VG Frankfurt am Main, Urteil vom 25.02.2002 - 9 E 3090/00
Fundstelle
openJur 2012, 23281
  • Rkr:
Tenor

Die Klagen werden abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu je 1/3 zu tragen.

Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kostenschuld abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger nehmen im Rahmen ihrer geschäftlichen Tätigkeit am Handel der Terminbörsen Eurex Deutschland und Eurex Zürich teil, die Klägerin zu 1) als Broker, die Kläger zu 2) und 3) für die Klägerin zu 1) als Börsenhändler. Der Schwerpunkt ihrer Geschäfte liegt auf dem Handel mit Euro-Bund-Optionen. Auf dem Markt für Euro-Bund-Optionen werden die Geschäfte indes überwiegend außerbörslich geschlossen ("Over-The-Counter" - OTC) zu Preisen, die den Marktpreis im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses wiederspiegeln. Dabei handeln die Kläger zwischen dem jeweiligen Verkäufer und dem Käufer Preise aus, die im Rahmen der von der Eurex Deutschland im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses angezeigten Bildschirmpreise liegen. Die durch vorherige Zusammenbringung von Angebot und Annahme abgeschlossenen Geschäfte werden von den Klägern regelmäßig in das Abwicklungssystem der Eurex-Börsen eingegeben. Nach den unbestrittenen Angaben der Beklagten liegt dem der Umstand zugrunde, dass bei jedem durch das EDV-System der Eurex-Börsen erfassten Geschäft die Eurex-Clearing-AG Vertragspartner wird und damit letztlich das Ausfallrisiko für das Geschäft übernimmt.

Für die von den Klägern in das Eurex-System eingegebenen Aufträge gilt Nr. 1.3.3 Absatz 5 der Bedingungen für den Handel an der Eurex Deutschland und der Eurex Zürich, die der Börsenrat der Eurex Deutschland erstmals mit Beschluss vom 18.09.1998 beschloss. Die Bestimmung galt bis zum 01.03.2001 unverändert und hatte folgenden Wortlaut:

"(5) Ein limitierter Kauf- und ein limitierter Verkaufsauftrag und/oder Quotes, die denselben Kontrakt betreffen, dürfen, wenn sie sich sofort ausführbar gegenüberstünden, von einem Börsenteilnehmer (Cross-Trade) oder - nach vorheriger Absprache - von zwei unterschiedlichen Börsenteilnehmern (Pre-Arranged-Trade) grundsätzlich nur nacheinander eingegeben werden, wobei der Zeitabstand zwischen beiden Eingaben

- bei Optionskontrakten mindestens 15 Sekunden,

- bei Future-Kontrakten mindestens 5 Sekunden

betragen muss.

Die vorstehend definierten Zeitabstände müssen dann nicht eingehalten werden, wenn der initiierende Börsenteilnehmer vor der Eingabe des Cross- oder Prearranged-Auftrages einen Cross-Request in das System der Eurex-Börsen eingibt und damit den anderen Börsenteilnehmern den beabsichtigten Cross- oder Prearranged-Trade ankündigt.

Entspricht oder übersteigt der Cross- oder Prearranged-Auftrag der/die von der Geschäftsführung festgelegte(n) Mindestauftragsgröße(n) für Cross- oder Prearranged-Trades, ist/sind der/die Börsenteilnehmer verpflichtet, einen Cross-Request in das System der Eurex-Börsen einzugeben.

Sofern der initiierende Börsenteilnehmer den Cross- oder Prearranged-Trade per Cross-Request in der beabsichtigten Kontraktanzahl ankündigt, muss er die den Cross- oder Prearranged-Trade herbeiführenden Aufträge oder Quotes

- bei Optionskontrakten frühestens 15 Sekunden, spätestens jedoch 75 Sekunden,

- bei Future-Kontrakten frühestens 5 Sekunden, spätestens jedoch 35 Sekunden

nach der Eingabe des Cross-Request in das System der Eurex-Börsen eingegeben haben.

Beachtet ein Börsenteilnehmer nicht die oben geregelten Verfahrensweisen zur Herbeiführung eines Cross- oder Prearranged-Trades, gilt dies als Missbrauch; ferner ist das Crossing von Aufträgen und Quotes eines Börsenteilnehmers unzulässig, sofern dieser wissentlich sowohl auf der Kaufseite als auch auf der Verkaufsseite für eigene Rechnung handelt."

Für den Zeitraum zwischen dem 01.03. und dem 31.05.1999 stellte die Handelsüberwachungsstelle der Beklagten fest, dass die Kläger zu 2) und 3) für die Klägerin zu 1) 1.442 sog. Cross-Trades in den Optionen auf den Euro-Bund-Future in das Abwicklungssystem eingaben, wobei sie in 1.028 Fällen gegen die erwähnte Bestimmung verstießen. Teilweise, nämlich in 405 von 489 Fällen, wurde der erforderliche Cross-Request nicht eingegeben; teilweise, nämlich bei weiteren 623 Cross-Trades, wurde der erforderliche zeitliche Mindestabstand von 15 Sekunden zwischen den einzelnen Ordereingaben nicht eingehalten. Die Handelsüberwachungsstelle der Beklagten wies die Kläger mit Schreiben vom 24.06.1999 auf die Verstöße hin und forderte sie zur Stellungnahme auf, die die Klägerin zu 1) mit Schreiben vom 30.07.1999 abgab. Sie räumte gegenüber der Handelsüberwachungsstelle die Verstöße ein, wies aber darauf hin, dass sie bei Beachtung der Handelsbedingungen erhebliche Geschäftsrisiken einginge, da zu befürchten sei, dass ein bereits abgeschlossenes Geschäft durch andere Handelsteilnehmer übernommen werde. Die Klägerin zu 1) erklärte zugleich ihre grundsätzliche Bereitschaft, die Vorschriften einzuhalten. In der Folgezeit reduzierten sich die Verstöße gegen die genannte Handelsbedingung nach den Feststellungen der Handelsüberwachungsstelle jedoch nicht.

Am 12.01.2000 beantragte die Börsenaufsichtsbehörde beim Sanktionsausschuss der Beklagten die Einleitung eines Sanktionsverfahrens gegen die Kläger wegen einer Verletzung von börsenrechtlichen Vorschriften in 3.225 Fällen im Zeitraum von Juli bis November 1999. Der Sanktionsausschuss leitete durch Beschluss vom 04.02.2000 das Sanktionsausschussverfahren ein. Die Kläger trugen in diesem Verfahren vor, dass durch ihre Geschäftspraxis weder die ordnungsgemäße Durchführung des Handels an der Börse noch die Börsengeschäftsabwicklung gestört werde, da es sich um die Eingabe von Geschäften handele, die bereits außerbörslich abgeschlossen worden seien. Hielten die Kläger sich an die hierfür geltenden Handelsbedingungen, führte dies dazu, dass andere Marktteilnehmer die Möglichkeiten hätten, sich in die Transaktion einzuschalten, so dass die Geschäfte nicht mehr wie vereinbart oder nur zu veränderten Preisen ausgeführt werden könnten. Dies führe bei den Crossing-Parteien zu finanziellen Verlusten. Die Kläger beriefen sich darauf, dass infolge dessen die Nichteinhaltung dieser Bestimmung gängige Praxis auch der anderen Handelsteilnehmer sei. Die für Cross-Trades geltenden Regeln trügen im übrigen den erreichten technischen Rahmenbedingungen nicht hinreichend Rechnung. Darüber hinaus sei den Klägern auch eine Änderung dieser Regelung in Aussicht gestellt worden und dadurch ein Vertrauenstatbestand dahingehend begründet worden, dass eine Ahndung auf der Grundlage der ursprünglichen Fassung der Regelung nicht mehr angestrebt werde. Schließlich trugen die Kläger Zweifel an der Wirksamkeit der Handelsbedingungen vor, da insbesondere deren ordnungsgemäße Ausfertigung nicht belegt sei. Die Regeln seien wegen der erheblichen Bedeutung für die Börsengeschäftsabwicklung nicht von der Geschäftsführung, sondern vom Börsenrat selbst zu erlassen. Sie stellten außerdem einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte der Kläger aus Art. 12 Abs. 1 GG dar.

Durch Beschluss vom 03.03.2000 (Bl. 131 ff. d. Verwaltungsvorgänge), überschrieben mit "AZ: 1/200 Eurex Deutschland", belegte der "Sanktionsausschuss für die Eurex- Deutschland und die Eurex Zürich" die Kläger aufgrund mündlicher Verhandlung vom gleichen Tag mit je einem Verweis. Sie hätten vorsätzlich gegen die für Cross-Trades geltenden Regelungen verstoßen. Diese müssten die Kläger jedenfalls deswegen beachten, weil sie sich des Eurex-Systems bedienten. Dass die Regelungen unwirksam seien, sei nicht hinreichend dargetan. Da aber die Beklagte zum Zeitpunkt der Verstöße eine Änderung der entsprechenden Regelungen betrieben habe und dies auch den Klägern bekannt gewesen sei, sei als Sanktion jeweils ein Verweis angemessen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Ausführungen im Beschluss (Bl. 133-134 d. Verwaltungsvorgänge) Bezug genommen. Der Beschluss wurde den Klägern am 09.05.2000 zugestellt.

Die Kläger haben am 09.06.2000 Klage gegen die Eurex Deutschland sowie gegen den Sanktionsausschuss für die Eurex Deutschland und die Eurex Zürich erhoben. Zur Begründung vertiefen sie ihr Vorbringen aus dem Sanktionsausschussverfahren, insbesondere im Hinblick darauf, dass die Beklagte eine baldige Änderung der streitigen Regelung in Aussicht gestellt und damit einen Vertrauenstatbestand geschaffen habe. Im übrigen sei der angefochtene Beschluss des Sanktionsausschusses nichtig, da er die entscheidende Behörde nicht hinreichend erkennen lasse; einen "Sanktionsausschuss für die Eurex Deutschland und die Eurex Zürich" gebe es nicht. Auch sei die ordnungsgemäße Besetzung des Ausschusses nicht nachzuvollziehen.

Die Kläger tragen des weiteren vor, dass die Beklagte technisch die Möglichkeit eingeführt habe, OTC-Geschäfte risikolos abzuwickeln und in das Abwicklungssystem der Eurex einzugeben, nicht aber die Handelsbedingungen insoweit entsprechend angepasst habe. Dies habe sie erst nach den hier streitigen Vorfällen getan. Im Hinblick darauf erscheine ihr Vorgehen gegen die Kläger jedenfalls als widersprüchlich. überdies sei auf der Grundlage des Rechtsgedankens des § 2 Abs. 2 StGB in einem solchen Fall die günstigere Regelung anzuwenden, was hier den gegenüber den Klägern ausgesprochenen Verweisen die rechtliche Grundlage entziehe.

Die Kläger beantragen,

den Beschluss des Sanktionsausschusses der Eurex Deutschland vom 03.03.2000 (Az. 1/2000) aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss des Sanktionsausschusses. Darüber hinaus trägt sie vor, dass auch die für Cross-Trades geltenden Regelungen der Handelsbedingungen der Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandekommens der Börsenpreise dienten. Dies setze voraus, dass den Handelsteilnehmern alle Angebote zugänglich und deren Annahme möglich seien. Letztlich solle auf diese Weise das Vertrauen der Anleger in die Fairness des Handels und die Preisfindung an der Börse geschützt werden. Infolge des Verhaltens der Kläger seien bei deren Geschäften Aufträge anderen Handelsteilnehmern nicht während der nach den Handelsbedingungen vorgeschriebenen Zeit zugänglich gemacht worden oder habe jedenfalls der erforderliche Cross-Request gefehlt. Hierfür seien die ausgesprochenen Verweise eine angemessene Sanktion, zumal die Kläger sich nicht auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen könnten. Auch ihre unternehmerische Freiheit werde durch die Verweise nicht eingeschränkt; die Kläger seien nicht gezwungen, sich des Systems der Eurex-Börsen zu bedienen.

Ein Leitz-Ordner mit den Vorgängen aus dem Sanktionsausschussverfahren ist zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die darin abgehefteten Unterlagen sowie die Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

Gründe

Die Klage, über die aufgrund des in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erteilten Einverständnisses der Beteiligten der Berichterstatter allein entscheiden kann (§ 87 a Abs. 2, 3 VwGO), ist zulässig. Das Rubrum war allerdings von Amts wegen dahingehend zu berichtigen, dass die Klage sich lediglich gegen die Eurex Deutschland richtet. Abgesehen davon, dass es einen "Sanktionsausschuss für die Eurex Deutschland und die Eurex Zürich" nicht gibt, ist die Klage mangels entsprechender landesrechtlicher Bestimmungen im Hinblick auf § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO nur gegen den Rechtsträger der Behörde zu richten, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat; dies ist die Eurex Deutschland.

Die Klage kann in der Sache aber keinen Erfolg haben. Der Beschluss des Sanktionsausschusses der Eurex Deutschland vom 03.03.2000 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

27Der angefochtene

  Beschluss ist wirksam. Soweit im Rubrum des Beschlusses als erlassende Stelle der "Sanktionsausschuss für die Eurex Deutschland und die Eurex Zürich" aufgeführt ist, also eine Stelle, die nicht existiert, führt dies entgegen der Rechtsmeinung der Kläger nicht im Hinblick auf § 44 Abs. 2 Nr. 1 HVwVfG zur Nichtigkeit des Beschlusses. Zwar gehört das Erfordernis, dass bei einem schriftlichen Verwaltungsakt die Behörde erkennbar sein muss, die ihn erlassen hat, nach § 37 Abs. 3 HVwVfG zu den Mindestformerfordernissen eines solchen Verwaltungsakts, wie ihn auch der angefochtene Beschluss darstellt. Hier war den Klägern indes schon aus den Umständen des Erlasses des Beschlusses bekannt, dass es sich um einen Beschluss des Sanktionsausschusses für die Eurex Deutschland handelte. Insbesondere wussten sie aufgrund des Ladungsschreibens vom 07.02.2000 (Bl. 59 d. Verwaltungsvorgänge), dass die mündliche Verhandlung am 03.03.2000 vor dem "Sanktionsausschuss der Eurex Deutschland" stattfand; außerdem ergibt sich dies auch aus dem Protokoll der Sitzung (Bl. 103 ff. d. Verwaltungsvorgänge). Darüber hinaus trägt der Beschluss die Überschrift "AZ: 1/2000 Eurex Deutschland", aus der sich ebenfalls ohne Zweifel ergibt, dass es sich bei der erlassenden Behörde um eine Stelle der Beklagten handelte. Folglich kann schon daraus, aber auch aus den weiteren Umständen, insbesondere aus dem Text des Beschlusses selbst, ohne weiteres ersehen werden, welche Stelle den Beschluss wirklich erlassen hat und gegen wen ein etwaiger Rechtsbehelf zu richten war. Unter diesen Umständen ist die erlassende Behörde hinreichend erkennbar, so dass deren irrtümliche Bezeichnung nicht zur Nichtigkeit des Beschlusses im Hinblick auf §§ 37, 44 VwVfG führt (Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 7. Auflage, § 37 Rn. 29 f.; Sachs in : Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 6. Auflage, § 44 Rn. 127 m. Fn. 375).

Der im Verfahren nach der Sanktionsausschussverordnung vom 18. Dezember 1996 (GVBl. 1997 I S. 19), geändert durch Verordnung vom 17. März 1999 (GVBL. I S. 292), zustande gekommene Beschluss des Sanktionsausschusses leidet nicht an formellen Rechtsfehlern. Insbesondere sieht die Kammer auf der Grundlage der Verwaltungsvorgänge und der entsprechenden Darlegungen der Beklagten im gerichtlichen Verfahren keinen Anlass, die ordnungsgemäße Besetzung des Ausschusses im Hinblick auf §§ 2, 3 Sanktionsausschussverordnung zu bezweifeln. Dass der mittlerweile ergangene Berichtigungsbeschluss von einem nicht ordnungsgemäß zusammengesetzten Ausschuss gefasst wurde, berührt die Rechtmäßigkeit des Ausgangsbeschlusses insoweit nicht. Sonstige Verfahrensverstöße haben die Kläger nicht gerügt und sind auch nicht ersichtlich.

Auch in der Sache ist der angefochtene Beschluss frei von Rechtsfehlern. Der Sanktionsausschuss hat die Kläger zu Recht wegen der von ihnen begangenen Verstöße gegen Nr. 1.3.3 Abs. 5 der Bedingungen für den Handel an der Eurex Deutschland und der Eurex Zürich mit je einem Verweis belegt. Rechtsgrundlage hierfür ist § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BörsG, da die Kläger die Verstöße vorsätzlich begangen haben. Wegen der Verstöße kann im einzelnen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen und hier von einer weiteren Darlegung der Entscheidungsgründe abgesehen werden (§ 117 Abs. 5 VwGO), zumal die Kläger die Verstöße selbst nicht in Abrede stellen. Auch im übrigen kann die Kammer zur Begründung zunächst auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss Bezug nehmen.

31Die Voraussetzungen für die Erteilung der Verweise können nicht mit der von den Klägern vorgebrachten Erwägung in Zweifel gezogen werden, die Bedingungen für den Handel an der Eurex Deutschland und der Eurex Zürich seien unwirksam, so dass es sich nicht um i. S. v. § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BörsG beachtliche Verstöße handele. Umstände, die die Annahme begründeten, dem Regelwerk komme keine Wirksamkeit zu, sind nicht ersichtlich.

Entgegen der von den Klägern vertretenen Rechtsauffassung sind die Handelsbedingungen nicht deshalb unwirksam, weil sie nicht förmlich ausgefertigt worden sind. Es handelt sich bei den Handelsbedingungen nicht um eine Satzung, deren Wirksamkeit eine förmliche Ausfertigung voraussetzt. Als solche erlässt der Börsenrat vor allem die Börsenordnung (§ 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 S. 1 BörsG). Hinsichtlich der übrigen vom Börsenrat zu erlassenden Bestimmungen sieht das Börsengesetz nicht vor, dass sie in der Form einer Satzung zu erlassen und mithin auch auszufertigen seien. Dies gilt mangels anderer Regelung jedenfalls für den dem Börsenrat obliegenden Erlass der Bedingungen für die Geschäfte an der Börse (§ 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 BörsG), zu denen die hier streitigen Handelsbedingungen zu rechnen sind. Das ergibt sich nicht zuletzt auch daraus, dass diese im Unterschied zur Börsenordnung oder zur Gebührenordnung nicht der Genehmigung durch die Börsenaufsichtsbehörde bedürfen. Nachdem die Beklagte auf die Aufklärungsverfügung der Kammer vom 31.07.2001 hinreichend substantiiert die Beschlussfassung des Börsenrats über die Bedingungen für den Handel an der Eurex Deutschland und der Eurex Zürich am 18.09.1998 und die den dafür geltenden Bestimmungen der Börsenordnung entsprechende Veröffentlichung in der Homepage der Eurex Deutschland am Tag des Wirksamwerdens, dem 28.09.1998, dargelegt hat, hat die Kammer in dieser Hinsicht keine rechtlichen Bedenken mehr. Insbesondere wurden die Handelsbedingungen durch das zuständige Börsenorgan, nämlich durch den Börsenrat und nicht etwa, wie die Kläger vortragen, durch die Geschäftsführung, erlassen.

Daraus folgt auch, dass es im Ergebnis nicht beanstandet werden kann, dass der Börsenrat die Festlegung der für die Anwendung der Regelung maßgebenden Mindestauftragsgrößen der Geschäftsführung überantwortet hat (Nr.1.3.3. Abs. 5 Satz 3). Er hat damit nicht seine eigene Regelungskompetenz auf die Geschäftsführung übertragen, was nach Maßgabe von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BörsG bedenklich erscheinen könnte, sondern lediglich die Geschäftsführung ermächtigt, mit der Mindestauftragsgröße eine inhaltliche Voraussetzung für die Anwendbarkeit von Nr. 1.3.3. Abs. 5 der Handelsbedingungen zu konkretisieren. Ein Verstoß gegen den "Vorbehalt des Gesetzes", wie die Kläger meinen, kann darin nicht gesehen werden.

34Auch in der Sache begegnet die in Nr. 1.3.3 Abs. 5 der Handelsbedingungen getroffene Regelung rechtlichen Bedenken nicht. Sie ist insbesondere nicht nach Maßgabe des AGBG als unwirksam anzusehen, wie die Kläger meinen. Es bedarf an dieser Stelle keiner abschließenden rechtlichen Qualifizierung der Handelsbedingungen. Jedenfalls können sie nicht als allgemeine Geschäftsbedingungen angesehen werden, deren Wirksamkeit nach Maßgabe des AGB-Gesetzes zu beurteilen wäre. Auch wenn die Handelsbedingungen nicht in der Form einer Satzung zu beschließen und zu veröffentlichen sind, können sie schon deswegen nicht als allgemeine Geschäftsbedingungen qualifiziert werden, weil sie in der Sache keine vorformulierten Vertragsbedingungen der Beklagten gegenüber einem Vertragspartner darstellen. Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass zwischen ihr und den Börsenteilnehmern - also auch den Klägern - kein Vertrag zustande komme, diese vielmehr lediglich die öffentlich-rechtlich geregelte Börsenorganisation sowohl in technischer wie rechtlicher Hinsicht für ihre Vertragsabschlüsse nutzten. Auch bei dem hier streitigen Clearing von OTC-Geschäften kommt ein Vertragsabschluss allenfalls mit der Eurex Clearing AG zustande, nicht jedoch mit der Beklagten. Folglich könnten zwar die von der Eurex Clearing AG erlassenen "Bedingungen für die Nutzung der Block-Trade-Facility (Allgemeine Teilnahmebedingungen)" als AGB angesehen werden, zumal die Eurex Clearing AG die Teilnahme an der Block-Trade-Facility von der Anerkennung dieser Ausführungsbestimmungen durch die jeweiligen Teilnehmer abhängig macht. Ein Verstoß gegen diese Bestimmungen ist indes nicht Grundlage des angefochtenen Beschlusses des Sanktionsausschusses. Nach alledem stellen die Handelsbedingungen jedenfalls nicht "privatrechtliche", am Maßstab des AGBG zu prüfende allgemeine Geschäftsbedingungen dar, ohne dass es hier noch darauf ankommt, ihre Rechtsqualität, sei es als besondere privatrechtlich-öffentlich-rechtliche Regelung, sei es als AGB-ähnliche Usancen, sei es als Allgemeinverfügung oder als Rechtsnorm sui generis (zu alledem Breitkreuz, Die Ordnung der Börse, S. 132 ff.) abschließend zu bestimmen.

Bedenken gegen die Wirksamkeit von Nr. 1.3.3. Absatz 5 der Handelsbedingungen ergeben sich auch nicht aus den Besonderheiten der von den Klägern getätigten und eingegebenen Geschäfte. Es mag zwar zutreffen - und wird auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt -, dass in den von den Klägern eingegebenen Geschäften in keinem einzigen Fall eine Preismanipulation festzustellen gewesen sei, so dass auch in keinem Fall das der Vorschrift zugrundeliegende Ziel gefährdet wurde, das ordnungsgemäße Zustandekommen der Börsenpreise zu gewährleisten (vgl. § 11 Abs. 2 S. 1 BörsG). Soweit die Kläger sich diesbezüglich darauf berufen, dass es sich bei den von ihnen eingegebenen Geschäften um solche handele, die bereits zuvor, also außerbörslich, abgeschlossen waren, vermag dieser Umstand nicht dazu zu führen, der Regelung ihre Geltung auch für die von den Klägern eingegebenen Geschäfte oder ihre Wirksamkeit abzusprechen. Auch wenn die ordnungsgemäße Preisbildung an der Börse deshalb nicht berührt sein kann, weil die Vertragspartner sich bereits außerbörslich über die Vertragsbedingungen und insbesondere den Preis einig geworden sind, haben die Kläger doch, soweit sie sich zur Abwicklung dieser Geschäfte der Einrichtungen der Beklagten bedienen, die für die Nutzung dieser Einrichtung geltenden Bestimmungen grundsätzlich zu beachten und können diese Bestimmungen nicht etwa im Hinblick auf eine gewisse Atypik der eingegebenen Geschäfte insoweit als obsolet erscheinen.

36Dies gilt selbst dann, wenn mit den Klägern anzunehmen wäre, dass bereits zum Zeitpunkt der Verstöße die Regelung in 1.3.3 Abs. 5 der Handelsbedingungen den technischen Möglichkeiten für die Abwicklung derartiger Geschäfte nicht mehr hinreichend gerecht geworden sein sollte. Für die Annahme, dass dies der Fall gewesen ist, spricht der Umstand, dass die Beklagte nach eigenem Bekunden die Regel auch im Hinblick auf die ihr nunmehr zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten geändert hat. Das kann freilich nicht dazu führen, auch für die Vergangenheit die Wirksamkeit der damals geltenden Regelung in Abrede zu stellen. Allein der tatsächliche technische Fortschritt kann nicht zur Unwirksamkeit normativer Bestimmungen führen, die in früherer Zeit unter anderen technischen Bedingungen erlassen worden sind. Ebenso wenig kann sich aus dem Umstand, dass die Beklagte die technische Entwicklung zum Anlass nimmt, ihr Regelwerk an den neuen technischen Standard anzupassen, der von den Klägern reklamierte Vertrauensschutz ergeben, von der Beachtung der geltenden Handelsbedingungen entbunden zu sein, zumal die Beklagte nach eigenen, aufgrund der Verwaltungsvorgänge nachvollziehbaren und auch unbestrittenen Angaben den Klägern niemals in Aussicht gestellt hat, sie werde auf eine Ahndung von Verstößen gegen Nr. 1.3.3. Absatz 5 der Handelsbedingungen verzichten.

Der Sanktionsausschuss hat auch das ihm zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Er hat einen Verweis für jeden der Kläger - als mildeste der in § 9 Abs. 2 BörsG vorgesehenen Sanktionen - als ausreichend erachtet. Dies ist rechtlich angesichts der dem Gericht insoweit durch § 114 VwGO gezogenen Grenzen nicht zu beanstanden, zumal bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem Sanktionsausschuss eine Einstellung des Verfahrens erörtert worden ist, was darauf hindeutet, dass auch der Sanktionsausschuss die Verstöße als geringfügig angesehen hat, ohne dass dies indes verbindlich so entschieden worden ist. Bei seiner Entscheidung hat der Sanktionsausschuss zudem zu Gunsten der Kläger in Rechnung gestellt, dass sie in keinem einzigen Fall eine Preismanipulation vorgenommen hatten und im übrigen ein Verfahren zur Änderung der streitigen Regel im Hinblick auf die zwischenzeitlich, d.h. bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung des Sanktionsausschusses eingetretenen tatsächlichen Verhältnisse eingeleitet worden war. Auch die übrigen rechtlichen Interessen der Kläger hat der Sanktionsausschuss bei dieser Entscheidung berücksichtigt, ohne dass ersichtlich wäre, dass er dabei den ihm eingeräumten Ermessenspielraum überschritten hätte.

Soweit sich die Kläger auf Grundrechtsschutz nach Art. 12 Abs. 1 berufen, geht ihr Vorbringen fehl, da sie dieses nur Staatsbürgern zustehende Grundrecht als Ausländer nicht geltend machen können. Im übrigen ist aber auch nicht ersichtlich, dass die Kläger durch die streitige Maßnahme in ihren aufgrund anderer Rechtsgrundlagen geschützten Rechtspositionen unzumutbar beeinträchtigt würden. Diesbezüglich ist für das Gericht von entscheidender Bedeutung, dass die Kläger das Abwicklungssystem der Beklagten aus freiem Willen nutzen, ohne darauf angewiesen zu sein, da die von ihnen eingegebenen Geschäfte, wie dargelegt, außerbörslich geschlossen werden. Die Nutzung der technischen Möglichkeiten der Beklagten ist für die Kläger vorteilhaft, da sie insbesondere das Risiko des Ausfalls eines Geschäftspartners mindert oder ganz abnimmt. Es kann folglich unter keiner denkbaren Betrachtungsweise als unzumutbar angesehen werden, wenn die Kläger zu Erlangung dieses Vorteils andererseits die Bedingungen der Beklagten für die Nutzung ihrer technischen Systeme beachten müssen.

Schließlich steht dem Beschluss des Sanktionsausschusses vom 03.03.2000 auch nicht der Rechtsgedanke des § 2 Abs. 2 StGB entgegen. Schon dem Sinngehalt nach kann der in § 2 Abs. 2 StGB zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke nicht auf diesen Fall übertragen werden, da durch die Änderung von Nr. 1.3.3. Abs. 5 der Handelsbedingungen nicht Sanktionen verschärft worden sind, sondern lediglich die bei der Eingabe von OTC-Geschäften zu beachtenden Anforderungen gemildert worden sind. § 2 Abs. 2 StGB betrifft aber nur eine Änderung der "Strafdrohung". Darauf kommt es aber letztlich nicht entscheidend an; denn die dem StGB zugrunde liegenden Rechtsgedanken können ohnehin nicht ohne weiteres auf ein Verwaltungsverfahren, welches den Vorschriften des Hess.VwVfG folgt, übertragen werden. Auch der Umstand, dass heute - anders als zum Zeitpunkt der Verstöße - die Möglichkeit besteht, OTC-Geschäfte außerbörslich durch die Beklagte "clearen" zu lassen, berührt nicht die Rechtswidrigkeit der hier streitgegenständlichen Verstöße.

Als unterliegende Beteiligte haben die Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO, wobei die Kosten gleichmäßig unter ihnen zu verteilen sind, § 159 VwGO i. V. m. § 100 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Zulassung der Berufung beruht auf der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 a Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).