OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 28.01.2002 - 5 W 2/2002, 5 W 2/02
Fundstelle
openJur 2012, 23250
  • Rkr:
Tenor

Der Beschluss der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hanau vom 6. Dezember 2001 wird aufgehoben.

Das Landgericht wird angewiesen, den Zwangsvollstreckungsantrag der Gläubigerin nicht mit der Begründung zurückzuweisen, ihr Anspruch auf Bucheinsicht unter Heranziehung eines Wirtschaftsprüfers oder eines vereidigten Buchsachverständigen sei durch das rechtskräftige Teilurteil des Landgerichts Hanau vom 20. Juli 2000 nicht tituliert.

Zur weiteren Entscheidung über den Antrag sowie über die Kosten des Beschwerdeverfahrens wird die Sache an das Landgericht Hanau - 1. Kammer für Handelssachen - zurückverwiesen.

Gründe

Die gemäß §§ 793 Abs. 1, 577 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Gläubigerin führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Das Landgericht hat zu Unrecht den Standpunkt eingenommen, der Antrag der Gläubigerin auf Zwangsmaßnahmen gegen die Schuldnerin sei deshalb unbegründet, weil es an einem Titel fehle, der die Gläubigerin berechtige, mit Hilfe eines Wirtschaftsprüfers Bucheinsicht zu nehmen. In dem rechtskräftigen Teilurteil ist die Schuldnerin, dem Wortlaut des § 87 c Abs. 4 HGB entsprechend, verurteilt worden, nach ihrer Wahl entweder der Gläubigerin oder einem von ihr zu bestimmenden Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchsachverständigen Einsicht in die Geschäftsbücher oder die sonstigen Urkunden so weit zu gewähren, wie dies zur Feststellung der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Abrechnung oder des Buchauszugs erforderlich ist. Das ihr zustehende Wahlrecht hat die Schuldnerin in der Weise ausgeübt, dass sie den Zutritt zu ihren Geschäftsräumen nur der Gläubigerin persönlich - nicht ihrem Wirtschaftsprüfer - gestatten will. Das ist jedoch nach dem Titel nicht gerechtfertigt. Wird die Verurteilung zur Bucheinsicht gemäß § 87 c Abs. 4 HGB entsprechend dem Gesetzeswort tituliert, und wählt der Unternehmer die Einsichtnahme durch den Handelsvertreter, dann ist damit zugleich ausgesprochen, dass dieser sich eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchsachverständigen bei der Einsichtnahme bedienen darf, auch wenn dies nicht ausdrücklich im Titel angeordnet ist.

Zwar ist einzuräumen, dass die Alternative "entweder - oder", wenn man am Wortlaut haftet, so verstanden werden könnte, dass die Wahl nur zwischen einem Wirtschaftsprüfer (oder vereidigtem Buchprüfer) oder der Einsicht ohne einen solchen eröffnet ist. Der Titel ist jedoch der Auslegung zugänglich, wobei zur Bestimmung seiner Tragweite gerade die gesetzliche Bestimmung heranzuziehen ist, der der Ausspruch bis in die Einzelheiten der Formulierung gefolgt ist.

§ 87 c Abs. 4 HGB enthält keine derartige Ausschließlichkeit. Das Wahlrecht für einem Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchsachverständigen ist dem Unternehmer an die Hand gegeben, um seinem Geheimhaltungsinteresse Rechnung tragen zu können (MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 c HGB Rn. 74; Ebenroth/Boujong/Joost/Löwisch, § 87 c HGB Rn. 45). Entscheidet er sich für diese Alternative, ist dem Handelsvertreter persönlich die Einsicht verwehrt. Macht der Unternehmer von seinem Schutzrecht keinen Gebrauch und wählt er die Einsicht durch den Handelsvertreter, dann bedeutet dies hingegen nicht, dass der Handelsvertreter nur höchstpersönlich Bucheinsicht nehmen dürfte. Es entspricht vielmehr allgemeiner Auffassung, dass er berechtigt ist, sich einer solchen Hilfsperson zu bedienen (KG DB 1971, 1204; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 c HGB Rn. 75; Ebenroth/Boujong/Joost/Löwisch § 87 c HGB Rn. 45; Baumbach/Hopt, 30. Aufl. 2000, § 87 c HGB Rn. 27). Anderenfalls würde der Anspruch des Handelsvertreters in den Fällen entwertet werden, in denen er nicht in der Lage ist, das Einsichtsrecht sachgerecht wahrzunehmen. Auch das Landgericht nimmt insoweit keinen abweichenden Standpunkt ein, es meint lediglich, es bedürfe insoweit einer ausdrücklichen Titulierung. Diese Forderung erscheint jedoch als zu weitgehend und auch als sachlich nicht geboten.

Die Zurückverweisung (§ 575 ZPO) gibt der Gläubigerin und dem Landgericht Gelegenheit, erneut zu überprüfen, welche Zwangsmaßnahmen zu ergreifen sind, sofern die Schuldnerin überhaupt noch an ihrer Auffassung festhalten sollte, dem von der Gläubigerin hinzugezogenen Wirtschaftsprüfer den Zutritt zu versagen. Da die Schuldnerin die Einsichtnahme als solche nicht verwehrt, sondern nur den Zutritt des Wirtschaftsprüfers nicht gestattet hat, erscheint die auf Anraten des Landgerichts beantragte Ersatzvornahme gemäß § 887 ZPO nicht als die richtige Vollstreckungsart. Zu der Frage, wie die Einsichtnahme in Geschäftsunterlagen zu vollstrecken ist, finden sich unterschiedliche Stellungnahmen. Teilweise wird ohne Einschränkung auf § 887 ZPO abgestellt (Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer, 2. Aufl. 1995, § 87 c Rn. 19; Koller/Roth, 3. Aufl. 2002, § 87 c HGB Rn. 17), teilweise wird eine entsprechende Anwendung des § 883 ZPO bejaht (OLG Frankfurt NJW-RR 1992, 171 zu § 51 a Abs. 1 GmbHG; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene § 87 c HGB Rn. 82; Zöller/Stöber, 22. Aufl. 2001, § 883 ZPO Rn. 2; Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 11. Aufl. 1997, § 70 I 1 a, S. 962; Seetzen WM 1985, 213, 218), teilweise werden die §§ 883 und 887 nebeneinander genannt (Ebenroth/Boujong/Joost/Löwisch § 87 c HGB Rn. 54).

Nach Ansicht des Senats ist danach zu differenzieren, welche Handlung oder Unterlassung jeweils durchgesetzt werden soll. Eine Vollstreckung nach § 887 ZPO wegen einer vertretbaren Handlung kommt beispielsweise in Betracht, wenn die Schuldnerin den Zugang insgesamt versperrt hätte und etwa Schlösser zu erbrechen wären oder wenn (vorhandene) Unterlagen, deren Standort bekannt ist, erst noch zusammengesucht werden müssten, weil es sich dabei jeweils um Handlungen handelt, die auch ein Dritter vornehmen könnte. Im Regelfall wird sich ein Vorgehen entsprechend § 883 ZPO zur vorübergehenden Überlassung im Geschäftslokal als zweckmäßig empfehlen. Der Gerichtsvollzieher kann die Räume des Schuldners durchsuchen (§ 758 ZPO), und der Gläubiger kann den Schuldner zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zwingen, wenn die Sache nicht vorgefunden wird (§ 883 Abs. 2 ZPO). Vorliegend geht es jedoch nur darum, die im Titel enthaltene Duldungspflicht der Schuldnerin in dem Punkt durchzusetzen, dass zusätzlich einem Wirtschaftsprüfer der Zutritt gewährt wird, wofür nach Wahl des Gläubigers auch die Wege des § 890 ZPO und des § 892 ZPO in Betracht kommen können (MünchKommZPO/Schilken, 2. Aufl. 2001, § 892 ZPO Rn. 2).

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens war dem Landgericht zu übertragen, da derzeit noch nicht feststeht, ob und in welchem Umfang die Gläubigerin im Ergebnis mit ihrem Antrag Erfolg haben wird.