nicht möglich sein, hätte es dem Beklagten oblegen, den Kläger auf diese Gefahr aufmerksam zu machen. Zudem sei über den Antrag auf Rücknahme der Bewilligung ermessensfehlerhaft entschieden worden. Den Planungen des Beklagten könne die Weiterbeschäftigung des Klägers nicht entgegenstehen, da ein personeller Ausbau des Beschäftigungsbereichs des Klägers beabsichtigt sei, so dass auch in Zukunft eine Dienstleistungszentrale für den Weiterbildungsbereich erforderlich sei. Dem Kläger sei im Gespräch mit dem Präsidenten die Rücknahme für den Fall zugesagt worden, dass er dem künftigen Leiter eines Weiterbildungszentrums genehm sei.

Der Kläger beantragt,

den Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 15.5.2003 aufzuheben;

hilfsweise,

unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 20.11.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 29.4.2004 den Beklagten zu verpflichten, den Antrag des Klägers auf Rücknahme des Bewilligungsbescheides unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Bewilligungsbescheid sei bestandskräftig geworden, denn dieser Verwaltungsakt sei ausschließlich begünstigend. Der Kläger könne seine Willenserklärung auch nicht anfechten, denn es liege allenfalls ein unbeachtlicher Motivirrtum vor. Eine Rücknahme des Antrags sei nach der Bewilligung nicht mehr möglich. Die Fachhochschule wolle künftig die bisher fast ausschließlich zentral organisierten Weiterbildungsaktivitäten viel mehr als bisher in Eigenregie der Fachbereiche konzipieren und durchführen. Hierfür sei die Einrichtung eines "Wissenschaftlichen Zentrums für Weiterbildung" geplant, dessen Leitung ein Hochschullehrer übernehmen solle. Die Fachhochschule sei darauf angewiesen, frei werdende Stellen gegebenenfalls anders zu nutzen. Eine Zusage der Rücknahme sei nicht erfolgt. Die das Verwaltungsverfahren betreffenden Behördenvorgänge (2 Bände) sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf diese Unterlagen und die Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die angegriffene Bewilligung von Altersteilzeit ist nicht wegen Fehlens des erforderlichen Antrags rechtswidrig, und der Kläger ist durch die seinem Antrag entsprechende Bewilligung nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO).Der Kläger hat den für die Bewilligung der Altersteilzeit nach § 85b Abs. 1 HBG erforderlichen Antrag rechtswirksam gestellt. Der Kläger konnte seinen wirksam gestellten Antrag nach Ergehen des diesem Antrag entsprechenden Bescheides, d.h. nach dessen Bekanntgabe an ihn, nicht mehr ohne Zustimmung des Beklagten mit der Folge zurücknehmen, dass dadurch die antragsgemäße Bewilligung nachträglich rechtswidrig wurde. Die Bewilligung von Altersteilzeit verändert die sich gegenüberstehenden Rechte und Pflichten des Beamten und des Dienstherrn aus dem Beamtenverhältnis. Auf Seiten des Beamten setzt die Rechtsänderung dessen Zustimmung durch den vorgesehenen Antrag voraus. Hat der Dienstherr antragsgemäß die Altersteilzeit bewilligt, so ist die Änderung der beiderseitigen Rechte und Pflichten insoweit rechtmäßig angeordnet, insbesondere der darin liegende Eingriff in die Rechtsstellung des Beamten auf der Grundlage seiner Zustimmung erfolgt. Mehr verlangt das Gesetz nicht, insbesondere kein weiteres Fortbestehen der Zustimmung. An die rechtmäßig ausgesprochene Bewilligung ist der Dienstherr gebunden und muss, soweit erforderlich, Vorkehrungen für personelle Folgemaßnahmen treffen. Der Gegenseitigkeit der Rechte und Pflichten im Beamtenverhältnis widerspräche es, wenn gleichwohl der Beamte noch nach der Bewilligung des Urlaubs die Möglichkeit hätte, sich einseitig von seiner Zustimmung zu lösen und durch Rücknahme des Antrags der rechtmäßig ausgesprochenen Rechtsänderung nachträglich die Grundlage zu entziehen (so auch zur entsprechenden Vorschrift im bremischen Landesbeamtenrecht: OVG Bremen, Beschluss vom 19.12.2003 - 2 A 362/03 -, NordÖR 2004, 78; dieser Rechtsprechung folgend: von Roetteken, HBR IV, § 85b HBG, Rn. 42 mwN; ebenso für die Rücknahme eines Antrags auf Urlaub ohne Dienstbezüge: BVerwG, Urteil vom 15.05 1997, - 2 C 3.96 -, BVerwGE 104, 375, für die Rücknahme eines Antrags auf Versetzung in den Ruhestand: BVerwG, Beschluss vom 17.09.1996 - 2 B 98.96 -, ZBR 1997, 20 und für die Rücknahme eines Antrags auf Teilzeitbeschäftigung: BVerwG, Urteil vom 6.07.1989 - 2 C 52.87 -, BVerwGE 82, 196; für die Rücknahme eines Entlassungsantrags vgl. § 41 Abs. 1 Satz 3 HBG). Das gilt umso mehr, als im Zeitpunkt der Rücknahmeerklärung des Klägers die Bewilligung nicht nur bereits bekannt gegeben war, sondern die Altersteilzeit bereits begonnen hatte.Der Kläger hat seinen Antrag auch nicht wirksam angefochten. Einem rechtlich bedeutsamen Irrtum über den Inhalt seiner Willenserklärung (§ 119 Abs. 1 BGB) unterlag der Kläger bei Stellung des Antrags nicht. Sein Vortrag in der mündlichen Verhandlung, er habe über rechtliche Auswirkungen seiner Erklärung, nämlich über deren Nichtrücknehmbarkeit geirrt, ist zum einen unschlüssig, weil er selbst vorgetragen hat, sich über eine eventuelle Rücknahme gar keine Gedanken gemacht zu haben, weshalb er über die Möglichkeit hierzu auch nicht im Irrtum sein konnte. Zum anderen stellt ein Irrtum über die rechtlichen Wirkungen einer Erklärung auch keinen Inhaltsirrtum i.S.v. § 119 Abs. 1 BGB dar. Zudem stand es dem Kläger frei, sich über die rechtlichen Wirkungen seines Antrags zu informieren, was ihm zudem der Beklagte mit Schreiben vom 10.01.2003 (Bl. 3 der Verwaltungsvorgänge, Band 2) ausdrücklich angeboten hat. Da der Kläger in dem diesem Angebot folgenden Gespräch die Möglichkeit einer Rücknahme nicht angesprochen hat und auch nicht angedeutet hat, seine Pläne für die Passivphase der Altersteilzeit könnten unsicher sein, bestand auch für den Beklagten keinen Anlass, von sich aus auf diese - im Regelfall wohl eher fernliegende - Möglichkeit einzugehen. In dem Unterlassen einer solchen Information ist deshalb auch kein Anfechtungsgrund zu sehen und zwar unabhängig davon, ob es sich - was der Kläger nicht ausdrücklich erklärt hat - um eine Anfechtung wegen Irrtums oder wegen arglistiger Täuschung (§ 123 Abs. 1 BGB) handeln sollte. Eigentlich handelt es sich bei der vom Kläger erklärten Anfechtung um eine solche wegen eines - grundsätzlich unbeachtlichen - Motivirrtums. Die vom Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung angesprochene angeblich weggefallene Geschäftsgrundlage kann schon deshalb nicht zur Rechtswidrigkeit der Bewilligung führen, weil der Kläger seine Zukunftspläne und/oder deren mögliches Scheitern gerade nicht zum Gegenstand seines Antrags und damit auch nicht zum Inhalt einer möglichen Geschäftsgrundlage gemacht hat.

Der Kläger hat auch mit seinem Hilfsantrag keinen Erfolg. Der damit angegriffene Bescheid, mit dem der Beklagte die Rücknahme der Bewilligung von Altersteilzeit abgelehnt hat sowie der hierauf ergangene Widerspruchsbescheid sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Der Kläger hat nämlich keinen Anspruch auf die beantragte Rücknahme. Zunächst hat der Kläger keinen Anspruch aus einer ihm angeblich gegebenen Zusage des Beklagten. Es kann dahin stehen, ob es sich bei der vom Kläger vorgetragenen Aussage des Präsidenten der Fachhochschule um eine Zusicherung handelt, da sie jedenfalls nicht in der gemäß § 38 Abs. 1 HVwVfG erforderlichen Schriftform ergangen ist. Mangels einschlägiger gesetzlicher Regelungen hatte der Beklagte deshalb über den Antrag des Klägers nach pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden. Bei dieser Entscheidung durfte der Beklagte berücksichtigen, dass - wie bereits ausgeführt - ein Beamter sich grundsätzlich nicht einseitig aus der bereits bewilligten Altersteilzeit lösen kann (vgl. OVG Bremen, a.a.O.), weshalb es angemessen erscheint, eine Rücknahme von dem Vorliegen besonderer Umstände abhängig zu machen. Solche Umstände könnten vorliegen, wenn das Festhalten an der bewilligten Altersteilzeit zu einer unzumutbaren Härte für den Beamten führen würde (vgl. Art. 80d Abs. 2 Satz 3 Nr. 4 BayBG). Für eine solche Härte hat der Beklagte im Falle des Klägers zurecht keinen Anhaltspunkt gesehen. Der Kläger hat auch selbst nicht behauptet, dass das Festhalten an der Altersteilzeit für ihn unzumutbar sei. Vielmehr hätte es sich bei dem - nunmehr nicht mehr möglichen - Einsatz des Klägers während der Zeit seiner Freistellung um eine grundsätzlich ehrenamtliche Tätigkeit gehandelt. Die vom Beklagten in den angegriffenen Bescheiden genannten Gründe der Personalplanung, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im vollem Umfang entgegenstehen, sind offensichtlich nicht ermessensfehlerhaft. Vielmehr sind sie Ausdruck der dem Beklagten zukommenden Planungshoheit, die inhaltlich vom erkennenden Gericht nur eingeschränkt überprüft werden kann. Anhaltspunkte für ein willkürliches, sachfremdes Vorgehen bei dieser Planung hat der Kläger nicht benannt und sie sind auch nicht ersichtlich. Eine weitere Prüfung der Zweckmäßigkeit der vom Beklagten geplanten Umstrukturierung des Beschäftigungsbereichs des Klägers ist dem Gericht verwehrt. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil er unterlegen ist.Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich (§ 124 Abs. 2 VwGO).